Open Access
{"created":"2022-01-31T16:02:41.867044+00:00","id":"lit32746","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schoen, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 35: 134-143","fulltext":[{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nParadoxes Doppelsehen.\nVon\nProf. Dr. W. Schoen.\nParadoxes Doppelsehen ist schon lange bekannt, und zwar in folgender Gestalt. Als schielendes Auge sei immer das rechte angenommen, vor dem auch stets das rote Glas zur Kennzeichnung der Doppelbilder gedacht wird.\nFig. 1.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Paradoxes Doppelsehen.\n135\nDas linke Auge fixiert eine Flamme Ft das rechte Auge schielt einw\u00e4rts in der Richtung ESt vorbei, d. h. auf F ist Aufmerksamkeit und Akkommodation gerichtet Aber nicht die Konvergenz ; der Konvergenzpunkt ist S1. Der M\u00f6XLERsche Horopterkreis S1LR bestimmt die Lage der Doppelbilder. Die Flamme F erscheint dem linken Auge in 8U dem rechten in H\u00e4ufig ist es in diesen F\u00e4llen starken Einw\u00e4rtsschielens nicht m\u00f6glich Doppelbilder hervorzurufen, weil das Bild \u00abj zu peripherisch auf der Netzhaut liegt Wird das Schielen operiert, und zwar so, dafs das rechte Auge nicht ganz gerade gestellt, aber das Schielen verringert ist, dann erh\u00e4lt die Gesichtslinie etwa die Lage RS^ Die Akkommodation und die Aufmerksamkeit bleibt auf F gerichtet Es besteht also noch Konvergenz. Der mafsgebende Horopterkreis ist S2LE1, die Flamme F sollte in S2 und das dem rechten Auge angeh\u00f6rige Doppelbild in aa erscheinen, die Doppelbilder sollten noch gleichnamig sein.\nNun werden aber in solchen F\u00e4llen trotz noch bestehendem Einw\u00e4rtsschielen h\u00e4ufig gekreuzte Doppelbilder angegeben. Dieses paradoxe Doppelsehen dauert kurze Zeit, um dann wieder dem gesetzm\u00e4fsigen Platz zu machen. Man erkl\u00e4rte es durch die Annahme, dafs w\u00e4hrend des langen Bestehens der Schiel-8tellung R81 eine andere Korrespondenz sich entwickelt habe, was nicht undenkbar ist, weil ja das stereoskopische Sehen \u00fcberhaupt mit nicht identischen Stellen geschieht und es sich nur um eine ungew\u00f6hnliche Ausdehnung desselben handelte. Die w\u00e4hrend der Schielstellung ES1 gewohnheitsm\u00e4fsig auf den Auf-merksamkeits* und Akkommodationspunkt F gerichtete Richtungs-Knie EF ginge eine neue Gemeinschaft mit der Gesichtslinie LF ein. Ihr Fufspunkt a w\u00fcrde zum korrespondierenden Punkt der Fovea fi des linken Auges. In gleicher Weise ordneten sich die peripheren Punkte zu neuen Verh\u00e4ltnissen, so dafs jetzt der Horopterkreis F LR den Ort der einfach gesehenen Gegenst\u00e4nde darstellte. Gelangt nun durch die Operation die urspr\u00fcngliche Gesichtslinie nach \u00c45*, so besteht zwar in Wirklichkeit noch Einw\u00e4rtsschielen, die neuerworbene Sehlinie r\u00fcckt aber nach E F, schiefst ausw\u00e4rts an dem Punkte F vorbei und schneidet die Gesiehtslinie des linken Auges in V. Der erworbenen Korrespondenz entsprechend ist der Horopterkreis VLR mafsgebend und F erscheint bei V und a8 in gekreuzten Doppelbildern.\nDiese Erkl\u00e4rung war sehr plausibel und geriet auch mit","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nW. Schoen.\nkeinen Tatsachen in Widerstreit. Sie st\u00fctzte sich auf folgende f\u00fcnf Hauptgr\u00fcnde:\n1.\tLanges Bestehen des Schielens.\n2.\tStetigkeit der Schieiablenkung.\n3.\tUnterdr\u00fcckung der Doppelbilder.\n_ \u2022\u2022\n4.\tPl\u00f6tzliche \u00c4nderung der Schielstellung (durch Operation).\n5.\tKurze Dauer des paradoxen Doppelsehens.