Open Access
{"created":"2022-01-31T16:37:45.770921+00:00","id":"lit32481","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 37: 306-308","fulltext":[{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nLit\u00fbraturbericht.\nC. J. France. Tbs SaabUtg llipi\u00dcM. Am. Journ. of Psychol. U (3), 364\u2014407.\n1902.\nDie Spielerleidenschaft in historischer and anthropologischer Beleuchtung macht Verf. zum Gegenstand seiner Untersuchung. Der Wert dieser ' Untersuchung liegt jedenfalls nicht auf psychologischem Gebiet; denn die Analyse der Spielerleidensnhaft fahrt nur bis zu Begriffen wie \u201eHang zu Wagnis und Unsicherheit\u201c, \u201eGewinnsucht\u201c, Reiz des Glaubens ans eigene Gl\u00fcck\u201c usw. Dafs derartig unbestimmte Ausdr\u00fccke nicht ohne weiteres zur Erweiterung oder Berichtigung eines wissenschaftlichen Begriffssystems verwendet werden k\u00f6nnen, d\u00fcrfte kaum bestritten werden. Eine Umfrage, wie sie Framcr veranstaltet hat, um die Verbreitung des Hangs zu Wagnissen im t\u00e4glichen Leben zu bestimmen, ergibt ebenfalls nur ganz unbestimmte Resultate. Das manche Menschen gern etwas riskieren, andere nicht; dafs manche allgemein f\u00fcr Gl\u00fcckspilze, andere f\u00fcr Pechv\u00f6gel gehalten werden, dafs derjenige, dem ein unsicheres Unternehmen gegl\u00fcckt ist, mehr Wagemut besitzt als ein anderer, das sind doch so allgemein bekannte Tatsachen, dafs derjenige sich kaum ein Verdienst erwirbt um die Erweiterung unserer Kenntnisse, der diese Tatsachen einfach konstatiert, ohne sie allgemeineren Zusammenh\u00e4ngen des Seelenlebens einzuordnen. Nur ein Versuch einer solchen Einordnung wird von Frarcz gemacht, wenn er eine Kurve konstruiert, welche zeigt, wie der Wagemut von Knaben und M\u00e4dchen mit zunehmendem Alter in entgegengesetzter Richtung sich ver\u00e4ndert.\nGr\u00f6fseren Wert als die psychologische Analyse scheint dem Ref. die ethische W\u00fcrdigung des Hangs zum Hasardspiel, wie sie weiterhin versucht wird, beanspruchen zu d\u00fcrfen. Die Bemerkung, dafs der leidenschaftliche Spieler nicht in dem Gef\u00fchl der Ungewifsheit gegen\u00fcber dem Wirken des Zufalls sondern in dem Vertrauen auf seinen Stern und in einer damit zusammenh\u00e4ngenden Steigerung seines Selbstbewufstseins den Reiz des Spieles empfindet, ist wohl der Beachtung wert. Der Hinweis auf den Zusammenhang des Selbstvertrauens im Ungewissen, des Glaubens an eine \u00fcbernat\u00fcrliche f\u00fcrsorgende Lenkung des eigenen Schicksals und der praktischen T\u00fcchtigkeit eines Menschen, der Hinweis auf die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung des Gef\u00fchls der Sicherheit in unsicherer Lage ist jedenfalls nicht wertlos f\u00fcr die Beurteilung der Neigung zum Hasardspiel.\nD\u00fcrr (W\u00fcrzburg).\nOskar Pfister. Die Willeaifreiheit Eine kritUch-gystematigelie Untersacbaag.\nBerlin, Georg Reimer. 1904. XII und 405 S. Mk. 6,00.\nVeranlafst durch ein Preisausschreiben der Haager Gesellschaft zur Verteidigung der christlichen Religion unterzog Prisraa das Freiheitsproblem einer ebenso umfassenden wie eindringenden Untersuchung.\nIn der Einleitung pr\u00fcft er die verschiedenen Freiheitsbegriffe und stellte endlich zwei Hauptgruppen fest: Freiheit im rein dynamischen Sinne \u2014 gew\u00f6hnlich psychologische Freiheit genannt \u2014 und Freiheit im praktischen Sinn. Als Subjekt der Freiheit erkennt er die Pers\u00f6nlichkeit Nachdem er Karts Stellung zu der Frage in ihrer ganzen Entwicklung","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Littraturbericht.