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{"created":"2022-01-31T15:43:39.724890+00:00","id":"lit32553","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Straub, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 431-439","fulltext":[{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"431\nUber monokulares k\u00f6rperliches Sehen nebst Beschreibung eines als monokulares Stereoskop\nbenutzten Stroboskopes.\nVon\nProf. Dr. M. St\u00e4aub, Amsterdam.\nAbgesehen von den bekannten H i 1 f s mitteln zur Erzeugung der Tiefenwahrnehmung, vermag sich unser Sehorgan letztere auf doppeltem Weg\u00a9 direkt zu verschaffen: durch Verschmelzung der ungleichen Bilder, welche bei der simultanen binokularen Betrachtung entstehen und derjenigen, die man bei monokularer Befrachtung nacheinander erh\u00e4lt, wenn das beobachtende Auge\u2019 bewegt oder der betrachtete K\u00f6rper verschoben wird.\nDem letzteren Weg, der Verwertung der sogenannten parallaktischen Verschiebung, mifst man, glaube ich, allgemein eine viel geringere Bedeutung zu als der binokularen Betrachtung. So sagt z. B. Wunbt \\ dafs beim monokularen Sehen die unmittelbare Sicherheit fehlt, welche der binokulare Anblick gew\u00e4hrt, Ich meinte selber, durch die Parallaxis stelle man die Diagnose auf einen Tiefenunterschied, mit zwei Augen sehe man diesen, Als ich vor einigen Jahren im Augenspiegel kurse die Erkennung der Niveauunterschiede des Augengrundes mittels der Parallaxe demonstrierte, sah ich zu meinem Erstaunen pl\u00f6tzlich den trichterf\u00f6rmigen Sehnerven des ophthalmoskopierten Kaninchens k\u00f6rperlich ebenso \u201eunmittelbar\u201c, wie man es mit dem vollkommensten binokularen Augenspiegel nur h\u00e4tte w\u00fcnschen k\u00f6nnen. Einmal darauf aufmerksam geworden, gelang es mir durch weitere \u00dcbung bald auch beim Menschen, wo die Niveauunterschiede weniger stark und gew\u00f6hnlich auch weniger schroff sind, eine unmittelbare k\u00f6rperliche Anschauung durch die Parallaxe zu gewinnen, wenn\n1 Wotbt, Physiologische Psychologie,","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nM. Straub.\nnur die Pupille m\u00e4fsig erweitert (Mydrine) und die Beleuchtung gut war (A\u00fcKK-Licht). Um von der echten monokularen Stereoskopie auch diejenigen, die mit der Ophthalmoskopie nicht be-sondere vertraut sind, zu \u00fcberzeugen, habe ich nach einer anderen Methode zur Demonstration der Erscheinung gesucht und eine solche gefunden in der Zuhilfenahme stereoskopisch gezeichneter Figuren f\u00fcr das Stroboskop. Der Beobachter sieht die Stereoskopbilder monokular nacheinander und verschmilzt sie zu einer vollkommenen stereoskopischen Vorstellung. Meine Erfahrungen mit diesem zum monokularen Stereoskop gewordenen Stroboskop haben mich dann noch weiter in der \u00dcberzeugung, die sich nach den ersten Beobachtungen beim Augenspiegeln zu bilden anfing, best\u00e4rkt, dafs es keinen prinzipiellen Unterschied gibt zwischen dem monokularen und dem binokularen Tiefsehen, n\u00e4mlich was die Tiefenunterschiede betrifft. In beiden F\u00e4llen wird die Parallaxe zur Erzeugung der Tiefenvorstellung benutzt. In beiden F\u00e4llen werden (simultane oder sukzessive) Doppelbilder in Tiefenunterschiede \u00fcbersetzt, in beiden F\u00e4llen ist die Tiefenvorstellung ein Schlufs.