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{"created":"2022-01-31T16:27:47.437904+00:00","id":"lit32538","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 37: 470-471","fulltext":[{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nLiteraturbericht.\ndruse oder deren strum\u00f6se Entartung, jedenfalls erhebliche Herabsetzung der Funktion; Myx\u00f6dem, das sehr verschieden stark ist und bei alten F\u00e4llen oft fehlt; \u00e4ufserste Apathie und Gleichg\u00fcltigkeit, so dafs man geradezu von \u201ePflanzenmenschen\u201c (Kocher) spricht; protrahierte Entwicklung des Skelett- und Genitalsystems ; An\u00e4mie ; keine oder \u00e4ufserst d\u00fcrftige Schweifssekretion der Haut, die von eigent\u00fcmlich schmutzig-hellbrauner Farbe ist; niedere K\u00f6rpertemperatur.\nVerf. war in der Lage, drei Skelette von Kretins zu untersuchen; danach findet sich nicht die Synostosis spheno-occipitalis, wie Virchow lehrte; im Gegenteil, die Knorpelfuge ist bis im sp\u00e4ten Alter erhalten, entsprechend der auch an anderen Stellen nachzuweisenden Verz\u00f6gerung in der Knochenbildung.\nAuf Grund dieser Symptomenlehre gibt Verf. eine Reihe von differentialdiagnostischen Bemerkungen; diese sind aber nicht etwa nur von akademischem Wert, sondern beanspruchen direkt ein praktisches Interesse, weil wir, vor allem dank den Erfahrungen der Chirurgen und den Beobachtungen experimentierender Physiologen wissen, dafs die Darreichung von Thyreoideasubstanz das beste Mittel in der Bek\u00e4mpfung s\u00e4mtlicher hypothyreoider Zust\u00e4nde ist. Dafs als solcher der Kretinismus aufzufassen ist, ist sicher. \u00dcber die letzten Ursachen des endemischen Kretinismus wissen wir freilich nichts.\nDer Arbeit ist aufser einigen Tafeln mit guten Abbildungen ein ausf\u00fchrliches, etwa 25 Seiten umfassendes Literaturverzeichnis beigegeben.\nErnst Schdltze (Greifswald).\nPelman und Finkelnburg. Die verminderte Zurechnungsf\u00e4higkeit. Zwei Vortr\u00e4ge, gehalten vor der Rheinisch-Westf\u00e4lischen Gef\u00e4ngnisgesellschaft in D\u00fcsseldorf. Bonn, R\u00f6hrscheid & Ebbecke. 1908. 31 S.\nNach Pelman kann das Strafrecht ohne den Begriff der verminderten Zurechnungsf\u00e4higkeit nicht auskommen. Das Institut der mildernden Umst\u00e4nde erweist sich um so weniger als ausreichend, als sie keineswegs bei allen Vergehen vorgesehen sind. Das gilt nicht nur f\u00fcr die Geisteskranken im engeren Sinne, sondern f\u00fcr die Grenzzust\u00e4nde, f\u00fcr anfallsweise auftretende St\u00f6rungen, gewisse k\u00f6rperliche Zust\u00e4nde (Pubert\u00e4t, Menstruation, Schwangerschaft) und besondere seelische Verfassungen und Affekte. P. f\u00fchrt das des genaueren an einzelnen Beispielen aus (Entartung, sexuelle Anomalien, Zwangsvorstellungen, Epilepsie, Hysterie, Schwachsinn). F\u00fcr die vermindert Zurechnungsf\u00e4higen sind nicht mildere, k\u00fcrzere Strafen, sondern, (da solche Individuen wregen der grofsen Gefahr der R\u00fcckf\u00e4lligkeit m\u00f6glichst lange zu detinieren sind,) (\u2014) ganz anders geartete Mafs-regeln neben oder an Stelle der Strafe zu fordern.\nFinkelnburg besch\u00e4ftigt sich als Jurist mit der Frage, welche Konsequenzen sich f\u00fcr das Strafrecht und den Strafvollzug aus der Feststellung der verminderten Zurechnungsf\u00e4higkeit ergeben.