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J. Rehmke: Die Seele des Menschen. Aus Natur und Geisteswelt. Bd. 36. Leipzig, Teubner. 1902. 156 S.

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{"created":"2022-01-31T16:30:51.042419+00:00","id":"lit32391","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ameseder","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 38: 305-307","fulltext":[{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"305\nLiteraturbericht.\nJ. Rehxke. Die Seele des Menschen. Aus Natur und Geisteswelt. Bd. 36.\nLeipzig, Teubner. 1902. 156 S.\nVerf. behandelt in einem ersten Abschnitt seiner popul\u00e4ren Schrift das Seelenwesen, im zweiten das Seelenleben.\nJedes Gegebene unserer Erfahrung ist entweder Einzelwesen oder Bestimmtheit eines solchen; letztere kann verlierbar sein (wie Rot oder Gr\u00fcn) oder unverlierbar (wie Farbe; letztes Allgemeines). Die Seele ist nun entweder Einzelwesen oder Bestimmtheit. W\u00e4re sie etwa Bestimmtheit des Gehirns (Materialismus), so m\u00fcfste sie sinnlich wahrnehmbar sein, da alle \u00fcbrigen k\u00f6rperlichen Bestimmungen sinnlich wahrnehmbar sind. Da der Leib aber auch keine Bestimmtheit ist, und es kein Einzelwesen geben kann, das aus Einzelwesen und einer zu keinem derselben geh\u00f6renden Bestimmtheit best\u00fcnde, ist die Seele selbst ein Einzelwesen. Auch eine \u201eWirkung\u201c des Gehirnes kann die Seele nicht sein, da sie dann Bestimmtheit w\u00e4re, aber nat\u00fcrlich niemals Bestimmtheit eines K\u00f6rperlichen sein kann. Die Seele ist aber nicht nur ein Einzelwesen schlechtweg, sondern auch ein einfaches. \u201eDen Einwand, dafs doch die Seele als die urs\u00e4chliche Einheit . . . von \u201eEmpfindungen\u201c, die miteinander in Wirkungszusammenhang stehen, siehe die physiologisch verbr\u00e4mte subjektlose Psychologie unserer Zeit \u2014 gefafst werden k\u00f6nne \u2014 diesen Einwand ber\u00fccksichtige ich hier nicht.\u201c Mit der Einfachheit des Einzelwesens Seele dr\u00e4ngt sich aber auch der Gedanke an seine Unverg\u00e4nglichkeit auf. \u2014 Der Mensch ist einerseits die Einheit von Leib und Seele, dasselbe gilt \u201evom Ich\u201c, wobei die Einheit als \u201ebewufste\u201c besonders zum Ausdruck kommt; andererseits kann mit \u201eMensch\u201c aber auch der Leib besonders bezeichnet werden, mit \u201eIch\u201c die Seele. W\u00e4re das Bewufstsein eine Bestimmtheit, dann m\u00fcfste es eine unverlierbare sein; und somit w\u00e4re noch eine Bestimmtheit erforderlich, die mit ihr zusammen ein Einzelwesen ausmacht, was nicht der Fall ist. Dann mufs aber das Bewufstsein Einzelwesen sein und mit Seele identisch. Demgem\u00e4fs hat es keinen Sinn, z. B. von unbewufsten Vorstellen zu sprechen. \u2014 Da die Seele keinerlei r\u00e4umliche Eigenschaften hat, k\u00f6nnen Seelen durch entsprechende Ver\u00e4nderung niemals gleich werden: sie werden vielmehr dieselbe Seele; die M\u00f6glichkeit hierf\u00fcr ergibt sich aus dem Wesen der Seele \u00fcberhaupt\nDie Seele als entwickeltes Wesen ist ein nach drei Seiten hin differenziertes Bewufstsein. Der Mensch ist gegenst\u00e4ndliches Bewufstsein,\nZeitschrift f\u00e4r Psychologie 88.