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{"created":"2022-01-31T16:33:18.057448+00:00","id":"lit32725","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 35: 8-49","fulltext":[{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus der Abteilung \u00a3flr experimentelle Psychologie des physiologischen\nInstituts der Universit\u00e4t Turin.)\n\u00ab \u2022\nUber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen\nBelastungsempfindung.1\nVon\nF. Kiesow.\n(Mit 2 Figuren im Text.)\nSchon Exner2 hat i. J. 1873 darauf hingewiesen, dafs der vielfach verwandte elektrische Reiz f\u00fcr die Bestimmung der Reaktionszeiten von Tastempfindungen ungeeignet ist. Da wir in den v. FREYschen Methoden Mittel besitzen, welche eine bequeme mechanische Reizung und exakte Messung zulassen, so habe ich den Versuch gemacht, diese Methoden auf das Gebiet der Reaktionszeiten zu \u00fcbertragen.\nTastempfindungen k\u00f6nnen nun auf der K\u00f6rperhaut mecha-' nisch durch Belastung, sowie durch Entlastung und durch Zug hervorgerufen werden.3 Dabei lassen sich die Belastungs-, wie die Entlastungsempfindungen sowohl durch fl\u00e4chenhafte als auch durch punktuelle Reizung erzeugen. Unter der letzteren verstehe ich eine solche, wie sie durch Reizhaare m\u00f6glich wird. In der vorliegenden Untersuchung habe ich mich auf Belastungs-\n1\tEine kurze Mitteilung \u00fcber die Resultate dieser Arbeit erschien bereits in den Rendiconti della R. Accademia dei IAncei zu Rom.\n2\t8. Exneb: Pfl\u00fcgers Archiv 7, S. 624. \u00dcber die weitere Literatur siebe : W. Wundt : Grundz\u00fcge der physiol. Psychologie. 5. Aufl., Bd. 3, S. 380 ff. H. Ebbinghaus: Grundz\u00fcge der Psychologie. Bd. 1, S. 590f.\n3\tM. v. Frey: Leipziger Abhandl. 23, S. 177f. Berichte, Sitz. v. 2. Aug. 1897. F. Kiesow: Arch. ital. de Biol. 26, 8. 417f.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022\u2022\nUber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 9\nempfindungen beschr\u00e4nkt, wie sie durch Reizung isoliert und nicht isoliert stehender, sowie durch gleichzeitige Reizung mehrerer Tasrtpunkte hervorgerufen werden. Dabei interessierte mich sowohl die Frage nach dem Einflufs der Intensit\u00e4t des Reizes auf die Reaktionszeiten, sowie auch die andere, wie sich die Einzelwerte und deren H\u00e4ufigkeit zu dem Mittelwerte verhalten m\u00f6chten.\nI. Yersnchsanordnung uad Yersuchsbedingungen.\nDie Versuchsanordnung war auf zwei Zimmer verteilt, die aneinander stofsen. Von diesen diente das eine als Experimentierzimmer, das andere der Beobachtung. In letzterem befanden sich, soweit die hier besprochene Versuchsanordnung in Betracht kommt, nur der Reizapparat und der Reaktionstaster. Als Chronoskop wurde eine von Herrn Runne in Heidelberg bezogene Hipvsche Uhr verwandt, welche gegen\u00fcber den mir sonst bekannten Instrumenten dieser Art den Vorteil gew\u00e4hrt, dafs die Glasglocke dem das Uhrwerk tragenden Brette auf geschraubt ist und w\u00e4hrend des Aufziehens nicht abgenommen zu werden braucht Aufserdem wird das Uhrwerk von drei gusseisernen Beinen getragen, so dafs das Instrument fest und sicher steht, und ferner ist wohl auch der Weg, den das Gewicht zur\u00fccklegen kann, l\u00e4nger als gew\u00f6hnlich. Das Uhrwerk selbst entstammt der Fabrik von Peyer, Favarger & Co. in Neuch\u00e2tel. Die Uhr hat sich sehr gut bew\u00e4hrt Ein Umschlagen des Tons in die tiefere Oktave, wie Wundt an manchen neueren Instrumenten beobachtete \\ wurde bei meinen Versuchen niemals bemerkt. Kontrolliert wurde die Uhr durch Wundts grofsen Kontr.o 11 hammer1 2, den mir Herr Zimmehmann in Leipzig geliefert hat. Dieses Instrument k\u00f6nnte das vollkommenste seiner Art sein. Ich halte es jedoch f\u00fcr meine Pflicht, hervorzuheben, dafs es hinsichtlich der technischen Ausf\u00fchrung Verbesserungen bedarf. Bei wiederholter Kontrolle hat mir der Apparat aber vorz\u00fcgliche Dienste geleistet. \u2014 Die Zwischenzeit zwischen Signal und Reiz wurde durch Metronom Schl\u00e4ge angezeigt. Als g\u00fcnstigstes Intervall, das dann bei allen Beobachtungen konstant inne ge-\u2019 halten wurde, ergab sich f\u00fcr meine Versuche ein solches von\n1 W. Wundt: Grundz\u00fcge etc. 5. Aufl., Bd. 3, S. 391.\n* Derselbe : Ebenda S. 396 f.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nF. Kiesow.\netwas \u00fcber l1/2 Sek. Dies stimmt mit den Ergebnissen \u00fcberein, zu denen Dwelshauwers und andere gekommen sind.1 Die Reizung wurde durch Stromschlufs (Niederdr\u00fccken eines Tasters) vom Experimentierzimmer aus bewirkt. Auf gleiche Weise wurde von hier aus das Signal . gegeben. Als Reaktionstaster diente mir der von Cattell eingef\u00fchrte, den ich ebenfalls von Herrn Zimmermann bezogen habe. \u2014 An dem Uhrwerk wurde die \u00e4ltere Vorrichtung benutzt, bei welcher die Zeiger durch den Strom angehalten werden. Im \u00fcbrigen entsprach die Anordnung genau derjenigen, welche Wundt als die zweckm\u00e4fsigste angibt, weswegen ich mich darauf beschr\u00e4nke, auf dessen Darstellung zu verweisen.'2 Den Strom lieferten MEiDiNGERsche Kupferzink-elemente.\nEine nicht geringe Schwierigkeit bereitete die Herstellung eines Apparates, der es erlaubte, dafs im Momente der Belastung eines Tastpunktes durch ein Reizhaar die Nebenleitung ger\u00e4uschlos geschlossen ward. Den Apparat, den ich mir f\u00fcr diesen Zweck habe anfertigen lassen, zeigt die nachstehende Figur 1. Da er durch elektromagnetische Wirkung in Funktion gesetzt wird, so habe ich ihn als Elektro\u00e4sthesiometer bezeichnet.\nAuf einem 1 cm dicken, 12 cm langen und 8 cm breiten Brettchen 1 stehen die 2,5 cm hohen Elektromagnete 2 und 3, die bei Stromdurchgang den Hebelarm 4 herabziehen, welch letzterer nach der Entmagnetisierung infolge des von der Feder 5\n1\tG. Dwelshauwees: Philos. Stud. 6, S. 217ff. \u2014 W. Wundt: Zit. Werk S. 434.\n2\tDerselbe : Ebenda S. 388 ff.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"* \u25a0\t^ _ _____\nUber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. \\ 1\nausge\u00fcbten Zuges in seine Anfangslage zur\u00fcckkehrt. Die Spannung dieser Feder, welche bei gleichbleibendem Strome zugleich die Geschwindigkeit bestimmt, mit der der Hebel herabf\u00e4llt, wird ihrerseits durch die Schraube 6 reguliert. In das freie, hohle Ende des Hebelarms 4 wird der Stiel der Pinzette 7 eingef\u00fchrt. Bei starker Reibung mit der Innenfl\u00e4che des Hebelrohres ist derselbe um seine Achse drehbar und ebenso in der L\u00e4ngsrichtung verschiebbar. Die Pinzette selbst ist zur Aufnahme des zu benutzenden Reizhaares (8) bestimmt. Der Hebelarm 4 tr\u00e4gt aufserdem den Aluminiumarm 9, dessen freiem Ende ein 1 cm langer Platinstift 10 angef\u00fcgt ist. Dieser Aluminiumarm mufs nat\u00fcrlich allen Bewegungen des Hebels 4 folgen. Dem vorderen Ende des Brettchens 1 ist ein aus Messing gefertigter, zweimal stumpf -winklich gebogener Fortsatz aufgeschraubt, dessen vorderes, freies Ende die Messingschraube 11 tr\u00e4gt. Auf der oberen freien Fl\u00e4che der letzteren ist ein aus nichtleitender Masse gefertigtes zirka 1 cm hohes Quecksilbem\u00e4pfchen 12 so befestigt, dafs zwischen Quecksilber und Messing metallischer Kontakt besteht Bei einer Dicke von 0,3 cm ist dieser Fortsatz am vorderen Ende 0,8 cm, am unteren 2,5 cm breit Die Entfernung des Quecksilbern\u00e4pfchens vom vorderen Ende des Brettchens 1 betr\u00e4gt schr\u00e4g gemessen zirka 14 cm. Das Mittelst\u00fcck des Fortsatzes besitzt an seinem oberen Ende eine l\u00e4ngliche \u00d6ffnung 13, welche den Stiel der Pinzette frei passieren l\u00e4fst und ihm ebenso f\u00fcr seine Bewegungen freien Spielraum gew\u00e4hrt. Die H\u00f6he, aus welcher der Hebelarm 4 herabgezogen werden soll, wird durch die Schraube 14 reguliert. Der f\u00fcr die beiden Elektromagnete bestimiute Strom tritt bei der Kontaktschraube 15 ein und auf der entsprechenden Stelle der anderen, in der Figur nicht sichtbaren Seite aus. Der Strom der Nebenleitung tritt bei 16 ein, geht von hier l\u00e4ngs des Messingst\u00fcckes zum Quecksilber, von hier (bei herabgezogenem Hebel) durch den Platinastift zum Aluminiumarm 9, durchl\u00e4uft diesen, den Rest des Hebelarms 4, die abgewandte Seite der Achse und deren Tr\u00e4ger, bis er bei der Kontaktschraube 17 anlangt, von wo er zum Reaktionstaster weitergeleitet wird. Diese Schraube ist in der Figur nicht sichtbar. Ihre Stelle ist durch die Ziffer bezeichnet. Der Apparat besitzt weiter noch einige andere Platinkontakte, die aber bei den hier beschriebenen Versuchen nicht in Betracht kommen. So besteht eine solche Kontaktstelle zwischen dem freien Ende","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nF. Kiesotc.\nder Schraube 14 und der oberen Fl\u00e4che des Hebels. Ein anderer Platinkontakt kann durch die kleine Schraube 18 und die dar\u00fcber sichtbare Feder hergestellt werden. Ebenso besitzt die 5 cm hohe S\u00e4ule 19 noch eine Kontaktschraube, welche in der Figur nicht sichtbar ist. Um das Aufschlagen des Hebels auf die Elektromagnete unh\u00f6rbar zu machen, w\u00fcrde zwischen diesen und dem ersteren ein kleines Kissen geschoben, das aus zwei d\u00fcnnen Kautschukbl\u00e4ttem hergestellt war, welche sehr wenig Watte zwischen sich hielten. Es ist vor der Aufnahme herausgenommen, um die Zeichnung deutlicher zu machen. An der unteren Fl\u00e4che des Brettchens 1 befindet sich eine Schraubenvorrichtung 20, welche erlaubt, den Apparat auf ein Stativ zu montieren. Bei meinen Versuchen verwandte ich ein Zimmer-MANNsches Universalstativ. Dieses Instrument ist mir von grofsem Nutzen gewesen. Da es nicht nur sanfte Auf- und Abw\u00e4rtsbewegungen, sondern auch grobe, wie feine seitliche Einstellungen zul\u00e4fst, so war damit die M\u00f6glichkeit eines genauen Treffens der vorher fixierten Tastpunkte durch das Reizhaar gegeben.\nExperimentiert wurde auf der linken K\u00f6rperh\u00e4lfte. Das Stativ stand daher links vom Beobachter und zwar auf einem festen, niedrigen Tische. Bei den auf der Hand und dem Arm angestellten Versuchen ruhte letzterer frei auf einem passend zugerichteten erh\u00f6hten Kissen. Ich habe absichtlich diesmal keine Gipsform angewandt, um den Versuch nicht durch weitere Empfindungen zu st\u00f6ren. Das Kissen befand sich nicht auf demselben Tischchen, welches das Stativ trug, sondern auf einem schmalen Gestell von gleicher H\u00f6he, das seitw\u00e4rts von dem ersteren so aufgestellt war, dais zwischen beiden ein geringer Zwischenraum blieb. Es geschah dies, um keine beim Herab--ziehen des Hebels event auftretenden Ersch\u00fctterungen auf den Arm zu \u00fcbertragen. Rechts vom Beobachter war einem anderen Tischchen von entsprechender H\u00f6he der Reaktionstaster aufgeschraubt. Die Versuchsperson befand sich somit in der Mitte. Sie safs auf einem bequemen Stuhle von passender H\u00f6he, die F\u00fcfse auf einen niedrigen Schemel gest\u00fctzt. Bei Versuchen, die an anderen K\u00f6rperteilen angestellt wurden, befand sich die Versuchsperson auf einem niedrigen, verstellbaren Fahrbett, das anstatt des Stuhles eingeschoben ward.\nEs wurde gesagt, dafs der magnetisierende Strom vom Ex-perimentierziramer aus durch Druck auf einen Taster geschlossen","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungxetnpfindang. 