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Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen unter besonderer Berücksichtigung der Homosexualität. Herausgegeben unter der Mitwirkung namhafter Autoren im Namen des wissenschaftlich-humanitären Komitees von Dr. med. M. Hirschfeld. V. Jahrg., 2 Bde., 1368 S. 1903. Leipzig, M. Spohr

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{"created":"2022-01-31T16:35:46.904256+00:00","id":"lit32623","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guttmann, Alfred","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 149-154","fulltext":[{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"IA ter a turberich t.\n149\nempfindung intakt bleiben, ist das Lokalisationsverm\u00f6gen an der ganzen linken Hand, besonders aber an den drei ulnaren Fingern gest\u00f6rt, ein\u00a9 St\u00f6rung, deren Grad sich in der Vergr\u00f6fserung der WEBiaschen Tastkreise exakt messen l\u00e4fst. Aufserdem ist di\u00a9 Lageempfindung in den Gelenken der drei genannten Finger stark herabgesetzt und di\u00a9 F\u00e4higkeit, durch das T&stverm\u00f6gen allein Gegenst\u00e4nde zu erkennen, aufgehoben. Die Organgef\u00fchle der linken Hand sind also unterdr\u00fcckt. Die St\u00f6rung ist kortikalen Ursprunges. Reine Tastl\u00e4hmungen sind bisher nur bei Erkrankungen des unteren Scheitell\u00e4ppchens gefunden worden. Die Hand ist nicht paretisch, sondern parapraktisch.\tUmpfestbagb.\nBechterew. \u00dcber Stinng its leltgeftUs let Geisteskranken. Zentralbl. A Neurol, u. PsycMat 26 (166), 620-626. 1903.\nB. zeigt an einigen Krankengeschichten, wie bei gewissen Geisteskranken da\u00ab Zeitgef\u00fchl gest\u00f6rt ist. Die Bestimmbarkeit gr\u00f6fserer und kleinerer Zeitr\u00e4ume ist im Sinn\u00a9 einer Verkleinerung derselben gest\u00f6rt, die Dauer bestimmter Handlungen wird sehr viel k\u00fcrzer angegeben als sie wirklich ist. In anderen F\u00e4llen werden umgekehrt kleine Zeitr\u00e4ume f\u00fcr wesentlich gr\u00f6fser gehalten, in einem Fall von B. bis zu 100 Jahren 1 Es handelt sich hierbei unzweifelhaft um prim\u00e4re, also nicht wahnhaft bedingte St\u00f6rungen des Zeitgef\u00fchls.\tUmppenbach.\nJahrbuch ffr sexuelle Kvttohmtftfeft unter besonderer Ber\u00fccksichtigung 4er BnMMxnftUtit. Herausgegeben unter der Mitwirkung namhafter Autoren im Hamen des wissenschaftlich-humanit\u00e4ren Komitees von Dr. med, M. Hibschfbij). V. Jahrg., 2 Rde., 1368 S. 1903. Leipzig, M. Spohr. Mk. 22.\nUm weitere 400 Seiten vermehrt ist das auf zwei dickleibige B\u00e4nde angewachsene Jahrbuch im 5. Jahrgang erschienen. Es w\u00e4re sehr zum Vorteil des Ganzen, wenn die Herausgeber sich zu einer K\u00fcrzung entschl\u00f6ssen. Wozu der ausf\u00fchrliche Bericht \u00fcber die Schauspielerin Vestvali, der weder nach der psychologischen noch literarischen Seite mehr bietet als viele Beitr\u00e4ge, die in ein paar Zeilen alles Wichtige zusammenfassen ? Wozu auch in dem sonst sehr wertvollen \u201eQuellenmaterial zur Beurteilung .angeblicher und wirklicher Uranier\u201c, das von dem Fleifs und der Sp\u00fcrkraft Rauschs einen neuen Beweis liefert, die genauesten Angaben, in welchen H\u00f4tels in irgend einer Stadt zu irgend einer Zeit seine Personen ganz vor\u00fcbergehend gewohnt h\u00e4tten. Diese Spezialstudien m\u00fcfsten