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n806\nwenn er tastet, sieht, h\u00f6rt, schmeckt, riecht, also wahrnimmt,\u2022 oder auch, wenn er \u201evorstellt\u201c was f\u00fcr Verf. mit Reproduzieren identisch ist. Die Seele ist immer gegenst\u00e4ndliches Bewufstsein, daneben unterscheidet sie aber auch stets, und meist vereint sie auch das Verschiedene (denkendes Bewufstsein). Die Vorstellungen usw. sind dabei Besonderheiten, nicht Einzelwesen; daher ist eine Einwirkung von Vorstellungen auf Vorstellungen unm\u00f6glich. Unter zust\u00e4ndlichem Bewufstsein versteht Verf. Lust und Unlust und wendet sich dabei mit Recht gegen die Behauptung vom Vorkommen indifferenter Gef\u00fchle. Diese drei Bestimmtheiten sind unverlierbare. Als urs\u00e4chliches Bewufstsein kommt das Wollen in Betracht Unmittelbar sind nur die Wirkungen des Bewufstseins auf das Gehirn, diese aber sind unwillk\u00fcrlich. Urs\u00e4chliches Bewufstsein ist jenes, das sich der urs\u00e4chlichen Beziehung angesichts einer erst vorgestellten Ver\u00e4nderung bewufst ist; diese Wirkungen sind mittelbare. Das urs\u00e4chliche Bewufstsein i\u00dft nicht eine unverlierbare Bestimmtheit, sondern \u201eeine augenblickliche Bewufstseinseinheit\u201c in solcher urs\u00e4chlicher Beziehung.\nAlle k\u00f6rperlichen Bestimmtheiten weisen eine einheitstiftende auf, die \u00d6rtlichkeit; eine solche mufs es auch f\u00fcr die drei seelischen Bestimmtheiten geben; Verf. nennt es das Subjekt der Seele. Es ist nicht etwa ein Einzelwesen, sondern \u201eein einfaches Allgemeines, aber trotz alledem eine von den besonderen Bestimmtheiten eines jedes Seelenaugenblicks\u201c. Nat\u00fcrlich ist dieses Seelensubjekt ebenso ein X, wie Verf. es (S. 48) an jenem Einzelwesen tadelt, dessen Bestimmtheit das Bewufstsein sein sollte.\nDie Seele verdankt ihr Leben, d. h. ihre Ver\u00e4nderungen einem zweiten Einzelwesen, dem Gehirn. Sie ist aber nicht seine Sch\u00f6pfung, sondern nur von ihm abh\u00e4ngig, wie sie auch auf dasselbe ein wirkt. Das Wahrgenominene oder Vorgestellte ist f\u00fcr die psychologische Betrachtung die Besonderheit einer gegenst\u00e4ndlichen Bewufstseinsbestimmtheit des Wahrnehmens oder Vorstellens und heifse Wahrnehmung oder Vorstellung.\nVerf. z\u00e4hlt nun in herk\u00f6mmlicher Weise die Sinneswahrnehmungen auf. Sie sind \u201eurspr\u00fcngliche\u201c Bewufstseinsbestimmtheiten, da ihre Besonderheiten ausschliefslich im Leiblichen ihre Bedingungen haben. Jegliche Wahrnehmung kann als Raumwahrnehmung und als Empfindungswahrnehmung aufgefafst werden. Die Empfindung ist nicht \u2014 wie vielfach behauptet wird \u2014 das Urspr\u00fcngliche, sondern nur ein St\u00fcck desselben (n\u00e4mlich der Wahrnehmung). Die M\u00f6glichkeit des Wiederhabens von Vorstellungen beruht nicht in einer latenten Fortdauer derselben, sondern wie Verf. mit Recht betont in bleibenden Ver\u00e4nderungen des Gehirns; die veranlassende Bedingung f\u00fcr das Wiedereintreten ist die gegenw\u00e4rtige Bewufstseinsbestimmtheit. Daraus ergibt sich \u201edas\u201c Gesetz des Vorstellens : \u201eJedes Vorstellen der Seele setzt ein zweigliederiges Zusammen in fr\u00fcherem Seelenaugenblicke voraus ; wenn die Seele ein Zusammen (A B) fr\u00fcher gehabt hat, so kann sie das eine Glied (A oder B) dieses Zusammens .vorstellen, sobald ihr nur das andere Glied (B oder A) wiedergegeben ist.\u201c Mit diesem mufs jedes richtige Vorstellungsgesetz im Einklang stehen.