13\nwird. Macht man nun di\u00a9 Entfernung des Reizhaares von dem Tastpunkte absolut gleich der der Spitze des Platinastiftes von dem Quecksilber, so ist ersichtlich, dafs die Nebenleitung in dem Momente der Reizung geschlossen wird, die Zeiger der Uhr also in eben diesem Momente in Gang gesetzt werden m\u00fcssen. Diese Distanz betrug bei allen Versuchen niemals \u00fcber 0,5 mm. Es wurde hierbei so verfahren, dafs vor dem Beginn einer Versuchsreihe der Hebelarm 4 durch die Schraube 14 so weit herabgelassen wurde, dafs der Platinastift das Quecksilber eben ber\u00fchrte. Es wurde darauf durch den Schraubengang des Stativs das \u00c4sthesiometer soweit herabgef\u00fchrt, dafs auch das Reizhaar den Tastpunkt eben ber\u00fchrte, und es wurde nun die Schraube 14 soweit r\u00fcckw\u00e4rts gewunden, bis die angegebene Distanz erreicht war. Da das Haar sich bei der Reizung sofort und sehr schnell biegt, so kann sich der Platinastift in das Quecksilber einsenken, wodurch der Schlufs der Nebenleitung bis zur vollzogenen Reaktion absolut gesichert bleibt. Die Handhabung dieses Apparates machte, um die Versuchsperson v\u00f6llig frei zu lassen, aufser dem Experimentator einen weiteren Assistenten n\u00f6tig. Dieser hatte seine Aufmerksamkeit ausschliefslich darauf zu richten, dafs der Punkt in der vorgeschriebenen Weise getroffen ward. Das Mifs-lingen eines Versuches teilte er dem Beobachter, der die Augen w\u00e4hrend der ganzen Versuchsreihe geschlossen hielt, durch ein einfaches \u201eNo\u201c mit, es wurde dann von letzterem dem Experimentator, der das Protokoll f\u00fchrte, durch ein verabredetes akustisches Signal angezeigt. Dieser Assistent hatte oft nicht beide H\u00e4nde frei. W\u00e4hrend die rechte Hand am Apparate blieb, unterst\u00fctzte er bei den Versuchen an Arm und Hand das K\u00f6rperglied leicht mit der linken, doch ohne dafs eine direkte Ber\u00fchrung stattfand. Durch zusammengeschlossene weiche T\u00fccher und Watte liefe sich dies leicht bewerkstelligen.\nDie untersuchten Punkte wurden mit roter Anilintinte im Umkreis von 1 mm umrandet, fixiert wurde die Stelle der gr\u00f6fsten Empfindlichkeit des Punktes. Beim Aufsuchen und Bestimmen wurde die Lupe verwandt.\nDie Reizungen vollzogen sich mit \u00fcbermaxiraalen, d. h. mit so grofsen Geschwindigkeiten, dafs sie Momentanreizen \u00e4quivalent gesetzt werden konnten.1\n1 M. v. Fbey: Leipziger Abhandlungen 23, S. 199.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nF. Kiesow.\nDie verwandten Reizhaare besafsen Spannungswerte von 1,0 \u2014 2,0 \u2014 3,5 \u2014 6,0 \u2014 8,0 \u2014 10,5 und 15 g pro Millimeter Radius.\nAufserdem kam bei gleichzeitiger Reizung mehrerer Tastpunkte auf der Fingerbeere noch ein sehr starker Reiz in Anwendung, der durch ein besonderes kleines \u00c4sthesiometer erm\u00f6glicht ward, das ich mir nach dem Prinzip herstellte, welches die nachstehende Figur 2 erkennen l\u00e4fst.\nAn dem einen Ende eines H\u00f6lzchens a von der Form und Gr\u00f6fse desjenigen der Reizhaare (L\u00e4nge 8 cm) ist eine Stahlfeder b befestigt, deren freies, \u00fcberstehendes Ende mittels einer Schraube c einen leichten kreisrunden Holzstift d senkrecht zum H\u00f6lzchen und der darauf liegenden Feder b aufnimmt. Der Inhalt der Reizfl\u00e4che des Holzstiftes betrug rund 0,2 qmm. H\u00f6lzchen und Feder werden von einem Schieber e umfafst, durch welche die ein wirkende Kraft nach Belieben variiert werden kann. Dieser Apparat wird der Pinzette des vorhin beschriebenen Elektro\u00e4sthesiometers wie ein Reizhaar eingef\u00fcgt. Bringt man den Schieber e nahe an das freie Ende des H\u00f6lzchens heran, so kann beim Aufschlagen des Holzstiftes auf die Haut ein starker Druck auf diese ausge\u00fcbt werden. Da sich die Stahlfeder dabei immer noch nach aufw\u00e4rts biegt, so kann sich der Platinastift des Aluminiumarms hinreichend in das Quecksilber einsenken und dadurch die Nebenleitung bis zur vollzogenen Reaktionsbewegung geschlossen halten. Die Figur 2 zeigt die Stellung, welche die Feder beim Aufschlagen des Stiftes auf die Haut einnimmt, wenn der Schieber nahe an das hintere Ende des H\u00f6lzchens ger\u00fcckt ist. Die auf diese Weise erzeugte Reizgr\u00f6fse ging bis nahe an die Schmerzgrenze heran. In den nachfolgenden Tabellen ist diese Reizgr\u00f6fse als \u201est\u00e4rkster Reiz\u201c bezeichnet worden.\nOben ist bemerkt worden, dafs meine beiden Arbeitszimmer anein and erstofsen. Sie sind aufserdem durch eine T\u00fcr mitein-","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 15\nander verbunden. Die Folge hiervon war, dafs man sowohl die Schl\u00e4ge des Metronoms als auch den Ton der Uhr im Beobachtungszimmer h\u00f6rte. Die Metronomschl\u00e4ge konnten dadurch unh\u00f6rbar gemacht werden, dafs das Instrument auf eine schlecht leitende Unterlage und zugleich unter eine Glasglocke gestellt ward, deren Rand eingefettet war. Um aber den Ton der Uhr f\u00fcr den Beobachter zum Verschwinden zu bringen, blieb kein anderes Mittel \u00fcbrig, als die Geh\u00f6rg\u00e4nge zu verschliefsen. Anfangs habe ich hierzu kleine Glaskugeln und Glasst\u00f6psel verwandt, sp\u00e4ter passend zugeschnittene Korkst\u00f6psel. Auf die gleiche \"Weise konnte auch das von der Strafse kommende Ger\u00e4usch unsch\u00e4dlich gemacht werden. Das Signal blieb hierbei erkennbar.\nDie Versuche wurden anfangs in Reihen von 10 Einzelbestimmungen ausgef\u00fchrt Sp\u00e4ter habe ich aber oft auch daneben 15 Einzelversuche anstellen k\u00f6nnen. Bei den ersten Reihen, d. h. bei denen, die nach langen Vor\u00fcbungen endlich benutzt wurden, wurden die ersten beiden Werte gestrichen, sonst nur diejenigen, welche vom Beobachter hierf\u00fcr signalisiert wurden. W\u00e4hrend der letzten Arbeitswochen ist auch ersteres nicht mehr n\u00f6tig gewesen. Wenn am Ende einer Sitzung wegen Erm\u00fcdung der Versuchsperson die Werte gr\u00f6fsere Unregelm\u00e4fsigkeiten als gew\u00f6hnlich zeigten, oder wo dies sonst durch den Zustand der Versuchsperson verursacht ward, sind vielmehr die ganzen Reihen gestrichen worden. Die Einzelversuche folgten m\u00f6glichst schnell aufeinander. Zwischen den einzelnen Reihen wurden l\u00e4ngere Pausen eingeschoben. Die Arbeitsstunden fielen an den Vormittagen zwischen 10 und 12 Uhr, an den Nachmittagen zwischen 3 und 5 Uhr. Selten w\u00e4hrte eine Sitzung l\u00e4nger als eine Stunde. Wo dies in F\u00e4llen, in denen die Versuchsperson sich besonders frisch f\u00fchlte, dennoch zuweilen einmal geschah, wurde die Ruhepause nach der ersten Arbeitsstunde l\u00e4nger ausgedehnt, w\u00e4hrend welcher Zeit sich der Beobachter bequem sitzend oder liegend erholte. Wie sich aus dem folgenden ergeben wird, bin ich bei den Hauptversuchen selber Reagent gewesen. Das Ebengesagte bezieht sich somit auf mich. Die \u00fcbrigen Teilnehmer haben gew\u00f6hnlich nur eine halbe Stunde lang reagiert. Die besonderen Ergebnisse, welche in dieser Arbeit ber\u00fccksichtigt sind, sind aus Versuchen hervorgegangen, die von Ende Februar bis Anfang Oktober d. J. ausgef\u00fchrt wurden. W\u00e4hrend dieser ganzen Zeit habe ich meine Lebensweise nicht ver\u00e4ndert. Wie ich immer","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nF. Kie&\u00f9w.\n*\nziemlich um dieselbe Stunde aufs tan d und zu Bette ging, habe ich auch meine Mahlzeiten w\u00e4hrend dieser ganzen Zeit regel-m\u00e4fsig um dieselben Tagesstunden eingenommen. Da ich viel am Abend arbeite, so sind aus eben diesem Grunde die ersten Morgenstunden zur Beobachtung nicht benutzt worden. Ich f\u00fcge weiter hinzu, dafs ich ein ziemlich starker Raucher bin und auch diese Gewohnheit w\u00e4hrend der angegebenen Zeit nicht eingeschr\u00e4nkt habe. Die Temperatur des BeobachtungBzimmers betrug niemals weniger als 18 0 C, sie stieg w\u00e4hrend der w\u00e4rmeren Jahreszeit an, doch konnte das Zimmer durch doppelten Laden -verschluf8 am Tage und durch \u00d6ffnen der Fenster in der Nacht relativ k\u00fchl gehalten werden, so dafs die Temperatur w\u00e4hrend der Beobachtungen auch in der heifsesten Zeit 23 0 C nicht \u00fcberschritten haben d\u00fcrfte. Zu Hilfe kam mir dabei der Umstand, dafs eine \u00fcberm\u00e4fsige Hitze w\u00e4hrend des letzten Sommers bei uns nicht geherrscht hat. Ich bemerke weiter noch, dafs die Anf\u00e4nge dieser Arbeit weit zur\u00fcckliegen, aus \u00e4ufseren Ursachen aber oft unterbrochen werden mufsten. Einer dieser Ursachen war die, dafs meine Versuchspersonen mir nicht die zum Ab-schlufs n\u00f6tige Zeit schenken konnten, sei es, dafs sie vorher Turin verlassen mufsten oder durch andere Pflichten an der regelm\u00e4fsigen Fortsetzung der \u00dcbungen verhindert waren. Eben deswegen habe ich mich schliefslich gen\u00f6tigt gesehen, als Haupt-reagent allein zu funktionieren.\nII. Ergebnisse.\n1. Allgemeine Ergebnisse.\nVor einiger Zeit hat Cattbll 1 behauptet, dafs die Lange-sche Entdeckung des Unterschieds in den Zeiten bei muskul\u00e4rer und sensorieller Reaktion keine allgemeine G\u00fcltigkeit habe. Er fafst am Schl\u00fcsse seiner kurzen Mitteilung seine Anschauung folgendermafsen zusammen : \u201eBei Reagierenden, deren Reaktionen kurz und regelm\u00e4fsig erfolgen, scheint die Richtung der Aufmerksamkeit keinen Unterschied hervorzubringen. Bei Reagierenden, deren Reaktionen l\u00e4nger und weniger regelm\u00e4fsig eind, kann die Zeitdauer verl\u00e4ngert werden, entweder wenn sie aus-schliefslich auf die Bewegung achten, wie in D.s Falle, oder wenn\n1 J. Mc Kbbw Cattoll : Philog. Stud. 8\u00bb 8. 403 f. .1893.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. XI\nsie ausschliefslich auf den Sinneseindruck achten wie in Langes Falle.\u201c 1 D. ist Professor Dolley, einer von Cattells drei Rea-genten. Die beiden anderen Versuchspersonen waren Cattell selber und Frau Cattell.\nCattells Mitteilung hat bei ihrem Erscheinen einen ge-wissen Eindruck auf mich gemacht, durch Beobachtungen aber habe ich mich davon \u00fcberzeugt, dafs seine Behauptungen falsch sind-. Ich habe so nicht nur die Allgemeing\u00fcltigkeit der Lange-schen Entdeckung best\u00e4tigen k\u00f6nnen, sondern fand weiter, dafs der Einflufs, den die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Reaktionszeiten aus\u00fcbt, auch in einer Reaktionsform zum Ausdruck kommt, die ich als indifferente Reaktion bezeichne. Ich habe sie so benannt, weil sich die Aufmerksamkeit in diesem Falle sowohl dem Eindruck, als auch der Bewegung gegen\u00fcber indifferent verh\u00e4lt. Bei dieser Reaktionsform suche ich die Aufmerksamkeit (immer bei geschlossenen Augen arbeitend) mit h\u00f6chster Spannung auf eine Empfindung zu richten, die ich dadurch erzeuge, dafs ich die Zungenspitze leicht gegen die obere Zahnreihe presse.\nCattell arbeitete mit Schallreizen und elektrischen Hautreizen. Er fand an sich selber aus je 100 Einzelversuchen folgende Werte:\nMuskul\u00e4re Reaktion\tSensorielle Reaktion\nArithmet. Mittel Mittl. Var. Arithmet. Mittel Mittl. Var.\nSchallreiz\t106,9\t6,9\t105,4\t5,9\nElektrischer Reiz 142,7\t10,1\t142,8\t8,4\nEs ergaben sich bei Frau Cattell, die nichts von Langes Versuchen wufste, nach 20 der \u00dcbung wegen angestellten Beobachtungen aus je 50 Einzelversuchen die folgenden:\nMuskul\u00e4re Reaktion Arithmet. Mittel Mittl. Var. Schallreiz\t105,6\t15,4\nSensorielle Reaktion Arithmet. Mittel Mittl. Var. 108,8 11,2\nZwei Jahre sp\u00e4ter erhielt Cattell an derselben Versuchsperson, der nun die Resultate der fr\u00fcheren Versuche bekannt waren, folgende Resultate:\n1 J. McKbbn Cattell: Zitierte Arbeit, 8. 406. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 85.\n2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nF. Kicsoto.\nMuskul\u00e4re Reaktion Arithmet. Mittel Mittl. Var.\nSchallreiz\t105,5\t12,2\nElektrischer Reiz 119,0\t9,4\nSensorielle Reaktion Arithmet. Mittel Mittl. Var.\n104,97\t7,7\n121,5\t10,1\nAn Professor Dolley fand Cattell:\nMuskul\u00e4re Reaktion Arithmet. Mittel Mittl. Var. Elektrischer Reiz 281,4\t58,3\nSensorielle Reaktion Arithmet. Mittel Mittl. Var. 201,6\t31,21\nDas sind die Ergebnisse, aus denen Cattell seine Folgerungen zieht. Er f\u00fcgt seinen eigenen Beobachtungen hinzu, dafs die einzelnen Reaktionen, wie auch die Reihen (je 10 Einzelversuche, die mittlere Variation der Reihen habe ich nicht mit zitiert) bei den sensoriellen Reaktionen regelm\u00e4fsiger waren, als bei den muskul\u00e4ren und bemerkt weiter, dafs Prof. D. die sensoriellen Reaktionen selbst k\u00fcrzer und leichter empfand, als die muskul\u00e4ren.