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{"created":"2022-01-31T16:26:35.511533+00:00","id":"lit32501","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultz, Paul","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 37: 380-383","fulltext":[{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nLUrratnri/trichf.\nOb es geschmackvoller gewesen w\u00e4re, solche unbeweisbaren Ausdr\u00fccke zu vermeiden, wie: \u201e\u00fcberraschend hoch differenzierte psychische Qualit\u00e4ten\u201c bei Hydrozobn, oder \u201eSeelenzelle-1 statt Nervenzelle usw., dar\u00fcber ist, als einer Sache des Geschmackes, kaum mit dem Autor zu rechten.\nA. P\u00fctter (G\u00f6ttingen).\nRam\u00f6n t Cajal. Stadien Iber die Hirnrinde des Menschen. 4. Heft Sie Rlechrinde beim Menschen and S\u00e4ugetier. Mit 84 Abbildungen. Aus dem Spanischen \u00fcbersetzt von Oberarzt Dr. Johannes Bresuer. Leipzig, J. A. Barth. 195-S. 7,50 M.\nDas vorliegende Heft gibt vor allem eine genaue Schilderung von dem anatomischen Bau der Sphenoidalrinde, dem sekund\u00e4ren Olfaktorius-zentrum. Der Vollst\u00e4ndigkeit halber beschreibt Verf., der ein Bild von den zentralen Organen des Olfaktoriussystems geben will, auch den Bulbns olfactorius, die Commissura anterior, den Cortex interhemisphaericus, das Ammonshorn und andere sekund\u00e4re Zentren und Bahnen.\nWas von den fr\u00fcheren Heften gilt, trifft auch f\u00fcr das vorliegende zu. Verf. hat die verschiedensten technischen Methoden verwertet; er beschreibt sehr genau, minuti\u00f6s; daf\u00fcr spricht schon der Umfang der gut ausgestatteten Arbeit. Gute Abbildungen erleichtern das Verst\u00e4ndnis.\nUm nur einiges hervorzuheben, sei hier mitgeteilt, dafs die Riechrinde der Hippocampuswindung eine ganz charakteristische Struktur besitzt, welche sich von derjenigen der \u00fcbrigen Rindengegenden durch verschiedene Merkmale unterscheidet. Die Riechrinde des Menschen ist die am wenigsten vervollkommnete oder, wie sich Verf. geradezu ausdr\u00fcckt, die am wenigsten menschliche aller Sinnessph\u00e4ren. Der Plexus exogener Fasern liegt oberfl\u00e4chlich wie bei niederen Wirbeltieren. Das Ammonshorn scheint keine direkten Olfaktoriusfasern zu besitzen ; vielleicht geh\u00f6rt es zu den terti\u00e4ren Riechzentren.\tErnst Schtjltze (Bonn).\nA. Bethe, Allgemeine Anatomie nnd Physiologie des lemnsystems. Leipzig 1903, 487 S.\nVerf. gibt in dem vorliegenden Buch eine zusammenh\u00e4ngende Darstellung der neuesten Ergebnisse auf dem Gebiete der vergleichenden Histologie und Physiologie des Nervensystems. Der leitende Grundgedanke ist die Best\u00e4tigung und der Ausbau der APATHYschen Lehre, dzfe der wesentlichste und spezifische Bestandteil der Nerven und das Nerv\u00f6se \u00fcberhaupt die Neurofibrillen sind. \u00dcber ein blofses Referat erhebt sich dz\u00bb Buch dadurch, dafs der Verf. eine grofse Reihe neuer eigener bemerkenswerter Untersuchungen mitteilt.\nIn den ersten Kapiteln wird der Begriff der nerv\u00f6sen Einheit er\u00f6rtert, wie er sich historisch entwickelt hat und zuletzt in der Neuronenlehre festgelegt ist. Der Neuron als selbst\u00e4ndiges getrenntes Gebilde stellt nur einen Spezialfall der nerv\u00f6sen Organisation dar; das allgemeine and einheitliche Strukturelement sieht Verf. hingegen mit Apathy in den Neurofibrillen. Bezogen sich Apathys Befunde lediglich auf wirbellose Tiere, so hat Verf. ein gleiches auch f\u00fcr die Wirbeltiere sicher stellen k\u00f6nnen.","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Li teraturberich t.