nach Ansicht des Ref. auf das wesentliche beschr\u00e4nkt werden und nicht in extenso an dieser Stelle gedruckt werden, da sie den Leser nur erm\u00fcden. Dies mnfs um so mehr vermieden werden, als die Tendenz des Jahrbuchs \u00a9ine Mein\u00a9 \u00c4nderung erfahren hat: man zieht jetzt den indirekten Weg vor, durch Beeinflussung der \u00f6ffentlichen Meinung auf di\u00a9 sp\u00e4tere Aufhebung des \u00a7 175 hinzuwirken, Das Komitee will durch Untersuchungen \u00fcber die Rolle der Uranier in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit ihre Daseinsberechtigung beweisen und so auf die \u201eVolksstimme\u201c zun\u00e4chst Einflufs zu gewinnen, um \u00a9ine sp\u00e4tere Aufhebung des \u00a7 175 vorzubereiten.\nAus der grofsen F\u00fclle der Originalarbeiten sei an erster Stelle auf die Arbeit von Hieschfeld \u201eUrsachen und Wesen des Uranismus\u201c hingewiesen,","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nLiteraturbericht\ndie auch separat unter dem Titel \u201eDer urnische Mensch\u201c erschienen tat. Da hier in klarster Weise wohl alles besprochen wird, was der Laie wie der Wissenschaftler von der Materie zu wissen moralisch verpflichtet ist, wenn er \u00fcberhaupt zu diesen Dingen Stellung nehmen will, so sei hier eine ausf\u00fchrliche Besprechung gegeben. In der Einleitung wird der Uranismus nicht als eine besondere Sichtung des Geschlechtstriebes allein, sondern als Ausdruck f\u00fcr den Gesamtcharakter aufgefafst, der sich aus einer Mischung von m\u00e4nnlichen und weiblichen Eigenschaften erg\u00e4be. (Den Ausdruck \u201ehomosexuell\u201c verwirft Hibschfeld, da er nicht nur sprachlich \u00a9ine Monstrosit\u00e4t, sondern auch sachlich v\u00f6llig verkehrt sei, weil in Wirklichkeit der Urning nicht das [sc. f\u00fcr ihn] gleich\u00a9 Geschlecht liebe.) Di\u00a9 scharfe Polemik gegen den Juristen W\u00e0chexfeld (cf. IV. Jahrbuch) wird fortgesetzt und auf den Mediziner Bloch ausgedehnt. Letzterer hat sich besonders gegen den vom Jahrbuch energisch festgehaltenen Leitsatz von dem Angeborensein der Homosexualit\u00e4t erkl\u00e4rt.1 Nun wird beiden Autoren vorgeworfen, sie f\u00e4llten ein Urteil vom gr\u00fcnen Tisch aus, ohne die, welche sie richteten, \u201egesehen, geh\u00f6rt, beobachtet und untersucht zu haben\u201c. Kein Forscherk\u00f6nne \u00fcber die Ursachen der Tuberkulose z. B. schreiben, ohne sich auf ein gen\u00fcgendes Beobachtungsmaterial zu st\u00fctzen, Bloch habe nicht gen\u00fcgend Homosexuell\u00a9 beobachtet. Es sei charakteristisch, dafs all\u00a9 Forscher, die \u00fcber ein grofses Material verf\u00fcgten, wie Kbafft-Ebing, Moll und Hibsch-feld selbst, das Angeborensein der Homosexualit\u00e4t ann\u00e4hmen, w\u00e4hrend all\u00a9 Anh\u00e4nger der Theorie von der erworbenen Homosexualit\u00e4t zusammen (vielleicht mit Ausnahme von Schrexck-Notzinq) nicht soviel F\u00e4ll\u00a9 beobachtet h\u00e4tten, wie jeder der obengenannten 3 Forscher allein (Hibschfeld z. B. in Berlin innerhalb von 1 Jahren 1500 \u00ce).