\nBald nachdem ich (vor ca. vier Jahren) anfing, mich eingehender mit Reaktionsversuchen zu besch\u00e4ftigen, bat ich eine Anzahl meiner Freunde, einige Reaktionen auszuf\u00fchren. Ich w\u00e4hlte hierzu Personen, die niemals reagiert hatten und nichts von der LANGEschen Entdeckung wufsten. Sie wurden einfach angewiesen zu reagieren, nachdem ich ihnen die auszuf\u00fchrende Bewegung gezeigt hatte. Ich benutzte hierzu taktile Reize, wie durch den Schallhammer erzeugte akustische.2 Beide Reizqualit\u00e4ten waren von der h\u00f6chsterreichbaren Intensit\u00e4t. Die Tasteindr\u00fccke wurden auf der Beere des linken Mittelfingers durch Reizhaare hervorgerufen. Hierbei ergaben sich nun zun\u00e4chst die allbekannten pers\u00f6nlichen Unterschiede.8 Aber daneben konnte ich weiter beobachten, dafs die Reaktionen der einzelnen Beobachter insofern charakteristische Unterschiede zeigten, als die Werte sich bei einigen mehr denen der muskul\u00e4ren Reaktion n\u00e4herten, w\u00e4hrend sie bei anderen mehr denen zustrebten, die die seruBorielle Reaktion ergibt. Diese Tatsache ist ebenfalls schon von Lauge4 * * * erkannt und unl\u00e4ngst auch wieder\n1 Cattell : Zit. Arbeit 8. 405\u2014406.\n*\tDie auf akustischem Gebiete angestellten Beobachtungen werden in\nder Folge hier nicht weiter ber\u00fccksichtigt, sondern in einem Nachtrage\nsp\u00e4ter ver\u00f6ffentlicht werden.\n8 Vgl. 8. Exseb: Pfl\u00fcgers Archiv 7, 8. 603ff.\n*\tL. Lange : Philos. Stud. 4, 8. 496.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 19\nvon Alechsieff 1 best\u00e4tigt worden. Doch war bei meinen Versuchen die Ann\u00e4herung an die muskul\u00e4re Reaktion auffallender als die an die sensorielle. Als ich sp\u00e4ter diese Versuche an einigen anderen Personen, die von sensoriellem und muskul\u00e4rem Reagieren gleichfalls nichts wufsten, ebenfalls mit st\u00e4rkeren akustischen und taktilen Reizen in der gleichen Weise wiederholte, erkannte ich, dafs man in bezug auf die nat\u00fcrlichen Reaktionen, nicht zwei, sondern drei Typen zu unterscheiden habe. Neben sensoriell und muskul\u00e4r angelegten Personen gibt es zweifellos eine dritte Gruppe von solchen, bei denen sich nach den ersten Vor\u00fcbungen ebenfalls .wohl die Tendenz ausbildet, schnell zu reagieren, aber die dabei doch zugleich bestrebt bleiben, auch den Eindruck m\u00f6glichst schnell zu erfassen. Nun bildet sich freilich bei Personen, deren Aufmerksamkeit nicht, wie dies beim beabsichtigten sensoriellen und muskul\u00e4ren Reagieren geschieht, in eine bestimmte Richtung gelenkt wird, in der Regel \u00fcberhaupt leicht die Meinung aus, die Aufgabe des Reagenten bestehe darin, schnell zu reagieren und es ist ferner begreiflich, dafs ein solches Bestreben, einmal entstanden, durch st\u00e4rkere Reize eher gef\u00f6rdert als zur\u00fcckgehalten wird, aber das charakteristische f\u00fcr diesen Typus besteht eben darin, dafs die betreffenden Personen gleichzeitig von dem Erwarten des Eindrucks beherrscht bleiben. Infolgedessen nehmen ihre Reaktionen vielmehr einen Charakter an, den man wohl zutreffend als einen gemischten bezeichnen kann. Es ist dies ein Ausdruck, den Wundt eingef\u00fchrt und auf Reaktionen angewandt hat, die vor der LANGEschen Entdeckung ausgef\u00fchrt wurden.8 Hier erh\u00e4lt derselbe nat\u00fcrlich eine etwas andere Bedeutung.\nN\u00e4her konnte ich diese Verh\u00e4ltnisse an vier Personen untersuchen, die mir etwas mehr Zeit zur Verf\u00fcgung stellen konnten. Von diesen geh\u00f6rten zwei dem gemischten und eine dem muskul\u00e4ren Typus an, w\u00e4hrend die vierte die sensorielle Anlage erkennen liefs.\nDie dem sensoriellen Typus angeh\u00f6rende Versuchsperson hatte vor vielen Jahren einmal unter anderer Leitung Reaktionen\n1 N. Alechsieff: Philos. Stud. 16, 8. 18.\n* W. Wundt: Grunde, etc. 4. Aufl., Bd. II, 8. 313.\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nF. Kiesow.\nauf Lichteindx\u00fccke ausgef\u00fchrt, die \u00fcbrigen Personen hatten nie zuvor reagiert. Keiner dieser vier Reagenten wufete etwas von dein Unterschiede zwischen sensoriellem und muskul\u00e4rem Reagieren-\nWir begannen wiederum mit starken Reizen. Hierbei zeigte sich nun, dafs die muskul\u00e4r beanlagte Versuchsperson, nachdem sie sich einigermafsen an die Versuche gew\u00f6hnt hatte, von selber anfing, sich mehr und mehr auf die muskul\u00e4re Reaktion einzu\u00fcben, so dafs sie bald ohne fremdes Zutun in extrem muskul\u00e4rer Weise reagierte. Zugleich traten bei ihr die charakteristischen Erscheinungen auf, die man als Fehlreaktionen und vorzeitige Reaktionen bezeichnet hat, und aufserdem zeigte die mittlere Variation durchaus den symptomatischen Charakter dieser Reaktionsform. Ebenso zeigten die beiden dem gemischten Typus angeh\u00f6renden Personen die charakteristischen Merkmale, die ich oben beschrieben habe. Fehlreaktionen blieben bei ihnen nicht aus, aber sie waren seltener. Ihre Mittelwerte wie die mittleren Variationen hielten die Mitte zwischen sensorieller und muskul\u00e4rer Reaktion, aufserdem waren die Mittelwerte bei beiden die gleichen. Diese Gleichheit der Werte ist hier, wie bei den weiter unten besprochenen Versuchen nat\u00fcrlich als eine Zuf\u00e4lligkeit anzusehen. Wie eine v\u00f6llig gleichm\u00e4fsige Verteilung der Aufmerksamkeit auf den Eindruck und die auszuf\u00fchrende Bewegung \u00fcberhaupt nicht m\u00f6glich ist1, so ist auch nicht zu erwarten, dafs verschiedene Personen eines und desselben Typus beiden Momenten immer dasselbe Mafs ihrer Aufmerksamkeit zuwenden. Zu verschiedenen Zeiten w\u00fcrden diese Werte daher gewifs mehr als die der Personen vom muskul\u00e4ren und sensoriellen Typus voneinander differieren. Ich f\u00fcge dem Vorstehenden noch hinzu, dafs eine dieser beiden Personen vom gemischten Typus (meine Frau), worauf weiter unten etwas n\u00e4her eingegangen werden wird, w\u00e4hrend des Reagierens visuelle Bilder hatte.\nDie sensoriell beanlagte Versuchsperson liefs bei diesen starken Reizen nur die Tendenz zu dieser Reaktionsform erkennen. Nach ihren Erlebnissen befragt, sagte sie aus, dafs sie sich stets auf den zu erwartenden Eindruck konzentriert und dabei ebenfalls immer ein ziemlioh lebhaftes visuelles Bild vom Reizapparate und der Applikationsstelle gehabt habe, nur habe sie die Reaktion nicht verz\u00f6gern wollen. Was diesen letzten\n1 W. Wundt: Grundz\u00fcge etc. 4. Aufl., Bd. II, S. 315.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 21\nPunkt betrifft, so braucht hier\u00fcber nach dem oben Ansgef\u00fchrten nichts Weiteres gesagt zu werden. Es ist damit hinreichend erkl\u00e4rt, warum der Mittelwert nicht die H\u00f6he desjenigen der vollen sensoriellen Reaktion erreichen konnte. Fehlreaktionen traten bei ihr zu Anfang, aber \u00e4ufserst selten auf, nach der ersten Gew\u00f6hnung an die Versuche eigentlich nicht mehr. Der Unterschied zwischen diesem Typus und dem vorher besprochenen gemischten ist aber trotzdem noch evident. W\u00e4hrend die zum letzteren geh\u00f6renden Personen gleichzeitig von beiden Faktoren beherrscht werden, besteht das Charakteristische des sensoriellen Typus darin, dafs die Konzentration auf den Eindruck von vornherein das bevorzugte Moment ist, dem sich dann erst sekund\u00e4r der Wunsch hinzugesellt, keine Verz\u00f6gerung in der Reaktion ein-treten zu lassen. Dem entspricht es, dafs Mittelwert und mittlere Reaktion im letzteren Falle h\u00f6her bleiben, als im ersteren.\nMit ganz aufserordentlicher Deutlichkeit traten die charakteristischen Merkmale dieser drei Typen hervor, als ich den Jfceiz abschw\u00e4chte und statt eines starken einen solchen von mittlerer Intensit\u00e4t an wandte. Als taktilen Reiz w\u00e4hlte ich ein Reizhaar von 6 g/mra Spannungswert. Es ist dies eine Reizgr\u00f6fse, welche auch die extrem muskul\u00e4re Reaktion durchaus gut und ohne jede Schwierigkeit zul\u00e4fst.\nW\u00e4hrend die Versuchsperson von sensorieller Anlage bei dem starken Reize infolge des hervorgehobenen Umstandes nur eine Tendenz zum sensoriellen Reagieren hatte erkennen lassen, ergaben ihre Reaktionen nun einen Mittelwert, der zwar nicht v\u00f6llig an den heranreichte, den ich selbst bei extrem sensorieller Reaktion und bei maximaler \u00dcbung erzielte, der aber auch nicht weit davon entfernt blieb. Dieses Zur\u00fcckbleiben erkl\u00e4rt sich eben wiederum aus dem Bestreben, die Reaktion nicht zu verz\u00f6gern; man darf hierbei nicht aus dem Auge verlieren, dafs es sich um Personen handelt, denen die Tatsachen der verschiedenen Reaktionsformen nicht bekannt waren.\nIn ebenso \u00fcberraschender Weise pr\u00e4gte sich der Typus der muskul\u00e4r reagierenden Versuchsperson aus. W\u00e4hrend die Abschw\u00e4chung des Reizes bei allen anderen Personen ein Anwachsen der Mittelwerte nach sich zog, war hier das Gegenteil der Fall. Der schw\u00e4chere Reiz verursachte eine, wenn auch nicht sehr betr\u00e4chtliche, so doch deutlich ausgesprochene Verminderung des Mittelwertes. Als ich sie nach Beendigung der","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nF. Kiesow.\nVersuchsreihen ersuchte, mir ihre Erlebnisse mitzuteilen, erfuhr ich, dafs sie sich der Verminderung der Reizintensit\u00e4t von Anfang an bewufst geworden sei, dafs sie aber mit Anstrengung des Willens dem schw\u00e4cheren Reize entgegenzuarbeiten gesucht habe.\nEs war nun f\u00fcr mich sehr instruktiv, zu sehen, dafs, wie sich diese beiden Versuchspersonen bei Abschw\u00e4chung der Reiz-gr\u00f6fse im Sinne ihrer Anlage typisch weiter entwickelten, so auch bei den beiden anderen der gemischte Charakter ihrer Reaktionen bewahrt blieb. Die geringere Reizintensit\u00e4t verursachte wohl ein Anwachsen der Mittelwerte, aber diese standen wiederum in der Mitte zwischen beiden Extremen. Der Mittelwert war aufserdem wieder bei beiden Personen der gleiche.\nHierauf wurde die Reizgr\u00f6fse soweit herabgesetzt, dafs die muskul\u00e4re Reaktion erschwert ward. Als taktiler Reiz diente nun ein Spannungswert von 2 g/mm. Auf diesen Reiz hat nur eine der beiden Personen von gemischtem Typus reagiert. Auch bei diesen Versuchen zeigte sich im allgemeinen wiederum da^ selbe Bild, obwohl die Abschw\u00e4chung des Reizes ihren Einflufs in dem zu erwartenden Sinne geltend machte. Bei der sensoriell veranlagten Versuchsperson, die nun durch den Gedanken an die Fingerbewegung nicht mehr gest\u00f6rt ward, sondern sich ganz der Erwartung des Eindrucks zuwenden mufste, ergab sich ein Mittelwert, der meinen eigenen \u00fcberschritt. Die muskul\u00e4r reagierende suchte wiederum mit h\u00f6chster Willensanstrengung den ver\u00e4nderten Versuchsbedingungen entgegenzuwirken, aber sie erreichte nicht mehr die fr\u00fcher erhaltenen Werte, da sie notgezwungen einen Teil ihrer Aufmerksamkeit auch dem Eindruck zuwenden mufste. Die von gemischtem Reaktionscharakter erzielte einen Mittelwert, der immer noch in der Mitte zwischen beiden Extremen lag, obwohl auch dieser aus eben dem gleichen Grunde einen betr\u00e4chtlichen Zuwachs erfahren hatte.\nDiese Erfahrungen scheinen zu lehren, dafs die einzelnen Personen den Reaktionsversuchen schon von vornherein eine bestimmte Anlage entgegenbringen, welche sie, wennsiesich selbst \u00fcberlassen bleiben, bei fortgesetzter \u00dcbung zwingt, sich inder Richtung eines ganz bestimmten Typus auszubilden. In dieser nat\u00fcrlichen Beanlagung werden wir einen wesentlichen Teil der Ursachen zu erblicken haben,","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 23\ndurch welche die pers\u00f6nlichen Unterschiede bewirkt werden.\nFreilich k\u00f6nnen sie hiermit im einzelnen nicht ersch\u00f6pft sein. Ganz abgesehen von \u00e4ufseren Bedingungen, denen gegen\u00fcber sich die Versuchspersonen vielleicht auch noch wieder verschieden verhalten k\u00f6nnen, abgesehen auch von grofsen Altersdifferenzen, wird man noch an andere teils auf Ererbung teils auf Erwerbung beruhende anatomisch-physiologische Verschiedenheiten bei den einzelnen zu denken haben. So wird unter sonst gleichen Bedingungen der eine die Fingerbewegung immer noch ein wenig schneller und regelm\u00e4fsiger vollf\u00fchren k\u00f6nnen, als der andere. Ein eingehenderes Studium dieser Verh\u00e4ltnisse w\u00fcrde wohl sicher dazu f\u00fchren, innerhalb der einzelnen Typen noch Unterabteilungen zu unterscheiden. Der Typus wird sich in einem Falle ausgesprochener zeigen als im anderen. Aber im allgemeinen d\u00fcrfte man vielleicht mit diesen drei Haupttypen auskommen. Nicht zu \u00fcbersehen d\u00fcrften ferner bei der Auswahl der Versuchspersonen und der Beurteilung ihrer Ergebnisse gewisse, ans Pathologische herangrenzende k\u00f6rperliche Zust\u00e4nde sein, die dem ersten Anblick und \u00fcberhaupt, wenn keine n\u00e4here Pr\u00fcfung vorgenommen wird, verborgen bleiben k\u00f6nnen. So habe ich bei intelligenten und wissenschaftlich geschulten, aber zur Neurasthenie neigenden Personen beobachtet, dafs, wie ihre Reflexe, so auch ihre Reaktionsbewegungen au\u00dferordentlich schnell und sicher waren. Verbindet sich dieser Zustand z. B. mit der muskul\u00e4ren Anlage, so wird man es mit einem sehr ausgesprochen muskul\u00e4ren Typus zu tun haben. In \u00e4hnlicher Weise werden auch andere Zust\u00e4nde nicht ohne Einflufs auf die Reaktionswerte sein. Diese Verh\u00e4ltnisse weiter zu verfolgen und zu kl\u00e4ren, f\u00e4llt aber der Psychopathologie zu.