\n381\nWar das Nervensystem der wirbellosen Tiere angeht (IV. Kapitel), so ist dasselbe in den niederen Klassen plexusartig angeordnet, erst bei den h\u00f6heren W\u00fcrmern findet sich ein wirkliches Zentralsystem, dessen Elemente Ganglienzellen (vorwiegend peripolare, daneben auch multipolare) und Neurofibrillen sind. Aus der Beschreibung des Verlaufs der letzteren in den Nervenfasern und Ganglienzellen ergibt sich der Schlufs, dals sie das ganze zentrale und peripherische Nervensystem durchziehen und innerhalb der Ganglienzellen die L\u00fccken \u00fcberbr\u00fccken, welche zwischen plasmatischen Teilen und nerv\u00f6sen bestehen.\nIm V. Kapitel geht Verf. zur Beschreibung der Neurofibrillen bei den Wirbeltieren \u00fcber. In den Nervenfasern erf\u00e4hrt die Perifibrill\u00e4r-Substanz an den RiNViEBschen Schn\u00fcrringen eine v\u00f6llige Unterbrechung, w\u00e4hrend allein die Fibrillen von einem Segment in das andere \u00fcbertreten, wieder ein Beweis, das allein die Fibrillen das leitende und wesentliche Element sind. Auch in den Ganglienzellen konnte Verf. mit seiner Molybd\u00e4nmethode Fibrillen nachweisen, sie ziehen bei den meisten Zellen glatt hindurch, ohne im Innern Verbindungen einzugehen, wie dies gerade bei den Wirbellosen geschieht. Was die Verbindung zwischen fremder Nervenfaser und Ganglienzelle bzw. deren Protoplasmaforts\u00e4tzen angeht, so rekurriert hier Verf. auf die pericellul\u00e4ren Fasernetze, auf die sog. Golginetze, die also den Fibrillengittern der zentralen Fasermassen der Wirbellosen gleichzusetzen sind.\nIm Gegensatz hierzu steht eine andere Form des Nervensystems, welcher das VI. Kapitel gewidmet ist, die Nervennetze. Fasern und Zellen Bind auch hier die Elemente, aber sie bilden ein Netz, indem die Zellen durch breite Fasern direkt miteinander in Verbindung stehen; lange Fasern fehlen ganz. Bei manchen Tieren (Coelenteraten) machen sie das ganze Nervensystem aus, bei anderen kommen sie neben dem zentralen System vor, hier und dort Verbindungen mit ihm eingehend, bei keinem Tier fehlen sie, bei den Vertebraten spielen sie nur im Blutgef\u00e4fssystem eine gr\u00f6fsere Rolle. So weist sie Verf., was besonders hervorgehoben werden mub, im Herzen des Frosches nach ; auch die \u00e4ufserste Spitze des Frosch-herzenB enth\u00e4lt noch Ganglienzellen, wenn auch nur sp\u00e4rlich. Hierbei vertritt Verf. auch noch die Anschauung, dafs beim Frosch die Muskulatur der Kammer und Vorkammer \u00fcberall und vollst\u00e4ndig getrennt ist.\nDie Nervennetze sind, wie im VII. Kapitel ausgef\u00fchrt wird, die phylogenetisch \u00e4lteste Form des Nervensystems. Diese haben sich weiterhin in Ganglienzellen und Fasern als besondere Elemente gesondert. In beiden Elementen verlaufen individuelle Fibrillen, einerseits von der Reiz-aufnehmenden Oberfl\u00e4che her, andererseits zu den Erfolgsorganen (Muskeln, Dr\u00fcsen). Beide Arten von Fibrillen treten durch Gitter in Verbindung, die bei den niederen Nervensystemen innerhalb, bei den h\u00f6heren au\u00dferhalb der Zellen liegen. Hierzu kommt bei den h\u00f6heren Systemen noch die Ausbildung langer Bahnen. F\u00fcr das Experiment ergibt sich, dafs bei Tieren und Organen, welche von Nervennetzen inner viert werden, auch jeder kleinste Teil Reflexe geben kann. Daf\u00fcr bringt Verf. Beweise.\nIm VIII. Kapitel behandelt Verf. die prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit der Ganglienzellen und Nervenfibrillen, d. h. ihre Eigenschaften, in frischem oder","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nLiteraturbericht.