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{"created":"2022-01-31T14:32:16.241247+00:00","id":"lit32558","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 28: 46-48","fulltext":[{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nLiteraturbericht.\nH. Kroell. Der Aufbau der menschlichen Seele. Eine psychologische Skizze.\nLeipzig, Engelmann, 1900. 392 S.\nDie vorliegende Darstellung des Aufbaues der menschlichen Seele ist, wie der Yerf. im Vorwort des Buches sagt, \u201eunbeeinflufst von vorausgegangenen speciellen Studien psychologischei Schi if ten, aus einei Anschauungsweise hervorgegangen\u201c, auf welche der Yerf. \u201edurch vorurteilslose Beobachtung als Arzt im Laufe mehrerer Jahrzehnte hingewiesen wurde\u201c. Dieses Bekenntnifs gen\u00fcgt, um zu wissen, auf welcher Seite der Yerf. steht: Kroell ist durch und durch Physiologe. Der Yerf. ist genau so, wie viele andere Physiologen, der Ansicht, dafs \u201ejede Seelenlehre nur physiologische Psychologie sein d\u00fcrfe\u201c, und dafs f\u00fcr das psychologische Fachstudium \u201edie Anatomie und Physiologie des Grofshirns die Grundlage bilden m\u00fcsse\u201c.\nDer Yerf. stellt sich in dem Buche die Aufgabe, durch genaue Erforschung und Klarlegung der Functionsweisen des Gehirnes die Entwickelung des Bewufstseins begreiflich zu machen. Derselbe steht auf dem Standpunkt, dafs sich die psychischen Erscheinungen restlos aus physiologischen Vorg\u00e4ngen erkl\u00e4ren lassen m\u00fcssen. Die letzteren sind daher in der Darstellung \u00fcberall in den Vordergrund ger\u00fcckt.\nDas Buch mag vielleicht dem Physiologen manche Anregung bieten. Die Psychologie erf\u00e4hrt durch dasselbe keine wesentliche F\u00f6rderung.\nSaxinger (Linz).\nWilhelm Ament. Die Entwickelung der Pflanzenkenntnifs beim Kinde und bei V\u00f6lkern. Mit einer Einleitung: Logik der statistischen Methode. Mit\n14 Kinderzeichnungen. Sammlg. v. Abhandlungen aus d. Geb. d. p\u00e4dagog.\nPsychol, u. Physiol., hrsg. v. Schiller u. Ziehen, 4 (4). Berlin 1901. 60 S.\nYerf. bestimmte, wie viele der in einem unsere Flora sehr gut repr\u00e4sen-tirenden Garten wachsenden Pflanzen (191 Arten) 4 Kinder und deren Vater, (humanistisches Gymnasium absolvirt, Chemiker) kannten, gleichzeitig auch welche morphologischen Benennungen von Pflanzentheilen die Kinder besafsen. Von dem j\u00fcngsten Kinde hatte Verf. in einer fr\u00fcheren Arbeit die s\u00e4mmtlichen Begriffe aufgezeichnet, die es bis zum Alter von 2 Jahren 2 Monaten hatte.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n47\nDie Zahl benannter Pflanzen ist (S. 39)\nVersuchsperson\tLouise\tLouise\tIrma\tSophie\tDaisy\tVater\nAlter\t2 Jahr 2 Mon. 3 J. 3 M. 6 J. 7 M. 7 J. 7 M. 9 J. 3 M. 32 J.\nBenennungen\t5\t29\t74\t82\t125\t92\nDaisy hatte vom Verf. auf Spazierg\u00e4ngen bereits botanische Belehrung empfangen; ihre Antworten sind daher unbetr\u00e4chtlich, denn einem 9 j\u00e4hrigen Kinde, das der Pflanzenwelt Interesse entgegenbringt, kann man eine fast beliebig grofse floristische Kenntnifs beibringen.