\nBez\u00fcglich des zweiten Punktes ist zu bemerken, dafs bei derartigen Schielf\u00e4llen, so lange die Kranken wachen, die Schieiablenkung nicht wechselt; \u00fcber den Zustand im Schlaf weichen die Meinungen untereinander ab, w\u00e4hrend es ziemlich feststeht, dafs in der Chloroformnarkose das Schielen verschwindet\nK\u00fcrzlich sind mehrfach Schielf\u00e4lle auch als solche mit erworbener abnormer Sehrichtungsgemeinschaft und mit paradoxem Doppel- auch mit Dreifachsehen ver\u00f6ffentlicht worden, die sich von dem vorstehenden Schulfalle in wesentlichen Punkten unterscheiden.\nEs ist nicht meine Absicht, die in Frage kommenden Arbeiten, namentlich die sehr m\u00fchevolle von Scklodtmann, Schritt f\u00fcr Schritt zu kritisieren. Untersuchungen dieser Art sind sehr schwierig. Ich habe selbst \u00e4hnliche F\u00e4lle vor und nach der Ver\u00f6ffentlichung Sch lo dt man ns untersucht Die Untersuchten sind nicht ge\u00fcbt, sie t\u00e4uschen sich selbst und man ist auf Angaben angewiesen, die man selbst nicht nachpr\u00fcfen kann.\n. Ich vermisse in der Arbeit eine ausdr\u00fcckliche Angabe \u00fcber das Verhalten der Netzhautgruben, ob Schlodtmann annimmt, dafs mit den Foveen doppelt, d. h. gleichzeitig an verschiedenen Orten gesehen werden kann; ferner ob das schielende Auge, wenn allein offen, mit der urspr\u00fcnglichen oder mit der neuerworbenen Richtungslinie fixierte und ob die urspr\u00fcngliche Fovea oder der Netzhautpunkt der neuerworbenen Richtungslinie mit dem Nachbilde geladen wird. Wenn aus diesen Gr\u00fcnden v\u00f6llige Klarheit \u00fcber die Ansichten der Verfasser und die Triftigkeit der Versuche nicht ganz sicher zu gewinnen ist, so soll hier doch auf die Einzelheiten der Versuche nicht eingegangen werden.\nDagegen d\u00fcrfen diese F\u00e4lle nicht ohne weiteres dem eingangs erl\u00e4uterten Schulfalle als gleichwertig zur Seite treten, weil ihnen gerade jene f\u00fcnf Hauptbedingungen abgehen, welche die Erkl\u00e4rung f\u00fcr jenen annehmbar machten. Erstens handelt es sich um Ausw\u00e4rtsschielende und wer solche sorgf\u00e4ltig pr\u00fcft, \u00fcberzeugt sich","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Paradoxes Doppelsehen.\n137\nbald, daf\u00df diese eigentlich s\u00e4mtlich wenigstens augenblicksweise beide Augen richtig einstellen k\u00f6nnen und es auch tun, selbst solche, welche sonst sehr stark schielen. Es fehlt also in diesen F\u00e4llen die Stetigkeit des Schielens v\u00f6llig. Es fehlt ferner die Unterdr\u00fcckung der Doppelbilder, sowie man bei den meisten der mitgeteilten F\u00e4lle die pl\u00f6tzliche \u00c4nderung der Sehielstellung (durch Operation usw.) vermifst. Das paradoxe Doppelsehen verschwindet endlich nicht in der typischen Weise.\nBei F\u00e4llen dieser Art kann man sehr oft paradoxes Doppelsehen beobachten, und sich \u00fcberzeugen, woher es stammt und dafs es mit einer neuerworbenen Sehrichtungsgemeinschaft nichts zu tun hat. Zuerst fand ich die Erkl\u00e4rung in einem Falle starken Schielens, dann beobachtete. ich es auch bei sehr geringen Abweichungen und endlich traf ich mehrere F\u00e4lle, wo sich abwechselnd das paradoxe und gesetzm\u00e4fsige Doppelsehen hervor-rufen liefs. Ich will gleich bemerken, dafs sich das abwechselnde Doppelsehen und dessen Hervorrufen sowohl auf seitliches als senkrechtes Doppelsehen erstreckt.\nK * 48 w \u2014 c 48 || % ger q <fe C $ i 91. 39.0 \u2014 48 \u00b0/18 ger q&C\t39.0\nStrab. div. Prisma 1% 0 Basis oben Rot verschmelzen.\nBeide Augen offen ||. Rotes Bild bald h\u00f6her bald tiefer.\nRasch eins aufgelassen X-\n\u00dcbelkeit, Aufstofsen, Magen- und Kopfschmerzen.