* 8 Im ersten Kapitel, das besonders f\u00fcr Eltern und Erzieher von grofser Wichtigkeit ist, weil es den Schl\u00fcssel f\u00fcr manche r\u00e4tselhafte Erscheinung in der Kindererziehung bildet, besch\u00e4ftigt sich der Autor mit dem urnischen Kinde. Diese Kinder zeigten schon in fr\u00fchem Alter, wo also an einen Einflufs von aufsen, Lekt\u00fcre u. dergl., nicht zu denken sei, die charakteristischen Merkmale: der Knabe Lust und Begabung f\u00fcr M\u00e4dchenspiele und M\u00e4dchent\u00e4tigkeit, schw\u00e4rmerisch\u00a9 Freundschaften zu anderen Knaben u. a. (die M\u00e4dchen nat\u00fcrlich das entgegengesetzte). Der Knabe mnfs den Spott seiner Kameraden, den Tadel der Erzieher wegen seiner \u201eUnschicklichkeit\u201c erdulden, ja sein Empfinden wird ihm zur \u201eSchande\u201c gerechnet. Alle, selbst gewaltsame Erziehung\u00ab*\nmafsregeln haben aber bei dem an sich scheuen und empfindsamen Kinde \u00ab \u2022 _\nkeine \u00c4nderung des Wesens zur Folge, sondern machen es nur noch unsicherer und ungl\u00fccklicher. Die Begabung dieser Kinder ist meist gut, abgesehen von einer auff\u00e4lligen Schw\u00e4che f\u00fcr Mathematik (90%). \u2014 Ein\u00a9 Diagnose aus allen diesen Merkmalen, die nat\u00fcrlich in der Pubert\u00e4tszeit viel deutlicher werden, wo der Sexualtrieb hervortritt, kann der erfahrene Arzt\n1 Dr. med. J. Bloch: Beitr\u00e4ge zur \u00c4tiologie der Psychopathia sexualis.\n8 Die unterdessen (am 10. Januar d. J.) abgehaltene letzte Konferenz des Kommit\u00e9s hat laut Bericht als Ergebnis der bisherigen statistischen Ermittelungen f\u00fcr Deutschland und Holland 11/2 % Reinhomosexuelle festgestellt; das bedeutet f\u00fcr Berlin z. B. an 25000 Personen!","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n151\nhchon bei Kindern zwischen 10\u201414 Jahren stellen. Ein Kapitel von grofsem, psychologischem Interesse ist der Analyse des \u201eHarmonischen der umischen Pers\u00f6nlichkeit\u201c gewidmet. Der Uranier vereinige m\u00e4nnliche und weibliche Eigenschaften, die sich in ihm zu einem durchaus einheitlichen Ganzen verb\u00e4nden. Er sei \u00e4ufserst altruistisch, hingebend, der geborene Volkserzieher und P\u00e4dagoge ohne die \u00fcblichen Vorurteile der Religion, der Rasse, der Nationalit\u00e4t, des Standes. Aber entsprechend dieser weichen Natur handele er oft anders, als ein \u201eganzer Kerl\u201c es ton w\u00fcrde, \u00a9in\u00a9 Art Willensschw\u00e4che, die vielfach nur die Scheu vor der anders empfindenden Welt sei, hindere ihn oft am tatkr\u00e4ftigen, ausdauernden Eintreten f\u00fcr sein\u00a9 Ideale. Eine Veranlagung sei besonders ausgesprochen nach der k\u00fcnstlerischen Seite hin, Musik, Plastik, Malerei, Architektur, Literatur, die B\u00fchne, die dekorativen K\u00fcnste seien die Hauptgebiete des Uraniers. Daneben best\u00e4nde vielfach Neigung zu Besonderheiten, Eintreten f\u00fcr \u201eneue Richtungen\u201c, Sammeln von Antiquit\u00e4ten, B\u00fcchern u. dergl. Eine besondere Bef\u00e4higung zum Diplomatenberuf, in dem sich auffallend viele Uranier bef\u00e4nden, hinge mit all dem wohl zusammen. Diese harmonische Pers\u00f6nlichkeit des Uraniers gerate aber vielfach in Konflikt mit der Welt; dann z\u00f6gen sich die Betroffenen in die Einsamkeit zur\u00fcck, scheu oder verbittert, nun erst disharmonisch. \u2014 Neben der eigenartigen psychischen best\u00e4nde eine ebenso charakteristische somatische Pers\u00f6nlichkeit. Das bestimmte Verh\u00e4ltnis zwischen Schulter- und Beckenlinie, das die beiden Geschlechter kennzeichne, sei hier verwischt: der Thorax nehme die Mitte zwischen