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{"created":"2022-01-31T16:36:20.854270+00:00","id":"lit32624","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pappenheim","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 154-155","fulltext":[{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nLi ter a turbericht.\nsein wird. Die Herausgeber des Jahrbuchs wollen offenbar nicht streng scheiden zwischen reinen Tendenzwerken, die meist der k\u00fcnstlerischen Bedeutung ermangeln, aber die Kenntnis der Homosexualit\u00e4t verbreiten helfen, und wirklichen Kunstwerken, in denen die Homosexualit\u00e4t eine Rolle spielt, wie sie unter Umst\u00e4nden auch einmal die Blutschande spielen kann (es sei an Wagners \u201eWalk\u00fcre\u201c, an Byrons \u201eManfred\u201c erinnert). Die Trennung zwischen dem tendenzi\u00f6sem Machwerk, das wom\u00f6glich die homosexuelle Liebe als die bessere, edlere hinstellt und dem Kunstwerk, in dem sie einen, integrierenden Bestandteil bilden kann, mufs scharf gezogen werden. Sonst werden die Werke eines Plato, zahlreiche Dramen des Altertums (Sophocles \u201eNiobe\u201c, Achill und Patboclus bei Aeschylus) und der Moderne (B\u2019annunzio\u00bb Wilde, Wedekind) unter dieselbe Rubrik mit jenen fallen. Theoretisch, steht das Jahrbuch auf diesem Standpunkt, aber aus Gr\u00fcnden der Propaganda lassen sich die Autoren doch zu Kompromissen veranlassen. R\u00fcckhaltlos zustimmen mufs man jedoch der Ansicht, dafs eine Behandlung des homosexuellen Problems an sich nicht unz\u00fcchtig sei, jedes sexuelle Problem kann pornographisch oder rein behandelt werden.\nDer Bericht \u00fcber die propagandistische Bewegung ist im Jahre des Krnppprozesses und des Braganzaskandales nat\u00fcrlich besonders reichhaltig. Auch die Nachrufe auf die Toten des Jahres, die f\u00fcr die Bewegung in Betracht kamen, vor allem Krafft - Ebing, dann Prinz Georg von Preufsen, Krupp, der englische General Macdonald, sind sehr lesenswert. Die Petitionen zur Aufhebung des \u00a7 176 nehmen ihren Fortgang; diesmal hat sich das Komitee mit Denkschriften an s\u00e4mtliche (7800) Rechtsanw\u00e4lte, an alle Justizministerien, an die Zivilkabinette der deutschen H\u00f6fe, vor allem aber an die Kommissionen zur Revision des Strafrechts gewendet.1 Auf vielseitige Aufforderungen ist das Komitee auch trotz mancher Bedenken daran gegangen, die Frage der Homosexualit\u00e4t und der Aufhebung des \u00a7 175 in Volksversammlungen zu besprechen \u2014 und zwar mit beetem Erfolg. So schliefst das Jahrbuch hoffnungsfreudig mit einem Appell an alle \u2014 ob objektiv oder subjektiv interessiert \u2014 f\u00fcr diese Sache mutig weitem* k\u00e4mpfen.\t__\t_____ Alfred Guttmann (Berlin).\nDr. P. v. Gizycki. Wie urteilen Schulkinder Iler Funddiebstahl ? Dk Kinder* fehler 8 (1), 14\u201426. 1903.\nAngeregt durch \u00a9ine Arbeit M. F. Lichtenbergkrb \u00fcber den Moralunterricht in den franz\u00f6sischen Volksschulen liefs Verf. (Stadtschulinspektor in Berlin) in einer Gemeindeschule von 69 M\u00e4dchen ein\u00a9 Klassenarbeit anfertigen, um festzustellen, wie 12\u201414 j\u00e4hrige Sch\u00fclerinnen \u00fcber Funddiebstahl urteilen. Das Thema lautete: \u201eDu gehst mit einer Freundin auf den Weihnachtsmarkt. Ihr habt nicht \u00a9inen Pfennig in der Tasche, da die Eltern arm sind. Der Vater hat keine Arbeit. Da findest du ein Portemonnaie mit einem sch\u00f6nen, blanken F\u00fcnfmarkst\u00fcck. Was wirst du tun?\u201c Aufser einer kurzen Disposition wurden keinerlei Angaben gemacht. Lehrern und Kindern kam die Aufgabe v\u00f6llig unerwartet.\nIn der Oberklasse entschieden sich 27 von 28, in der zweiten Klasse\n1 Unterdessen ist diese Petition auch an s\u00e4mtlich\u00a9 \u00c4rzte zur Unterschrift geschickt werden.