\nDas linke Auge L fixiert die Flamme F, das rechte schielt aufsen daran vorbei. Seine Gesichtslinie liegt in ES und schneidet sich in S mit der verl\u00e4ngerten Gesichtslinie des finken Auges. Die Flamme F ist Aufmerksamkeits- und Akkommodationspunkt, dagegen S der Konvergenzpunkt. Vor dem rechten Auge befindet sich das rote Glas.\nSind beide Augen dauernd offen, so wird stets gleichnamiges paradoxes Doppelsehen angegeben. Verdeckt man das rechte Auge und gibt es nur f\u00fcr Augenblicke frei, so erh\u00e4lt man ganz regelm\u00e4fsig die gesetzm\u00e4fsig gekreuzten Doppelbilder. Dies l\u00e4fst sich beliebig oft mit immer gleichem Ergebnisse wiederholen. Das gekreuzte Doppelsehen erfolgt bei Ausschlufs von Augenbewegungen , das gleichnamige gerade vermittels der Augenbewegungen. Man sieht dann in der Tat das Gesichtslinien-dreieck zwischen den Lagen LRS und LRJ in kleinen Aus-","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nW. Schoen.\nSchl\u00e4gen hin und her schwanken, so dafs bald die Gesichtslinie des linken bald die des rechten* durch F hindurchgeht Diese Augenbewegungen haben nur ganz geringen Umfang und geschehen unbewufst, der Untersuchte glaubt die Augen still zu halten, versichert anfangs auch stets die Doppelbilder gleichzeitig zu sehen und \u00fcberzeugt sich erst sp\u00e4ter davon, dafs dies nicht der Fall ist.\nZuerst sieht der Kranke das weifse Licht an, fragt man dann nach dem roten, so richtet er unwillk\u00fcrlich die Gesichts-linie RS in die Lage RFJ, w\u00e4hrend gleichzeitig LFS nach LJ gelangt W\u00e4hrend die Netzhautpunkte von m nach a und von fi nach a r\u00fccken, wandert der Leuchtpunkt umgekehrt von a nach m beziehendlich von a nach ft. Weil die Augenbewegungen unbeabsichtigt waren, wird die scheinbare Bewegung als eine wirkliche in den Aufsenraum, nat\u00fcrlich umgekehrt verlegt. Die Bewegung des Leuchtpunktes von a nach m beziehendlich von a nach fi w\u00fcrde eine Flamme erzeugen, die sich im reziproken binokularen Gesichtsfelde von J nach S bewegt. Daher wird das Bild des rechten Auges als rechtsliegend bezeichnet. Es ist vielleicht gut daran zu erinnern, dafs eine unmittelbare Kenntnis, mit welchem Auge ein Eindruck wahrgenommen wird, physiologisch nicht besteht.\nDiese Frau gab von selbst Dreifachsehen nicht an und es wurde vers\u00e4umt, sie danach zu fragen. Nicht selten erkl\u00e4ren derartige Kranken, nicht sagen zu k\u00f6nnen, ob das rote Bild sich rechts oder links befinde und entscheiden sich erst sp\u00e4ter f\u00fcr das eine oder andere. \u2014 Die Schieiabweichung und die Augen Wechselbewegung sind bisweilen so gering, dafs man genau hinsehen mufs. \u2014\nAuch bei H\u00f6henschielen findet sich dieselbe zweifache Ver-\u00f6rtlichung der Doppelbilder und man mufs sehr aufpassen, dafs man hier nicht verf\u00fchrt wird, das falsche Auge f\u00fcr das h\u00f6herliegende zu nehmen.\nViel h\u00e4ufiger sind die F\u00e4lle mit paradoxem Doppelsehen, ohne dafs man das gesetzm\u00e4fsige hervorrufen kann, wo das Schielen sehr stark ist und das eine Doppelbild zu exzentrisch liegt\nJ. 20 m.\u2014 102) 15/2\u00fc 42.1 105\u201d\n- 4 rl\u00ab D 42.0\ntr\u00e4gt \u2014 10. Strabism. div. stark.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Paradoxes Doppelsehen.\n139\nVorstehender Fall ist derjenige, welcher mich zuerst darauf brachte, d&fs das paradoxe Doppelsehen durch unbewufsten Augenwechsel bedingt werde. Er gab stets gleichnamiges Doppelsehen an und war sich der Augenbewegungen, die deutlich sichtbar waren, anfangs nicht bewufst, \u2014 sp\u00e4ter, auf Fragen bemerkte ' er sie \u2014, meinte beide Bilder gleichzeitig zu sehen und wurde erst allm\u00e4hlich seines Irrtums gewahr.\nFig. 2.