\nHat die Seele unterschiedene Wahrnehmungen, so sind die \u00e4ufseren Bedingungen v\u00f6llig gleiche, wie bei ununterschiedenen, der besondere Grund daf\u00fcr, dafs sie unterschieden sind, kann somit nur in der Seele","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n307\nliegen, genauer in der einheitstiftenden Bestimmtheit, dem Seelensubjekt. Entsprechend ist es bei vereinten Wahrnehmungen, doch k\u00f6nnen diese nur vereint sein, wofern sie unterschieden sind. \u2014 Der Mensch kann immer nur ein Gef\u00fchl haben, dagegen wohl auch Gef\u00fchlsvorstellungen, die aber keine Gef\u00fchle, sondern Vorstellungen sind. Wahrnehmungen und Bewufstseins-bes\u00fcmmtheiten der Seele \u00fcberhaupt k\u00f6nnen nie ein Gef\u00fchl hervorrufen\u201c, daher ist die wirkende Bedingung f\u00fcr dasselbe im bestimmten Gehirnzustand zn suchen, dabei kann diese Bedingung wohl auch eine Gesamtheit bilden. Andere als St\u00e4rkeverschiedenheiten gibt es bei Lust und Unlust nicht: Angst und Trauer unterscheiden sich nur verm\u00f6ge begleitender Organempflndungen. Wollen ist die urs\u00e4chliche Selbstbeziehung des Be-wufstseins. Der Wille ist eine seelische Augenblickseinheit, der Trieb eine Bewufstseinsbestimmtheit. \u2014 Es k\u00f6nnen nicht zwei Wollungen nebeneinander bestehen, wohl aber Wille und Trieb. Der Willensinhalt ist immer die Vorstellung eines Lustbringenden. Daher kann die Seele nicht von Anfang an Wille gewesen sein, da dem Vorstellen dasWahmehmen vorausgehen mufs. \u2014 Die Bedingungen des Wollens sind \u201evorgesteLltes Lustgef\u00fchl\u201c und \u201egegenw\u00e4rtiges Gef\u00fchl\u201c; ihre Verschiedenheit ist der \u201epraktische Gegensatz\u201c. In ihm \u201ewurzelt jegliche urs\u00e4chliche Selbstbeziehung der Seele\u201c.\nDas Buch bringt jedenfalls nicht das, was man zun\u00e4chst erwarten w\u00fcrde : eine leichtverst\u00e4ndliche Zusammenfassung des Wissenswertesten aus dem gesicherten Besitz der Psychologie. F\u00fcr den Laien, welcher sich einige psychologische Kenntnisse verschaffen will oder als Nachschlagebuch ist es wohl nicht geeignet. Dagegen gibt es mannigfache Anregung f\u00fcr die Er\u00f6rterung theoretischer Grundfragen der Psychologie. Eingehendere Kritik ist hier unm\u00f6glich, doch scheint es Ref. n\u00f6tig Einiges herauszugreifen. Verf. geht von allgemeinen S\u00e4tzen aus, die jedoch keineswegs apriorisch sind, ja deren Anwendung auf Aufserpsychisches nicht einmal immer statthaft erscheint; aus diesen S\u00e4tzen deduziert er fast alles folgende. Beweise fehlen h\u00e4ufig g\u00e4nzlich, und die Empirie behandelt Verf. mit grofser Selbstverst\u00e4ndlichkeit. Z. B. findet er mit gleicher Sicherheit, dafs der Mensch stets f\u00fchlt, wie dafs er nicht stets begehrt (S. 64). Mit der neueren Psychologie setzt sich Verf. nirgends auseinander und doch w\u00e4re nur von eingehender W\u00fcrdigung aller Einzeltatsachen, welche die neuere Forschung besonders die experimentelle zutage gef\u00f6rdert hat, einiges f\u00fcr diese theoretischen Fragen zu erhoffen; nur mit Hebbabt polemisiert Verf. ab und zu. Am wertvollsten erscheinen Ref. die ' metaphysischen Aufstellungen der ersten Abschnitte; auch die Tatsache ist erfreulich, dafs diesen in unseren Tagen so vernachl\u00e4ssigten Gebieten wieder Interesse und Scharfsinn zugewendet wird.\tAmesedeb (Graz).\nA. B. Kisgsfobd. On the Action of the Rolandic Cortez in Relation to Jack-\nIonian Epilepiy and Volition. Joum. of Mental Science 49 (206), 420\u2014441. 1903.\nDafs der RoLAKDOschen Region des Grofshirns und der von ihr ausgehenden Pyramidenbahn eine hemmende Wirkung auf subkortikale Teile des Nervensystems zukommt, wird allgemein anerkannt. Verf. vertritt nun\n20*","page":307}],"identifier":"lit32391","issued":"1905","language":"de","pages":"305-307","startpages":"305","title":"J. Rehmke: Die Seele des Menschen. Aus Natur und Geisteswelt. Bd. 36. Leipzig, Teubner. 1902. 156 S.","type":"Journal Article","volume":"38"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:30:51.042424+00:00"}

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