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{"created":"2022-01-31T16:34:57.060649+00:00","id":"lit32612","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 139-142","fulltext":[{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n139\nwinnung eines Vergleichunggurteiles gerichtet ist. Verl, meint nun, darunter mtifste man eine absichtlich auf dieses Ziel gerichtete T\u00e4tigkeit verstehen. Wer aber auf der Flucht vor Verfolgern den Versuch unternimmt, eine Mauer zu \u00fcbersteigen \u2014* was ihm nicht gelingt \u2014 und einen Flufs durch-\u00bbuschwimmen \u2014 was ihm gelingt \u2014, hat diese beiden Dinge verglichen, er 1st dabei aber nicht auf F\u00e4llung eines Urteile\u00bb ausgegangen. Zum Vergleichen wurde er durch \u00a9in Motiv veranlafst, und dieses k\u00f6nnte wohl Locke bei seinem Begriff des Grundes oder der Gelegenheit zum Vergleichen vor-geschwebt haben.\nDas d\u00fcrfte aber ein Missverst\u00e4ndnis sein: Unter T\u00e4tigkeit ist hier nicht jedes Tun zu verstehen, welches das F\u00e4llen eines Vergleichungsurteiles m\u00f6glich macht, also nicht etwa alles, was ich zuf\u00e4llig tue und was mir sp\u00e4ter ein solches Urteil erm\u00f6glicht, wie Schwimmen, Klettern .... sondern nux jene T\u00e4tigkeit, welche noch zur Vergleichung von Gegenst\u00e4nden n\u00f6tig ist, wenn die Vorstellungen der Gegenst\u00e4nde gegeben sind.\nVerf. findet den primitivsten Fall von Vergleichung im Kampf der Motive. Voraussetzung zum Vergleichen ist immer ein Willensakt; die f\u00f6rdernde oder hemmende Wirkung der Gegenst\u00e4nde auf diesen Willensakt bedingt das Feststellen der \u00dcbereinstimmungen und Unterschiede. Verf. begeht hier ein\u00a9 Verwechslung zwischen Entscheidung und Vergleich. Vergleichen ist sicher ein intellektueller, Entscheiden (bei Wahl) ein emotioneller Vorgang; die Analogie der Vorg\u00e4nge besteht ja in gewissem Grade, aber deshalb ist Vergleichen doch nicht W\u00e4hlen.\nSch liefe lieh ber\u00fchrt Verf. noch die erkenntnistheoretischen Fragen nach Identit\u00e4t und Unvertr\u00e4glichkeit, Vorstellungs- und Tatsachenrelationen. Es ist schade, dafs Verf. Meinongs neuer\u00a9 Arbeiten, die ihn sicher in seinen anerkennenswerten Untersuchungen gef\u00f6rdert h\u00e4tten, in seine Kritik nicht hinein gezogen hat.\tAmeseder (Graz).\n\u00d6. K\u00fclpe. Ober die Objektivierung und Snbjektivierung von Sinneselndrflcken.\nPhilos. Studien 10 (WcNDx-Festschrift), 507\u2014556. 1602.\nDer Verf. kn\u00fcpft an die in Bd. 7 und 8 der Philos. Studien von ihm ver\u00f6ffentlichten Abhandlungen \u201eDas Ich und die Aufsenwelt\u201c an und bringt in der vorliegenden Arbeit eine experimentelle Best\u00e4tigung dort aufgestellter Annahmen. \u201eIst unser\u00a9 Erfahrung urspr\u00fcnglich einheitlicher Axt, weder objektiv noch subjektiv, sind diese Attribute lediglich auf besonder\u00a9 empirische Kriterien gegr\u00fcndet\u00a9 Bestimmungen der Inhalt\u00a9 oder Erlebnisse, dann mufs es durch geeignet\u00a9 Mals nah men m\u00f6glich sein, irrt\u00fcmliche oder wenigstens zweifelhafte Subjektivierungen und Objektivierungen hervorzurufen. Wenn man es den Erlebnissen nicht ansehen kann, ob sie subjektiv oder objektiv sind, dann mufs ferner das Urteil \u00fcber diese Momente von Faktoren abh\u00e4ngig sein, die aufserhalb der Erlebnisse selbst liegen und gewissermafsen nur zuf\u00e4llig mit ihnen Zusammenh\u00e4ngen.\u201c Aus diesen der Einleitung entnommenen Worten ergeben sich die Hauptfragen, die der Verf. zu l\u00f6sen suchte. Daneben hoffte er sowohl \u00dcber die beteiligten Faktoren selbst, wie \u00fcber die psychologischen Prozesse, die sich bei diesen Vorg\u00e4ngen abspielen, n\u00e4heren Aufschlufs zu gewinnen.