\nSehliefslich sei noch auf die visuellen Bilder eingegangen, die zwei der Versuchspersonen beim Reagieren hatten, und die wir oben nur angedeutet haben. Bemerkt sei noch, dafs es sich hier nicht um Nachbilder handelte, sondern um jene zentral entstehenden Vorg\u00e4nge, welche Galton eingehend studiert und ausf\u00fchrlich beschrieben hat Die beiden Versuchspersonen teilten mir mit, dafs sie von allen Gegenst\u00e4nden, die sie nennen h\u00f6rten oder an die sie d\u00e4chten, sofort ein visuelles Bild vor sich h\u00e4tten. Die Bilder waren bei der sensoriell reagierenden Versuchsperson, Prof. Sacebdotti, lebhafter als bei der anderen, meiner Frau.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nF. Kic\u00e4ow.\nDiese F\u00e4higkeit zu visualisieren oder deren verschiedene Grade haben weder mit der typischen Anlage an sich, noch sonst mit der Ausbildung zum Reagieren etwas Wesentliches zu tun. Man kann darin h\u00f6chstens insofern ein unterst\u00fctzendes Moment erblicken, als die durch die Anlage bedingte oder durch den Willen erzeugte Richtung der Aufmerksamkeit durch das sekund\u00e4r hinzutretende visuelle Bild besser festgehalten werden und so die Regelm\u00e4fsigkeit der einzelnen Reaktionen eine F\u00f6rderung erhalten kann. Man kann vielleicht auch zugeben, dafs Personen, welche diese F\u00e4higkeit besitzen, leichter nach der einen oder nach der anderen Richtung hin einge\u00fcbt werden k\u00f6nnen, aber an sich ist sie ein von diesen Vorg\u00e4ngen selbst unabh\u00e4ngiger Faktor. Dafs sie unterst\u00fctzend mitwirken kann, scheint mir aus einer Beobachtung hervorzugehen, die ich an meiner Frau machte, die dem gemischten Typus angeh\u00f6rt. W\u00e4hrend diese in einer Sitzung auf einen Tastreiz reagierte und ich selber das Protokoll f\u00fchrte, bemerkte ich, dafs die einzelnen Reihen ziemlich regel-m\u00e4fsige Schwankungen zeigten. W\u00e4hrend ich z. B. in einer Reihe Werte wie 147, 110, 104, 144, 124, 149, 132, 141, 158, 143 erhielt, ergab eine andere die folgenden : 165, 162, 161, 172, 182, 187, 171, 187, 159, 181. Die Durchschnittswerte dieser Reihen (135,2 und 172,7 e) zeigen immerhin eine Differenz von 37,5 e. Ais diese Versuchsperson mir in einer Pause ihre Erlebnisse jnitteilte, erfuhr ich, dafs sie w\u00e4hrend der einen Reihe das \u00c4sthesiometer, w\u00e4hrend einer anderen den Taster im visuellen Bilde gesehen habe. Die Schwankungen an sich erkl\u00e4ren sieh aus dem, was oben als das Charakteristische des gemischten Typus bezeichnet wurde. In dem Bestreben, schnell zu reagieren und doch gleichzeitig den Eindruck zu erfassen, schwankte die Aufmerksamkeit das eine Mal etwas mehr nach der einen, das andere Mal etwas mehr nach der anderen Richtung hin. Demzufolge sieht man die Einzel werte im einen Falle durchweg k\u00fcrzer als im anderen. Dabei aber zeigt sich in ihrer Reihenfolge eine gewisse Regelm\u00e4fsigkeit, und eben hier d\u00fcrfte es nicht ausgeschlossen sein, dafs die Visualisation unterst\u00fctzend eingriff, indem sie die Aufmerksamkeit in der einmal eingeschlagenen Richtung eine Zeitlang festhielt. \u00dcbrigens waren diese Schwankungen nicht immer so regelm\u00e4fsig, sie traten auch nicht immer nur von Reihe zu Reihe auf, sondern zuweilen auch innerhalb einer und derselben Reihe. Wenn ich die Werte dieser Ver-","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 25\nstichsperson mit denen der anderen, gemischt reagierenden (Dr. Marocco), vergleiche, so finde ich so regelm\u00e4fsige Reihenfolgen bei der letzteren nicht. Obwohl die Durchschnittswerte bei beiden die gleichen sind, und auch die mittleren Variationen bei den st\u00e4rksten Reizen nicht gerade erheblich voneinander differieren, so ist die mittlere Schwankung f\u00fcr die mittelstarke Reizgr\u00f6fse bei der visualisierenden Versuchsperson doch um ein Betr\u00e4chtliches geringer als bei der anderen. Zu bemerken ist hierzu freilich, dafs Dr. Marocco in beiden F\u00e4llen nur 50 mal reagierte, w\u00e4hrend meine Frau auf den mittelstarken Reiz 100, auf den st\u00e4rksten, der dem ersteren zudem voraufging, sogar 200 Reaktionen ausf\u00fchrte. Man k\u00f6nnte daher einen gewissen Anteil hier immerhin einer gr\u00f6fseren Ein\u00fcbung zuschreiben. Aber auch wenn dies eingestanden wird, bleibt die Differenz eine zu bedeutende, als dafs man darin die einzige Ursache sehen d\u00fcrfte. Sie war zudem, wie hervorgehoben, gering bei dem st\u00e4rksten Reize. Ich m\u00f6chte daher, trotzdem ich hier \u00fcber weitgehende Erfahrungen nicht verf\u00fcge, doch daf\u00fcr halten, dafs der hervorgehobene Umstand ein gewisses unterst\u00fctzendes Moment abgeben kann.\nSei dem nun aber im einzelnen, wie ihm wolle, so steht soviel fest, dafs diese F\u00e4higkeit, namentlich wo es sich um absichtlich herbeigef\u00fchrte Aufmerksamkeitsrichtungen handelt, f\u00fcr die in Rede stehenden Untersuchungen etwas Wesentliches an sich nicht sein kann. Es ergibt sich dies schon aus den Beobachtungen, die an der muskul\u00e4r reagierenden Versuchsperson (stud. med. E. Bizzozero) angestellt wurden. Diese besitzt die F\u00e4higkeit an sich, wie sich bei einer Pr\u00fcfung herausstellte, bis zu einem gewissen Grade. Wie ich aber weiter von ihr erfuhr, hatte sie beim Reagieren niemals ein visuelles Bild weder vom Taster, noch vom \u00c4sthesiometer oder von der Reizstelle gehabt und doch sahen wir sie sich zum extrem muskul\u00e4ren Reagieren entwickeln. Es ergibt sich dies weiter aus meinen eigenen Beobachtungen. Ich habe so gut wie gar keine visuellen Bilder, h\u00f6chstens in dem allerschw\u00e4chsten der Grade, die Galton beschrieben hat. Der Grad ist aber eben so schwach, dafs er hier gar nicht in Frage kommen kann; ich h\u00e4tte ihn auch nicht an mir bemerkt, wenn ich mich nicht, durch Galton angeregt, daraufhin untersucht h\u00e4tte. Dennoch aber hoffe ich im nachfolgenden zeigen zu k\u00f6nnen, dafs meine","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nF. Kiesotc.\nReaktionen auf Zuverl\u00e4ssigkeit Anspruch erheben k\u00f6nnen. Was ich an mir selber beobachtete, war in der ersten Zeit nach Schlufs der Augen ein zuweilen (nicht immer) auftretendes schwaches Nachbild des Reizhaares oder des Reaktionstasters, das entweder bald ganz wieder verschwand oder in Intervallen, immer mehr erblassend, einige Male wieder auftauchte. Dieses war dadurch hervorgerufen, dafs ich w\u00e4hrend der Vorbereitung zum Versuche die Augen entweder auf das eine oder auf das andere der erw\u00e4hnten Instrumente gerichtet hatte. Sp\u00e4ter, als wir uns alle mehr auf die Handhabung der Instrumente einge\u00fcbt hatten, konnte ich mich ohne jede Besorgnis niedersetzen und gleich die Augen schliefsen, so dafs das Nachbild nicht mehr auftreten konnte. Im \u00fcbrigen aber stimmen meine eigenen Erfahrungen durchaus mit denjenigen \u00fcberein, die W\u00fcndt als die seinigen mitgeteilt hat.1\nSchon durch die mitgeteilten Erfahrungen d\u00fcrften Cattells Behauptungen in Zweifel gezogen sein. Ich habe mich aber von deren Unrichtigkeit noch durch viele andere Versuche \u00fcberzeugen k\u00f6nnen.\nCattell behauptet, dafs die Richtung der Aufmerksamkeit bei Personen, deren Reaktionen kurz und regelm\u00e4fsig erfolgen, keinen Unterschied her vor bringe. Kurz und sehr regelm\u00e4fsig erfolgten die Reaktionen bei meiner dem muskul\u00e4ren Typus angeh\u00f6renden Versuchsperson. Als ich diese nach Beendigung der vorstehend im allgemeinen beschriebenen Versuchsreihen ersuchte, nun gar nicht an die Bewegung zu denken, sondern ihre ganze Aufmerksamkeit der Erfassung des Eindrucks zuzuwenden, erhielt ich auf einen Tastreiz von 6 g/mm Spannungswert in der ersten Versuchsreihe folgendes Resultat:\n235 a 228\t244\t207\t213\t265\t214\t274\t247\t261\n....................\u2014 \u25a0\u25a0\u25a0'\u25a0 \u25a0 \u25a0' \u25a0\u25a0\u25a0 .........\nArithmet. Mittel 238,8 o Mittl. Variation 19,1\nBeim nat\u00fcrlichen Reagieren hatte sich f\u00fcr diese Reizgr\u00f6sse aus 50 Einzelbestimmungen ein Mittelwert von 128,405 ergeben, bei einer mittleren Variation von 13,372.\nCattell behauptet weiter, dafs bei langsam und weniger regelm\u00e4fsig Reagierenden die Zeit in einem Falle bei Richtung\n1 W. W\u00fcndt: Grundz\u00fcge etc. 5. Auf!., Bd. 3, S. 427.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\nUber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Bdastungsempfindung. 27\nder Aufmerksamkeit auf die Bewegung, im anderen bei der auf den Reiz verl\u00e4ngert w\u00fcrde. Als ich die sensoriell reagierende Versuchsperson nach Beendigung ihrer nat\u00fcrlichen Reaktionen ersuchte, ihre Aufmerksamkeit ausschliefslich der Bewegung zuzuwenden, ergaben sich beim Reagieren auf den gleichen Reiz* folgende Werte:\n172\t148\t127\t254\t111\t225\t142\t176\t184\t149\n*T| in Hl\u2014______mi_U_UL__-IL\u201eIIILI._____I \u2014\u2014~\nArithmet. Mittel 168,8 Mittl. Variation 33,6\nDie nat\u00fcrliche Reaktionsweise hatte bei dieser Versuchsperson aus 100 Einzelbeobachtungen einen Durchschnittswert von 213,53 a ergeben, bei einer mittleren Variation von 22,762.\nAls ich Dr. Mabocco (vom gemischten Reaktionstypus) nach Beendigung der nat\u00fcrlichen Reaktionen auf den gleichen Reiz sensoriell reagieren liefs, erhielt ich folgende Werte:\n228\t191\t168\t194\t186\t188\t183\t254\t164\t195\n- \"\t----- -\t^ TT.\u00bb.,\t, \u2014 \u2014\u00bb\nArithmet. Mittel 195,0 Mittl. Variation 18,4\nDie nat\u00fcrliche Reaktionsform hatte bei dieser Versuchsperson aus 50 Einzelversuchen f\u00fcr den gleichen Reiz einen Durchschnittswert von 168,82 ergeben, bei einer mittleren Variation von 34,130.\nDiese Erfahrungen stimmen mit denjenigen Cattells nicht \u00fcberein; in allen F\u00e4llen trat vielmehr der Einflufs, den die Richtung der Aufmerksamkeit in dem von Lange gefundenen Sinne auf die Reaktionen aus\u00fcbt, deutlich genug hervor. Das ist auch die allgemeine Erfahrung, zu der ich durch fortgesetzte Beobachtungen gelangt bin. Es ist bei manchen Versuchspersonen schwer, sie zum einigermafsen regelm\u00e4fsigen Reagieren in einer bestimmten Richtung zu erziehen, und besonders gilt dies von der sensoriellen Reaktionsforra, ja man trifft Personen, bei denen diese \u00fcberhaupt in typischer Weise nicht zu gelingen scheint; aber dafs durch die gewollte Aufmerksamkeitsrichtung nicht irgend welcher Einflufs auf die Reaktionsdauer im Sinne der Lange-schen Entdeckung hervortreten sollte, habe ich bis jetzt nicht beobachtet. Die hier auftretenden Schwierigkeiten sind auch","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nF. Kiesoto.\nvon alien Beobachtern, die \u00fcber diesen Gegenstand gearbeitet haben, hervorgehoben worden. F\u00e4lle, wie die vorhin mitgeteilten, k\u00f6nnte ich h\u00e4ufen. Da ich aber niemals Versuchspersonen lange und regelm\u00e4fsig genug um mich haben konnte, um sie bis zur \u2018maximalen \u00dcbung zu bringen, so hat es keinen Zweck, fur weitere Mitteilungen \u00e4hnlicher Art unn\u00f6tigerweise Raum zu beanspruchen. Ich verweise daher auf meine eigenen Reaktionen, die im nachfolgenden eingehend beschrieben sind und beschr\u00e4nke mich im \u00fcbrigen auf einige Erfahrungen allgemeiner Natur, die ich gewinnen konnte, und deren Mitteilung mir nicht ohne Wert zu sein scheint.