\n301\ndargelegt \u2014 die Ablehnung seiner Theorie des intelligiblen Charakters erfolgt sp\u00e4ter \u2014 und an ihm eine scharfe Fassung des Probl\u00e8mes gewonnen, gibt er seine Definition des Deterministnus. Pp. versteht darunter \u201eganz allgemein aber auch v\u00f6llig pr\u00e4zis diejenige Ansehauung, welche an eine durchg\u00e4ngige und ausschliefsliche kausale Bedingtheit der konkreten Willenserscheinungen durch die vorausgehenden sich unab\u00e4nderlich auswirkenden inneren und \u00e4ufseren Umst\u00e4nde glaubt und daher die possibilit\u00e9s utriusque partis verwirft. Ob die den Willen bestimmenden Faktoren mehr der Aufsenwelt angeh\u00f6ren oder mehr spontaner Natur sind, ob sie physischen oder psychischen, vern\u00fcnftigen oder unvern\u00fcnftigen Charakter tragen, kommt f\u00fcr den Begriff des Determinismus nicht im mindesten in Betracht (S. 25). Der Begr\u00fcndung des Determinismus und der Widerlegung des Indeterminismus dient das Buch.\nIm ersten Hauptteil l\u00e4fst Verf. all die Faktoren Revue passieren, welche den Willen bestimmen, das Gebiet absoluter Freiheit, das M\u00f6glichkeitsbereich des Indeterminismus einengen. So betrachtet er in rein empirischer Methode die Abh\u00e4ngigkeit des Individuums von seiner Nationalit\u00e4t und von seiner b\u00fcrgerlichen Sph\u00e4re, als dem \u201eInbegriffe aller von menschlicher Lebensbet\u00e4tigung herbeigef\u00fchrten physischen und geistigen Um-gebungselemente\u201c (S. 38), deren Wirkungen sich erkennen lassen in den Umgangsformen, der \u00dcbereinstimmung in \u00e4sthetischen, sittlichen und anderen Urteilen.\nHier findet Pp. Gelegenheit, zur Moralstatistik Stellung zu nehmen. Ohne ihre Bedeutung zu \u00fcbersch\u00e4tzen, wie es nicht selten seitens der Deterministen geschieht, sieht er in ihr doch ein wertvolles Argument f\u00fcr seine Theorie, insofern \u201edie Statistik zwar die M\u00f6glichkeit eines indeterminierten individuellen Willenlebens \u00fcbrig l\u00e4fst, aber nur eines solchen, welches seine Abweichungen vom Drange der determinierten Motive fortw\u00e4hrend neutralisiert und daher wertlos, ja sittlich verwerflich macht\u201c. (S. 350.)\nEndlich zieht er in die Betrachtung herein die Erziehung, die ererbten Anlagen, die physiologischen Bedingungen, besonders die des Gehirnes, die pathologischen Umst\u00e4nde, die durch die Eriminalpsychologie eine eigenartige nicht immer berechtigte Ausdeutung erfahren haben. Diese . Untersuchungen verm\u00f6gen unterdessen den Indeterminismus, wenigstens in der gem\u00e4fsigten Form, nicht ganz aus dem Feld zu schlagen.\nN\u00e4her zum Ziel f\u00fchrt der zweite Hauptteil, der psychologische, welcher der Untersuchung des Bewufstseinsinhaltes gewidmet ist.\nHier zeigt Verf., wie jede Wollung abh\u00e4ngig ist von Gef\u00fchlen und Vorstellungen als Motiven, welche ihre eigene Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit haben und selbst wieder von vorausgehenden Einwirkungen wie von ererbter Anlage und Charakter bedingt sind, also ebenso dem Gesetze der Kausalit\u00e4t gehorchen, wie der von ihnen abh\u00e4ngige Wille.\nDas Zeugnis des vom Indeterminismus so gern ins Feld gef\u00fchrten SelbBt- und Freiheitsbewufstseins ersch\u00fcttert Verf. durch Hinweis auf die Widerspr\u00fcche, in denen es sich mit sich selbst und mit manchen feststehenden Tatsachen befindet, und l\u00e4fst es nur gelten, insoweit es aussagt,\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nLitera turberieht.\n\u201eda\u00df wir ohne einen ans znm Bewu\u00dftsein kommenden \u00e4u\u00dferen oder inneren Zwang zu handeln f\u00e4hig sind\u201c. (S. 161.)