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{"created":"2022-01-31T16:16:25.680124+00:00","id":"lit32576","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Moskiewicz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 28: 61-63","fulltext":[{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turbericht.\n61\nP. Ranschburg. Stadien \u00fcber die Merkf\u00e4higkeit der Normalen, Nervenschwachen und Geisteskranken. (Vorl\u00e4ufige Mittheilung.) Monatsschrift f. Psychiatrie und Neurologie 9 (4), 241\u2014259. 1901.\nUnter Merkf\u00e4higkeit versteht der Verf. diejenige psychische Th\u00e4tig-keit, die es uns erm\u00f6glicht, beliebige Zeichen im Bewufstsein festzuhalten, nach einiger Zeit wiederzuerkennen und zu reproduciren.\nEs war nun dem Verf. vor Allem darum zu thun, eine Methode zur Messung der Merkf\u00e4higkeit auszuarbeiten, die praktisch leicht durchf\u00fchrbar, auch bei Ungebildeten und Geisteskranken anwendbar ist und eine zahlenm\u00e4fsige Vergleichung gestattet. Sie mufs ferner den Einfluls der Wiederholungen und der Zeit feststellen k\u00f6nnen und sich auf die wichtigsten Specialged\u00e4chtnisse erstrecken.\nDie Methode selbst war folgende :\nEs wurden der Versuchsperson insgesammt 50 Zeichen eingepr\u00e4gt, die in 7 Gruppen getheilt waren.\nDie erste und f\u00fcnfte Gruppe diente der Untersuchung des (akustischen) Wortged\u00e4chtnisses. Es wurden jedoch nicht einzelne Worte vorgesagt, welche sich die Versuchsperson merken sollte, wie dies bei den bisherigen Methoden zur Pr\u00fcfung der Merkf\u00e4higkeit der Fall war, sondern die Methode suchte den Bedingungen des gew\u00f6hnlichen Lebens m\u00f6glichst nahe zu kommen. Nun ist nicht zu leugnen, dafs wir im Leben sehr selten in die Lage kommen, uns ein einzelnes Wort zu merken, das in keinem Zusammenh\u00e4nge mit anderen Worten steht, vielmehr h\u00e4ngen alle unsere Vorstellungen eng mit einander zusammen, und es wird von uns verlangt, zu bestimmten Vorstellungsgruppen andere associativ ins Ged\u00e4chtnifs zu rufen. Aus diesem Grunde hat der Verf. nicht einzelne Worte, sondern Wortpaare vorgesagt, die nach bestimmten Principien zusammengestellt waren, z. B. Wortzusammensetzungen: Haus\u2014Thor. Co-und Subordination : Hand\u2014Finger, Causalit\u00e4t: Gott\u2014Sch\u00f6pfung etc. Es wurde nun der Versuchsperson auf getragen, sich diese Wortpaare so gut einzupr\u00e4gen, dafs wenn nach einiger Zeit ihr das erste Wort eines jeden Paares wieder vorgesagt w\u00fcrde, sie das entsprechende zweite nennen k\u00f6nnte.\nDie zweite Gruppe sollte das Personenged\u00e4chtnifs pr\u00fcfen. Es wurden der Versuchsperson 10 Herren- und Damenportr\u00e4ts vorgelegt, mit der Aufforderung, sie sich gut einzupr\u00e4gen, um sie dann aus einer grofsen Anzahl von Portr\u00e4ts (50) herauszufinden.\nIn der dritten Gruppe wurde das Farbenged\u00e4chtnifs gepr\u00fcft und zu diesem Zwecke der Versuchsperson 5 bunte Streifen gezeigt; es wurden ihr dann 3 Nuancen von jeder Farbe vorgelegt, sie mufste die vorhergesehene Nuance angeben.\nDie vierte Gruppe diente der Pr\u00fcfung des Orientirungsged\u00e4chtnisses. Ein Blatt weifses Papier wurde in 693 Quadrate getheilt, 150 davon schwarz ausgef\u00fcllt, und zwar so, dafs 100 in den verschiedensten Figurationen an ihren Ecken Zusammenh\u00e4ngen, 50 Quadrate hingegen unter die \u00fcbrigen unregelm\u00e4fsig vertheilt wurden. Es wurden nun der Versuchsperson 5 solche isolirte Quadrate gezeigt, mit der Aufforderung, sie sich nach ihrer Lage resp. Umgebung zu merken, um sie nach einiger Zeit wiederzufinden.