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{"created":"2022-01-31T16:26:27.637386+00:00","id":"lit32539","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Spielmeyer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 37: 471-472","fulltext":[{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n471\nsolchen individuellen Behandlung der Verbrecher k\u00f6nnen aufser den psychischen St\u00f6rungen auch andere Faktoren, insbesondere die sozialen, in Rechnung gezogen werden, und psychische Anomalien k\u00f6nnten in noch weiterem Matae Ber\u00fccksichtigung finden, als es der Fall w\u00e4re nach Einf\u00fchrung der verminderten Zurechnungsf\u00e4higkeit.\nEine so durchgreifende Reform des Strafzumeesungswesens ist aber ln absehbarer Zeit nicht zu erwarten.\nAus taktischen Gr\u00fcnden ist nur eine Landesvorschrift im Interesse der Defektmenschen dem \u00a7 51 StGB, beizuf\u00fcgen. Das ist bereits in vielen Staaten der Fall. Die unter diesen Paragraphen fallenden Taten sind aber nicht zu ahnden wie ein Versuch, sondern wie die Handlung eines Jugendlichen. Dieses Vorgehen ist nur, nicht logischer, sondern tr\u00e4gt auch dem IndividualiBierungsprinzipe mehr Rechnung.\nHinsichtlich des Strafvollzugs leugnet F. die Notwendigkeit, besondere Zwischenanstalten gr\u00fcnden zu m\u00fcssen; solche erfordert weder das Interesse des Staates noch das der Defektmenschen. Im Gegenteil, F. glaubt, dafs die vorhandenen Anstalten allen Anforderungen gerecht werden k\u00f6nnen bei einer zweckm\u00e4fsigen, individualisierenden Behandlungsweise der Defektnaturen.\nGemeingef\u00e4hrliche unter ihnen m\u00fcssen nach Strafablauf in einer Anstalt zur Sicherung der Gesellschaft verwahrt werden und sollen aus dieser erst dann entlassen werden, wenn der Zustand der Gemeingef\u00e4hrlichkeit sein Ende erreicht hat.\tEiikst Schultzz (Greifswald).\nGustav Aschaffznbubo. loBttsschrift ftr Iriminilpiychelegie \u00abai Straf*\nmkterarenn unter st\u00e4ndiger Mitwirkung von Alfrbd Kloss (Halle a. 8.), Kahl von Lilibnthal (Heidelberg) und Fbanz von Liszt (Berlin). I. Heft, 1904 April.\nDas Strafrecht psychologisch zu vertiefen und auf dieser Grundlage eine erfolgreiche Strafrechtsreform aufbauen zu helfen, das ist die Aufgabe der neuen Zeitschrift f\u00fcr \u201eKriminalpsychologie und Strafrechtsreform\u201c. Hatte der Herausgeber der Zeitschrift, Gustav A8chaffinbxtbg, in seinem schnell bekannt gewordenen Werke \u201eDas Verbrechen und seine Bek\u00e4mpfung\u201c kriminalpsychologisches und statistisches Material gesammelt und mit kritischer Sorgfalt gesichtet, hatte er dort seine pers\u00f6nlichen Erfahrungen niedergelegt, so will er jetzt hier zu gemeinschaftlicher Arbeit auffordern : Theoretiker und Praktiker, Juristen und \u00c4rzte, Strafvollzugsbeamte und Soziologen m\u00fcssen sich in die Arbeit unvoreingenommener Forschung teilen.\nEine kurze programmatische Einleitung: \u201eKriminalpsychologie und Strafrechtsreform\u201c von Gustav Aschaffenbuho weist auf die Hindernisse hin, die der L\u00f6sung der grofsen Probleme von \u201eVerbrechen und Strafe\u201c entgegenBtehen. Eine der Hauptaufgaben, um sie zu \u00fcberwinden, besteht darin, die Psychologie des Verbrechens und des Verbrechers wissenschaftlich zu erforschen. Dafs es sich wirklich lohnt, sich in das Leben des Rechtsbrechers zu vertiefen, ergibt sich aus dem an-geetrebten Ziele, im Kampfe gegen das Verbrechen : es gilt nicht nur den Unbeteiligten zu sch\u00fctzen und abzuschrecken, sondern auch dem ver-","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nI.iliriitnrbcrulit.\nbrecherischen Individuum selbst gerecht zu werden. Es mufs der oberste Grundsatz eines neuen Strafgesetzbuches werden, \u201eeine Anpassung der gesellschaftlichen Reaktion an die Individualit\u00e4t des Rechtsbrechens bis zur \u00e4ufsersten M\u00f6glichkeit zu erstreben.