\nMan kann daran denken, die verminderte Zurechnungsf\u00e4higkeit nicht in eine besondere Gesetzesbestimmung aufzunehmen, sondern eine ersch\u00f6pfende Ausweitung s\u00e4mtlicher Strafrahmen nach unten hin sowohl hinsichtlich des Strafmafses wie der Strafmittel vorzusehen. Bei einer","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n471\nsolchen individuellen Behandlung der Verbrecher k\u00f6nnen aufser den psychischen St\u00f6rungen auch andere Faktoren, insbesondere die sozialen, in Rechnung gezogen werden, und psychische Anomalien k\u00f6nnten in noch weiterem Matae Ber\u00fccksichtigung finden, als es der Fall w\u00e4re nach Einf\u00fchrung der verminderten Zurechnungsf\u00e4higkeit.\nEine so durchgreifende Reform des Strafzumeesungswesens ist aber ln absehbarer Zeit nicht zu erwarten.\nAus taktischen Gr\u00fcnden ist nur eine Landesvorschrift im Interesse der Defektmenschen dem \u00a7 51 StGB, beizuf\u00fcgen. Das ist bereits in vielen Staaten der Fall. Die unter diesen Paragraphen fallenden Taten sind aber nicht zu ahnden wie ein Versuch, sondern wie die Handlung eines Jugendlichen. Dieses Vorgehen ist nur, nicht logischer, sondern tr\u00e4gt auch dem IndividualiBierungsprinzipe mehr Rechnung.\nHinsichtlich des Strafvollzugs leugnet F. die Notwendigkeit, besondere Zwischenanstalten gr\u00fcnden zu m\u00fcssen; solche erfordert weder das Interesse des Staates noch das der Defektmenschen. Im Gegenteil, F. glaubt, dafs die vorhandenen Anstalten allen Anforderungen gerecht werden k\u00f6nnen bei einer zweckm\u00e4fsigen, individualisierenden Behandlungsweise der Defektnaturen.\nGemeingef\u00e4hrliche unter ihnen m\u00fcssen nach Strafablauf in einer Anstalt zur Sicherung der Gesellschaft verwahrt werden und sollen aus dieser erst dann entlassen werden, wenn der Zustand der Gemeingef\u00e4hrlichkeit sein Ende erreicht hat.\tEiikst Schultzz (Greifswald).\nGustav Aschaffznbubo. loBttsschrift ftr Iriminilpiychelegie \u00abai Straf*\nmkterarenn unter st\u00e4ndiger Mitwirkung von Alfrbd Kloss (Halle a. 8.), Kahl von Lilibnthal (Heidelberg) und Fbanz von Liszt (Berlin). I. Heft, 1904 April.\nDas Strafrecht psychologisch zu vertiefen und auf dieser Grundlage eine erfolgreiche Strafrechtsreform aufbauen zu helfen, das ist die Aufgabe der neuen Zeitschrift f\u00fcr \u201eKriminalpsychologie und Strafrechtsreform\u201c. Hatte der Herausgeber der Zeitschrift, Gustav A8chaffinbxtbg, in seinem schnell bekannt gewordenen Werke \u201eDas Verbrechen und seine Bek\u00e4mpfung\u201c kriminalpsychologisches und statistisches Material gesammelt und mit kritischer Sorgfalt gesichtet, hatte er dort seine pers\u00f6nlichen Erfahrungen niedergelegt, so will er jetzt hier zu gemeinschaftlicher Arbeit auffordern : Theoretiker und Praktiker, Juristen und \u00c4rzte, Strafvollzugsbeamte und Soziologen m\u00fcssen sich in die Arbeit unvoreingenommener Forschung teilen.\nEine kurze programmatische Einleitung: \u201eKriminalpsychologie und Strafrechtsreform\u201c von Gustav Aschaffenbuho weist auf die Hindernisse hin, die der L\u00f6sung der grofsen Probleme von \u201eVerbrechen und Strafe\u201c entgegenBtehen. Eine der Hauptaufgaben, um sie zu \u00fcberwinden, besteht darin, die Psychologie des Verbrechens und des Verbrechers wissenschaftlich zu erforschen. Dafs es sich wirklich lohnt, sich in das Leben des Rechtsbrechers zu vertiefen, ergibt sich aus dem an-geetrebten Ziele, im Kampfe gegen das Verbrechen : es gilt nicht nur den Unbeteiligten zu sch\u00fctzen und abzuschrecken, sondern auch dem ver-","page":471}],"identifier":"lit32538","issued":"1904","language":"de","pages":"470-471","startpages":"470","title":"Pelman und Finkelnburg: Die verminderte Zurechnungsf\u00e4higkeit. Zwei Vortr\u00e4ge, gehalten vor der Rheinisch-Westf\u00e4lischen Gef\u00e4ngnisgesellschaft in D\u00fcsseldorf. Bonn, R\u00f6hrscheid & Ebbecke. 1903. 31 S.","type":"Journal Article","volume":"37"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:47.437909+00:00"}