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nLitera turbericht.\nGruppe \u00f6 diente wie Gruppe 1 der Pr\u00fcfung des Wortged\u00e4chtnisses, sie enthielt 5 Wortpaare, Associationen ohne Sinn.\nIn Gruppe 6 wurde das Namenged\u00e4chtnifs untersucht. Hier galt dieselbe Ueberlegung wie bei Gruppe 1. Im Leben merken wir uns nicht einzelne Namen, sondern diese als Bezeichnungen f\u00fcr bestimmte Personen, Dinge etc., mit denen die Namen associativ verkn\u00fcpft sind. Es wurden daher der Versuchsperson 5 Portr\u00e4ts gezeigt, und dazu Tauf- und Familienname der betreffenden Person. Es sollte dann die Versuchsperson nach einiger Zeit zu dem Bilde die entsprechenden Namen nennen.\nIn Gruppe 7 endlich wurde das Zahlenged\u00e4chtnifs gepr\u00fcft. Aus dem oben erw\u00e4hnten Grunde sollte die Versuchsperson sich nicht einzelne Zahlen merken, sondern diese in Verbindung mit bestimmten Maafsen, Daten etc., wie dies im Leben von uns verlangt wird; z. B. September-der 17. St. Georgstr.- 39 etc. Es wurde dann der Versuchsperson das erste Wort vorgesagt, sie sollte darauf die entsprechende Zahl nennen.\nDie Versuche wurden nun so angestellt, dafs erst Gruppe 1\u2014-4 der Versuchsperson genannt wurden, dann folgte die Pr\u00fcfung in Gruppe 1 und 2, hierauf wurde Gruppe 5\u20147 genannt und endlich in Gruppe 3\u20147 gepr\u00fcft.\nBei der Verwerthung der Resultate wurden gesondert berechnet Umfang und Sicherheit des Ged\u00e4chtnisses. Umfang des Ged\u00e4chtnisses ist die Summe aller erinnerter Zeichen. Dabei galt jedes richtig reproducirte resp. wiedererkannte Wort, Bild, Farbe etc. als Einheit. Wird ein Wort unrichtig erinnert, so wird die Versuchsperson darauf aufmerksam gemacht; der richtig corrigirte Fehler galt als halbe Einheit. Unrichtig corrigirt sowie gar nicht erinnerte Zeichen galten als 0.\nDie Sicherheit des Ged\u00e4chtnisses wurde ziffernm\u00e4fsig ausgedr\u00fcckt durch Berechnung der Procentzahlen der berichtigten Fehlerinnerungen im Verh\u00e4ltnifs zur Gesammtzahl der Erinnerungen. Diese Versuche wurden nun insgesammt an 70 Personen angestellt und zwar an 12 Schulkindern im Alter von ca. 12 Jahren, an 12 ungebildeten Erwachsenen (W\u00e4rtern der Irrenanstalt), an 13 Erwachsenen h\u00f6herer Bildung, an 12 Neurasthenikern und 21 Paralytikern.\nEs ergaben sich kurz folgende Resultate :\n1.\tEinflufs der Bildung.\nDer Umfang des Ged\u00e4chtnisses ist bei den Gebildeten gr\u00f6fser als bei Ungebildeten; am gr\u00f6fsten ist der Unterschied im Gebiete des Ged\u00e4chtnisses f\u00fcr sinnlose Wortverbindungen, des Zahlen- und Namenged\u00e4chtnisses. Die Sicherheit des Ged\u00e4chtnisses ist gleich grofs, jedoch \u00fcber wiegt in den einzelnen Specialged\u00e4chtnissen die Sicherheit bald bei den Gebildeten, bald bei den Ungebildeten.\n2.\tDer Einflufs des Alters zeigt sich darin, dafs mit zunehmendem Alter sowohl Umfang wie Sicherheit des Ged\u00e4chtnisses zunehmen.\n3.\tEinflufs der Neurasthenie.\nEs zeigt sich eine deutliche Abnahme des Ged\u00e4chtnifsumfanges. Besonders das Wort- und Namenged\u00e4chtnifs hat sehr abgenommen. Auch die Sicherheit des Ged\u00e4chtnisses hat gelitten.\n4.\tEinflufs der progressiven Paralyse.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n63\nEs ist klar, dafs die Abnahme des Ged\u00e4chtnifsumfanges hier eine enorm grofse ist, in manchen Gruppen sinken die Werthe auf 0. Dementsprechend war auch die Sicherheit des Ged\u00e4chtnisses sehr herabgesetzt.