\nIch m\u00f6chte zun\u00e4chst hervorheben, dafs die sensorielle Reaktion bei starken und st\u00e4rksten Reizen erschwert, bei mittelstarken dagegen erleichtert und bei sehr schwachen Reizen, sowie bei solchen von Schwellenwerten nur allein noch m\u00f6glich ist. Auf diesen letzten Punkt ist auch von Wundt wiederholt hingewiesen worden.1 Bei der Ein\u00fcbung auf diese Reaktionsweise d\u00fcrfte es sich daher empfehlen, mit schwachen Reizen zu beginnen. Die muskul\u00e4re Reaktion dagegen gelingt leichter bei starken Reizen; sie wird bei einem gewissen Grade der Abschw\u00e4chung zun\u00e4chst erschwert, um bei noch weiterer Abminderung des Reizes allm\u00e4hlich immer weniger ausf\u00fchrbar und zuletzt ganz unm\u00f6glich zu werden. Man wird die Versuchspersonen auf diese Form des Reagierens daher wohl immer am besten und am schnellsten ein\u00fcben, wenn man mit starken Reizen beginnt Bei der Ein\u00fcbung auf die indifferente Reaktionsform beginnt man nach meinen Erfahrungen am besten mit mittelstarken Reizgr\u00f6fsen.\nDafs ein ganzes Empfindungsgebiet, das der Geschmacksempfindungen, sich, wie ich unl\u00e4ngst zeigen konnte2, von dem soeben ausgef\u00fchrten abweichend verh\u00e4lt, spricht nicht gegen, sondern f\u00fcr den Einflufs, den die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Reaktionszeiten aus\u00fcbt Infolge des langsamen Ansteigens der Empfindung von einem schwer wahrzunehmenden Intensit\u00e4tsminimum an lassen die Geschmacksempfindungen die muskul\u00e4re Reaktion nicht zu. (S. weiter unten.) Vielleicht verh\u00e4lt es sich ebenso bei Geruchsempfindungen. Dafs die ver-\n1 W. Wtjndt: Grundz\u00fcge etc. 5. Aufl., Bd. 3, S. 429. 8 F. Kiesow : Diese Zeitschr. SS, S. 453 f.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 29\nl\u00e4ngerte Reaktionszeit bei Lichtempfindungen auf die gleiche Ursache zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, hat schon Wundt1 * wahrscheinlich zu machen gesucht. Dafs die Reaktionszeiten bei pl\u00f6tzlich herein-brechenden Reizen sich verk\u00fcrzen, konnte schon Bessel 2 feststellen.\nHinsichtlich des Einflusses, den die Intensit\u00e4t des Reizes auf die Reaktionszeiten aus\u00fcbt, hat Wundt3 das Gesetz aufgestellt, dafs die letzteren von der Reizschwelle ab bei zunehmender Intensit\u00e4t desReizes schnell abnehmen, um bei weiterer Steigerung ganz oder ann\u00e4hernd konstant zu bleiben.\nSoweit relativ isoliert stehende Tastpunkte des haarfreien Bezirks des Handgelenks in Betracht kommen, kann ich dieses Gesetz f\u00fcr die sensorielle Reaktionsform durchaus best\u00e4tigen. Bei der muskul\u00e4ren Reaktion trat die ann\u00e4hernde Konstanz der Werte sp\u00e4ter ein als bei der sensoriellen, ich fand die Verh\u00e4ltnisse hier wie folgt: Von der Intensit\u00e4tsstufe an, die diese Form der Reaktion \u00fcberhaupt, obwohl erschwerend, zuliefs (2 g/mm), bis zur n\u00e4chsten (3,5 g/mm) trat eine erhebliche Abnahme des Zeitwertes ein. Dieser erhielt sich konstant bei 6 g/mm, erfuhr eine abermalige Verringerung bei 8 g/mm, um dann bis zu 15 g/mm hin ann\u00e4hernd konstant zu bleiben. Weiter konnte die Reizintensit\u00e4t nicht gesteigert werden, da die Versuche sonst durch gleichzeitige Erregung benachbarter Scbmerzorgane sowohl nach der physiologischen wie nach der psychologischen Seite hin eine Komplikation erfahren h\u00e4tten. Es mufs demnach dahingestellt bleiben, ob, wenn man die Beteiligung der Schmerzfasern w\u00fcrde ausscbalten k\u00f6nnen, eine weitere Steigerung des Reizes eine nochmalige Verk\u00fcrzung der Reaktionsdauer w\u00fcrde nach sich gezogen haben. \u00c4hnlich so verlief die Abnahme bei der indifferenten Reaktion.\nAnders fand ich diese Verh\u00e4ltnisse bei Reizung eines Tastpunktes der Beere des linken Mittelfingers, wo die Dichte der Tastorgane eine grofse ist. Hier erstreckte sich die Verringerung des Zeitwertes auch auf die sensorielle Reaktion. Nach der ersten Verk\u00fcrzung, die bei 2 g/mm eintrat, blieb der Wert\n1 W. Wundt: Grunds, etc. 4. Aufl., Bd. II, S. 319.\n\u00c4 Vgl. S, Exxeb: Zit. Arbeit S. 610.\n* W. Wundt: Grundz. etc. 5. Aufl., Bd. 3, 8. 429.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nF. Kiesow.\nkonstant bei 3,5 g/mm, verk\u00fcrzte sich wiederum bei 6 g/mm und ebenso abermals bei 10,5 g/mm, er erhielt sich ann\u00e4hernd konstant bei 15 g/mm, um bei der h\u00f6chsten der erw\u00e4hnten Reizstufen eine nochmalige deutlich erkennbare Verkleinerung zu erfahren. Bei der muskul\u00e4ren und indifferenten Reaktion folgten die einzelnen Grade der Abnahme nicht genau der eben besprochenen, aber im allgemeinen ergab sich hier auch f\u00fcr diese Formen eine bis zur h\u00f6chsten Reizstufe hin sich erstreckende Verringerung der Zeiten.\nWas zun\u00e4chst die ann\u00e4hernde Konstanz der Durchschnittswerte der sensoriellen Reaktionen bei Belastung der isoliert stehenden Tastpunkte betrifft, so werden wir eine Erkl\u00e4rung daf\u00fcr mit Wundt1 2 in den Eigenschaften der Aufmerksamkeit zu suchen haben. Erschwerend mufste die Aufmerksamkeit hier in dem bereits hervorgehobenen Sinne bei der muskul\u00e4ren Reaktion auf schwache Reize wirken, insofern sie sich bei diesen nicht mehr in maximalem Grade der auszuf\u00fchrenden Bewegung zuwenden konnte. Dafs aber bei einem Reize von 8 g/mm nochmals eine Verringerung des Zeitwertes eintrat, kann aus diesem Umstande kaum erkl\u00e4rt werden; denn es ist ebensowohl eine Tatsache, dafs man auf Spannungswerte von 6 g/mm und darunter durchaus gut und ohne Schwierigkeit muskul\u00e4r reagieren kann. Es m\u00fcssen daher andere Ursachen sein, welche vornehmlich diese Verk\u00fcrzung bewirkten. Man wird hier an zwei Momente denken k\u00f6nnen. Einmal w\u00e4re daran zu erinnern, dafs mit zunehmender Belastung auch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Nervenstroms vermehrt wird. Sodann aber k\u00f6nnte ein weiterer Einflufs dem Umstande zuzuschreiben sein, dafs infolge einer gr\u00f6fseren Deformation der gereizten Hautstelle benachbarte Organe indirekt mitgereizt werden.3 Das letzte halte ich in dem vorliegenden Falle f\u00fcr ausgeschlossen, weil \u00fcber eine Belastung von 8 g/mm hinaus weder beim muskul\u00e4ren noch beim indifferenten Differieren eine scharf hervortretende Verk\u00fcrzung eintrat Die Punkte standen, wie angegeben wurde, m\u00f6glichst isoliert. In irgend einer Weise d\u00fcrfte daher wohl das erste dieser Momente hier bestimmend\n1\tW. Wundt: Grundz. etc. 5. AufL, Bd. 3, 8.430.\n2\tVgl. \u00fcber die Dichte der Tastpunkte dieser Region meine Arbeit in\nPhilos. Stud. 19, 8. 272.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 31\neingreifen. Hiermit behaupte ich nicht, die Frage erledigt zu haben. Da ich aber in einer sp\u00e4teren Mitteilung darauf zur\u00fcckzukommen gedenke, so beschr\u00e4nke ich mich in der vorliegenden auf die Angabe des Tatbestandes.\nJe nach der gereizten Hautstelle d\u00fcrfte auch schon bei geringeren Reizgr\u00f6fsen das eine Moment das andere \u00fcberwiegen. Dafs z. B. auf der Fingerbeere die indirekte Reizung benachbarter Tastorgane auf die Reaktionszeit von Einflufs ist, geht schon daraus hervor, dafs sich die Zeitverk\u00fcrzung hier, wie bereits angegeben, auch auf die sensorielle Reaktion erstreckt. Die Dichte der Tastorgane ist auf dieser K\u00f6rperstelle eine ganz betr\u00e4chtliche. Meissner z\u00e4hlte hier im Quadratmillimeter 21 der nach ihm benannten Tastk\u00f6rperchen und ich selbst habe unl\u00e4ngst zu zeigen versucht, dafs wir neben diesen Meisbner-WAGNERschen K\u00f6rperchen hier vielleicht noch andere Tastorgane anzuerkennen haben. Dazu kommt weiter, dafs bei grofsen Belastungen wohl auch nicht nur die oberfl\u00e4chlichsten Schichten gereizt werden, sondern dafs sich die Reizung auch auf tieferliegende Organe und ebenso auf die Nervenfasern selbst hin fortpflanzt. Mag nun dem in einzelnen sein, wie ihm wolle, so wird man doch die Tatsache anzuerkennen haben, dafs mit der Ausbreitung der Deformation auch eine indirekte Miterregung anderer Organe gegeben ist.\nDem vorstehenden sei noch hinzugef\u00fcgt, dafs ich, wie aus dem speziellen Teil ersichtlich werden wird, die Versuche nicht auf die genannten K\u00f6rperstellen beschr\u00e4nkt habe, dafs ich aber bei muskul\u00e4rem Reagieren in jedem Falle bei h\u00f6heren Belastungen isoliert stehender Tastpunkte eine Verk\u00fcrzung der Reaktionsdauer in dem angebenen Sinne ein-treten sah. Auf dem Oberarm, wo die Dichte bei mir 9,33 betr\u00e4gt (Schwankung zwischen 7 und 14) * *, trat z. B. bei den Reizgr\u00f6fsen 6 und 15 g/mm ein Unterschied in den Durchschnittswerten hervor, der von dem auf dem Handgelenk gefundenen wenig differierte.\nWundt2 hat weiter beobachtet, dafs bei Ann\u00e4herung des Reizes an die Reizh\u00f6he abermals eine Verl\u00e4ngerung der Reaktionszeit eintrete, welch letztere durch den der Reaktion vorauf -\n1 F. Kiesow : Zit. Arbeit S. 276.\n* W. W\u00fcndt: Zit. Werk S. 430.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nF. Kiesow.\ngehenden Affekt des Erschreckens verursacht sei. Dieser ziehe Koordinationsst\u00f6rungen nach sich und wirke so auf die Bewegung im Sinne einer Hemmung. Da aber Exner diese Erscheinung nicht beobachten konnte, so h\u00e4lt Wundt es f\u00fcr m\u00f6glich, dafs sie bei der extrem muskul\u00e4ren Reaktionsform ausbleibe und sich nur bei der sensoriellen geltend mache. Hervorgehoben zu werden verdient, dafe Bebger und Cattell, die unter Wundts Leitung (freilich vor der LANGEschen Entdeckung) arbeiteten, f\u00fcr diese Erscheinung aus ihren Versuchen, keinen Beweis, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit erbringen konnten.1 Wae meine eigenen Versuche angeht, so konnte diese abermalige Verz\u00f6gerung hier nicht eintreten, da die Reize niemals stark genug waren, um einen Schreck zu erzeugen. Die Reizh\u00f6he war f\u00fcr die Tastreize bei dem Punkte gegeben, \u00fcber welcher! hinaus jede weitere merkliche Steigerung Schmerz verursacht h\u00e4tte. Ebenso bewegten sich die oben angedeuteten akustischen Versuche bis jetzt innerhalb der Reizgrenzen, die man gew\u00f6hnlich in Laboratorien anzustellen pflegt Soweit der Schallhammer oder der Hippsche Failapparat in Anwendung kamen, habe ich bei regelrechter Adaptation der Aufmerksamkeit die Erscheinung nicht beobachten k\u00f6nnen. Dagegen trat eine Verz\u00f6gerung der Reaktionsdauer ein, wenn ich die Versuchsperson dadurch zu \u00fcberraschen oder zu erschrecken suchte, dafs ich statt des Signals einen starken Schallreiz gab, oder wenn bei Einstellung der Aufmerksamkeit auf einen schwachen Reiz statt dieses pl\u00f6tzlich ein starker folgte. Die hemmende Wirkung des Schrecks an sich, d\u00fcrfte daher, wie wohl auch schon aus dem ganzen Charakter dieses Affektes folgt, eine Tatsache sein, ohne dafs man gerade bis zur Reizh\u00f6he fortzuschreiten braucht Aber in Wirklichkeit handelt es sich dabei nicht um einen einfachen Reaktionsvorgang, sondern um die Wirkung, welche der Schreck auf den letzteren aus\u00fcbt. Der Vorgang ist um so mehr ein komplizierter, als sich ihm, wie ja auch Wundt am Schl\u00fcsse dieser Betrachtung selbst anf\u00fchrt, sekund\u00e4re St\u00f6rungen hinwi-gesellen. \u00dcbrigens scheinen individuelle Differenzen, wie auch die Gew\u00f6hnung an den Versuch hier eine gewisse Rolle zu spielen.\nKehren wir nochmals zu Cattells Beobachtungen zur\u00fcck, so d\u00fcrfte es aufser Frage sein, dafs sowohl Cattell selbst, wie\n1 O. Bbbgbb : Philos. Stud. 3, S. 77.