m\u00e4nnlichem und weiblichem Typus ein. Die Muskulatur sei schwach entwickelt, H\u00e4nde und F\u00fcfse klein, die Haut hell, zart, warm (\u00fcberhaupt bestehe bei den Uraniern ein geringes W\u00e4rmebed\u00fcrfnis), charakteristisch sei ferner noch der eigent\u00fcmliche, t\u00e4nzelnde Gang, die weichen Hand- und Armbewegungen, oft auch die Handschrift. An die Volksausdr\u00fccke \u201ehomo mollis\u201c im alten Rom und \u201ewarmer Bruder\u201c wird erinnert. Was den sexuellen Akt anlang\u00a9, so w\u00fcrde der heterosexuell\u00a9 Verkehr mit ebenso tiefgehendem Abscheu als etwas widernat\u00fcrliches betrachtet, wie von Seiten der Normalen der homosexuelle Akt. Sehr wichtig zur Beurteilung der Frage, ob der Triebwirklich zentralen Ursprungs sei, w\u00e4re das Traumleben. Die Un-ausrottbarkeit der Homosexualit\u00e4t (Kap. III) wird als Argument f\u00fcr die These, dafe sie angeboren sei, herangezogen. \u00c4ufsere Einfl\u00fcsse k\u00f6nnten den Zustand nicht \u00e4ndern, alle Therapie versage, di\u00a9 Hypnose bewiese nichts, da man in der Hypnose eben alles suggerieren oder wegsuggerieren k\u00f6nne. Kbafft-Ebing erkl\u00e4rt die Erfolge nur als \u201ebewunderungsw\u00fcrdig\u00a9 Artefakte hypnotischer Kunst, keineswegs U mz\u00fcchtungen der psychoaexualen Existenz\u201c. Die Religion versage v\u00f6llig, noch mehr das Gesetz, selbst wo es mit der Todesstrafe drohe. (Nebenbei sei erw\u00e4hnt, dafs nach der Ansicht der meisten Kenner die homosexuellen Akt\u00a9 h\u00e4ufiger in Deutschland [und England] verkommen, wo der \u00a7 175 herrscht, als in Italien und Frankreich, wo kein derartiger Paragraph existiert.) Da\u00dfs di\u00a9 Eh\u00a9 als Heilmittel v\u00f6llig verfehlt sei, liegt auf der Hand.\nF\u00fcr die \u201eNaturnotwendigkeit\u201c der Homosexualit\u00e4t (Kap. IV) werden zahlreiche Analoga von Zwischenstufen aus der Biologie angef\u00fchrt. Einen \u201eVollmann\u201c (100%) g\u00e4be es nicht ebensowenig ein \u201eVollweib\u201c (Brustwarzen-","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nI\u00c2UratmberickL\nrudimente bel erateiem, Paradidymis 'bei. letzterer-. Wohl \u00bbber gibe m hochprozentige Minner and Weiber; in dem. Mibe, wie die m\u00e4nnlichen Qualit\u00e4ten abnehmen bet den. verschiedenen Individuen, \u00fcberwiegen die weiblichen, bi\u00bb schliefelich 'bei 50 *0 m\u00e4nnlich\u00ab1 und weiblicher Eigenschaften der \u00dcberging erreicht sei. Und wie im allgemeinen, so bestanden, auch \u00dcbergange im, einzelnen, in den Formen der Hand, des Beckens, 'des Sch\u00e4dels, vielleicht mach des sexuellen Zentralorganes, dessen Sitz allerdings noch, nicht bekannt Ist,; aof Gauls, neuerdings durch M\u00f6bius und Braus wieder aufgenommene Hypothese von der geringen Entwicklung des Kleinhirns bei 'den, M\u00e4nnern, 'die eine Abneigung gegen das andere Geschlecht hatten, wird hingewiesen. 