\nDiese Einleitung m\u00f6ge gen\u00fcgen, um zu zeigen, dafs das Studium der monokularen Stereoskopie von grofser Wichtigkeit ist f\u00fcr die Theorie des Sehens \u00fcberhaupt und besonders f\u00fcr die Kritik der Theorien des zwei\u00e4ugigen Sehens. Bevor ich zur n\u00e4heren Er\u00f6rterung der beiden von mir studierten Arten der monokularen Stereoskopie \u00fcbergehe, habe ich noch einige Worte \u00fcber eine hier geh\u00f6rige Erscheinung zu sagen, die in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit von neuem auf sich gezogen hat, n\u00e4mlich die scheinbare Parallaxe bei der Betrachtung der Anaglyphen. Wenn der Beobachter die beiden Stereoskopbilder zu einer k\u00f6rperlichen Vorstellung vereinigt hat und jetzt den Kopf hin und her bewegt, so sieht er eine scheinbare gegenseitige Verschiebung der Objekte, die der Vorstellung nach in verschiedener Entfernung liegen. Es bildet sich schon eine Literatur \u00fcber die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung.1 Die Anh\u00e4nger der \u201enativistischen\u201c\n1 Ducos du Haubon, Anaglyphes. Clich\u00e9 Bonnamy 43 rue du Bac Paria. Plastische Weltbilder. Deutscher Verlag, Berlin. \u2014 Heinb, Schembewegung in Stereoskopbildern. Min. Monatsbl. f, Augenh. 40, 1902. \u2014 Bkbt, \u00dcber Projektion stereoskopischer Photographien und \u00fcber stereoskopische Sehern\u00bb bewegung. Min, Monatsbl. f. Augenh, 41, 1903. \u2014 Wbnhodb, Zur Erkl\u00e4rung der paradoxen parallaktischen Verschiebung der Stereographenbilder. ircA. f. Ophth. \u00a78, 1. ' 1904.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"9 9\n\u00dcber monokulares k\u00f6rperliches Sehen nebst Beschreibung etc.\t433\nBrkl\u00e4rungsweise des Sehens versuchen Schl\u00fcsse und zwar besonders die nicht angesehenen unbewussten Schl\u00fcsse aus der Erkl\u00e4rung fern zu halten. Doch scheint mir1 die Annahme solcher unvermeidlich. Die Parallaxe, welche wirkliche Gegenst\u00e4nde bei der vorgenommenen Kopfbewegung zeigen m\u00fcssen, fehlt in dem un\u00e4chten, optisch vorgetiuschten Bilde. Es bleibt dem Beobachter, will er sein\u00a9 k\u00f6rperlich\u00a9 Vorstellung behalten, nur \u00fcbrig, anzunehmen, dafs die Gegenst\u00e4nde \u00a9'ine die erwartete Scheinbewegung kompensierende Bewegung in entgegengesetzter Richtung ausf\u00fchren. Ich betone, auf weiteres nicht eingehend, den Ausdruck \u201eerwartete Scheinbewegung\u201c. Er will 'besagen, dafs uns im t\u00e4glichen Leben die Parallaxe nicht entgeht, wenn sie uns auch nicht zum Bewusstsein kommt. Sobald die Parallaxe fehlt, f\u00e4llt uns dies auf. Ich glaube, dafs wir der Parallaxe deshalb nicht bewufst werden, weil sie sofort zur Bildung stereoskopischer Vorstellungen 'benutzt wird. Wenn wir auf der Strafe\u00a9 gehen, fliegen di\u00a9 seitlich, indirekt gesehenen Gegenst\u00e4nde mit verschiedener Schnelligkeit zur\u00fcck. Unter der Schwell\u00a9 des Be-wufstseins wird die dadurch entstanden\u00a9 Verschiebung als Entfernungsunterschied verwertet.\nIm Hauptteil dieser Arbeit wird di\u00a9 monokulare Stereoskopie mittels Parallaxe 'unter nur ausnahmsweise vorhandenen Bedingungen untersucht. Meine Absicht ist aber, zu beweisen, dafs die Parallaxe ganz allgemein beim Sehakt diesem Zweck\u00a9 dient. Dies\u00a9 Verallgemeinerung erstreckt sich nach zwei Richtungen: Erstens spielt die Parallaxe auch f\u00fcr das Binokularsehen eine Rohe, zweitens gilt die Bedeutung der monokularen Parallaxe f\u00fcr di\u00a9 Tiefenlokalisation seitlicher und entfernter Gegenst\u00e4nd\u00a9 allgemein, nicht nur ausnahmsweise. Di\u00a9 Scheinbewegung der Anaglyphen wurde herangezogen, um diese Verallgemeinerung zu st\u00fctzen.