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{"created":"2022-01-31T16:35:13.105037+00:00","id":"lit32613","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 142-143","fulltext":[{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nLiteraturbericht\nsuchen hervorgetretenen Tendenz zur Objektivierung ein Zeichen daf\u00fcr, daft auch in psychologisch und naturwissenschaftlich gebildeten Personen ein nachweisbarer Rest jener Neigung zur\u00fcckgeblieben ist; denn ein\u00a9 \u00fcberwiegend\u00a9 Tendenz zur Subjekt!vierung, er hebt dies nochmals hervor, zeigte sich niemals. \u2014 Dieser Tatbestand hat ferner biologisch\u00a9 Bedeutung. \u201eDie Beziehung zur Aufsenwelt wird f\u00fcr die psychologischen Wesen durch die Objektivierung vermittelt.\u201c Im Gebiete der Empfindungen ist es f\u00fcr \u00a9in Lebewesen aber von gr\u00f6sserer Bedeutung, zu objektivieren als zu subjektivieren. Daher wird bei einem. Zusammenwirken von objektiven und subjektiven Bestandteilen das Ganze meistens objektiviert.\nln erkenntnistheoretischer Hinsicht glaubt der Verf. mit seinen Versuchen einen weiteren Beitrag zur Bestimmung der von ihm geschaffenen Begriffe der Erlebnisse gegeben zu haben. Diese sind nach K\u00fclpe di\u00a9 urspr\u00fcnglichen oder vollen Erfahrungen. Die Versuche zeigen, \u201edaft das, was au bjekti viert oder objektiviert wird, nicht to to genere verschieden voneinander ist, wie etwa e\u00fcfs und blau oder Licht und Schall, sondern einander \u201eganz gleich\u201c sein kann, dafs es also kein\u00a9 immanenten Merkmal\u00a9 sind, welche diese Unterscheidung begr\u00fcnden und herbeif\u00fchren. \u201eAn sich\u201c ist somit ein Eindruck weder subjektiv noch objektiv, \u201edas Denken macht ihn erst dazu\u201c, d. h. in diesem Falle di\u00a9 Beziehung auf ein Objekt oder \u00a9in Subjekt. Diese Beziehung h\u00e4ngt von Kriterien ab, deren Kenntnis erworben werden inuft, und deren Anwendung bei einem und demselben Ph\u00e4nomen a priori nach beiden Richtungen m\u00f6glich ist. Wo daher immanente Merkmale zu dieser Unterscheidung benutzt werden, da tragen sie \u00a9inen relativen und rein empirischen Charakter, der von Fall zu Fall wechseln kann und keine B\u00fcrgschaft dauernden Erfolges mit sich f\u00fchrt.\u201c\tKiesow (Turin).\nTheodob Lipps. Einf\u00fchlung, innere lachubmnng und OrganempAndingen.\nArch. f. d. gesamte Psychol. 1, (2 u. 3), S. 185\u2014204. 1903.\nLipps fafst in diesem Aufsatz knapp und klar zusammen, warum ihm alle Behauptungen von der \u00e4sthetischen Bedeutung der Organempfindungen als Verirrungen erscheinen. Er geht dabei vom Begriffe der Einf\u00fchlung aus. In dieser ist \u201eich\u201c und \u201eGegenstand\u201c identisch. Wenn ich \u00a9in\u00a9 fremde, gesehen\u00a9 Bedeutung \u00e4sthetisch miterleb\u00a9, so weift ich von der \u00e4efseren Nachahmung, die etwa in meinem K\u00f6rper dabei vorgeht, nichts. Und auch die \u201einnere Nachahmung\u201c der Bewegung geschieht einzig in dem gesehenen Objekt, in das ich mich einf\u00fchle (191). Die Identit\u00e4t meines Ich mit dem Gegenstand mufs dabei streng aufgefaftt werden. Dieses Ich ist ideell, d. h. nicht etwa, es ist nicht real, sondern lediglich es ist nicht praktisch, strebt nach keiner Bet\u00e4tigung, sondern geht ganz in dem Eindruck auf (192). Die Existenz von Muskelspannungen bei der Betrachtung von Bewegungen gibt Lipps ausdr\u00fccklich zu. \u201eIn der Tat werden bei Betrachtung von Bewegungen anderer, und zwar in dem Mafse, als ich ihnen betrachtend hingegeben bin, und zugleich in dem Mafse, als darin \u201eArbeit\u201c liegt, solche Spannungen in meinen Muskeln nie fehlen\u201c . . (197). Aber diese Organempfindungen haben f\u00fcr den \u00e4sthetischen Genuft, den Genufa der eingef\u00fchlten Selbstbet\u00e4tigung, ganz und gar keine Bedeutung. Die ent-","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n143\ngegen gesetzte Behauptung beruht entweder auf einer Verwechslung der Bp&nnungsempfindung