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{"created":"2022-01-31T16:27:25.310418+00:00","id":"lit32729","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kramer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 35: 68-69","fulltext":[{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nLiteraturbericht\nWelchen Sinn hat die Behauptung, dafa die Empfindung Rot und Blau, oder die Empfindung Rot und der Ton cl, oder die Vorstellung eines Baumes und der Willensvorgang, der zum Erheben eines Armes f\u00fchrt, lediglich auf das Bewufstwerden quantitativer Unterschiede der neuralen Prozesse zur\u00fcckzuf\u00fchren seien? Welche Berechtigung hat die Annahme, dais wir in der Lust das Verh\u00e4ltnis des Gleichgerichtetseins \u2018der durch den Reiz hervorgerufenen neuralen Bewegung mit der steten vegetativen Lebensbewegung direkt f\u00fchlen (sc. dieses Verh\u00e4ltnis ist f\u00fcr P. nicht die Ursache der Lust, wie auch die neuere Psychologie im allgemeinen annimmt, sondern das Wesen derselben), w\u00e4hrend in Wirklichkeit doch kein Mensch derartige komplizierte theoretische Verh\u00e4ltnisse als solche f\u00fchlt, ja sehr viele sie nicht einmal als wahr anerkennen, selbst wenn sie ihnen mit P.scher Dialektik nahegelegt werden? Wie reimt sich ferner die psychologische Tatsache der Willensfreiheit mit der Auffassung zusammen, wonach unser Nervensystem oder unser gesamter Organismus sich in einem dauernden molekularen Schwingungszustande befindet, dessen \u00c4nderungen rein mechanisch durch die tempor\u00e4ren \u00e4ufseren und inneren neuralen Bewegungen hervorgerufen werden, etwa wie die Str\u00f6mung eines Flusses durch die Differenz der Potentialniveaus? Endlich scheint mir schon der Ausgangspunkt der P.schen Beweisf\u00fchrung verungl\u00fcckt zu sein; denn die r\u00fcckwirkende Komponente des Reflexvorganges kommt doch erst nach Ausf\u00fchrung der betreffenden Reflexbewegung in Betracht, kann also zur Erkl\u00e4rung der Zweckm\u00e4fsigkeit dieser Bewegung wohl kaum herangezogen werden. Denn ohne Zuhilfenahme der gewundensten Hypothesen kann diese post festum - Zweckm\u00e4fsigkeit vielleicht bei den Willenshandlungen, keineswegs aber bei den Reflexvorg\u00e4ngen erkl\u00e4rt werden, wenn man, wie P. es tut, die darwinistischen Erkl\u00e4rungsprinzipien ablehnt.\nZum Schl\u00fcsse m\u00f6chte ich nicht unerw\u00e4hnt lassen, dafs das System des Verf.s im ganzen anmutet wie eine \u00dcbertragung des F. E. BsNSKsechen Systems in materialistische Formen, eine \u00c4hnlichkeit, die dem Verf. offenbar entgangen ist.\tL. Hirschlaff (Berlin).\nF. W. Mott. Importance of Stimulas ln Repair and Decay of the Hervons System. Joum. of Mental Science 48 (203), 667\u2014687. 1902.\nVerf. bespricht in vorliegender Arbeit einige allgemeine Fragen aus der Physiologie des Nervensystems, insbesondere die Bedeutung des Reizes f\u00fcr Assimilation und Dissimilation, De- und Regeneration im Nervensystem. Zun\u00e4chst behandelt Verf. die physiologischen und energetischen Vorg\u00e4nge, die sich abspielen, sobald ein Reiz das Nervensystem trifft. Wir haben es dann mit einem Reflexvorgang zu tun, der aufser von der Natur des Reizes, noch in hohem Mafse vom Zustande des Nervensystems abh\u00e4ngig ist. Der ausgel\u00f6ste Erregungsvorgang l\u00e4uft normalerweise in den prft-formierten, gangbarsten Wegen ab. Die Bahnungsverh\u00e4ltnisse sind jedoch ver\u00e4nderlich und zwar im besonderen abh\u00e4ngig von den energetischen Prozessen, die sich in der Hirnrinde abspielen und auf die niederen Zentren einen bahnenden oder hemmenden Einflufs aus\u00fcben k\u00f6nnen. Subjektiv spiegeln sich diese Vorg\u00e4nge als Aufmerksamkeit. Durch den erw\u00e4hnten Einflufs dieser Vorg\u00e4nge wird bewirkt, dafs derselbe Reiz einmal