\nDa die monokulare Stereoskopie beim Augenspiegeln eine grofse \u00dcbung in 'dem Gebrauch des Augenspiegels voraussetzt, beschreibe ich zuerst, wie das Stroboskop zur Demonstration der gleichen Erscheinung benutzt werden kann.\nIch gebrauche das Stroboskop in der Form eines Zylinders, von Bobneb Daedalium genannt. Der Diameter des Zylinders betr\u00e4gt 23 cm.1 Es finden sich in der Wandung in gleichen\n1 Im Verlag\u00a9 F. von Rossen, Amsterdam, ist meine Serie Streifen mit stereoskopischen Bildern, nebst zugeh\u00f6rigem Stroboskope zu haben.\nZeitschrift ftr Psychologie 86.\t28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nM. Straub.\nAbstftnden zw\u00f6lf vertikale Spalten. Auf der Innenfl\u00e4che de\u00ab Zylinders werden Kartonetreifen aufgestellt mit zw\u00f6lf Figuren, ebenfalls in gleichen Abst\u00e4nden. Der Beobachter, der mit einem \u00c4uge durch die Spalten des sich drehenden Zylinders blickt* nimmt schnell hintereinander die zw\u00f6lf Figuren wahr und vereinigt sie, falls die \u00c4hnlichkeit der Figuren dazu Gelegenheit gibt zu einer Vorstellung. Die Linien, welche alle Figuren gemeinschaftlich haben, machen den ruhenden Teil des vorgesteilten Gegenstandes aus ; diejenigen, welche in der nachfolgenden Zeichnung jedesmal eine kleine Verschiebung erleiden, bilden zusammen den bewegten Teil. Ich habe die letztgenannten Linien so gezeichnet, dafs sie die Vorstellung eines in drei Dimensionen ausgebreiteten K\u00f6rpers bilden helfen. Die Figuren sind Stereoskopfiguren. Man kann je zwei angrenzende binokular stereoskopisch vereinigen. Nimmt man den ganzen Streifen mit zw\u00f6lf Figuren heraus und sieht die Figuren mit geeigneter Konvergenz oder Divergenz an, so nimmt man elf dreidimensioneile Figuren wahr, da je zwei angrenzende verschmelzen ; dann werden die Bilder simultan binokular gesehen. Stellt man den Streifen in da\u00ab Stroboskop zur\u00fcck und betrachtet die Bilder durch die Sp\u00e4hen des sich schnell drehenden Zylinders, so sieht man die Stereoskopbilder sukzessiv monokular, das eine nach dem anderen, und es bildet sich eine ebenso vollkommene stereoskopische Vorstellung.\nDie sieben Streifen, welche ich f\u00fcr das Stroboskop gezeichnet habe, erfordern nur ein paar erkl\u00e4rende Worte. Die horizontalen Linien werden verk\u00fcrzt gesehen durch die vom Beobachter nicht realisierte Verschiebung der Bilder. Ein Quadrat wird deshalb zum Rechteck (Streifen I), eine Ellipse zum Kreise (Streifen II bis IV, VI). Die zusammengedr\u00fcckten horizontalen Linien werden auch sch\u00e4rfer als die schnell vor\u00fcberziehenden vertikalen und schiefen. Um dem abzuhelfen, habe ich in einigen Bildern (Streifen I und III) gewisse Fl\u00e4chen geschw\u00e4rzt. Dann pr\u00e4gen sich die Grenzlinien sch\u00e4rfer aus. Jedoch wird dadurch die perspektivische Vorstellung unterst\u00fctzt. Da aber gerade diejenigen Bilder am bewegendsten sind, die aufserhalb des Strobo-skopes nicht leicht stereoskopisch aufgefafst werden, so sind die nicht geschw\u00e4rzten Bilder im allgemeinen