\u201c\nFranz von Liszts Ausf\u00fchrungen handeln vom \u201eSchutze der Gesellschaft gegen gemeingef\u00e4hrliche Geisteskranke und vermindert Zurechnungsf\u00e4hige\u201c. Sie betreffen eine der dringendsten Fragen, deren L\u00f6sung nicht erst bis auf eine vollst\u00e4ndige Umgestaltung des Strafgesetzbuches verschoben werden darf, die vielmehr durch Sondergesetze zu erledigen sind. F\u00fcr die Durchf\u00fchrung einer solchen Teilreform macht von Liszt technische Vorschl\u00e4ge, wie die im sozialen Interesse notwendige, vorl\u00e4ufige oder endg\u00fcltige Verwahrung solcher gemeingef\u00e4hrlichen Personen anzuordnen ist.\nWelcher Gesichtspunkt bei dem Ausmafs der Strafe mafsgebend ist, damit besch\u00e4ftigen sich Kohlrauschs Besprechungen: \u201eDer Kampf der Kriminalistenschulen im Lichte des Falles Dippold\u201c. \u201eVergeltungsidee\u201c und \u201eZweckgedanke\u201c \u2014 \u201eDeterminismus\u201c und \u201eIndeterminismus\u201c sind die Leitmotive in diesen kriminalistischen Streitfragen, gleichviel ob es sich um den einzelnen Fall handelt oder ob das \u201eSchuld-S\u00fchne\u201c-Problem de lege lata und de lege ferenda zur Diskussion steht. \u201eStrafen wir deshalb, weil der T\u00e4ter auch anders handeln konnte, oder deshalb weil der T\u00e4ter ein solcher war, der seiner Natur nach nicht anders handeln konnte?\u201c \u201eStrafen wir die schlechte Tat oder den schlechten Menschen?\u201c\nEine den Juristen, wie den Arzt wohl gleicherweise interessierende Frage findet ihre klare Beantwortung in Robert Gaupps Arbeit \u201e\u00dcber d,en heutigen Stand der Lehre vom geborenen Verbrecher\u201c. Was der \u201egute und unzerst\u00f6rbare Sinn der LoMBROsoschen Lehre\u201c ist, wird hier scharf pr\u00e4zisiert: Es gibt in der langen und ununterbrochen fortlaufenden Kette, in der sich die menschlichen Charaktere aneinandergliedern, eine nicht scharf umgrenzte Gruppe von Individuen, die infolge ihrer ungl\u00fccklichen Naturanlage zu Verbrechern werden. Man mag sie nennen, wie immer man will: geborene Verbrecher, moralisch Schwachsinnige oder Degenerierte; jedenfalls sind es pathologische Existenzen. Sie sind der menschlichen Gesellschaft f\u00fcr immer verloren; ihre Unsch\u00e4dlichmachung ist ein notwendiges soziales Erfordernis.\nDie Ausf\u00fchrungen des bekannten Kriminalstatistikers Georo von Mayr sind der Ausdehnungsfrage und der \u201eNutzbarmachung der Kriminalstatistik\u201c gewidmet; sie enthalten technisch-methodologische Vorschl\u00e4ge.\nAufser diesen Originalartikeln bringt das erste Heft der Aschaffkk-BUR\u00f6schen Monatsschrift im \u201eSprechsaal\u201c kurze Ausf\u00fchrungen \u00fcber aktuelle Themata (Graf zu Dohna: Zur Statistik der bedingten Begnadigung, Litten: Zur Frage des \u00e4rztlichen Berufsgeheimnisses, Pblman: Bemerkungen zu dem Prozesse des Prinzen Prosper Arenberg, Kloss; Verf\u00fcgung des Justizministers \u00fcber die geistige Besch\u00e4ftigung der Gefangenen, Stran8ky: Ungarische Normal Verordnung \u00fcber die Behandlung gef\u00e4hrlicher Geisteskranker). Ein dritter und vierter Abschnitt des Heftes ist \u201eBerichten aus Vereinen und Versammlungen\u201c und \u201eB\u00fccherbesprechungen\u201c gewidmet.\tSpielmeybb (Freiburg).","page":472}],"identifier":"lit32539","issued":"1904","language":"de","pages":"471-472","startpages":"471","title":"Gustav Aschaffenburg: Monatsschrift f\u00fcr Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform unter st\u00e4ndiger Mitwirkung von Alfred Kloss (Halle a. S.), Karl von Lilienthal (Heidelberg) und Franz von Liszt (Berlin). I. Heft, 1904 April","type":"Journal Article","volume":"37"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:27.637391+00:00"}