einen","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n69\nnur in den subkortikalen Teilen sich abspielenden Reflexvorgang ausl\u00f6st, ein anderes Mal bis zur Grofshirnrinde und so zum Bewufstsein gelangt. Durch pathologisch gesteigerte Aufmerksamkeit kann sich die Erregbarkeit des Nervensystems so weit erh\u00f6hen, dafs Reize, die normalerweise nicht bis zur Grofshirnrinde Vordringen, nun dort hin gelangen und so bewufste Empfindungen ausl\u00f6sen. Der zun\u00e4chst nur vor\u00fcbergehende Einflufs der Aufmerksamkeit kann sich bei h\u00e4ufiger Wiederholung dermafsen steigern, dafs eine dauernde Ver\u00e4nderung der Bahnungsverh\u00e4ltnisse eintritt, eine Tatsache, die wir als \u00dcbung zu bezeichnen pflegen.\nVerf. bespricht dann die Frage, ob bei dem das Nervensystem durchlaufenden Erregungsprozefs es sich nur um eine Umsetzung und Verteilung der durch den Reiz zu gef\u00fchrten Energie handelt oder ob dabei auch die im Nervensystem aufgespeicherte latente Energie frei wird und sich an dem Umsetzungsprozefs beteiligt. Verf. schliefst sich der letzteren Ansicht an und tritt dem ersteren, von Gotsch in etwas einseitiger Weise vertretenen Standpunkt entgegen, worin man ihm wohl unbedingt beipflichten kann.\nDes weiteren werden die Erm\u00fcdungsVerh\u00e4ltnisse im Nervensystem besprochen. Die Tatsache, dafs nur das Zentralorgan, aber nicht der periphere Nerv erm\u00fcdbar ist, wird auf das Vorhandensein der Markscheide bei dem letzteren zur\u00fcckgef\u00fchrt, welche ein st\u00e4ndiges Ern\u00e4hrungsreservoir darstellt. \u00dcberhaupt ist es nicht richtig, in der Markscheide nur eine Isolierungsschicht zu erblicken ; dieselbe spielt bei den nerv\u00f6sen Vorg\u00e4ngen eine viel gr\u00f6fsere Rolle. Hierf\u00fcr f\u00fchrt Verf. eine Anzahl von Gr\u00fcnden an ; unter anderem, dafs nur die markhaltigen Nervenfasern unter normalen Verh\u00e4ltnissen zum Bewufstsein gelangende Erregungen leiten, die marklosen hingegen nicht; ferner, dafs die Bildung der Markscheiden beim Kinde und ihre Regeneration in zugrunde gegangenen Nerven in hohem Mafse von der Funktion des Nerven, vom Gereiztwerden desselben abh\u00e4ngt.\nZum Schluf8 bespricht Verf. noch im Anschlufs an die Theorie von Edingeb die f\u00fcr die Pathologie bedeutsame Tatsache, dafs fortdauernde und \u00fcberrn\u00e4fsige Reize eine recht sch\u00e4dliche Wirkung auf das Nerven* system aus\u00fcben und dafs daher \u00dcberanstrengung eine nicht zu untersch\u00e4tzende Rolle in der \u00c4tiologie der Nervenkrankheiten spielt. Diese Wirkung zeigt sich besonders dann, wenn gleichzeitig z. B. eine toxische Ursache das Nervensystem sch\u00e4digt; dann f\u00fchrt h\u00e4ufig die \u00dcberanstrengung zum Ausbruch der Krankheit und bestimmt die Lokalisation derselben ; f\u00fcr diese Theorie sprechen sowohl experimentelle Beobachtungen, sowie pathologische Erfahrungen, vor allem aus dem Gebiete der Tabes dorsalis.\nKramer (Breslau).\nE. B. Holt. Eye*Movement and Central Anaesthesia. Psychol. Rev., Mon. Sup.\n4; Harvard Psych. Studies 1, 3\u201446. 1903.\nVerf. gibt zun\u00e4chst eine geschichtliche Darstellung des Problems betreffend Gesichtswahrnehmungen, w\u00e4hrend das Auge sich bewegt. Mancherlei Beobachtungen unter verschiedenen Umst\u00e4nden machen die Annahme wahrscheinlich, dafs An\u00e4sthesie besteht, w\u00e4hrend das Auge Bich bewegt. Man mufs hier unterscheiden zwischen peripherer und zentraler An\u00e4sthesie.","page":69}],"identifier":"lit32729","issued":"1904","language":"de","pages":"68-69","startpages":"68","title":"F. W. Mott: Importance of Stimulus in Repair and Decay of the Nervous System. Journ. of Mental Science 48 (203), 667-687. 1902","type":"Journal Article","volume":"35"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:25.310424+00:00"}