\nnur durch Wasserentziehung ver\u00e4ndertem Zustand sich mit den meisten basischen Farbstoffen zu f\u00e4rben. Die prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit der Ganglienzellen ist durch das NissLSche Verfahren demonstriert. Das NissL-Bild der Ganglienzelle ist ein chemisches Reaktionsbild, kein morphologisches Strukturbild. Auch die Fibrillen besitzen die prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit, nur ist sie hier viel labiler. Die Substanz, die sie bedingt, ist die FibriLlens\u00e4ure. Da diese in Alkohol l\u00f6slich ist, so bekommt man bei dem gew\u00f6hnlichen Pr\u00e4paratiousverfahren des Nervensystems, wo der Alkohol zur Fixierung oder zur Entw\u00e4sserung benutzt wird, die Fibrillen nicht zu Gesichte. Die f\u00e4rbbare Substanz der Ganglienzellen ist die NissL-S\u00e4ure, die sich durch gewisse chemische Reaktionen von der Fibrillens\u00e4ure unterscheidet. Einige Besonderheiten im Ganglienzellenbilde nach gewissen Eingriffen werden im IX. Kapitel beschrieben.\nIn den folgenden Kapiteln (X\u2014XII) wendet sich der Verf. zur U nter-suchung der Xerveudegeneration und Regeneration. Hier wird zun\u00e4chst hervorgehoben, dafs die physiologische Degeneration (Aufhebung der Leitungsf\u00e4higkeit) frtlher beginnt als die morphologische (k\u00f6rniger Zerfall der Fibrillen); doch tritt gleichzeitig mit jener eine chemische Ver\u00e4nderung der Neurofibrillen ein, das Verschwinden der Fibrillens\u00e4ure und damit der prim\u00e4ren F\u00e4rbbarkeit. T\u00e4gliche Reizung beschleunigt die Degeneration wesentlich. Die Ursache der Degeneration nach Kontinuit\u00e4tstrennung liegt nicht in der Aufhebung des funktionellen Zusammenhanges zwischen Nervenfaser und trophischem Zentrum, Ganglienzelle, sondern in der lokalen Sch\u00e4digung, in dem Trauma als solchen. Auch bei der Regeneration spielt die Ganglienzelle keine entscheidende Rolle. Bei jungen Tieren vermag ein peripherischer abgetrennter Nerv nach stattgehabter Degeneration sich aus sich selbst vollst\u00e4ndig und bis zur Leitungsf\u00e4higkeit zu regenerieren, \u201eantogene Regeneration\u201c. Ein solcher regenerierter Nerv degeneriert nach einer zweiten Durchschneidung nur in seinem peripheren Teil. Die leitun gef\u00e4lligen Nerven zeigen immer prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit der Neurofibrillen, die leitungsunf\u00e4higen aber vollkommen regenerierten Fasern nicht; auch wieder ein Beweis, dafs die Funktion der Nerven mit der Anwesenheit von Fibrillens\u00e4ure in engem Zusammenhang steht. Bei den Nerven erwachsener Tiere tritt die ontogene Regeneration auch ein, aber nicht vollst\u00e4ndig. Eine ausf\u00fchrliche Beschreibung erf\u00e4hrt dann die Zu-sammenheilung durchschnittener Nervenfasern. Im XIII. Kapitel tritt Vert dem Neuronenbegriff auch als embryologischer Einheit entgegen, indem er gegen die RBMAK-KuPFFM-His'sche Ansicht, dafs die Nervenfasern als lange Ausl\u00e4ufer von den Ganglienzellen auswachsen, mit Apathy u. a den multicellul\u00e4ren Ursprung der Nervenfasern behauptet.\nIm XIV. Kapitel weist Verf. durch Versuche mit \u00f6rtlicher Kompression der Nerven zun\u00e4chst nach, dafs das leitende Element in der Tat die Neurofibrillen sind. In diesen Versuchen, wie in denen mit destilliertem Wasser geht dem Aufh\u00f6ren der Leitungsf\u00e4higkeit der Verlust der prim\u00e4ren F\u00e4rbbarkeit parallel; mit dem Wiedereintritt der Leitungsf\u00e4higkeit er scheint auch die prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit wieder. Auch unter Einwirkung des konstanten Stromes wird die prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit, d. h. die Verteilung","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n383\nder Fibrillens\u00e4ure gesetzm\u00e4\u00dfig