vorzuziehen. Die schiefen Linien bewirken die Tiefenvorstellung. So w\u00e4re z. B. die Figur des Streifens IV nicht vertieft, wenn nicht die zwei schiefen Linien da w\u00e4ren. Der Beobachter mufi jedenfalls an-","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber monokulares k\u00f6rperliches Sehen nebst Beschreibung etc. 435\nnehmen, dafs die kleine Ellipse sich im Rahmen der grofsen\nEllipse hin und her bewegt. Obendrein hat er gewisserma\u00dfen\n28*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nM. Straub.\ndie Wahl anzunehmen, d&fs die schiefen St\u00e4b\u00a9 k\u00fcrzer (l\u00e4nger) werden und sich drehen oder dafs die klein\u00a9 Ellipse sieh in einer entfernteren, oder n\u00e4heren Eben\u00a9 befindet Die Alternative ist also Doppelsehen oder Einfachsehen. Letzteres wird durchweg vorgezogen. Es ist eigent\u00fcmlich, dafs vertikale Linien ohne Einflufs sind. Sie bleiben in der Figur des Sfreifens \u00a51 in der Ebene der grofeen Ellipse, obgleich die Meine Ellipse, mit welcher die vertikalen St\u00e4b\u00a9 Zusammenh\u00e4ngen, doch schon durch di\u00a9 schiefen St\u00e4b\u00a9 emporgehoben wird. Der Sfreifen VII gibt die Demonstration des stereoskopischen Glanzes und zwar in jenem Quadranten, wo die geschw\u00e4rzten und weifeen Fl\u00e4chen in den sukzessiven Bildern alternieren. Der Eindruck des Glanzes entsteht, wenn wir an der n\u00e4mlichen Stelle einer Oberfl\u00e4che zugleich die nat\u00fcrliche Farbe und die weifse Farbe des Reflexes sehen oder zu sehen meinen. Die Unechtheit der weifsen Farbe erkennen wir daran, dafs die weifse Fl\u00e4che sich gleichzeitig mit unserem. Kopfe bewegt Durch die Bewegung oder mittels des zweiten Auges bei binokularer Betrachtung erkennen wir die von dem Reflex\u00a9 \u00fcberdeckte echte Farbe. Wenn uns das Stroboskop oder das binokulare Stereoskop zugleich weifs und schwarz sehen l\u00e4Cst, entsteht in \u00dcbereinstimmung mit fr\u00fcheren Erfahrungen die Vort\u00e4uschung des Glanzes.\nRbimab 1 hat vor drei Jahren eine Arbeit \u00fcber die Parallaxe beim Augenspiegeln geschrieben, welche als zweiten Titel, f\u00fchrt : \u201edas monokulare k\u00f6rperliche Sehen\u201c. Hier wird der plastische, k\u00f6rperliche Eindruck, welcher beim Augenspiegeln gewonnen werden kann, beschrieben. In. dieser Arbeit ist die Rede von dem. \u201e\u00fcberraschend deutlich k\u00f6rperlichen Eindruck\u201c, welcher beim Betrachten eines gewissen. Fundus oculi erhalten wurde. In. diesem. Falle von. Arteriitis .war \u201eder Wechsel in der Beleuchtung\u201c, d. h. die Wanderung des Gef\u00e4fsreflexes mit dem Kopfe des Untersuchers, das veranlassend\u00a9 Moment zum k\u00f6rperlichen Sehen. Auch nach meiner Erfahrung tr\u00e4gt der Geffiis-reflex und noch st\u00e4rker der wandernde Gef\u00e4fsreflex dazu bei, um. in, gl\u00fccklichen F\u00e4llen die sonst scheinbar flachen. Gef\u00e4Xs-b\u00e4nder als Zylinder erscheinen zu lassen. Doch, ist diese Art\n1 Rimab, \u00dcber parallaktische und perspektivische Verschiebung zur Erkennung von Niveaudifferenzen, bzw. da\u00ab monokular\u00a9 k\u00f6rperlich\u00a9 Sehen im Auge. Archiv f, Augenheilkunde 41, 1901.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber monokulares k\u00f6rperliches Sejien nebst Beschreibung etc. 437\nder Erregung einer k\u00f6rperlichen Vorstellung eine andere als die durch Parallaxe, von welcher sonst in dieser Arbeit die Rede ist.