\nUnd betreffe der eittlichen Urteile, des Gewissens, der Schuld und des Verdienstes, der Verantwortung und der Zurechnung, der Strafe, des Gewissens und dergl. weist er nach, dafs sie keineswegs durch den Indeterminismus, wie dieser mit so viel Emphase immer wieder zu seinen Gunsten geltend macht, erm\u00f6glicht werden, sondern nur durch den Determinismus, der gleicherweise auch mit den Voraussetzungen und Forderungen des religi\u00f6sen Bewu\u00dftseins gar wohl vereinbar ist.\nDer dritte Hauptteil endlich f\u00fchrt tief in die Philosophie hinein. Hier nimmt Pr. an den bisher in gutem Vertrauen verwendeten Grundbegriffen eine scharfe erkenntn\u00dftheoret\u00dfche und metaphysische Nachpr\u00fcfung vor. Da ist es zuerst der Kausal begriff, der auf seine Tragf\u00e4higkeit geprobt wird und dessen untrennbarer Zusammenhang mit den Begriffen Notwendigkeit und Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit^erwiesen wird.. Nach diesem das Prinzip der geschlossenen physischen Kausalit\u00e4t und ihr Gegenst\u00fcck, das der geschlossenen psychischen Kausalit\u00e4t, und ihr gegenseitiges Verh\u00e4ltnis im konsequenten psycho-phys\u00dfchen Parallelism\u00bb\u00ab, \u201ewobei sich das Parallelprinzip und der mit ihm zusammenh\u00e4ngende idealistische Seelenbegriff, der jede M\u00f6glichkeit der Unabh\u00e4ngigkeit von den vorangehenden inneren und \u00e4u\u00dferen Bedingungen ausschlie\u00dft und damit definitiv den Determinismus auf den Schild erhebt als allein zul\u00e4ssig herausstellten (S. 352), womit die indetermin\u00dftische Behauptung absoluter, independenter Ursachen f\u00fcr den gesamten Umkreis der Wirklichkeit ausgeschlossen ist\" (S. 344). Ein Schlu\u00dfkapitel zeigt nochma\u00df, wie unbegr\u00fcndet die oft ge\u00e4u\u00dferte Bef\u00fcrchtung ist, da\u00df der Determinismus die Moralit\u00e4t gef\u00e4hrde und die Religiosit\u00e4t untergrabe.\nDiese Inhalte\u00fcbersicht l\u00e4\u00dft erkennen, mit wie gr\u00fcndlicher und umfassender Gelehrsamkeit Pfistkb seine Aufgabe behandelt hat. Die Literatur hat er in weitem Umfange herangezogen, ohne indes das Unm\u00f6gliche und \u00dcberfl\u00fcssige einer auch nur ann\u00e4hernden Vol\u00dft\u00e4ndigkeit anstreben zu wollen. Umsomehr waren wir \u00fcberrascht, da\u00df Beiner Aufmerksamkeit Dblboeufs mechanische und Ostwalds chem\u00dfche Theorie der Willensfreiheit, auf die manche neuere Indeterministen, wie Gctbbrlkt, sich st\u00fctzen, entgangen ist. Das mag indes seine Erkl\u00e4rung wohl darin finden, dafs Verf. als Theologe den mathematisch - physikalischen Gedankeng\u00e4ngen ferne steht, wie er denn auch rein theolog\u00dfchen Er\u00f6rterungen einen breiteren Raum gew\u00e4hrt, a\u00df ein nicht - theologischer Bearbeiter f\u00fcr n\u00f6tig halten w\u00fcrde. Aber trotz dieser kleinen L\u00fccke ist das Werk eine kraftvolle, freilich nicht leicht dahinschreitende Verteidigung des Determinismus und wird zweifellos in der alten Streitfrage Gegnern wie Gleichgesinnten als dankenswerter Beitrag erscheinen.\tM. Offnes (Ingo\u00dftadt).\nAnton Seitz. WUleufreiheit und moderner pijdtologloclier Detemlmimu-\nK\u00f6ln, Bachem. 1904. 62 S.\nNach des Verf.s Ansicht liegt in dem Streit \u00fcber die Willensfreiheit \u201edie Wahrheit in der Mitte: in einem relativen Indeterminismus und In differentismus, den man ebensowohl relativen Determin\u00dfmua nennen","page":308}],"identifier":"lit32481","issued":"1904","language":"de","pages":"306-308","startpages":"306","title":"Oskar Pfister: Die Willensfreiheit. Eine kritisch-systematische Untersuchung. Berlin, Georg Reimer. 1904. XII und 405 S.","type":"Journal Article","volume":"37"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:37:45.770926+00:00"}