ver\u00e4ndert : an der Kathode wird die Affinit\u00e4t zwischen Fibrille und Fibrillens\u00e4ure erh\u00f6ht, an der Anode herabgesetzt; gleichzeitig str\u00f6mt die Fibrillens\u00e4ure zur Kathode hin und von der Anode fort. Die Anwesenheit und die Bewegungsf\u00e4higkeit der Fibrillens\u00e4ure ist also die Bedingung f\u00fcr die Nervenleitung. Andererseits ist in dem Einsetzen der Str\u00f6mung zur Kathode hin und beim \u00d6ffnen das ZurUckstr\u00f6men zur Anode die Anfangsst\u00f6rung zu sehen, von welcher eine Reizwelle ausgeht. Bei frequenter Reizung zeigten die Achsenzylinder in bezug auf die prim\u00e4re F\u00e4rbbarkeit ein kathodisches Aussehen, bei wenig frequenter Reizung oder kurz nach starker Reizung ein mehr anodisches Aussehen. Die Reizwelle ist nach Verf. eine wellenf\u00f6rmig fortschreitende Affinit\u00e4tserh\u00f6hung mit Verschiebung von Fibrillens\u00e4uremolek\u00fclen zum Reizort hin, also ein chemisch-physikalischer Vorgang, wobei der Hauptnachdruck auf das \u201echemisch\u201c zu legen ist. So sucht Verf. in diesem Kapitel die Erscheinungen der Leitung, Reizung und des Elektrotoms auf eine chemische, als eine gemeinsame und einfache Grundlage zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nIn dem XV. Kapitel werden die Unterschiede aufgez\u00e4hlt, welche nach allgemeiner Anschauung zwischen den peripherischen Nerven und dem zentralen Nervensystem bestehen. Die Eigent\u00fcmlichkeiten der letzteren pflegt man auf die darin enthaltenen Ganglienzellen zur\u00fcckzuf\u00fchren. Hiergegen wendet sich Verf. Indem er seinen bekannten Versuch an Carcinus maenas noch einmal ausf\u00fchrlich beschreibt, zeigt er, da\u00df der Reflexvorgang ganz entgegen der bisherigen Anschauung ohne Ganglienzellen zu st\u00e4nde kommen kann.\nDamit ist die \u201eGanglienzellhypothese\u201c entthront.\nIn den folgenden Kapiteln XVI\u2014XXII bespricht Verf. die Reflexumkehr, die Irreziprozit\u00e4t der Zentralteile und die Leitungsverz\u00f6gerung in denselben, Reizsummation und Bahnung, die Wirkungen von Giften auf das Nervensystem, den Tonus, die Hemmung und schlie\u00dflich die rhythmischen Bewegungen. In diesem letzten Kapitel versucht er die Gaskxl-EHomMAN\u00fc\u2019sche Theorie von dem myogenen Ursprung der Herzbewegung zu wiederlegen, indem er sie den Bewegungen der Medusen analog setzt, die durch ein diffuses Nervennetz vermittelt werden.\nDas Vorstehende gibt nur einen sehr allgemeinen \u00dcberblick \u00fcber den reichen Inhalt des Buches, dessen Studium Jedem dringend zu empfehlen ist, der sich f\u00fcr die neueren Forschungen auf dem Gebiete der allgemeinen Anatomie und Physiologie deB Nervensystems interessiert. Manche Behauptungen des Verf. erscheinen auf ungen\u00fcgender Erfahrung oder auf zu schwacher experimenteller Basis aufgebaut und werden daher, wie schon fr\u00fcher, lebhaften Widerspruch erfahren, manche Anschauungen werden sich a\u00df irrt\u00fcmlich erweisen, vielleicht sogar der Grundgedanke von der Bedeutung der Fibrillens\u00e4ure und der Ausbreitung der Fibrillen. Immerhin darf das Buch das Verdienst f\u00fcr sich in Anspruch nehmen, anregend und aufkl\u00e4rend zu wirken und, indem es die Kritik herausfordert und zu neuer Fragestellung f\u00fchrt, die Weiterentwicklung der Wissenschaft zu f\u00f6rdern.\tPaul Schultz (Berlin).","page":383}],"identifier":"lit32501","issued":"1904","language":"de","pages":"380-383","startpages":"380","title":"A. Bethe: Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903, 487 S.","type":"Journal Article","volume":"37"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:35.511539+00:00"}