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{"created":"2022-01-31T16:34:08.102388+00:00","id":"lit32614","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 143-144","fulltext":[{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n143\ngegen gesetzte Behauptung beruht entweder auf einer Verwechslung der Bp&nnungsempfindung in den Muskeln mit dem Gef\u00fchl der Willensanspannung oder auf der Annahme, dafs jene Spannungsempfindungen besonders lustvoll seien, oder man h\u00e4lt gar Spannungsempfindungen f\u00fcr einen Bestandteil der Lust am \u00e4sthetischen Objekte. Die dritte Meinung hat im Grunde niemand, die zweite ist tats\u00e4chlich falsch, denn Muskelempfindungen sind entweder indifferent oder unlustvoll, die erste l\u00e4fst sich von der Sprache t\u00e4uschen und ist im Grunde ebenso verfehlt, als wenn einer den Durst nach Rache durch einen Trunk frischen Wassers l\u00f6schen wollte. Gegen alle Varianten der Lehre von der Bedeutung der Organempfindungen ist einzuwenden, dafs je intensiver di\u00a9 \u00e4sthetische Einf\u00fchlung ist, um so mehr meine K\u00f6rperempfindungen f\u00fcr mich verschwinden. \u201eIn Wahrheit sind die Empfindungen meines eigenen k\u00f6rperlichen Zustandes in der \u00e4sthetischen Betrachtung nur da, um f\u00fcr mich ganz und gar nicht da zu. sein.\u201c\tCohn (Freiburg i. B.).\nJohannes Volkelt. Beitr\u00e4ge zur Analyse des Biwifstseiis, 3. Die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle Ii ihrem Verh\u00e4ltnis zur Vorstellung. Zeitschr. f. Philos, u. philos, Erit 121 (2), 201\u2014230. 1903.\nDi\u00a9 Frage, wie sich die Gef\u00fchle beim \u00e4sthetischen Anschauen zu den Gef\u00fchlen des realen Lebens verhalten, ist f\u00fcr die psychologisch\u00a9 Analyse des Kunstgenusses von grofser Wichtigkeit und in letzter Zeit vielfach behandelt worden. 8t. Witasek hat {diese Zeitschrift 25,1) eine L\u00f6sung dadurch geben zu k\u00f6nnen geglaubt, dafs er sagte, bei der \u00e4sthetischen Einf\u00fchlung handle es sich nicht sowohl um wirklich erlebte Gef\u00fchle als vielmehr um Gef\u00fchlsvorstellungen. Volkelt, den Witasekb Annahme nicht befriedigt, n\u00e4hert sich dem Problem zun\u00e4chst durch ein\u00a9 Einteilung der \u00e4sthetischen Gef\u00fchle. Er unterscheidet gegenst\u00e4ndliche und pers\u00f6nliche Gef\u00fchle. Di\u00a9 pers\u00f6nlichen sind entweder Gef\u00fchle der Teilnahme (bei der Trag\u00f6die z. B. Mitleid, Furcht, aber auch Abneigung gegen die feindlichen Personen etc.) oder Zustandsgef\u00fchle (Ersch\u00fctterung, Erhebung, Befreiung etc.), sie sind stets reale Gef\u00fchle, wie schon E. v. Haktmann mit Recht betont hat. Aber auch unter den gegenst\u00e4ndlichen Gef\u00fchlen, d. h. bei der Einf\u00fchlung in den k\u00fcnstlerischen Gegenstand, treten wirkliche Gef\u00fchle auf, besonders in der Lyrik und der Musik, doch auch im Drama und Epos und, wiewohl seltener, in Malerei, Plastik und Architektur. H\u00e4ufig erleben wir hier wirklich die Gef\u00fchle mit, stellen sie uns nicht nur vor. Wenn K. Lange darauf besteht, dafs alle \u00e4sthetischen Gef\u00fchle nur Gef\u00fchlsvorstellungen seien, so verwechselt er den Gegensatz: Gef\u00fchle, die durch die Wirklichkeit, und Gef\u00fchle, di\u00a9 durch den \u00e4sthetischen Schein hervor gebracht werden, mit dem ganz anderen: wirkliche und nurvorgestellte Gef\u00fchle. Auch wenn di\u00a9 \u00e4sthetischen Gef\u00fchle wirkliche Gef\u00fchle sind, spielt bei ihnen di\u00a9 \u201eGewifsheit von der Bcleinhaftigkeit des Dargestellten\u201c eine Rolle; diese Gewifsheit ist nicht selbst\u00e4ndig bewufst, wohnt aber als Element dem Eindruck des Kunstwerk\u00ae inne (214). Das gilt auch von den pers\u00f6nlichen Gef\u00fchlen. Auch das Mitleid mit dem tragischen Helden ist von dem Mitleid mit einem entsprechenden Ereignis des Lebens verschieden. All\u00a9 dies\u00a9 \u00e4sthetischen Gef\u00fchle sind wirkliche Gef\u00fchle, aber es fehlt ihnen das Wirklichkeitsgef\u00fchl","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nLiteraturberich t.