'Bi sei zn scheiden zwischen spinalen Reflexen, die von. \u00e4ttfseren, Betzen, herrthren, and zentralen Reflexen, die von der Psyche amsgehen (Traume). Den heredit\u00e4ren Verh\u00e4ltnissen ist das letzte Kapitel gewidmet. Eine 'direkte Vererbung sei selten, eine allgemeine erbliche Belastung rach nicht auff\u00e4llig h\u00e4ufig, wenigstens nicht h\u00e4ufiger als bei heterosexuellen Individuen. Trotzdem nimmt Hibschvkld eine unzweifelhafte, famili\u00e4re Disposition an, weil er sehr hlufig (in 8%) urniaclie Geschwister unter sonst heterosexuellen Geschwistern fand. Da es oft (unter 58 Gaschwirterpaaren 28 malj Bruder und Schwester waren, so spricht auch das gegen die Erwerbstheorie, weil dann ja dieselben erzieherischen (u. dergl.) Einfl\u00fcsse In. entgegengesetzter Richtung .gewirkt haben mtlisten. Genauere Kenntnis dieser Verh\u00e4ltnisse sei von den Ergebnissen einer im Gange befindlichen, statistischen Untersuchung zn erwarten. Wenn man die Homosexualit\u00e4t, die In gut 4S der Falle bei sonst v\u00f6llig Gesunden auftrtte, als relative Minorit\u00e4t \u201eabnormal\u201c1 nennen wolle, so m\u00fcsse man sie, objektiv betrachtet, als eigenartige Geechlechtaempfindung, die in sich \u00fcberei nstimme, als dem -dritten Geschlecht\u201c angeh\u00f6rig und nicht als Anomalie im pathologischen Sinne betrachten.\nHxbschfbld schliefst mit allgemeinen, teleologischen Betrachtungen. Was sei der wichtigste Naturzweck? Die M\u00d6Biussche Theorie der \u201eFortpflanzung\u201c wird verworfen, der Geschlechtsverkehr \u2018in \u00dcbereinstimmung mit Braes) als f\u00fcr die Erhaltung der Arten keineswegs von prim\u00e4rer Bedeutung bezeichnet und die WuxnTsche Anschauung, dafs der mittelbare und unmittelbare Zweck des Lebens die Erzeugung geistiger Sch\u00f6pfung sei, angenommen ; denn sonst hatten Michelangelo, Brathoven, Friedrich der Grofse Ihren Natursweck verfehlt, da sie keine Kinder erzeugt h\u00e4tten. Die geistige Befruchtung und Zeugung bedeute unter Umst\u00e4nden mehr, als die Hinterlassung von Kindern. \u201eHand in Hand mit den anderen Geschlechtern hat der Uranier Werte und Werke geschaffen f\u00fcr den einzelnen wie f\u00fcr die Gesamtheit\u201c \u201eSolange Staat und Gesellschaft in diesen von der Fortpflanzung, nicht aber von der Liebe Ausgeschlossenen Verbrecher sehen, hat das Mittelalter sein Ende noch nicht erreicht\u201c Dies der Schlufsgedanke von Hibschfklos Ausf\u00fchrungen.\n\u00dcber einige weitere Originalartikel sei nur in K\u00fcrze referiert. Von dem Gyn\u00e4kologen Nbuobbaubb finden wir eine Fortsetzung seiner Beitrage zur Kenntnis des Scheinzwittertums. Eine Kasuistik von 134 Beobachtungen mit\n1 Anm. des lief. Hibschuklds Ausdruck.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t\n153\n54 F\u00e4llen von erreur de sexe, die besonders praktisch von grofser Bedeutung sind, insofern als erst di\u00a9 mikroskopische Untersuchung der als Inhalt eines Leietenbruchs bei den betreffenden \u201eFrauen\u201c operierten Gebilde ergab, dafg es sich um Hoden handelte. Bi\u00e9 vom kriminalistischen und ethischen Standpunkte sehr wichtigen Fragen, die sich an solche unbeabsichtigte Kastration und ihre event. Folgen ankn\u00fcpfen, werden im Rahmen der Arbeit nur gestreift Merkw\u00fcrdig ist \u00fcbrigens auch auf diesem Gebiet das Vorkommen von \u201eBchwesterpaaren\u201c (wenn dieser Ausdruck hier erlaubt ist).