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nLiteratiirbericht.\nDie Arbeit erstreckt sich \u00fcber Versuche mit optischen wie mit taktilen Eindr\u00fccken.\nI. Optische Versuche. Optische Inhalte sind variabel nach ihren Eigenschaften, als welche der Verf. Qualit\u00e4t, Intensit\u00e4t, Ausdehnung und Dauer bezeichnet, Sie sind weiter variabel nach dem Ort, den sie einnehmen, wie nach den Beziehungen, zu denen sie untereinander stehen. Ort, Form und Qualit\u00e4t blieben bei den Versuchen konstant, variiert wurden nur Intensit\u00e4t und Dauer des Eindrucks. Als solcher diente ein Lichtreiz von quadratischer Form, den der Verf. mittels eines hinter der Versuchsperson aufgestellten Apparates (eine durch einen Tubus lichtdicht verschlossene Petroleumlampe mit seitlich einm\u00fcndender, in einen Schlitz mit Milchglasplatte endender Bohre, AuBERTSches Diaphragma usw.) auf eine vor ihr befindliche Wand projizierte. Die Expositionsdauer variierte zwischen 1 und 20 Sekunden. Die Versuche wurden im Dunkelzimmer ausgef\u00fchrt, die Versuchspersonen (11) hatten vor jeder Sitzung die Augen eine Viertel-stunde lang zu adaptieren. \u201eDie Versuchspersonen wufsten nur, dafs sie gelegentlich etwas zu sehen bek\u00e4men, und hatten die Aufgabe, alles, was sie sahen, zu schildern, anzugeben, ob sie es f\u00fcr subjektiv oder objektiv hielten bzw. zweifelhaft w\u00e4ren, und die Motive f\u00fcr die Subjektivierung oder Objektivierung mitzuteilen, falls sie sich deren bewufst w\u00e4ren.\u201c\nDie Versuchsergebnisse hat der Verf. in Tabellen sorgsam zusammengestellt. Als allgemeine Ergebnisse zeigt eine 1. Tabelle, dafs bei allen Versuchspersonen in der Objektivierung des Eindrucks fehlerhafte, bzw. zweifelhafte F\u00e4lle vorkamen. Die Gesamtsumme der Urteile aus der Zahl aller angestellten Beobachtungen (3464) f\u00fcr alle Versuchspersonen zeigt 33% richtiger F\u00e4lle und 19% solcher, die sich aus falschen Objektivierungen, falschen Subjektivierungen, zweifelhaften Urteilen bei objektiven und solchen bei subjektiven Erscheinungen (F-F\u00e4lle) zusammensetzen. Trotz betr\u00e4chtlicher individueller Differenzen besteht somit \u201eeine pr\u00e4valierende Tendenz z u r O b j e k t i v i e r u n g\u201c. \u201eDiese Tendenz ist unabh\u00e4ngig von den zweifelhaften F\u00e4llen, die im Durchschnitt keinen nennenswerten Unterschied darbieten, deutlich erkennbar.\u201c\nEine \u20182. Tabelle zeigt den Einflufs der Diaphragma\u00f6ffnung, durch welche die Lichtintensit\u00e4t des Eindrucks variiert wurde. Hier ergab sich, dafs die Zahl der richtigen Objektivierungen mit wachsender Diagonale durchweg zunahm und weiter, dafs die der F-F\u00e4lle unterhalb der Schwelle wuchs und in der N\u00e4he derselben, etwa bei 40 % richtiger Objektivierungen abzunehmen begann. Der Verf. sucht diese letztere Tatsache einmal daraus zu erkl\u00e4ren, dafs er zeigt, wie in der N\u00e4he der Schwelle ein Bezirk existieren m\u00fcsse, wo zwischen subjektiven und objektiven Erscheinungen eine grofse \u00c4hnlichkeit bestehe und sodann daraus, dafs die subjektiven Erscheinungen, wie er oft habe beobachten k\u00f6nnen, unter dem Einflufs der wahrnehmbaren Reize sich vermehrten. N\u00e4hme man beide Tatsachen zusammen, so ergebe sich, \u201edafs die F-F\u00e4lle bis zu einem in der N\u00e4he der Schwelle liegenden Grenzwerte zunehmen m\u00fcssen\u201c.