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Tiber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 33\nauch Frau Cattell einem ziemlich ausgesprochen muskul\u00e4ren Typus angeh\u00f6ren. Cattell hebt auch selbst hervor, dafs ihre Reaktionen \u201ekurz und regelm\u00e4fsig\u201c waren. Nehmen wir hinzu, dafs Cattell, wie ich vermute, starke Reize anwandte, und dafs er im Reagieren eine grofse \u00dcbung besitzt, so d\u00fcrfte das Resultat, zu dem er gelangte, in der Tat nicht allzusehr Wunder nehmen. Aus der grofsen \u00dcbung, die sich Cattell im Reagieren erworben hat, d\u00fcrfte es sich euch erkl\u00e4ren, dafs bei ihm keine vorzeitigen, wohl auch keine Fehlreaktionen vorkamen; denn es ist eine allgemein beobachtete Tatsache, dafs diese mit wachsender \u00dcbung verschwinden. Ob bei Frau Cattell Fehlreaktionen vorkamen, wird nicht angegeben. Das negative Resultat erkl\u00e4rt sich hier eben daraus, dafs in beiden F\u00e4llen muskul\u00e4r reagiert ward. Der Umstand, dafs Cattell in den Angaben die Werte\nder muskul\u00e4ren Reaktion denen der sensoriellen voranstellt, l\u00e4fst\n\u2022\u2022\nvermuten, dafs die \u00dcbungen mit jener Form begonnen wurden. Bei einem motorisch angelegten Typus aber d\u00fcrfte dies unter Umst\u00e4nden hindernd wirken k\u00f6nnen. Im einzelnen l\u00e4fst sich hier\u00fcber kaum eine weitere Kritik f\u00fchren, ich kann nur nochmals wiederholen, dafs ich selbst zu entgegengesetzten Ergebnissen kam.\nEin grofses Gewicht legt Cattell auf die Beobachtung, dafs Professor Dolleys Durchschnittswert der muskul\u00e4ren Reaktionen betr\u00e4chtlich l\u00e4nger war, als der der sensoriellen. Diese Erscheinung l\u00e4fst sich aus zwei verschiedenen Ursachen erkl\u00e4ren, die m\u00f6glicherweise zusammengewirkt haben k\u00f6nnen, nicht aber so, wie dies in der oben angef\u00fchrten Weise Cattell getan, wobei er \u00fcbrigens, ohne eine weitere Analyse des Vorganges zu versuchen, gerade in den Fehler verf\u00e4llt, der nach ihm den LANGE8chen Beobachtungen anhaften soll. Denn auch Cattell beansprucht doch wohl eine allgemeine G\u00fcltigkeit f\u00fcr seine Behauptungen ? \u2014\nProfessor Dolley geh\u00f6rt dem ausgesprochen sensoriellen Typus an. Dies ergibt sich einmal aus dem Durchschnittswerte, der aus seinen Reaktionen resultierte. Wurden die Versuche an der Fingerbeere angestellt (Cattell macht hier\u00fcber keine n\u00e4here Angabe) und war der Reiz, wie ich vermute, ein intensiver, so stimmt der Mittelwert der sensoriellen Reaktionen Dolleyb auffallend mit demjenigen \u00fcberein, den ich selbst bei dem st\u00e4rksten der verwandten mechanischen Reize auf der Beere meines\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 35.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nF. Kiemm.\nlinken Mittelfingers erzielte. Ein Unterschied zeigt sich hier nur in einer gr\u00f6fseren Regelm\u00e4fsigkeit der Einzelbeobachtungen bei mir. W\u00e4hrend die mittlere Variation bei D. 31,2 betrug, war sie bei mir f\u00fcr den Mittelwert eines ersten Hunderts abgerundet gleich 17,8, f\u00fcr den eines zweiten 21,9. Andererseits \u00fcberschreitet sie aber bei D. nicht erheblich die Grenze, die auch bei anderen Personen gefunden ward, und w\u00fcrde sich bei weiterer planm\u00e4fsiger Ein\u00fcbung, woran kaum zu zweifeln ist, noch verringert haben. Es folgt dies weiter aus der von Cattell besonders hervorgehobenen Angabe, dafs die Versuchsperson selbst die sensoriellen Reaktionen k\u00fcrzer und leichter empfand als die muskul\u00e4ren. Auf diesen letzteren Umstand ist ein besonderes Gewicht zu legen. Cattell nennt die Reaktion Dolleys lang und unregelm\u00e4fsig und schliefst daraus, \u201edafs sie nicht v\u00f6llig reflexartig ist, dafs sie aber weniger reflexartig wird, \u2022wenn die Aufmerksamkeit auf die Bewegung, als wenn sie auf den Sinneseindruck gerichtet ist.\u201c\nBei den oben erw\u00e4hnten Versuchen \u00fcber die Reaktionszeiten von Geschmacksempfindungen, aus denen hervorging, dafs bei der gegebenen Versuchsanordnung eine muskul\u00e4re Reaktion gar nicht m\u00f6glich ist1, dafs vielmehr alle Reaktionen hier den Charakter der sensoriellen Form annehmen und denen gleichen, die in anderen Empfindungsgebieten auf Schwellenreize ausgef\u00fchrt werden, konnte ich nun eine Beobachtung machen, die ich in jener Ver\u00f6ffentlichung nicht mitgeteilt habe, die aber hier an ihrem Platze sein d\u00fcrfte. Bei jener Arbeit wurden auch muskul\u00e4re Reaktionen versucht. Diese ergaben aber ganz aufser-ordentlich hohe Werte und eine grofse Unregelm\u00e4fsigkeit derselben, welch letztere in einer ganz kolossal hohen mittleren Variation zum Ausdruck kam, kurz g\u00e4nzlich unbrauchbare, unm\u00f6gliche Werte. Das Faktum erkl\u00e4rt sich einfach. Der Reagent suchte die Aufmerksamkeit extrem muskul\u00e4r einzustellen, konnte sie aber in dieser Richtung nicht festhalten, da sie, um den Moment des Auftauchens der Empfindung im Be-wufstsein nicht zu vers\u00e4umen, notgedrungen von der Bewegung abgelenkt wurde und sich der Erwartung des Eindrucks zuwenden mufste. Beim Erscheinen der Empfindung im Bewufstsein flog sie bei der nun einmal gegebenen Gesamtlage des Willens\n1 F. Kiesow: Diese Zeit#ehr. 33, 8. 453.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 35\nwiederum zur Bewegung zur\u00fcck, daher die Verl\u00e4ngerung der Werte und ihre grofse Unregelm\u00e4fsigkeit. Durchschnittswert und mittlere Variation mufsten bei diesen Versuchen naturgem\u00e4fs um so h\u00f6her werden, als die Reaktionszeiten der Geschmacksempfindungen an sich schon sehr hoch sind. Wenn ich nun bei Cattell lese, dafs die mittlere Variation des Durchschnittswertes der muskul\u00e4ren Reaktionen bei Professor Dolley fast doppelt so grofs war, als die der sensoriellen, so steigt in mir die Vermutung hoch, dafs hier ein \u00e4hnliches, wenn auch nicht so stark hervorgetretenes Verhalten Vorgelegen haben kann. Die Versuchsperson behauptet selber von sich, leichter sensoriell zu reagieren. Sie wurde angewiesen, sich muskul\u00e4r vorzubereiten. Beim Ert\u00f6nen des Signals aber flog die Aufmerksamkeit zur Erwartung des Eindrucks zur\u00fcck und der ganze Vorgang verlief weiter, wie er oben geschildert wurde. Das ist die eine der Ursachen, aus welcher die in Rede stehende Erscheinung erkl\u00e4rt werden d\u00fcrfte. Daneben aber k\u00f6nnte eine andere von physiologischer Natur wirksam gewesen sein.\nUnl\u00e4ngst hat W. G. Smith1 in einer kurzen Mitteilung gezeigt, dafs einige Personen, bevor sie den Finger beim Reagieren vom Taster abheben, ihn zuvor in merklicher Weise nieder-dr\u00fccken. Diese Personen waren unter den Smith zur Verf\u00fcgung stehenden allerdings in der Minderzahl vertreten, bei einer gr\u00f6fseren Gruppe nahm die Verz\u00f6gerung keinen absch\u00e4tzbaren Wert an. Der Verf. sieht in dieser Beobachtung einen Zusammenhang mit den Versuchen Sheeeingtons \u00fcber die reziproke Innervation antagonistischer Muskeln. Wenn nun auch gegen die SMiTHsche Versuchsanordnung (Druck auf einen Sphygmographen-knopf) Einw\u00e4nde erhoben werden k\u00f6nnen, so d\u00fcrfte die Tatsache an sich doch schwerlich geleugnet werden k\u00f6nnen, ja es liegt der Gedanke nicht fern, dafs sich die mehrfach beobachtete Unbrauchbarkeit mancher Personen f\u00fcr Reaktionsversuche \u00fcberhaupt zum Teil aus eben dieser Erscheinung erkl\u00e4ren m\u00f6chte.2 Was nun Professor Dolley angeht, so ist es freilich bei der nicht allzugrofsen Unregelm\u00e4fsigkeit, die er beim sensoriellen\n1\tW. G. Smith: The Journal of Physiology 25, S. XXVI.\n2\tJedenfalls d\u00fcrfte bei der Auswahl von Versuchspersonen f\u00fcr Reaktionsversuche auf diesen Vorgang R\u00fccksicht zu nehmen sein. F\u00fcr meine Versuchspersonen und mich selbst hatte er keine Bedeutung.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nF. Kitsow.\nReagieren zeigte, kaum anzunehmen, dafs sie bei dieser Form von merklichem Einfl\u00fcsse war. Andererseits aber d\u00fcrfte die Frage, ob ein, wenn auch in sehr geringem Grade scheinbar bei allen Personen auftretendes Ph\u00e4nomen nicht dadurch gesteigert werden kann, dafs jemand durch einen starken Impuls seiner Anlage entgegenzuwirken sucht, ebensowenig v\u00f6llig aufser acht zu lassen sein. Es w\u00e4re daher nicht unm\u00f6glich, dafs die Erh\u00f6hung der Zeitwerte Dolleys beim muskul\u00e4ren Reagieren und deren grofse Unregelm\u00e4fsigkeit sich auch auf diese Weise erkl\u00e4ren liefsen.\nMag nun auch dahingestellt bleiben, welcher dieser beiden Erkl\u00e4rung8weisen die gr\u00f6fsere Wahrscheinlichkeit zukommt, so ist doch so viel gewifs, dafs die Verallgemeinerung, welche Cattell aus diesen Beobachtungen gezogen hat, nicht zul\u00e4ssig sein kann. Cattell gibt noch an, dafs Professor Dolley vor den benutzten und mitgeteilten Werten bereits ca. 2000 Reaktionen ausgef\u00fchrt habe. Soweit aber aus dem Zusammenhang ersichtlich ist, handelte es sich dabei um die nat\u00fcrlichen Reaktionen der Versuchsperson, \u00fcber welche weitere Angaben nicht gemacht werden.\nNicht durchweg zutreffend erscheinen mir ferner die theoretischen \u00dcberlegungen, durch welche Cattell seine Behauptungen zu st\u00fctzen sucht1, auf welche aber, da hinreichende Tatsachen dagegen sprechen, nicht weiter eingegangen zu werden braucht Im \u00fcbrigen mag Herr Cattell aus diesen kritischen Bemerkungen selber die Bedeutung ermessen, die seinen Beobachtungen zugeschrieben ward.\nSchliefslich bemerke ich noch, dafs einige Hauptwerte der sensoriellen und der muskul\u00e4ren Reaktionsform w\u00e4hrend der Durchf\u00fchrung dieser Arbeit von Zeit zu Zeit kontrolliert wurden. Nach den Ergebnissen dieser Kontrollversuche besitzen die sensoriellen Werte eine gr\u00f6fsere Konstanz, als die muskul\u00e4ren. Die Werte der indifferenten Reaktion habe ich nicht mehr kontrollieren k\u00f6nnen. Die n\u00e4heren Angaben finden sich im speziellen Teil dieser Arbeit.\n1 Cattell\u2019: Zit. Arbeit S. 404.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung.\t37\n2. Spezielle Ergebnisse.\nIn der nachstehenden Tabelle finden sich die Zeitwerte zusammengestellt, welche die nat\u00fcrliche Reaktionsform bei den vorhin erw\u00e4hnten Versuchspersonen ergab. Von diesen hatten Prof. Sacerdotti und Frau E. Kiesow beim Reagieren visuelle Bilder. Gereizt wurde bei allen ein Tastpunkt auf der Mitte der Beere des linken Mittelfingers, dessen Empfindlichkeit einem Schwellenwert von zirka 1 g/mm entsprach. Reagiert wurde mit dem Zeigefinger der rechten Hand.\n\tBtud. med. E. Bizzozbbo, i muskul\u00e4rer\t\t\tProf. Sacerdotti,\t\t\tFrau E. Kiesow,\t\tDr. Mabocco,\n\t\t\t\tsensorieller\t\t\tgemischter j\t\tgemischter\n\tTypus\t\t\tTypus\t\t\tTypus\t\tTypus\n\t03 . CD\t\t\u00a3\t\u00ae \u00a9\t\t\u00a9\t\t\u00a9\t\u00a3\nReiz\t\u00c6 b CD\t\txS\to\t\t3\ti\t2 \u2022\tA ' +3 **\n\t00 \u00d6 1 \u2022-\u00ab \u00a9 \u00ab\t8 o \u00a9 X\tfa\tm fl \u00a9\t*\u2014i\t8 o \u00a9 X rx c\u00ab\tfa T5\t> \u00ab \\\tfa \u2022 \u2022d\t\n\ts s\t\u00a3 X\t\ta $\t\u00ab X\t\"3\ti a\t\u00c6\ta 1 x 5\n\tA *2 X 8\t\tCS\tis\t\tCS a\t! \u25ba\t05 N fl\t\n\t\t\t<1\t<\t\t<\t\t1 n\t<\nSt\u00e4rkster Reiz\t135,83\t10,424\t100\t178,30\t18,073\t100\t165,60\t16,500100\t155,30\t12,624\n6 g/mm\t128,40\t13,372\t\u00f6O\t213,63\t22,762\tl 100\t153,26 167,12\t14,340100 18,045100\t168,82\t34,130\n2 g/mm\t147,28\t12,381\t50\t246,48\t18,858\t50\t\u2014\ti\t192,40\t22,280\nIch teile weiter di\u00a9 Werte mit, die an mir selbst bei Reizung der gleicher^ Hautstell\u00a9 (Mitte der Beere des linken Mittelfingers) gefunden wurden. Bei allen Versuchen wurde stets derselbe Punkt gereist, der einem Schwellenwert entsprach, der zwischen 0,75\u20141 g/mm lag. F\u00fcr jede der verwandten Reizgr\u00f6fsen wurden, wie aus den Tabellen ersichtlich ist, mit Ausnahme des Reizes von 1 g/mm bei der sensoriellen Reaktion und desjenigen von 2 g bei der muskul\u00e4ren, 200 Bestimmungen ausgef\u00fchrt Im ersteren Falle habe ich mich in Anbetracht der Unsicherheit, di\u00a9 man beim Reagieren auf Reiz\u00a9 von Schwellenwerten oder von solchen, die der Schwelle sehr nahe liegen, erf\u00e4hrt, auf 30 Einzelbestimmungen beschr\u00e4nkt. F\u00fcr den Reiz von 2 g/mm wurden bei muskul\u00e4rem Reagieren im ganzen 150 Versuche ausgef\u00fchrt (vgl. die Tabelle auf S. 40), doch ist der Mittelwert nur aus den ersten 100 Beobachtungen berechnet worden.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nF. Kiesoto.\n\tAr. Mittel\tMittl.\tAr. Mittel\tMittl.\tGesamt- mittel in a\tMittl.\nReiz\tdes ersten Hunderts in ff1\tVaria- tion\tdes zweiten Hunderts in o\tVaria- tion\t\tVaria- tion\nSensorielle Reaktion.