\nIm Besonderen wurde eine Alge von den Kindern durchweg f\u00fcr Schlamm erkl\u00e4rt, von Pilzen, Moosen, Farnen, waren allen nur diese Gruppennamen bekannt, bei den h\u00f6heren Pflanzen beschr\u00e4nkte sich die Kenntnifs meist auf Gattungsnamen, nur in einer relativ geringen Zahl von F\u00e4llen wurden Artnamen gebraucht. Unter den bekannten Pflanzen \u00fcberwiegen weitaus die durch Nutzen, Bl\u00fcthenfarbe oder Bl\u00fcthengeruch ausgezeichneten. Aus den Kinderzeichnungen entnimmt Verf., dafs den B\u00e4umen stets die Bl\u00fcthen, den Blumen aber Kelch, Staubgef\u00e4fse und Griffel fehlen. Das zuerst auf tretende Wort f\u00fcr eine Pflanze scheint durchweg die Bezeichnung des Apfels zu sein (S. 20). Morphologische Ausdr\u00fccke (Blumen) und biologische (Baum) werden von Kindern oft als Namen (systematisch) benutzt.\nDiese Specialuntersuchung tritt nun f\u00fcr den Verf. in doppelter Weise in einen gr\u00f6fseren Zusammenhang ein. Zun\u00e4chst soll sie ein Beispiel statistischer Methode in der Psychologie geben, die von Amerikanern oft aber unexact verwendet und wegen dieser schlechten Anwendung von den Deutschen verworfen worden sei. Hier tritt nun Ament als Ehrenretter der deutschen Wissenschaft auf (S. 58), der die Fremden auf ihrem Gebiete durch Exactheit zu \u00fcberfl\u00fcgeln sucht. Diese gr\u00f6fsere Exactheit besteht wesentlich in der pers\u00f6nlichen Befragung und in dem relativ vollst\u00e4ndigen Material, das zur Pr\u00fcfung des Vorstellungsschatzes benutzt wurde. Dem steht aber als Nachtheil die sehr geringe Zahl der Personen gegen\u00fcber. Denn da Daisy aus dem angef\u00fchrten Grunde nicht zu rechnen ist, bleiben nur 3 Kinder und 1 Erwachsener \u00fcbrig. Um die deutsche Gr\u00fcndlichkeit st\u00e4nde es aber wirklich recht schlecht, wenn sie aus der Einleitung zu ersehen sein sollte, die Ament \u201eLogik der statistischen Methode\u201c nennt. Hier werden n\u00e4mlich die logischen Fragen der Statistik gar nicht ber\u00fchrt, selbst die methodologische Frage, wie Statistik auf Psychologie angewendet werden kann, wird nur obenhin gestreift, dagegen wird eine Aufz\u00e4hlung statistischer Arbeiten aus dem Gebiete des Empfindungs- und Vorstellungslebens gegeben. Diese Aufz\u00e4hlung ist h\u00f6chst unvollst\u00e4ndig, da z. B. Fechnek\u2019s \u00e4sthetische Versuche und die, ebenfalls von Fechner fast zuerst unternommene, Statistik der Doppelempfindungen (audition color\u00e9e), der so zahlreiche Arbeiten gewidmet vmrden, fehlen. Dagegen ist K\u00fclpe\u2019s Berechnung der Zahl unterscheidbarer Empfindungen keine Statistik. Dieser Aufz\u00e4hlung folgen dann einige kritische Bemerkungen, deren wesentliches Resultat ist, dafs die Vorstellungsstatistik bei Kindern sich nicht mit Proben begn\u00fcgen darf, sondern eine m\u00f6glichst vollst\u00e4ndige Aufnahme des Vorstellungsschatzes eines Gebietes versuchen mufs. Allgemeine Redens-","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nLiteraturbericht.\narten, z. B. die Massenstatistik hat zu vermeiden, \u201eunter der Masse der Beobachtungen die G\u00fcte derselben leiden zu lassenw\u00a3 kann nur ein sehr anspruchsloses Gem\u00fcth als F\u00f6rderungen der Methodologie gelten lassen.\nAber neben dieser methodologischen Bedeutung schreibt Ament seiner Untersuchung auch noch eine sachliche zu. Durch \"V ergleichung seinei Resultate hei Kindern mit der Pflanzenkenntnifs primitiver V\u00f6lker glaubt er, das biogenetische Grundgesetz f\u00fcr das psychische Lehen st\u00fctzen zu k\u00f6nnen.