\nIn einer 3. Tabelle sind die Ergebnisse mit R\u00fccksicht auf die Reiz-dauer zusammengestellt. Hier ergab sich, dafs bei einer Gruppe von Versuchspersonen die relative Anzahl der richtigen Objekti-","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n141\ny i e r unge n m it wachsender Zeit a b n a h m, w \u00e4hre n d bei ei n e r anderen das Gegenteil der Fall war. Der Verf. erkl\u00e4rt diese Tatsache aus dem Verhalten der Versuchspersonen gegen\u00fcber der Beurteilung des Eindrucks. So war bei Versuchspersonen der ersten Gruppe die Pl\u00f6tzlichkeit des Erscheinens und Verschwindens des Reizes ein Motiv f\u00fcr die\nObjektivierung desselben. Bei k\u00fcrzerer Einwirkungsdauer pflegte aber der Eindruck im allgemeinen mit gr\u00f6fserer Geschwindigkeit einzutreten und wieder zu verschwinden als bei l\u00e4ngerer. Bei den Versuchspersonen der zweiten Gruppe dagegen beurteilte die eine die objektiven Ph\u00e4nomene gerade nach der l\u00e4ngeren Dauer der Einwirkung, w\u00e4hrend die andere den Lidschlufs zu Hilfe nahm.\nDer Verf. geht dann weiter den individuellen Unterschieden nach und sucht im einzelnen die Motive der Objektivierung und S ubjekti vierung aufzufinden. Aus diesen interessanten Mitteilungen sei hier nur hervorgehoben, dafs sich als Motive haupts\u00e4chlich folgende geltend machten: die F\u00e4rbung des Eindrucks, wie seine gr\u00f6fsere oder geringere Helligkeit, die Un Ver\u00e4nderlichkeit oder Ver\u00e4nderlichkeit der Empfindungen innerhalb der Zeit, ferner, wie schon oben angegeben, die Art des Auftretens und Verschwindens der Erscheinung, die bestimmte Form des objektiven Eindrucks gegen\u00fcber dem\nsubjektiven, der bestimmtere 0 rt der objektiven Erscheinung, sowie Fol ge-und Begleiterscheinungen. Zwei Versuchspersonen gaben auch an, dafs die subjektivierten Erscheinungen \u201emehr durchsichtig, netzartig oder nebelartig\u201c seien als die objektivierten.\nII.\tVersuche im Gebiet des Hautsinns. Zur Anwendung kamen hier die v. F\u00dfEYschen Untersuchungsmethoden. Der Verf. arbeitete mit zwei Versuchspersonen. Die Ergebnisse waren im wesentlichen dieselben, die bei den Versuchen mit optischen Reizen gefunden wurden. Auff\u00e4llig waren die individuellen Unterschiede, die sich in diesem Falle besonders daraus erkl\u00e4rten, dafs die eine der beiden Versuchspersonen sich viel mit optischen Beobachtungen besch\u00e4ftigt hatte, w\u00e4hrend die andere \u00fcber grofse Erfahrungen im Gebiete der Hautempfindungen verf\u00fcgte.\nIII.\tDie psychologische und erkenntnistheoretische Bedeutung der V ersuche. Die psychologische \u00dcber Wertigkeit der Objektivierung sieht der Verf. schon in dem negativen Charakter, den die Aussagen bei der Subjektivierung annahmen. Der Verf. weist darauf hin, dafs auch die Sprache die Empfindungen gr\u00f6fstenteils nach den Gegenst\u00e4nden bezeichnet, durch die sie hervorgerufen werden und sie auf diese bezieht. Dasselbe gelte f\u00fcr die Entwicklung der Ausdr\u00fccke, welche die Sinnest\u00e4tigkeit benennen (Wundt). Hierher geh\u00f6re auch die Objektivierung der Traumph\u00e4nomene. Die Subjektivierung sei urspr\u00fcnglich beschr\u00e4nkt auf die komplexen Gef\u00fchls- und auf die Willensvorg\u00e4nge. \u201eDie\nAffekte und Triebe, Stimmungen und Leidenschaften, Absichten und Entschl\u00fcsse, Wahlakte und Handlungen geh\u00f6ren zu dem nat\u00fcrlichen Best\u00e4nde subjektivierter Erscheinungen. Die Sinneseindr\u00fccke und Phantasmen aber, f\u00fcr deren Eintreten sich das Individuum nicht verantwortlich weifs, deren\nKommen und Gehen ohne sein Zutun sich abspielen, sie erscheinen zun\u00e4chst als aufgen\u00f6tigte, okjektive.\u201c Der Verf. sieht in der aus seinen Ver-","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nLiteraturbericht\nsuchen hervorgetretenen Tendenz zur Objektivierung ein Zeichen daf\u00fcr, daft auch in psychologisch und naturwissenschaftlich gebildeten Personen ein nachweisbarer Rest jener Neigung zur\u00fcckgeblieben ist; denn ein\u00a9 \u00fcberwiegend\u00a9 Tendenz zur Subjekt!vierung, er hebt dies nochmals hervor, zeigte sich niemals. \u2014 Dieser Tatbestand hat ferner biologisch\u00a9 Bedeutung. \u201eDie Beziehung zur Aufsenwelt wird f\u00fcr die psychologischen Wesen durch die Objektivierung vermittelt.