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{"created":"2022-01-31T16:12:06.453919+00:00","id":"lit32571","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 28: 56-58","fulltext":[{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nLiteraturbericht.\ndieser Hypothesen. Wenn man emotionelle Werthgef\u00fchle annimmt (als verschieden von Organempfindungen und Graden der Lust und Unlust), so wird man zu dem Schlufs gef\u00fchrt, dafs die Ausdehnung dieser Allgemeinzust\u00e4nde \u00fcber verschiedene Sonderzust\u00e4nde zunimmt mit der relativen Bedeutungslosigkeit der Lust-Unlustelemente und der Absonderung der organischen oder motorischen Elemente. Eine Analyse typischer Phasen von Gem\u00fcthsbewegungen stimmt hiermit \u00fcberein. Dafs es ein emotionelles Ged\u00e4chtnifs gebe, ist vielfach ohne Weiteres angenommen worden. Von der modernen Elemententheorie wird die Existenz eines solchen Ged\u00e4chtnisses dagegen geleugnet. Der Verf. verlangt, dafs man unterscheide zwischen Ged\u00e4chtnifs im Sinne einer willk\u00fcrlichen Erinnerung und Ged\u00e4chtnifs im Sinne blofsen Wiedererkennens. Die Existenz eines emotionellen Ged\u00e4chtnisses in letzterem Sinne h\u00e4lt der Verf. f\u00fcr sicher. Er berichtet aus seiner eigenen Erfahrung einen Fall, wo ihm pl\u00f6tzlich ein besonderer emotioneller Ton bewufst geworden sei; er habe trotz eindringlichem Suchen keine Vorstellungen entdecken k\u00f6nnen, die hierf\u00fcr h\u00e4tten verantwortlich gemacht werden k\u00f6nnen. Das bei der Wiederbelebung von Vorstellungen geltende Gesetz, wonach das Allgemeinere vor dem Specielleren bewufst wird, gilt auch auf dem Gebiet des emotionellen Ged\u00e4chtnisses. Lust und Unlust, ihrer besonderen Natur nach, k\u00f6nnen nicht vorgestellt werden; aber eine relativ permanente Gruppe von Instinktgef\u00fchlen kann vorgestellt werden. Um dies theoretisch verst\u00e4ndlich zu machen, braucht man nur die Existenz einer \u201edynamischen Constanten\u201c in der Gem\u00fcths-bewegung anzunehmen ; eine vorgestellte Gem\u00fcthsbewegung ist ein System von Zeit- und Intensit\u00e4tsbeziehungen zwischen organischen Empfindungen.\nMax Meyer (Columbia, Missouri).\nEmil Bullaty. Das Bewufstseinsproblem erkenntnifskritisch beleuchtet und dargestellt. Arch. f. systemat. Philos. 6 (1), 63\u201485; (2), 176\u2014209. 1900.\nDie Ph\u00e4nomenalit\u00e4t der \u201eAufsenwelt\u201c hat nichts mit einer gr\u00f6fseren Unmittelbarkeit des psychischen Seins zu thun, die Psychologie als empirische Wissenschaft kann demnach auch die Grundfragen der Philosophie nicht l\u00f6sen. Die \u201eAufsenwelt\u201c oder physische Welt ist freilich vom Bewufstsein untrennbar, aber umgekehrt ist eben auch das Bewufstsein nur Bewufstsein dieser physischen Welt. Der Gegensatz von Innen- und Aufsenwelt liegt innerhalb des Bewufstseins, er beruht auf dem Gegensatz von Passivit\u00e4t und Activit\u00e4t, die aber nie ohne einander, sondern stets nur mit einander verbunden auftreten. Der Gegensatz wird weiter auf das Gebiet des Bewufstseins inhaltes hin\u00fcbergespielt nnd daraus abgeleitet, \u201edafs der Inhalt der Erscheinungswelt eben nur indem Bewufstsein des Gegensatzes einer K\u00f6rperlichkeit und Th\u00e4tigkeit sich ersch\u00f6pft (182). Derselbe Gegensatz findet sich weiter in dem anderen subjectiver Gef\u00fchle und objectiver Empfindungen wieder. \u201eDer Gegensatz von einander untrennbarer subjectiver Gef\u00fchle und objectiver Empfindungen stellt sich uns somit als die sich selbst erfassende, ergreifende physische Erscheinung dar\u201c (191). Da wir K\u00f6rperlichkeit und Th\u00e4tigkeit stets nur in ihrem