\nDie Gleichheit der Entwickelungsg\u00e4nge beim Kinde und bei der Gattung zeigt sich wesentlich in folgenden Punkten :\n1.\tDie Pflanzenzeichnungen treten Anfangs hinter den Thierzeichnungen sehr zur\u00fcck.\n2.\tDie ersten Pflanzennamen sind \u201eUrbegriffe\u201c, d. h. Bezeichnungen sehr unbestimmter Bedeutung f\u00fcr grofse Gruppen. Die sp\u00e4teren Allgemem-begriffe sind entwickelungsgeschichtlich zum Theil nicht als Abstractions-begriffe, sondern als Urbegriffe entstanden.\n3.\tNutzpflanzen, auffallende und h\u00e4ufige Pflanzen werden zuerst und vorwiegend benannt. Die grofse Mehrzahl der Namen f\u00e4llt den h\u00f6chsten Classen des Pflanzenreiches zu.\n4.\tMorphologische und biologische Namen werden oft systematisch verwendet.\nDiese S\u00e4tze lassen sich z. Th. auf die allgemeine Regel, dafs von den unz\u00e4hligen Eindr\u00fccken nur die irgendwie interessirenden appercipirt werden, z. Th. auf die bekannte Unbestimmtheit der ersten Begriffsbildungen zur\u00fcckf\u00fchren. Der Umfang der Pflanzenkenntnifs ist, wie A. S. 47 sagt, bei Halb* culturv\u00f6lkern z. Th. gr\u00f6fser als bei Culturv\u00f6lkern.\nAus solchen ganz allgemeinen Analogien folgern, dafs das biogenetische Grundgesetz in \u00fcberraschender Weise empirisch best\u00e4tigt sei, wie Ament\nS.\t56 thut, ist etwTas k\u00fchn. V\u00f6llig verbl\u00fcfft aber wird der Leser, wenn er am Schl\u00fcsse erf\u00e4hrt (S. 59): \u201eWie ich mir eine solche psychologische Geschichtsschreibung denke, soll meine Skizze der Geschichte der Botanik zeigen\u201c, denn er hat von einer solchen \u201eSkizze\u201c beim Lesen nichts gemerkt. Bl\u00e4ttert er dann zur\u00fcck, um die Skizze zu entdecken, so findet er S. 44 f ein paar S\u00e4tze \u00fcber den grofsen Umfang und den verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig jungen Ursprung unserer Pflanzenkenntnifs, \u00fcber eine erste kurze Bl\u00fcthezeit dei Botanik bei den Griechen und \u00fcber das \u201efinstere Mittelalter\u201c, das die Resultate dieser Bl\u00fcthezeit \u201everschlungen\" hat, S. 53 und 54 aber eine Zusammenstellung der Zahl von Pflanzenarten, die verschiedenen Autoren bekannt wTaren. Das nennt Ament \u201eeine \u00fcber grofse Zeitr\u00e4ume sich erstreckende Entwickelung als eine psychologische Entwickelung\" darstellen i Die brauchbare Einzeluntersuchung Ament\u2019s h\u00e4tte gewonnen, wenn er die h\u00f6chst dilettantischen methodologischen und theoretischen Zuthaten fortgelassen h\u00e4tte.\tCohn (Freiburg i. B.).\nF. H. Giddings. A Provisional Distribution of the Population of the United States into Psychological Classes. Psychol. Bevieiv 8 (4), 337\u2014349. 1901.\nWenn man drei Arten geistiger Ph\u00e4nomene unterscheidet, motorische, emotionelle und intellectuelle, so kann man alle Menschen in vier Classen","page":48}],"identifier":"lit32558","issued":"1902","language":"de","pages":"46-48","startpages":"46","title":"Wilhelm Ament: Die Entwickelung der Pflanzenkenntni\u00df beim Kinde und bei V\u00f6lkern. Mit einer Einleitung: Logik der statistischen Methode. Mit 14 Kinderzeichnungen. Sammlg. v. Abhandlungen aus d. Geb. d. p\u00e4dagog. Psychol. u. Physiol., hrsg. v. Schiller u. Ziehen, 4 (4). Berlin 1901. 60 S.","type":"Journal Article","volume":"28"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:32:16.241253+00:00"}