\nSt\u00e4rkster Reiz\t\t202,22\t17,744\t203,68\t21,874\t202,950\t19,828\n15 g/mm\t\t213,11\t15,997\t212,59\t17,199\t212,850\t16,589\n10,5\tn\t211,22\t16,692\t209,47\t16,496\t210,345\t16,673\n6\tn\t223,11\t18,116\t221,19\t16,387\t222,150\t17,353\n3,5\tn\t234,79\t19,427\t236,44\t18,854\t235,615\t19,229\n2\tn\t235,92\t22,769\t232,82\t23,727\t234,370\t22,821\n1\tn\t320,907 * *\t47,162\ti\t\t\t\n\t\tMuskul\u00e4re Reaktion.\t\t\t\t\t\nSt\u00e4rkster Reiz\t\t137,01\t9,671\t136,96\t10,012\t136,985\t10,096\n15 g/mm\t\t137,17\t8,857\t140,11\t10,134\t138,640\t9,473\n10,5\tn\t143,38\t10,742\t144,29\t10,580\t143,835\t10,751\n6\tn\t156,22\t10,322\t157,52\t10,719\t156,870\t10,533\n3,5\tn\t156,82\t10,554\t154,49\t11,989\t155,655\t11,442\n2\tn\t173,12\t14,530\t\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nIndifferente Reaktion.\nSt\u00e4rkster Reiz\t144,21\t12,065\t148,92\t12,701\t146,565\t12,340\n15 g/mm\t161,57\t17,716\t164,45\t13,979\t163,010\t16,080\n10,5 \u201e\t166,99\t12,890\t170,92\t13,864\t168,955\t13,406\n6 \u201e\t174,76\t17,631\t177,75\t14,680\t176,255\t16,675\n3,6 \u201e\t173,38\t16,9101\t172,21\t17,744\t172,795\t17,345\n2 \u201e\t193,80\t16,192\t190,50\t12,800\t192,150,\t14,923\nDen vorstehenden Tabellen lasse ich diejenigen folgen, welche die H\u00e4ufigkeit der Einzelwerte innerhalb der einzelnen Reaktionsformen f\u00fcr jede Reizgr\u00f6fse zeigen. Um hier\u00fcber eine einiger-mafsen klare Vorstellung zu gewinnen, habe ich die H\u00e4ufigkeit der einzelnen F\u00e4lle f\u00fcr jeden Zehnerraum zusammengestellt \u00dcberblickt man diese Tabellen, so f\u00e4llt sofort in die Augen, dafs die so zusammengestellten Werte jeder Spalte von beiden Enden an einem gr\u00f6fseren mittleren H\u00e4ufigkeitswerte oder einer breiteren\n1 1 a = 0,001 Sek.\n* Mittelwert aus 30 Einzelbestimmungen. Die Reaktionen waren sehr erschwert und unsicher.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen \u00dfelastungsempfindung. 39\nmittleren Zone zustreben. Innerhalb der muskul\u00e4ren Reaktionsform fallen die arithmetischen Mittel genau in denselben Zehnerraum, der die gr\u00f6fste H\u00e4ufigkeit der F\u00e4lle enth\u00e4lt. Bei den beiden anderen Reaktionsformen trifft eine solche Regelm\u00e4fsig-keit nicht durchweg zu, was sich aus den f\u00fcr diese Reaktionen charakteristischen gr\u00f6fseren Schwankungen der Einzelwerte auch hinreichend erkl\u00e4ren d\u00fcrfte. Aufserdem zeigen die Tabellen deutlich, dafs die Einzelwerte der muskul\u00e4ren Reaktion sich im allgemeinen \u00fcber einen k\u00fcrzeren Raum erstrecken und schneller zum Maximum der H\u00e4ufigkeit anwachsen, als die der sensoriellen Reaktionsform.\nSensorielle Reaktion,\nZehnerraum\tSt\u00e4rkster Reiz\t15 g/mm\t10,5 g/mm\t6 g/mm\t3,6 g/mm\t2 g/mm\n121\u2014130\t1\t\t\t\t\t\n131-140\t0\t\t\t\t\t\n141\u2014l\u00dfO\t1\t\t\t\t\u00ab\t\n151\u2014160\t4\t2\t\t1\t\t\n161\u2014170\t11\t3\t2\t0\t\t1\n171-180\t22\t7\t6\t6\t1\t3\n181\u2014190\t28\t16\t22\t7\t3\t4\n191\u2014200\t31\t25\t46\t16\t7\t15\n201-210\t34\t34\t32\t29\t21\t19\n211-220\t24\t46\t37\t35\t24\t28\n221\u2014230\t14\t27\t21\t41\t81\t24\n231\u2014240\t12\t23\t15\t27\t27\t29\n241-250\t10\t11\t8\t18\t31\t26\n261\u2014260\t4\t4\t7\t12\t28\t18\n261-270\t3\t2\t4\t3\t12\t9\n271\u2014280\t1\t\t\t3\t10\t10\n281\u2014290\t\t\t\t2\t4\t9\n291-300\t\t\t\t\t1\t1\n301\u2014310\t\t\t\t\t\t1\n311\u2014320\t\t\t\t\t\t1\n321-330\t\t\t\t\t\t1\n361\u2014370\t\t\t\t\t\t1\nAnzahl (Leinzelnen Bestimmungen\t200\t200\t200 :\t200\t200\t200","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nF. Kiesow.\nMuskul\u00e4re Reaktion.\nZehnerraum i\t\tSt\u00e4rkster Reiz\t15 g/mm\t10 g/mm\t6 g/mm\t3,5 g/mm\t2 g/mm\n81-\t1 - 90\t(\t1\t\t1\t\t\t\n91-\t-100\t2\t1\t3\t\t1\t\n101-\t-110\t3\t3\t3\t\t0\t\n111-\t-120\t13\t14\t6\t\t3\t\n121-\t-130\t32\t21\t17\t5\t2\t\n131-\t-140\t1\t73\t77\t'33\t16\t22\t4\n141-\t-150\t46\t55\t80\t45\t39\t7\n151-\t-160\t22\t23\t40\t51\t64\t26\n161-\t-170\t!\t7\t5\t12\t47\t43\t22\n171-\t-180\t1\t1\t4\t33\t15\t44\n181-\t-190\ti\t\t\t1\t3\t9\t24\n191-\t-200 !\t\t\t\t\t0\t16\n201-\t-210 !\t\t\t\t\t0\t4\n211-\t-220\t\t\t\t\t2\t2\n221-\t-230\t\t\t\t\t\t1\nAnzahl d. einzelnen1 Bestimmungen\t\t200\t200\t200\t200\t200\t150\nIndifferente Reaktion.\nZehnerraum\tSt\u00e4rkster Reiz\t15 g/mm\t10,5 g/mm\t6 g/mm\t3,5 g/mm\t2 g/mm\n91\u2014100\t1\t\t\t\t\t\n101\u2014110\t0\t2\t\t\t1\t1\n111\u2014120\t7\t3\t\t2\t0\t3\n121\u2014130\t21\t6\t1\t3\t7\t1\n131-140\t44\t14\t7\t7\t11\t4\n141\u2014150\t49\t27\t19\t9\t11\t5\n151\u2014160\t46\t35\t29\t18\t23\t8\n161\u2014170\t1 16\t42\t54\t39\t37\t10\n171\u2014180\t12\t36\t46\t35\t41\t18\n181-190\tI 4\t22\t26\t41\t31\t31\n191-200\t3\t9\t10\t24\t15\t82\n201\u2014210\t1\t0\t3\t12\t12\t20\n211\u2014220\t\t1\t5\t4\t6\t21\n221\u2014230\t\t1\t1\t3\t3\t18\n231\u2014240\t\t0\t\t1\t2\t5\n241\u2014250\tj\t0\t\t1\t\t1\n251\u2014260\t1\t1\t\t1\t\t1\n261\u2014270\t;\t1\t\t\t\t0\n271\u2014280\t\t\t\t\t\t0\n281\u2014290\t\t1 1\t\t\t\t1\nAnzahl d.einzelnen Bestimmungen\t1 200\t\u2022 200 -\t200\t200\t200\t900","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 41\nDie folgenden Tabellen enthalten die Werte, welche bei Reizung isoliert stehender reiner Tastpunkte gefunden wurden, die sich im haarfreien Bezirk des linken Vorderarms, ca. 4 cm von der Handgelenksfalte entfernt befanden. Es kommen hier drei Punkte in Betracht, von denen je einer einer der drei Reaktionsformen diente. Der Empfindlichkeit jedes einzelnen dieser Punkte entsprach ein Schwellenwert von 0,75 g/mm.\n\tArithm. Mittel\tMittl.\ti Arithm. Mittel ]\tMittl.\t\tMittl.\nReiz\tdes ersten\tVaria-\t1 des zweiten\tVaria-\tGesamtmittel\tVaria-\n\tHunderts\ttion\tHunderts II\ttion\t\ttion\n\tin o\t\tI\tin o\t\tin o\t\nSensorielle Reaktion,\n15 g/mm\t236,00\t22,620\t237,86\t19,274\t236,430\t20,947\n10,5 \u201e\t237,76\t25,056\t287,16\t22,121\t237,450\t23,644\n8 *\t234,48\t23,690\t234,21\t20,866\t234,345\t22,228\n6 \u00ab\t236,47\t21,319\t232,87\t20,143\t234,670\t20,843\n3,6 \u201e\t239,99\t20,271\t242,09\t24,726\t241,040\t22,514\n2 \u201e\t263,21\t26,108\t269,21\t22,992\t261,210\t24,674\n1 *\t336,90*\t29,360\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n9\t\tMuskul\u00e4re Reaktion.\t\t\t\t\n15 g/mm\t151,62\t12,146\t149,78\t10,253\t150,700\t11,254\n10,5 \u201e\t148,94\t8,712\t149,96\t10,652\t149,450\t9,721\n8 \u00bb\t162,41\t12,178\t163,79\t9,983\t153,100\t11,164\n\u00df \u00bb\t166,50\t12,960\t166,92\t12,200\t166,210\t12,586\n3\u00bb\u00df \u00bb\t163,32\t13,806\t166,25\t12,120\t164,785\t13,099\n2 r\t191,98\t18,192\t\u2014\u25a0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nIndifferente Reaktion.\n10,6 g/mm\t195,66\t15,627 ;\t194,35\t18,167\t195,005\t14,430\n8 \u201e\t192,33\t16,977 ,\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n6 \u201e\t206,81\t13,640 !'\t206,59\t15,693\t206,70\t14,959\n3,5 *\t204,60\t17,830\t204,68\t18,307\t204,59\t18,067\nAuch diesen Tabellen lasse ich diejenigen folgen, welche die H\u00e4ufigkeit der F\u00e4lle innerhalb der einzelnen Zehnerr\u00e4ume f\u00fcr jede Reaktionsform und f\u00fcr jede Reizgr\u00f6fse enthalten. Auch aus diesen Zusammenstellungen ersieht man, dafs die Mittel-\n1 Mittelwert aus 90 einzelnen Bestimmungen.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nF. Kiesow.\nwerte bei der muskul\u00e4ren Reaktion mit Ausnahme desjenigen f\u00fcr den Reiz von 2 g/mm regelrecht in denjenigen Zehnerraum fallen, dem der gr\u00f6fste H\u00e4ufigkeitswert entspricht Bei dem erw\u00e4hnten Reize ist aber, wie vorhin erw\u00e4hnt, die muskul\u00e4re Reaktion bereits erschwert. Als keine Ausnahme ist der fast auf der Grenze zweier Zehnerr\u00e4ume stehende Mittelwert f\u00fcr den Reiz von 10,5 g/mm = 149,45 a zu betrachten. Ein Blick in die Tabelle l\u00e4fst erkennen, dafs die Werte sich hier in beiden Zehnerr\u00e4umen h\u00e4ufen. Dafs der H\u00e4ufigkeitswert des Zehner-raumes 151\u2014160 um ein Geringes h\u00f6her ist als der f\u00fcr den Zehnerraum 141\u2014150 d\u00fcrfte auf einer Zuf\u00e4lligkeit beruhen. \u2014 Bei der sensoriellen Reaktion fallen die H\u00e4ufigkeitswerte hier zum Teil in einen Zehnerraum, der um eine Stufe tiefer steht, als derjenige, dem die Mittelwerte angeh\u00f6ren. F\u00fcr die indifferente Reaktion gilt im ganzen das oben Gesagte. Aufserdem erkennt man auch aus diesen Tabellen die geringere Ausdehnung der Einzelwerte bei der muskul\u00e4ren Reaktion, sowie das schnellere Anwachsen derselben zum Maximum der H\u00e4ufigkeit. Denkt man sich die H\u00e4ufigkeit der einzelnen Werte, wie sie in diesen und den oben mitgeteilten Tabellen zusammengefafst wurde, graphisch dargestellt, so d\u00fcrften die resultierenden Kurvenbilder im allgemeinen denen \u00e4hnlich sein, die unl\u00e4ngst von Alechsieff 1 und Wundt2 (nach Untersuchungen von Bebgemann) f\u00fcr ganz andere Empfindungsgebiete mitgeteilt worden sind. Ich bin aber nicht erst durch jene Arbeiten auf diese Zusammenstellungen gef\u00fchrt worden. Mir lag zun\u00e4chst daran, \u00fcber die Verteilung der Einzel werte eine bessere Vorstellung zu gewinnen als aus den gew\u00f6hnlichen. Angaben von Mittelwert und mittlerer Variation m\u00f6glich ist, und ich dachte weiter, durch eine solche Zusammenstellung sowohl eine exaktere Kontrolle f\u00fcr dieses Empfindungsgebiet, als auch einen besseren Vergleich der hier mitgeteilten Werte mit denen anderer Gebiete m\u00f6g\u00dcch zu machen, falls diese Art der Zusammenstellung in der psychophysischen Literatur Beachtung finden sollte. Vergleicht man die Variationen der einzelnen Mittelwerte mit den Zehnerr\u00e4umen, in denen sich die Einzelwerte am meisten h\u00e4ufen, so d\u00fcrfte die Bedeutung der ersteren ohne weiteres in die Augen fallen.\n1\tN. Albchslbff : Zit. Arbeit. Tafel I.\n2\tW. Wundt : Grundz\u00fcge etc. 5. Aufl., S, S. 421.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"\u00ab \u2022\t_\n\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 43\nSensorielle Reaktion.\n\\ Zehnerraum\t16\t10,6\t8\t6\t3,5\t2\n\tg/mm\tg/mm\tg/mm\tg/mm\tg/mm\tg/mm\n161\u2014170\t\t2\t3\t1\t1\t\n171\u2014180\t2\t3\t4\t4\t3\t\n181\u2014190\t4\t7\t3\t5\t5\t2\n191\u2014200\t14\t15\t10\t9\t12\t4\n201\u2014210\t17\t11\t14\t16\t8\t6\n211\u2014220\t21\t16\t21\t22\t13\t5\n221\u2014230\t24\t19\t30\t29\t28\t14\n231\u2014240\t25\t29\t33\t29\t26\t14\n241-260\t40\t40\t24\t32\t41\t33\n261\u2014260\t17\t19\t13\t19\t15\t30\n261\u2014270\t17\t14\t20\t16\t16\t20\n271\u2014280\t8\t9\t6\t11\t14\t20\n281\u2014290\t5\t8\t8\t6\t8\t20\n291\u2014300\t2\t6\t2\t1\t6\t11\n301\u2014310\t2\t2\t\t1\t2\t6\n311-320\t\t\t\t\t2\t7\n321\u2014330\t\t\t\t\t\t4\n331\u2014340\t\t\t\t\t\t3\n341\u2014360\t*\t\t\t\t\t0\n361\u2014360\t\t\t\t\t\t1\nAnzahl d. einzelnen' Bestimmungen\t200\t200\t200\t200\t200\t200\nMuskul\u00e4re Reaktion.\nZehnerraum\t\t15 g/mm\t10,6 g/mm\t8 g/mm\t6 g/mm\t3,5 g/mm\t2 g/mm\n111-\t-120\t3\t5\t4\t\t2\t\n121-\t-130\t12\t11\t10\tl\t1\t\n131-\t-140\t32\t27\t22\t7\t8\t\n141-\t-160\t45\t60\t35\t28\t27\t3\n151-\t-160\t60\t62\t75\t36\t39\t6\n161-\t-170\t32\t24\t34\t53\t55\t8\n171-\t-180\t12\t8\t14\t38\t38\t14\n181-\t-190\t4\t3\t4\t26\t19 1\t14\n191-\t-200\t\t\t2\t9\t5\t15\n201-\t-210\t\t\t\t3\t4\t18\n211-\t-220\t\t\t\t\t2\t18\n221-\t-230\t\t\t\t\t\t2\n231-\t-240\t\t\t\t\t\t1\n241-\t-260\t\t\t\t\t\t1\nAnzahl d. einzelnen* Bestimmungen !\t\t200\t200\t200\t200\t200\t100","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nF. Kiesow.\nIndifferente Reaktion.\nZehnerraum\t\t10,5 g/mm\t8 g/mm\t6 g/mm\t3,5 g/mm\n121-\t-130\t\t\t1\t2\n131-\t-140\t\t1\t0\t1\n141-\t-150\t2\t1\to\t0\n161-\t-160\t4\t4\t1\t4\n161-\t-170\t10\t14\t3\t4\n171-\t-180\t22\t18\t9\t13\n181-\t-190\t37\t21\t20\t28\n19t-\t-200\t48\t32\t46\t40\n201-\t-210\t38\t20\t45\t36\n211-\t-220\t23\t23\t31\t27\n221-\t-230\t11\t13\t22\t17\n231-\t-240\t4\t2\t11\t15\n241-\t-260\t1\t1\t5\t7\n251-\t-260\t\t\t4\t4\n261-\t-270\t\t\t2\t1\n272-\t-280\t\t\t\t1\nAnzahl der einzelnen Bestimmungen\t\t200\t150\t200\t200\nBei Belastung eines isoliert stehenden Haarpunktes von 1 g/mm Schwellenwert, der sich auf der Haargrenze der Beugeseite des Unterarms befand, erhielt ich mit 6 g/mm aus 100 Bestimmungen bei sensoriellem Reagieren den Mittelwert\n238,17 a mit einer mittleren Variation von 18,037.