Gegens\u00e4tze wahrnehmen, so sind sie ohne existentiale G\u00fcltigkeit. \u201eAlle unsere Betrachtungen, die wir \u00fcber","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n57\ndie Realit\u00e4t der K\u00f6rperlichkeit und Th\u00e4tigkeit anstellen, finden in der Einsicht ihren Abschlufs, dafs nur wir an der K\u00f6rperlichkeit und Th\u00e4tigkeit nichts erkennen und wahr nehmen, was auf die Annahme ihrer existentialen G\u00fcltigkeit und Selbstst\u00e4ndigkeit zu schliefsen gestatten w\u00fcrde, da der existentiale Inhalt der K\u00f6rperlichkeit und Th\u00e4tigkeit schon insofern aufserhalb der Sph\u00e4re unserer Wahrnehmung und Erkenntnifs liegt, und in einem transcendenten Verh\u00e4ltnisse zu denselben sich befindet, als K\u00f6rperlichkeit und Th\u00e4tigkeit nur auf ihren Gegensatz das Bewufstsein der physischen Erscheinung einzuschr\u00e4nken uns n\u00f6thigen. Das Bewufstsein der ifiiysischen Erscheinung bildet somit nur die H\u00fclle, hinter welcher die absolute Beharrlichkeit und die absolute Ver\u00e4nderlichkeit als Principien absoluter Existenz verborgen sind\u201c (201). \u201eNur die Begrenztheit der absoluten Ver\u00e4nderlichkeit und Beharrlichkeit enth\u00fcllt sich uns in der physischen Natur, die wirkenden, schaffenden Elemente liegen aufserhalb derselben, jenseits des Bewufstseins\u201c (203 und 204). Die Ph\u00e4nomenalit\u00e4t der physischen Natur mufs nicht in ihrer Beziehung zum Bewufstsein, sondern in der zur existentialen Welt gesucht werden (207).\nIch habe im Vorangehenden versucht, den Hauptinhalt von Bullaty\u2019s Ausf\u00fchrungen wiederzugeben. Ob mir das gelungen ist, weifs ich nicht. Denn die Arbeit entbehrt so sehr jeder genauen Feststellung schwieriger Begriffe, jeder wirklich kritischen Pr\u00fcfung der Tragweite ihrer einzelnen Thesen, dafs ihre Lect\u00fcre zu den unerquicklichsten Aufgaben geh\u00f6rt, die man sich denken kann. S. 69 wird z. B. die Untrennbarkeit von Bewufstsein und Aufsenwelt im Sinne des Satzes der Immanenz ausgesprochen. Aus dieser Untrennbarkeit soll dann die Ueberzeugung entspringen, \u201edafs das Bewufstsein nicht als etwas von der \u201eAufsenwelt\u201c Verschiedenes auf-gefafst werden darf.\u201c Als ob \u201euntrennbar\u201c und \u201enicht verschieden\u201c identische Begriffe w\u00e4ren! Die Fragen nach der Berechtigung der Psychologie als Einzelwissenschaft, nach ihrer Bedeutung als philosophischer Grundwissenschaft und nach der realen Existenz eines Psychischen werden nirgends gesondert. Eine klare Scheidung der Begriffe und Probleme ist aber erste Voraussetzung f\u00fcr jede fruchtbare philosophische Arbeit. Dazu kommt, dafs Bullaty dem sprachlichen Ausdruck nicht die geringste Sorgfalt zuwendet. So findet man S. 65 den Satz : \u201eDas Bewufstseinsproblem wurde durch seine einseitige Ausbildung zu einer specifisch wissenschaftlichen Einzeldisciplin um ein bedeutendes Thatsachenmaterial bereichert; gerade dieses verurtheilt uns aber durch seinen Abstand von den elementaren aus dem Bewufstseinsproblem sich erhebenden Postulaten zu einer vollst\u00e4ndigen Rathlosigkeit in der Auffassung des Bewufstseins.\u201c In diesem Satze liegen folgende Unklarheiten: 1. man kann ein Problem nicht zu einer Disciplin ausbilden, sondern nur versuchen, es in einer Disciplin zu beantworten, 2. man kann ein Problem nicht durch Thatsachenmaterial bereichern, sondern nur seine L\u00f6sung durch Heranschaffung dieses Materials vorbereiten, 3. Thatsachenmaterial kann uns nicht zur Rathlosigkeit \u00fcber ein Grundproblem verurtheilen, sondern h\u00f6chstens nicht zur Sache geh\u00f6rig sein und dadurch verwirrend wirken, 4. was soll es heifsen, dafs das vielberufene Thatsachenmaterial einen Abstand von den elementaren aus dem Bewufstseinsproblem sich erhebenden Postulaten hat? Doch wohl nur,","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\njLiteraturbericht.