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n155\ndagegen nur 13 von 41 M\u00e4dchen f\u00fcr R\u00fcckgabe des Geldes. Verf. f\u00fchrt aus, dafs die schriftlich niedergelegten Antworten der Kinder nicht ohne weiteres beweisen, wie die Kinder in Wirklichkeit gehandelt h\u00e4tten, sondern nur leigten, was sie unbeeinflufst nach reiflicher \u00dcberlegung f\u00fcr richtig hielten. Die Verschiedenartigkeit der Motive, die f\u00fcr die einzelnen Kinder bei ihrer Stellungnahme mafsgebend waren, und die dabei zutage tretende Unkenntnis eines so wichtigen Rechtsgrundsatzes werden Strafrichter, P\u00e4dagogen und Verwaltungsbeamte interessieren; f\u00fcr den wissenschaftlichen Psychologen ist das Ergebnis der sorgf\u00e4ltigen Untersuchung wiederum ein Beweis daf\u00fcr, dafs eine geschickt gestellte Klassenaufgabe ein vorz\u00fcgliches Mittel zur Erforschung des kindlichen Seelenlebens abgeben kann.\nPappenheim (Gr.-Lichterfelde).\nB\u00fcpbat, St\u00fcde sir le Mensonge. Bulletin de la soci\u00e9t\u00e9 libre pour l\u2019\u00e9tude psychologique de Venfant 2 (9), 220 229. 1902.\nDie Soci\u00e9t\u00e9 libre pour l\u2019\u00e9tude psychologique de l\u2019enfant hat eine Enqu\u00eate veranstaltet \u00fcber die willk\u00fcrlichen und unwillk\u00fcrlichen Entstellungen der Wahrheit bei Kindern. Das Kind bildet, so meint der Verf., f\u00fcr eine derartige Enqu\u00eate das geeignete Objekt. Bei Erwachsenen bliebe ein. solches Verfahren aussichtslos, weil einerseits die Tatsache der L\u00fcge selbst schwer zu konstatieren ist, da hier die subjektive Interpretation von Ereignissen eine Rolle spielt, andererseits die psychologische Grundlage einer falschen Aussage wegen der Mannigfaltigkeit der M\u00f6glichkeiten kaum ii eruieren ist. Viel einfacher und durchsichtiger sei die Sachlage beim Kinde.\nUngefahr 250 Antworten sind aus den meisten Teilen Frankreichs, lieh aus Algerien, eingegangen und zwar fast ausnahmslos von Lehrern md Lehrerinnen. Die Schwierigkeit der Beurteilung des vorliegenden Materials liegt einerseits nach der Ansicht D\u00fcpbats in dem Umstande, dafs die Gew\u00e4hrsleute in der Beobachtung nicht ge\u00fcbt genug sind, man liest in den Antworten zuviel unn\u00f6tige Bemerkungen, die bestimmte Darlegung der nackten Tatsache mit den wesentlichen Details fehlt. Andererseits haftet der vorliegenden Statistik der Mangel an, der jeder psychologischen Statistik eigen ist: die beobachteten Tatsachen sind nicht psychologisch gleichwertig, man hat kein homogenes Material und man darf nicht von vornherein annehmen, dafs di\u00a9 Tatsachen der L\u00fcge sich ann\u00e4hernd mit einer solchen Regelm\u00e4fsigkeit \u00e4ndern, wie etwa di\u00a9 Ziffer der Geburten, der Sterbef\u00e4lle oder Selbstmorde.\nAngesichts dieser Schwierigkeiten beschr\u00e4nkt sich der Verf. darauf, auf Grund des vorliegenden Materials eine Klassifikation zu geben ohne Angabe von Zahlen. Diese zerf\u00e4llt in eine Klassifikation der L\u00fcgen, der L\u00fcgenden, der psychologischen Ursachen und der sozialen Ursachen der L\u00fcge. Diese blofse Klassifikation hat offenbar keinen Wert. Man k\u00f6nnte auch ohne di\u00a9 Statistik a priori eine Tabelle aufstellen, in der die verschiedenen Arten der L\u00fcge usw. verzeichnet werden. Jedoch verweist der Verf. in bezug auf weitere Details auf eine demn\u00e4chst erscheinende Studie.\nZum Schlufs betont der Verf. die Notwendigkeit der absoluten Bek\u00e4mpfung jeder Art der L\u00fcge, durch die Erziehung zur Liebe zur Wahrheit und zum Hafs gegen alles Falsche.\tWeiss (Gr.-Lichterfelde).","page":155}],"identifier":"lit32624","issued":"1904","language":"de","pages":"154-155","startpages":"154","title":"Dr. P. v. Gizycki: Wie urteilen Schulkinder \u00fcber Funddiebstahl? Die Kinderfehler 8 (1), 14-26. 1903","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:36:20.854276+00:00"}