\nWenn man bei der Untersuchung einer Sehnervenpapille mit physiologischer Exkavation im aufrechten Bilde mit dem Kopfe kleine vertikale oder transversale Bewegungen macht, so beobachtet man eine so starke Parallaxe, dafs Niveauunterschiede von 0,5 Dioptrie ohne M\u00fche zu erkennen sind. Es ist mir jetzt sehr gel\u00e4ufig, statt der Parallaxe die Aush\u00f6hlung k\u00f6rperlich zu sehen. Doch wird die Erscheinung beeintr\u00e4chtigt durch die Undeutlichkeit der Gebilde des Augengrundes, f\u00fcr welche man nicht genau eingestellt ist. Nur in dem eingestellten optischen Querschnitt sind die Konturen scharf; alles mehr nach vom oder r\u00fcckw\u00e4rts Gelegene, ist sehr unscharf gezeichnet.\nDieser Gegensatz ist bei der Untersuchung im indirekten Bilde viel weniger ausgepr\u00e4gt. Dort sieht man im allgemeinen wegen der geringen Vergr\u00f6fserung mit Hilfe der Parallaxe nicht so feine Niveauunterschiede als im direkten Bilde. Es kommt jedoch der monokularen Stereoskopie sehr zu statten, dafs die Konturen der Gef&fse in den verschiedenen Querschnitten eines ansgeh\u00f6hlten Sehnerven noch nahezu gleich scharf sind. Bekanntlich braucht man beim indirekten Bilde zur Erzeugung der Parallaxe 'nicht den Kopf zu bewegen. Es gen\u00fcgt, die Konvex-linse, welche vor das untersuchte Auge gehalten wird, Mn und her zu bewegen. Die dadurch entstehende Parallaxe ist desto gr\u00f6sser, je st\u00e4rker die Vergr\u00f6fserung des Bildes ist. Wenn man + 13 D benutzt, ist sie auch f\u00fcr den wenig Ge\u00fcbten ausreichend stark, mit + 10 D f\u00fcr den Anf\u00e4nger schon verbl\u00fcffend. Bei fortschreitender \u00dcbung sieht man nicht nur mit schw\u00e4cherer Vergr\u00f6fserung, also st\u00e4rkeren Linsen (+17 2), + 20 D) die Parallaxe, sondern es entwickelt sich auch die stereoskopische Vorstellung, welche die h\u00f6chste Leistung der so angewandten Untersuchungsmethode ist. Diese stereoskopische Vorstellung gibt '.nicht nur im. groben den NiveauunterscMed wieder, man sieht vielmehr genau die Neigung der Seiten w\u00e4nde der Exkavation und jede .\u00c4nderung, - welche dies\u00a9 Neigung in ihrem Verlaufe erf\u00e4hrt. Der AugenMntergrund, welcher doch sogar bei t\u00e4glicher Aus\u00fcbung der Ophthalmoskopie etwas Unwirkliches, Bildhaftes beh\u00e4lt, wird lebendig, echt, wenn die dritte' Dimension hinzukommt.\nEigent\u00fcmlich und wichtig ist, dafs, wenn einmal die Vorstellung des K\u00f6rperlichen entstanden ist, die Parallaxe nicht mehr","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nMm Stmwb.\nals Verschiebung wahrgenommen wird. Die Verschiebung wird bei der psychischen Verwertung der Erscheinung \u00fcbersetzt in Niveaudifferenz. Das N\u00e4mliche geschieht bei der naiven Beobachtung im t\u00e4glichen Leben. Dm Unbeachtetbleiben der Parallaxe beruht, meine ich, darauf, dafs di\u00a9 Erscheinung sofort zur Konstruktion des Raumes benutzt: wird, sowie in einer perspektivischen Zeichnung die schiefen Ecken der Fensterbilder sofort als schief gestellte rechtwinklige Ecken verwertet werden, sowie auch der Reflexstreifen auf einem Leitnngsrohr nicht als solcher gesehen, sondern zum Aufbau der Zylinderform 'benutzt wird.