\ndais es zur L\u00f6sung des Problems nichts beitragen kann. Eine solche Analyse eines an sich gleichg\u00fcltigen Satzes klingt pedantisch, aber man versuche, einen wesentlicheren, z. B. den von mir nach S. 201 angef\u00fchrten Passus zu analysiren, was ich mir des Raumes wegen versagen mufs, und man wird sogleich erkennen, wie in den Falten des sprachlichen Schwulstes die Unklarheiten des Gedankens sich verstecken.\nEs ist bedauerlich, dafs eine Arbeit, die augenscheinlich echt philosophischem Streben ihren Ursprung verdankt und die den f\u00fcr die behandelten Probleme richtigen Ausgangspunkt w\u00e4hlt, durch diesen Mangel jeder logischen und sprachlichen Disciplin f\u00fcr den Leser nahezu werthlos geworden ist. Vielleicht gelingt es dem Verf., sich zu gr\u00f6fserer Klarheit der Begriffe hindurchzuarbeiten. Eine sorgf\u00e4ltige Pr\u00fcfung seiner einzelnen S\u00e4tze auf die Genauigkeit und Richtigkeit ihres Ausdrucks hin wird ihm auf diesem Wege gute Dienste leisten k\u00f6nnen. Cohn (Freiburg i. BO.\nCoupin. Le sentiment de la mort chez les animanx. Revue scientifique 14 (25), 780\u2014784. 1900.\nVerf. f\u00fchrt eine grofse Anzahl von Beobachtungen aus dem Leben der Thiere an, um zu beweisen, dafs auch die Thiere deutlich die Kenntnifs vom Tode haben, was gemeinhin bestritten wird.\nSchon die Thatsache, dafs viele Raubthiere sich nur von todten Thieren n\u00e4hren, beweist, dafs diese Thiere todte Thiere von lebenden unterscheiden k\u00f6nnen. Einen breiten Raum der Abhandlung nimmt die Schilderung vom Leben in den Bienen- und Ameisenstaaten ein. Die oft erz\u00e4hlte merkw\u00fcrdige Beobachtung, dafs Ameisen Kirchh\u00f6fe f\u00fcr ihre gefallenen Nestgenossen anlegen und diese dort begraben, spricht ja ebenfalls f\u00fcr die Behauptung des Verf\u2019s.\tMoskiewicz (Breslau).\nR, S. Woodworth. On the Voluntary Control of the Force of Movement.\nPsychol. Review 8 (4), 350\u2014359. 1901.\nDer Verf. stellt die Frage, ob die lebendige Kraft eines Faustschlages von dem Ausf\u00fchrenden direct abgesch\u00e4tzt werden kann, oder nur vermittelst Sch\u00e4tzung der Weite des Ausholens. Er machte eine Reihe von Versuchen mit H\u00fclfe eines Apparats, der die beiden in Frage kommenden Gr\u00f6fsen, Kraft und Ausdehnung der vorg\u00e4ngigen Bewegung, auf einer Trommel registrirte. Es ist von vorneherein klar, dafs grofse Unterschiede der Kraft mit Unterschieden der Ausdehnung zusammenfallen m\u00fcssen, da ein starker Schlag unm\u00f6glich ist ohne weit auszuholen, und da es sehr unbequem ist, weit auszuholen, um einen schwachen Schlag auszuf\u00fchren. Es ist jedoch m\u00f6glich, abwechselnd stark und schwach zu schlagen, ohne die Weite des Ausholens zu \u00e4ndern. Es besteht eine gewisse Abh\u00e4ngigkeit der Kraft von der Ausdehnung der Bewegung, aber diese Abh\u00e4ngigkeit ist nicht sehr regelm\u00e4fsig, da die Kraft durch andere Factoren mitbestimmt wird und vermittelst dieser anderen Factoren abge sch\u00e4tzt werden kann.\tMax Meyer (Columbia, Missouri).","page":58}],"identifier":"lit32571","issued":"1902","language":"de","pages":"56-58","startpages":"56","title":"Emil Bullaty: Das Bewu\u00dftseinsproblem erkenntni\u00dfkritisch beleuchtet und dargestellt. Arch f. systemat. Philos. 6 (1), 63-85; (2), 176-209. 1900","type":"Journal Article","volume":"28"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:12:06.453925+00:00"}