\nBeim muskul\u00e4ren Reagieren ergab die gleiche Belastung (6 g/mm) zweier anderer Haarpunkte der gleichen Stelle und von gleicher Schwelle aus 100 einzelnen Bestimmungen folgende Mittelwerte, die ich einer anderen Arbeit1 entnehme :\n1. Punkt: 181,10 o (mittlere Variation 10,980)\n' 2. Punkt: 163,38 a (mittlere Variation 9,685).\nDen oben hervorgehobenen Einflufs der Intensit\u00e4t des Reizes auf die Reaktionszeiten bei muskul\u00e4rem Reagieren zeigt weiter noch die folgende Tabelle. Diese enth\u00e4lt die Mittelwerte aus je 100 einzelnen Bestimmungen, welche bei\n1 F. Kiesow : Diese Zeitschr. 33, S. 450.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 45\nBeizung eines Tastpunktes auf der Mitte der Beere des linken Zeigefingers, bei Belastung eine\u00df Haarpunktes der Beugeseite des linken Oberarms und bei der eines anderen Haarpunktes auf der Vorderseite des unteren Endes des linken Unterschenkels gewonnen wurden. Die letzteren beiden Punkte standen m\u00f6glichst isoliert. Alle diese Punkte besafsen eine Empfindlichkeit, die einem Schwellenwerte von 1 g/mm entsprach. Diese zum Teil der Kontrolle wegen angestellten Versuche fielen alle in die gleiche Zeitperiode.\nReiz\nBeere des linken Zeigefingers\nLinker Oberarm\nArithm. Mittel | Mittl. Arithm. Mittel\nMittl.\nUnteres Ende des 1 inkenU nterscbenkels\nArithm. Mittel I Mittl.\n\tin a\tVari\u00e2t.1\tin a\tVari\u00e2t.\t1\tin ff\tVari\u00e2t\n6 g/mm\t\\\t156,11\t10,173\t151,641\t9,908\t185,791\t14,057\n10 *\t\u25a0 \u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t176,43\t13,107\n15 \u201e\t139,53 .\t10,342\t138,19\t10,986\t\u2014\t\u2014\nAuffallend k\u00f6nnte erscheinen, dafs die auf den Fingerbeeren gefundenen Werte geringer sind, als die, welche im haarfreien Bezirke des Vorderarms unweit des Handgelenks bei Reizung einzelner reiner Tastpunkte, und ebenso als die, welche bei Belastung einzelner Haarpunkte der Haargrenze gewonnen wurden. Diese Tatsache d\u00fcrfte sich aufser aus dem oben hervorgehobenen Umstande, dafs es sich im ersten Falle nicht um Reizung ein-zelrter Organe, sondern um ein Zusammenwirken mehrerer handelt, weiter auch daraus erkl\u00e4ren, dafs wir es bei den Fingerbeeren mit Tastfl\u00e4chen im eigentlichen Sinne zu tun haben. Dafs die stetige \u00dcbung im schnellen Erfassen taktiler Eindr\u00fccke hierbei ihren Einflufs geltend macht, d\u00fcrfte kaum in Zweifel zu stellen sein. Dafs der erstere der erw\u00e4hnten Faktoren hier von Einflufs ist, ergibt sich auch daraus, dafs ein auf die Fingerbeere einwirkender unterschwelliger Reiz sofort \u00fcberschwellig wird, sobald man ihn schnell \u00fcber die Tastfl\u00e4che hinstreichen l\u00e4fst.\nDafs es sich hier nicht um Zuf\u00e4lligkeiten, sondern um konstant wiederkehrende Tatsachen handelt, beweist der Umstand,\n1 Auch diese Bestimmung wurde bereits in einer anderen Mit teilung benutzt. (Diese Zeitschr. 33, S. 451).","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nF. Kiesow.\ndafs die Reaktionszeit auf allen Fingerbeeren verringert erscheint. Die nachstehende Tabelle gew\u00e4hrt einen \u00dcberblick \u00fcber diese Verh\u00e4ltnisse. In derselben sind neben den schon erw\u00e4hnten Durchschnittswerten f\u00fcr Zeige- und Mittelfinger auch die f\u00fcr die Beeren des Ringfingers und des kleinen Fingers zusammengestellt. Die Versuchsbedingungen sind \u00fcberall die gleichen. Die Belastung betrug in jedem Falle 6 g/mm. Reagiert wurde muskul\u00e4r. Die Mittelwerte sind \u00fcberall aus je 100 einzelnen Bestimmungen berechnet worden. Ob der Verringerung des Mittelwertes f\u00fcr die Kleinfingerbeere Allgemeing\u00fcltigkeit zukommt, mufs ich dahingestellt sein lassen.\n\tZeigefinger\t\tMittelfinger\t\t1 Ringfinger\t\tKleiner Finger\t\nBeiz\tArithm.\tMittl.\tArithm.\tMittl.\t1 Arithm.\tMittl.\tArithm.\tMittl.\n\tMittel\tVaria-\tMittel\tVaria-\tj Mittel\tVaria-\tMittel\tVaria-\n\t! in o\ttion\tin a\ttion\t| in \u00df\ttion\tin o\ttion\n6 g/mm\t15\u00ab, 11 i j;\t10,173\t156,22\t10,332\t153,75\t8,740\t148,19 l\t9,174\nEndlich lasse ich noch die Beobachtungen folgen, welche der Kontrolle wegen angestellt wurden und aus denen in der Tat hervorzugehen scheint, dafs die Mittelwerte der sensoriellen Reaktionsform, nachdem ein Maximum der \u00dcbung erreicht worden ist, bei einem und demselben Individuum konstanter bleiben, als die der muskul\u00e4ren Reaktion.\nZun\u00e4chst sei hervorgehoben, dafs ich die an mir selbst an-gestellten Beobachtungen mit der Neuein\u00fcbung auf die sensorielle Reaktionsform an einem isoliert stehenden reinen Tastpunkte des haarfreien Bezirks des linken Vorderarmes begann, und dafs dann die ganze Reihe der Versuche abgeschlossen ward, deren Resultate in der Tabelle \u201eSensorielle Reaktion\u201c auf S. 41 zusammengestellt sind. Hierauf \u00fcbte ich mich auf die muskul\u00e4re Form ein, wobei derselbe Punkt, der f\u00fcr die sensorielle Reaktion gedient hatte, gereizt wurde, und suchte die Zeitwerte f\u00fcr einige der angegebenen Reizgr\u00f6fsen zu bestimmen. Die hierbei sich ergebenden Mittelwerte waren aber allesamt etwas h\u00f6her als die in der Tabelle \u201eMuskul\u00e4re Reaktion\u201c auf derselben S. 41 mitgeteilten. F\u00fcr die Reizgr\u00f6fsen 6 g/mm und 2 g/mm ergaben sich z. B. folgende Mittelwerte:","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. 47\n\tArithm. Mittel\tMittl.\tArithm. Mittel\tMittl.\t\tMittl.\nReiz\tdes ersten\tVaria-\tdes zweiten\tVaria-\tGesamtmittel\tVaria-\n\tHunderts\ttion\tHunderts\ttion\t\ttion\n\tin a\t\tin o\t\tin fl\t\n6 g/mm 2 \u00ab\t171,12 208,71\t11,135 19,739\t170,66\t13,040\t170,89\t12,270\nHierauf mufsten die Versuche f\u00fcr wenige Tage unterbrochen werden. Nach deren Wiederaufnahme ging ich zur Beere des linken Mittelfingers \u00fcber und reagierte zun\u00e4chst wiederum in der angegebenen Weise f\u00fcr alle Reizgr\u00f6fsen ausschliefslich sensoriell. Nach Abschlufs aller dieser Versuchsreihen (s. die Tabelle auf S. 38) kehrte ich der Kontrolle wegen zu einem isoliert stehenden reinen Tastpunkt des haarfreien Bezirks des Vorderarms zur\u00fcck, der bei gleichem Abstand von der Handgelenksfalte die gleiche Empfindlichkeit wie die fr\u00fcher benutzten besafs, und f\u00fchrte bei Belastung desselben mit 6 g/mm 100 sensorielle Reaktionen aus. Aus diesen Versuchen resultierte der Mittelwert 236,17 a mit einer mittleren Variation von 19,173.\nDann wurde bei Reizung der Beere des linken Mittelfingers muskul\u00e4r reagiert Aus diesen Versuchen ergaben sich die Werte, welche in der Tabelle auf S. 38 zusammengestellt sind. Hierauf ging ich auf einen reinen Tastpunkt des Handgelenks zur\u00fcck, um die Reihen der muskul\u00e4ren Reaktionen teils zu kontrollieren, teils zu vervollst\u00e4ndigen. Die Ergebnisse dieser Pr\u00fcfungen wichen von den fr\u00fcher gefundenen kaum ab, so dafs ich bereits auf eine Konstanz auch der muskul\u00e4ren Werte schlofs. Sie waren gleichfalls alle etwas h\u00f6her als die auf S. 41 mitgeteilten. F\u00fcr die Reizgr\u00f6fsen 6 g/mm und 3,5 g/mm erhielt ich z. B. folgende Mittelwerte :\n\tArithm. Mittel\tMittl.\tArithm. Mittel\tMittl.\t\tMittl.\nReiz\tdes ersten\tVaria-\tdes zweiten\tVaria-\tGesamtmittel\tVaria-\n\tHunderts\ttion\tHunderts\ttion\t\ttion\n\tin a\t\tin o\t\tin ff\t\n6 g/mm\t171,73\t13,160\t171,33\t11,883\t171,53\t12,495\n3,5 \u201e\t180,35\t13,246\t181,22\t12,692\t180,785\t13,009\nHierauf wurde zur indifferenten Reaktion fortgeschritten. Nachdem auch diese Versuche abgeschlossen waren, suchte ich","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nF. Kiesovc.\neine neue Kontrolle der sensoriellen Zeitwerte vorzunehmen und pr\u00fcfte wiederum einen reinen Tastpunkt der gleichen Region des Handgelenks. Unter sonst unver\u00e4nderten Bedingungen resultierte bei einer Belastung von 6 g/mm aus 100 Bestimmungen der Mittelwert 237,84 a mit einer mittleren Variation von 23,477.\nAls ich diesen selben Punkt, der ebenfalls m\u00f6glichst isoliert stand und bei ca. 4 cm Abstand von der Handgelenksfalte gleich empfindlich war wie die, fr\u00fcher untersuchten, nun aber f\u00fcr die muskul\u00e4re Reaktion benutzte und zun\u00e4chst mit 6 g/mm belastete, ergab sich der auf S. 41 mitgeteilte Wert. Ich hielt die nicht gerade erhebliche Verk\u00fcrzung des Mittelwertes des ersten Hunderts anfangs f\u00fcr eine Zuf\u00e4lligkeit. Da er aber auch im zweiten wiederkehrte, reagierte ich noch auf einige andere Reize und pr\u00fcfte schliefslich die ganze Reizskala nochmals durch, aus welchen Versuchen dann diejenigen Zeitwerte resultierten, die ich in jener Tabelle als endg\u00fcltige zusammengestellt habe. Seit den ersten muskul\u00e4ren Reaktionen, die ich ausf\u00fchrte, war seitdem eine Reihe von Monaten vergangen.\nNach Beendigung dieser Versuchsreihen wurden die muskul\u00e4ren Reaktionen bei Reizung der \u00fcbrigen Fingerbeeren ausgef\u00fchrt und schliefslich bin ich zu Anfang Oktober nochmals auf einen reinen Tastpunkt des Handgelenks zur\u00fcckgekehrt, den ich nun mit 15 g/mm belastete, um auf diesen Reiz unter sonst gleichen Bedingungen nochmals 100 sensorielle Reaktionen auszuf\u00fchren. Hierbei ergab sich ein Mittelwert von 234,80 a mit einer mittleren Variation von 25,348.\nDas ist im ganzen der Gang der Untersuchung. Eingeschoben wurden zu geeigneter Zeit die \u00fcbrigen mitgeteilten Beobachtungen. Ich f\u00fcge noch hinzu, dafs ich auch die Reaktionszeiten f\u00fcr Tastpunkte anderer K\u00f6rperstellen, wie z. B. der Brust zu bestimmen gesucht habe, dafs ich aber hiervon absehen mufste, weil die Respirationsbewegungen der Ausf\u00fchrung un\u00fcberwindliche Schwierigkeiten entgegensetzten.\nAus dieser Zusammenstellung scheint in der Tat hervorzugehen, dafs bei einer Konstanz der sensoriellen Werte die muskul\u00e4ren auch bei einer und derselben Versuchsperson trotz der Ein\u00fcbung auf diese Reaktionsform im Verlaufe von einigen Monaten ge-","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die ein f acton Reaktionszeiten a er taktilen Belastungsempfindung. 49\nwissen, wenn auch nicht gerade sehr grofsen Schwankungen unterliegen.\n\u00dcber die Ursachen dieser Schwankungen enthalte ich mich vorerst des Urteils. Ich lasse es daher vorl\u00e4ufig auch dahingestellt, ob die allm\u00e4hlich eintretende Steigerung der Temperatur der Umgebung ihren Einflufs geltend machte. Als g\u00e4nzlich ausgeschlossen aber wage ich dies ebensowenig hinzustellen, da die Temperatur des Beobachtungszimmers w\u00e4hrend der ersten H\u00e4lfte \u25a0der Untersuchung allm\u00e4hlich zunehmend 18\u201423\u00b0 C., in der letzten dagegen allm\u00e4hlich abnehmend 23\u201420\u00b0 C., betrug. Man k\u00f6nnte auch an andere nicht zum Bewufstsein kommende Zustands\u00e4nderungen des Organismus denken. Aber wie dem sein mag, so d\u00fcrften die Versuche soviel lehren, dafs wo aus einem -oder dem anderen Grunde beim muskul\u00e4ren Reagieren zeitweise Schwankungen auftreten, diese beim sensoriellen Reagieren durch die Richtung der Aufmerksamkeit auf die zu erwartende Empfindung kompensiert werden.\nAm Schl\u00fcsse dieser Arbeit verfehle ich nicht, allen denen, -die an derselben mitgearbeitet haben, und ohne deren Hilfe sie-\u2022\u00fcberhaupt nicht h\u00e4tte zustande kommen k\u00f6nnen, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Herrn Dr. Agliaedi bin ich Dank schuldig f\u00fcr die Treue, mit der er mir bei den ersten Anf\u00e4ngen der Arbeit zur Seite stand, meinem Freunde, Herrn Prof. Sacerdotti und meiner Frau, sowie den Herren Dr. Marocco -und stud. med. Bizzozero daf\u00fcr, dafs sie mir bereitwilligst als Versuchspersonen dienten, endlich Fr\u00e4ulein Aymar, sowie meiner Frau und den Herren Dr. Fontana, stud. med. Ponzo, stud. med. Molinario und stud. med. Giorgis f\u00fcr die lange Zeit, in der sie hei den Versuchen in so freundlicher Weise assistiert haben.\n(Eingegangen am 11. Dezember 1903.)\n.Zeitschrift f\u00fcr Psychologie SS.\n4","page":49}],"identifier":"lit32725","issued":"1904","language":"de","pages":"8-49","startpages":"8","title":"\u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung","type":"Journal Article","volume":"35"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:18.057454+00:00"}