\nBei der Bewegung der Linse entsteht im Bilde zun\u00e4chst eine Bewegung der einzelnen in verschiedenen Ebenen gelegenen Teile unter sich. Diese Bewegung ist synchronise!! mit der Bewegung der Linse 'und verr\u00e4t dadurch ihren Charakter einer Scheinbewegung. Der Beobachter sieht eine Reihe von allm\u00e4hlich ineinander \u00fcbergehenden Bildern. Mn Teil der Striche dieses Bildes bleibt sich immer gleich; da\u00df sind diejenigen, welche in. der als fest gedachten Ebene legen. .Alle Punkte, die vor oder hinter 'dieser Ebene legen, machen Scheinbewegungen um so ausgiebiger, je weiter me von. der festen Ebene entfernt sind. Ziehen wir nur die extremen Stellungen einer Oszillation der linse in Betracht, dann bekommen 'wir' von jedem aufserhalb der festen Ebene gelegenen Punkte zwei Bilder, die als sukzessive Doppel.bM.er bezeichnet werden k\u00f6nnen. In. dieser Nomenklatur wiederholt, lehrt ein oben ausgesprochener Satz, dafs 'beim monokularen Sehen sukzessive Doppelbilder als ein einziger mehr entfernter oder angen\u00e4herter Punkt interpretiert werden. Di\u00a9 Ab-\nsicht dieser Formulierung ist darzutun, dafs bei der binokularen\n\u2022 \u2022\nStereoskopie etwas ganz, \u00c4hnliches geschieht. Da laben wir' es mit gleichzeitig bestehenden Doppelbildern zu tun, die zur1 Beobachtung kommen, sobald man die Sache physiologisch untersucht, die im t\u00e4glichen Leben, aber nicht wahrgenommen werden. Auch hier hat man eine physiologische und eine psychische Phase zu unterscheiden. Physiologisch gibt es Doppelbilder. Die Psyche aber \u00fcbersetzt die Parallaxe in. Niveaudifferenz und indem sie jedes Punktpaar zu einem .an den richtigen Ort verlegten Punkt vereinigt, macht sie das Doppeltsehen, zum k\u00f6rperlichen Sehern Diese Erscheinung ist den Physiologen sehr schwer erkl\u00e4rlich vorgekommen. Sie bildet den schw\u00e4chsten Teil sowohl der \u201eempiristischen\u201c Theorie, die keine Doppelbilder brauchen kann,","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"mm\nUber monokulare\u00bb k\u00f6rperliche\u00bb Sehen nebst Beschreibung etc. 439\nals der \u201enativistischen\u201c Theorie, welche die Verschmelzung der disparaten Bilder umschreibt, aber nicht erkl\u00e4rt. Sie wird verst\u00e4ndlich, wenn man die analog\u00a9 Erscheinung bei der monokularen Stereoskopie heranzieht. F\u00fcr die Erkl\u00e4rung der binokularen Stereoskopie hat man am liebsten physiologische Erkl\u00e4rungen gesucht und der Psyche so wenig als m\u00f6glich \u201eunbewusst\u00a9 Schl\u00fcsse\u201c zugemutet. Bei der monokularen Stereoskopie f\u00e4llt dies\u00a9 Scheu weg. Bort liegen die Doppelbilder 'und disparaten Punkt\u00a9 auf einer Netzhaut und man kann nicht daran denken, dafs die Vereinigung dieser disparaten Punkte durch anatomische Verschmelzung oder .Kreuzung von Richtungslinien zustande kommt. Hier f\u00e4llt es also leicht, das Arbitrium der Psyche \u00fcber die Auslegung der Netzhautbilder einzugestehen. Was aber f\u00fcr die monokulare Stereoskopie zugegeben wird, darf auch f\u00fcr die binokular\u00a9 Stereoskopie gelten.\n(Eingegangen am 20. Juli 1904.)","page":439}],"identifier":"lit32553","issued":"1904","language":"de","pages":"431-439","startpages":"431","title":"\u00dcber monokulares k\u00f6rperliches Sehen nebst Beschreibung eines als monokulares Stereoskop benutzten Stroboskopes","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:43:39.724895+00:00"}