\n5. Der Einflufs der Besch\u00e4ftigung war bei einigen Paralytikern deutlich zu beobachten, bei denen die Werthe in einigen Specialged\u00e4chtnissen noch leidlich gute waren, w\u00e4hrend sie in anderen schon v\u00f6llig bis zur 0 herabgesunken waren. Der Beruf scheint also auf das entsprechende Specialged\u00e4chtnifs einen m\u00e4chtigen conservirenden Einflufs auszu\u00fcben.\nMoskiewicz (Breslau).\nG. Behringer. Die Gef\u00e4ngnifsschnle. Ein Ueberblick \u00fcber die geschichtliche Entwickelung, den heutigen Stand und die Bedeutung des Schul- und\nBildungswesens in den Strafanstalten. Leipzig, C. L. Hirschfeld, 1901.\n132 S.\nYerf. hat sich der grofsen M\u00fche unterzogen, die zerstreuten Nachrichten \u00fcber Gef\u00e4ngnifsschulen zu sammeln, und die f\u00fcr den Criminalisten, Sociologen, P\u00e4dagogen und Psychologen gleich interessanten Daten, einheitlich geordnet, der Oeffentlichkeit zug\u00e4nglich zu machen. Bef. mufs es sich versagen, auf die mit besonderer Sorgfalt zusammengestellte Geschichte der Gef\u00e4ngnifsschulen, welche mehr als zwei Drittel des Werkes f\u00fcllt, einzugehen, m\u00f6chte aber jedem, der sich f\u00fcr den Gegenstand interessirt, die Lect\u00fcre dieses Theiles dringend empfehlen.\nDas Schlufskapitel umfafst eine W\u00fcrdigung der heutigen Gef\u00e4ngnifs-schule. Die Letztere hat zun\u00e4chst den Zweck, innerhalb gewisser Grenzen die mangelhaften oder fehlenden Kenntnisse der Gefangenen zu erg\u00e4nzen. \u201eBesondere Wichtigkeit gewinnt die Gef\u00e4ngnifsschule beim Strafvollzug in Einzelhaft. Die schlimmen Folgen unnat\u00fcrlicher, der geselligen Natur des Menschen widerstrebenden Absonderung werden durch guten Schulunterricht am leichtesten verh\u00fctet.\u201c Ueber die erziehliche Bedeutung der Gef\u00e4ngnifsschule bestehen verschiedene Meinungen. In England wird der Unterricht als ein eigentliches Erziehungs- und Besserungsmittel nicht behandelt, \u201ewie man denn auch in England weit davon entfernt ist, die mangelnden Kenntnisse als eine Ursache der Verbrechen zu betrachten.\u201c In D\u00e4nemark, Schweden und anderen Staaten wird hingegen die Gef\u00e4ngnifsschule als Besserungsmittel angesehen und dementsprechend steht ihr Erziehungszwreck im Vordergrund. Verf. fafst seine Ansicht hier\u00fcber folgendermaafsen zusammen: \u201eWenn die Gefangenen w\u00e4hrend ihrer Straf -verb\u00fcfsung gebessert werden sollen, dann m\u00fcssen in den Strafanstalten auch Schulen eingerichtet werden, denn eine Besserung ist nur m\u00f6glich durch Erzeugung neuer Vorstellungen, die stark genug sind, den Willen zu beeinflussen, und der Schulunterricht bietet in Verbindung mit dem Religionsunterricht die M\u00f6glichkeit, eine solche neue Gedankenwelt hervorzurufen.\u201c\nAuch die Frage, welche Gefangenen schulpflichtig seien, wird in verschiedenen Staaten verschieden beantwortet. Gew\u00f6hnlich wird das 30. oder 35. Lebensjahr als Grenze f\u00fcr die Besserungsbed\u00fcrftigkeit oder Besserungsf\u00e4higkeit eines Menschen angesehen, obzwar sich f\u00fcr diese","page":63}],"identifier":"lit32576","issued":"1902","language":"de","pages":"61-63","startpages":"61","title":"P. Ranschburg: Studien \u00fcber die Merkf\u00e4higkeit der Normalen, Nervenschwachen und Geisteskranken. (Vorl\u00e4ufige Mittheilung.) Monatsschrift f. Psychiatrie und Neurologie 9 (4), 241-259. 1901","type":"Journal Article","volume":"28"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:16:25.680130+00:00"}