\nAus der Unzahl der \u00fcbrigen Arbeiten sei noch auf die f\u00fcr die Leser dieser Zeitschrift wichtige Arbeit von Br. R\u00f6mer \u201e\u00fcber die androgynisch\u00a9 Idee des Lebens\u201c hingewiesen. Verf. gibt in eingehenden, kulturgeschichtlich b\u00fcchst interessanten Ausf\u00fchrungen einen \u00dcberblick \u00fcber die Rolle, die der Hermaphroditismus im Leben, wie in der Kunst der Menschheit gespielt habe. Als sich der Mensch der g\u00f6ttlichen Idee bewufst wurde, habe er sich dies\u00a9 Idee vorstellen wollen und so \u2014 anthropomorphisch \u2014 G\u00f6tterbilder geschaffen. Ba er in der Natur aber zwei Eigenschaftsgruppen unterscheide, die aktive (generative) und die passive (vegetative), die Gottheit aber alles Seiende umfassen m\u00fcsse, da sie sich durch beide Gruppen und in allem \u00e4ufsere, so k\u00f6nne es nicht wunder nehmen, wenn der Mensch sich die Gottheit als Einheit dachte und sich materiell vorstellt\u00a9 als Mannweib, mit den Attributen beider Geschlechter. Bi\u00a9 Richtigkeit dieser Auffassung pr\u00fcft R\u00f6mer an der Entwicklung der Religionen und findet sie fast in jeder Religion best\u00e4tigt. Sowohl in der indischen, wie in der persischen, \u00e4gyptischen, skandinavischen, griechischen, r\u00f6mischen, j\u00fcdischen und christlichen Religion weist er dies Element nach. Er st\u00fctzt sich dabei vor allem auf die G\u00f6tterbildnisse, auf M\u00fcnzen (wo erstere, wie bei den Juden, fehlen) auf die Literatur, besonders des Ritus und auf zahlreiche andere Momente, deren Diskussion nat\u00fcrlich in erster Linie dem Philologen zusteht. Ber \u201eHermaphrodit\u201c der griechisch-r\u00f6mischen Kultur ist ja bekannt; dafs aber auch z. B. die christlich\u00a9 Religion in den Systemen ihrer gnostiachen Sekten (Naassenier, Valentiniarer u. a.) diese Auffassung von der Gottheit hatte, der sogar noch der grofee Mystiker Jakob B\u00f6hme um 1600 Ausdruck verlieh, gibt bei der Verschiedenheit der V\u00f6lker, Zeiten, Kulturen zu denken. \u2014 Die Ausstattung der \u00fcber 200 Seiten langen Arbeit mit zumeist vorz\u00fcglich ausgef\u00fchrten Reproduktionen (an 100 Bilder) nach hermaphroditischen Kunstwerken, bekannten wie unbekannten, ist uneingeschr\u00e4nkt zu loben.\nDie vergleichende Kulturgeschichte interessiert wohl der kurze Artikel \u00fcber den t\u00e4towierten Bart der verheirateten Ainofrauen, dieser auch sonst merkw\u00fcrdigen Ureinwohner Japans.1\nZahlreich sind die Arbeiten, in denen auf die Bedeutung der \u201eLieb-lingsmmne\u201c f\u00fcr die Kunst hingewiesen wird. Auch unter der Bibliographie der Homosexualit\u00e4t, die von B. jur. Numa Praetorius verfafst ist, finden sich neben den wissenschaftlichen Arbeiten viele belletristische Arbeiten referiert, \u00fcber die man mit dem Referenten nicht immer einer Meinung\n1 Aim. des Ref. Die Ainos, von Syphilis durchseucht, erkranken nie an Tabes dorsalis.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nLi ter a turbericht.\nsein wird. Die Herausgeber des Jahrbuchs wollen offenbar nicht streng scheiden zwischen reinen Tendenzwerken, die meist der k\u00fcnstlerischen Bedeutung ermangeln, aber die Kenntnis der Homosexualit\u00e4t verbreiten helfen, und wirklichen Kunstwerken, in denen die Homosexualit\u00e4t eine Rolle spielt, wie sie unter Umst\u00e4nden auch einmal die Blutschande spielen kann (es sei an Wagners \u201eWalk\u00fcre\u201c, an Byrons \u201eManfred\u201c erinnert). Die Trennung zwischen dem tendenzi\u00f6sem Machwerk, das wom\u00f6glich die homosexuelle Liebe als die bessere, edlere hinstellt und dem Kunstwerk, in dem sie einen, integrierenden Bestandteil bilden