\n(219). Nur f\u00fcr einen Teil der gegenst\u00e4ndlichen Gef\u00fchle \u2014 bes. f\u00fcr die Einf\u00fchlung in die Besonderheiten poetischer oder durch die bildende Kunst dargestellter Personen \u2014 gibt V. zu, dafs es sich um Gef\u00fchlsvorstellungen handelt. Dadurch erhebt sich dann die weitere Frage: wie ist die Vorstellung von Gef\u00fchlen ohne wirkliches F\u00fchlen m\u00f6glich. Es handelt sich ja nicht nur um die \u2014 etwa an den gef\u00fchlsbezeichnenden Worten haftende Erinnerung an Gef\u00fchle, sondern um eine anschaulichere, lebendigere Art des Vorstellens. Andererseits sollen die Gef\u00fchle nicht als Erlebnisse dabei vorhanden sein. \u201eEs scheint mir also nur die Annahme \u00fcbrig m bleiben, dafs, wenn wir uns an Gef\u00fchl\u00a9 erinnern, die Vorstellung der Gef\u00fchle durchweg begleitet ist von der Gewifsheit der M\u00f6glichkeit, di\u00a9 entsprechenden Gef\u00fchle unter Umst\u00e4nden wirklich haben zu k\u00f6nnen\u201c (224).\nDie \u201eGewifsheit der M\u00f6glichkeit der Gef\u00fchle\u201c ebenso wie di\u00a9 \u201eGewifs heit der Sclieinhaftlgkeit\u201c, wof\u00fcr ich nur lieber \u201eGewifsheit der Unwirksamkeit\u201c sagen wT\u00fcrde, scheint mir den hier vorhandenen psychischen Tatbestand sehr zweckm\u00e4fsig zu formulieren. Freilich wird der Psychologe mit Recht weiter fragen, worin diese \u201eGewifsheit\u201c psychologisch besteht Er wird dabei, ebenso wie in anderen F\u00e4llen, z. B. beim raschen Verstehen von S\u00e4tzen ohne begleitende anschauliche Vorstellungen, auf di\u00a9 Wirksamkeit von Assoziationen stofsen, die nicht als solche bewufst werden, aber wohl als leicht bewufst zu machende erscheinen.\nAuch zu der Frage nach den Elementen des Gef\u00fchlslebens nimmt Volkelt Stellung. Er will aufser Lust und Unlust noch ein Willensgef\u00fchl (Verwirklichungsstreben/ und ein eigent\u00fcmliches Ichgef\u00fchl als qualitativ irreduzible Elemente der Gem\u00fctsbewegungen anerkannt wissen. Er kommt so selbst\u00e4ndig zu Resultaten, die den Ergebnissen von Lipps nahestehen.\nCohn (Freiburg i. B.).\nN. Vaschide und Cl. Vurpas. Essai sir la psycho-physiologie il sommeil; le sommeil dans la paralysie faciale. Revue neurolog. 10. Ann\u00e9e. 1902.\nIn zwei F\u00e4llen von halbseitiger Fazialisl\u00e4hmung beobachteten die Verf., dafs die Kranken w\u00e4hrend des Schlafes die Augen auf beiden Seiten gleichstark zu schliefsen imstande waren, w\u00e4hrend im Wachzustand\u00a9 die Lidspalte der erkrankten Seite weder reflektorisch noch durch den Willensakt verkleinert werden konnte. Das Verhalten erkl\u00e4rt sich aus dem Umstande, dafs w\u00e4hrend des Schlafes der allgemeine Tonus der Augenmuskulatur sinkt und auf diese Weise die Wirkung des Levator palpebrae wegf\u00e4llt. Sobald man durch ein leises Ger\u00e4usch den Schlaf der beobachteten Kranken st\u00f6rte, ohne dafs \u00a9in Erwachen eintrat, hob sich das Augenlid der betroffenen Seite, w\u00e4hrend das Auge der gesunden Seite geschlossen blieb, nach wenigen Augenblicken waren beide Augen wieder fast gleicli-m\u00e4fsig geschlossen. Aus dieser Beobachtung l\u00e4fst sich einmal der bekannt\u00a9 funktionelle Zusammenhang zwischen den verschiedenen Augenmuskeln wieder erkennen, ferner stellt sich die Gr\u00f6fse des Muskeltonus im Levator palpebrae als ein feiner Indikator gewisser psychischer Vorg\u00e4nge dar. (Die Synergie zwischen Akkomodationsmuskeln und dem Heber des oberen Augenlides geht auch aus der jedem bekannten Tatsache hervor, dafs bei","page":144}],"identifier":"lit32614","issued":"1904","language":"de","pages":"143-144","startpages":"143","title":"Johannes Volkelt: Beitr\u00e4ge zur Analyse des Bewu\u00dftseins. 3. Die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle in ihrem Verh\u00e4ltnis zur Vorstellung. Zeitschr. f. Philos. u. philos. Krit. 121 (2), 201-230. 1903","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:34:08.102394+00:00"}