\u201c Im Gebiete der Empfindungen ist es f\u00fcr \u00a9in Lebewesen aber von gr\u00f6sserer Bedeutung, zu objektivieren als zu subjektivieren. Daher wird bei einem. Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Bestandteilen das Ganze meistens objektiviert.\nln erkenntnistheoretischer Hinsicht glaubt der Verf. mit seinen Versuchen einen weiteren Beitrag zur Bestimmung der von ihm geschaffenen Begriffe der Erlebnisse gegeben zu haben. Diese sind nach K\u00fclpe di\u00a9 urspr\u00fcnglichen oder vollen Erfahrungen. Die Versuche zeigen, \u201edaft das, was au bjekti viert oder objektiviert wird, nicht to to genere verschieden voneinander ist, wie etwa e\u00fcfs und blau oder Licht und Schall, sondern einander \u201eganz gleich\u201c sein kann, dafs es also kein\u00a9 immanenten Merkmal\u00a9 sind, welche diese Unterscheidung begr\u00fcnden und herbeif\u00fchren. \u201eAn sich\u201c ist somit ein Eindruck weder subjektiv noch objektiv, \u201edas Denken macht ihn erst dazu\u201c, d. h. in diesem Falle di\u00a9 Beziehung auf ein Objekt oder \u00a9in Subjekt. Diese Beziehung h\u00e4ngt von Kriterien ab, deren Kenntnis erworben werden inuft, und deren Anwendung bei einem und demselben Ph\u00e4nomen a priori nach beiden Richtungen m\u00f6glich ist. Wo daher immanente Merkmale zu dieser Unterscheidung benutzt werden, da tragen sie \u00a9inen relativen und rein empirischen Charakter, der von Fall zu Fall wechseln kann und keine B\u00fcrgschaft dauernden Erfolges mit sich f\u00fchrt.\u201c\tKiesow (Turin).\nTheodob Lipps. Einf\u00fchlung, innere lachubmnng und OrganempAndingen.\nArch. f. d. gesamte Psychol. 1, (2 u. 3), S. 185\u2014204. 1903.\nLipps fafst in diesem Aufsatz knapp und klar zusammen, warum ihm alle Behauptungen von der \u00e4sthetischen Bedeutung der Organempfindungen als Verirrungen erscheinen. Er geht dabei vom Begriffe der Einf\u00fchlung aus. In dieser ist \u201eich\u201c und \u201eGegenstand\u201c identisch. Wenn ich \u00a9in\u00a9 fremde, gesehen\u00a9 Bedeutung \u00e4sthetisch miterleb\u00a9, so weift ich von der \u00e4efseren Nachahmung, die etwa in meinem K\u00f6rper dabei vorgeht, nichts. Und auch die \u201einnere Nachahmung\u201c der Bewegung geschieht einzig in dem gesehenen Objekt, in das ich mich einf\u00fchle (191). Die Identit\u00e4t meines Ich mit dem Gegenstand mufs dabei streng aufgefaftt werden. Dieses Ich ist ideell, d. h. nicht etwa, es ist nicht real, sondern lediglich es ist nicht praktisch, strebt nach keiner Bet\u00e4tigung, sondern geht ganz in dem Eindruck auf (192). Die Existenz von Muskelspannungen bei der Betrachtung von Bewegungen gibt Lipps ausdr\u00fccklich zu. \u201eIn der Tat werden bei Betrachtung von Bewegungen anderer, und zwar in dem Mafse, als ich ihnen betrachtend hingegeben bin, und zugleich in dem Mafse, als darin \u201eArbeit\u201c liegt, solche Spannungen in meinen Muskeln nie fehlen\u201c . . (197). Aber diese Organempfindungen haben f\u00fcr den \u00e4sthetischen Genuft, den Genufa der eingef\u00fchlten Selbstbet\u00e4tigung, ganz und gar keine Bedeutung. Die ent-","page":142}],"identifier":"lit32612","issued":"1904","language":"de","pages":"139-142","startpages":"139","title":"O. K\u00fclpe: \u00dcber die Objektivierung und Subjektivierung von Sinneseindr\u00fccken. Philos. Studien 19 (Wundt-Festschrift), 507-556. 1902","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:34:57.060655+00:00"}