kann, mufs scharf gezogen werden. Sonst werden die Werke eines Plato, zahlreiche Dramen des Altertums (Sophocles \u201eNiobe\u201c, Achill und Patboclus bei Aeschylus) und der Moderne (B\u2019annunzio\u00bb Wilde, Wedekind) unter dieselbe Rubrik mit jenen fallen. Theoretisch, steht das Jahrbuch auf diesem Standpunkt, aber aus Gr\u00fcnden der Propaganda lassen sich die Autoren doch zu Kompromissen veranlassen. R\u00fcckhaltlos zustimmen mufs man jedoch der Ansicht, dafs eine Behandlung des homosexuellen Problems an sich nicht unz\u00fcchtig sei, jedes sexuelle Problem kann pornographisch oder rein behandelt werden.\nDer Bericht \u00fcber die propagandistische Bewegung ist im Jahre des Krnppprozesses und des Braganzaskandales nat\u00fcrlich besonders reichhaltig. Auch die Nachrufe auf die Toten des Jahres, die f\u00fcr die Bewegung in Betracht kamen, vor allem Krafft - Ebing, dann Prinz Georg von Preufsen, Krupp, der englische General Macdonald, sind sehr lesenswert. Die Petitionen zur Aufhebung des \u00a7 176 nehmen ihren Fortgang; diesmal hat sich das Komitee mit Denkschriften an s\u00e4mtliche (7800) Rechtsanw\u00e4lte, an alle Justizministerien, an die Zivilkabinette der deutschen H\u00f6fe, vor allem aber an die Kommissionen zur Revision des Strafrechts gewendet.1 Auf vielseitige Aufforderungen ist das Komitee auch trotz mancher Bedenken daran gegangen, die Frage der Homosexualit\u00e4t und der Aufhebung des \u00a7 175 in Volksversammlungen zu besprechen \u2014 und zwar mit beetem Erfolg. So schliefst das Jahrbuch hoffnungsfreudig mit einem Appell an alle \u2014 ob objektiv oder subjektiv interessiert \u2014 f\u00fcr diese Sache mutig weitem* k\u00e4mpfen.\t__\t_____ Alfred Guttmann (Berlin).\nDr. P. v. Gizycki. Wie urteilen Schulkinder Iler Funddiebstahl ? Dk Kinder* fehler 8 (1), 14\u201426. 1903.\nAngeregt durch \u00a9ine Arbeit M. F. Lichtenbergkrb \u00fcber den Moralunterricht in den franz\u00f6sischen Volksschulen liefs Verf. (Stadtschulinspektor in Berlin) in einer Gemeindeschule von 69 M\u00e4dchen ein\u00a9 Klassenarbeit anfertigen, um festzustellen, wie 12\u201414 j\u00e4hrige Sch\u00fclerinnen \u00fcber Funddiebstahl urteilen. Das Thema lautete: \u201eDu gehst mit einer Freundin auf den Weihnachtsmarkt. Ihr habt nicht \u00a9inen Pfennig in der Tasche, da die Eltern arm sind. Der Vater hat keine Arbeit. Da findest du ein Portemonnaie mit einem sch\u00f6nen, blanken F\u00fcnfmarkst\u00fcck. Was wirst du tun?\u201c Aufser einer kurzen Disposition wurden keinerlei Angaben gemacht. Lehrern und Kindern kam die Aufgabe v\u00f6llig unerwartet.\nIn der Oberklasse entschieden sich 27 von 28, in der zweiten Klasse\n1 Unterdessen ist diese Petition auch an s\u00e4mtlich\u00a9 \u00c4rzte zur Unterschrift geschickt werden.","page":154}],"identifier":"lit32623","issued":"1904","language":"de","pages":"149-154","startpages":"149","title":"Jahrbuch f\u00fcr sexuelle Zwischenstufen unter besonderer Ber\u00fccksichtigung der Homosexualit\u00e4t. Herausgegeben unter der Mitwirkung namhafter Autoren im Namen des wissenschaftlich-humanit\u00e4ren Komitees von Dr. med. M. Hirschfeld. V. Jahrg., 2 Bde., 1368 S. 1903. Leipzig, M. Spohr","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:35:46.904261+00:00"}

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