in den Muskeln mit dem Gef\u00fchl der Willensanspannung oder auf der Annahme, dafs jene Spannungsempfindungen besonders lustvoll seien, oder man h\u00e4lt gar Spannungsempfindungen f\u00fcr einen Bestandteil der Lust am \u00e4sthetischen Objekte. Die dritte Meinung hat im Grunde niemand, die zweite ist tats\u00e4chlich falsch, denn Muskelempfindungen sind entweder indifferent oder unlustvoll, die erste l\u00e4fst sich von der Sprache t\u00e4uschen und ist im Grunde ebenso verfehlt, als wenn einer den Durst nach Rache durch einen Trunk frischen Wassers l\u00f6schen wollte. Gegen alle Varianten der Lehre von der Bedeutung der Organempfindungen ist einzuwenden, dafs je intensiver di\u00a9 \u00e4sthetische Einf\u00fchlung ist, um so mehr meine K\u00f6rperempfindungen f\u00fcr mich verschwinden. \u201eIn Wahrheit sind die Empfindungen meines eigenen k\u00f6rperlichen Zustandes in der \u00e4sthetischen Betrachtung nur da, um f\u00fcr mich ganz und gar nicht da zu. sein.\u201c\tCohn (Freiburg i. B.).\nJohannes Volkelt. Beitr\u00e4ge zur Analyse des Biwifstseiis, 3. Die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle Ii ihrem Verh\u00e4ltnis zur Vorstellung. Zeitschr. f. Philos, u. philos, Erit 121 (2), 201\u2014230. 1903.\nDi\u00a9 Frage, wie sich die Gef\u00fchle beim \u00e4sthetischen Anschauen zu den Gef\u00fchlen des realen Lebens verhalten, ist f\u00fcr die psychologisch\u00a9 Analyse des Kunstgenusses von grofser Wichtigkeit und in letzter Zeit vielfach behandelt worden. 8t. Witasek hat {diese Zeitschrift 25,1) eine L\u00f6sung dadurch geben zu k\u00f6nnen geglaubt, dafs er sagte, bei der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung handle es sich nicht sowohl um wirklich erlebte Gef\u00fchle als vielmehr um Gef\u00fchlsvorstellungen. Volkelt, den Witasekb Annahme nicht befriedigt, n\u00e4hert sich dem Problem zun\u00e4chst durch ein\u00a9 Einteilung der \u00e4sthetischen Gef\u00fchle. Er unterscheidet gegenst\u00e4ndliche und pers\u00f6nliche Gef\u00fchle. Di\u00a9 pers\u00f6nlichen sind entweder Gef\u00fchle der Teilnahme (bei der Trag\u00f6die z. B. Mitleid, Furcht, aber auch Abneigung gegen die feindlichen Personen etc.) oder Zustandsgef\u00fchle (Ersch\u00fctterung, Erhebung, Befreiung etc.), sie sind stets reale Gef\u00fchle, wie schon E. v. Haktmann mit Recht betont hat. Aber auch unter den gegenst\u00e4ndlichen Gef\u00fchlen, d. h. bei der Einf\u00fchlung in den k\u00fcnstlerischen Gegenstand, treten wirkliche Gef\u00fchle auf, besonders in der Lyrik und der Musik, doch auch im Drama und Epos und, wiewohl seltener, in Malerei, Plastik und Architektur. H\u00e4ufig erleben wir hier wirklich die Gef\u00fchle mit, stellen sie uns nicht nur vor. Wenn K. Lange darauf besteht, dafs alle \u00e4sthetischen Gef\u00fchle nur Gef\u00fchlsvorstellungen seien, so verwechselt er den Gegensatz: Gef\u00fchle, die durch die Wirklichkeit, und Gef\u00fchle, di\u00a9 durch den \u00e4sthetischen Schein hervor gebracht werden, mit dem ganz anderen: wirkliche und nurvorgestellte Gef\u00fchle. Auch wenn di\u00a9 \u00e4sthetischen Gef\u00fchle wirkliche Gef\u00fchle sind, spielt bei ihnen di\u00a9 \u201eGewifsheit von der Bcleinhaftigkeit des Dargestellten\u201c eine Rolle; diese Gewifsheit ist nicht selbst\u00e4ndig bewufst, wohnt aber als Element dem Eindruck des Kunstwerk\u00ae inne (214). Das gilt auch von den pers\u00f6nlichen Gef\u00fchlen. Auch das Mitleid mit dem tragischen Helden ist von dem Mitleid mit einem entsprechenden Ereignis des Lebens verschieden. All\u00a9 dies\u00a9 \u00e4sthetischen Gef\u00fchle sind wirkliche Gef\u00fchle, aber es fehlt ihnen das Wirklichkeitsgef\u00fchl","page":143}],"identifier":"lit32613","issued":"1904","language":"de","pages":"142-143","startpages":"142","title":"Theodor Lipps: Einf\u00fchlung, innere Nachahmung und Organempfindungen. Arch. f. d. gesamte Psychol. 1, (2 u. 3), S. 185-204. 1903","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:35:13.105042+00:00"}