\nDie Gesichtslinien haben zuerst die Stellungen JLF und JRS mit so starkem Ausw\u00e4rtsschielen, dafs ein gemeinsames Gesichtsfeld nicht besteht. Die Gesichtslinien schneiden sich r\u00fcckw\u00e4rts in J und der Horopterkreis JLRA liegt ebenfalls hinter den Augen. Das rechte Auge erh\u00e4lt ein Flammenbild in a und sollte dies in der Richtung AaLS% wahmehmen, welches die Sehrichtung der korrespondierenden Stelle a des linken Auges ist Wegen stark exzentrischer Lage entgeht dieses Bild der Beachtung. Wird der Kranke aber auf das rothe Bild aufmerksam, so richtet er unwillk\u00fcrlich das rechte Auge nach F, die Gesichtslinien erreichen die Stellung AR F und ALS^. Dabei bewegt sich in beiden Augen das Abbild der Flamme von er nach fi und von a nach m, also von rechts nach links. Weil der Augen Wechsel unbewufst geschieht, eine geschehene Bewegung nicht bekannt ist, so wird der Weg des Abbildes auf","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nW. Schoen.\nden Netzh\u00e4uten als Bewegung der Flamme von links nach rechts gedeutet, welche die gleiche Bildbewegung auf den Netzh\u00e4uten h\u00e4tte erzeugen k\u00f6nnen.\nAufserdem zeichnet sich diese Schielform durch die gleichzeitig vorhandene H\u00f6henabweichung aus, welche bestimmend f\u00fcr ihre Eigent\u00fcmlichkeit wird. H\u00f6henschielen verbindet sich auch mit Strabismus convergens, aber gerade f\u00fcr den Strabismus divergens spielt es eine sehr grofse Rolle.\nBedeutende Grade von Divergenz verschwinden n\u00e4mlich mit einem Schlage, wenn die H\u00f6henabweichung ausgeglichen wird! So steht bei oben erz\u00e4hltem ersten Fall: Prisma l1/*0 Basis oben bringt die Doppelbilder zum Verschmelzen. Ist die H\u00f6henabweichung ausgeglichen, so gibt es keinen Strabismus divergenz mehr. Man kommt unwillk\u00fcrlich zu dem Schl\u00fcsse, dafs wo die Divergenz verschwinde mit der H\u00f6henabweichung, sie auch durch dieselbe hervorgerufen werde. Es scheint sich in der Tat um eine Selbsthilfe der Natur zu handeln, welche, wenn sie die H\u00f6henabweichung durch Innervation nicht mehr bew\u00e4ltigen kann, absichtlich durch Divergenz die Augen auseinandertreibt zwecks Unsch\u00e4dlichmachung der nicht mehr vermeidbaren Doppelbilder.\nDarauf deutet auch folgende Eigent\u00fcmlichkeit.\nSehr h\u00e4ufig best\u00e7ht ein Unterschied in den Angaben der Kranken bei Anwendung des St\u00e4bchens und des roten Glases insofern, als bei letzterem der Abstand der Doppelbilder viel gr\u00f6fser ist, 50 bis 100 cm, w\u00e4hrend bei senkrechtem roten St\u00e4bchen der rote Strich sehr wenig seitw\u00e4rts, oft unmittelbar unter oder \u00fcber dem Licht erscheint Das Interesse des Beiseiteschiebens ist f\u00fcr das blofs rot gef\u00e4rbte Doppelbild gr\u00f6fser als f\u00fcr den ganz ver\u00e4nderten Strich.\nBeim Sehen in der N\u00e4he werden meistens anstandslos beide Augen eingerichtet, ein weiteres charakteristisches Merkmal dieser Schielform. Wo die m\u00e4chtigen Interni zur Wirksamkeit kommen, werden die Schwierigkeiten \u00fcberwunden, welche f\u00fcr die Ferne Verzicht auf zwei\u00e4ugiges Sehen vorziehen lassen.\nNebenbei will ich hier bemerken, dafs die Erkenntnis von der Wirksamkeit der H\u00f6henabweichung zur Folge gehabt hat, dafs ich seit 5\u20146 Jahren kaum noch Ausw\u00e4rtsschielen operierte w\u00e4hrend ich fr\u00fcher diese Operation sehr h\u00e4ufig wegen asthe-nopischer Beschwerden gemacht habe.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Paradoxes Doppelsehen.\n141\nSolcher Beschaffenheit sind also die F\u00e4lle, bei welchen sich das zwiefache Doppelsehen zeigen l\u00e4fst, sind wohl zweifellos die F\u00e4lle Schlodtmanns und ist auch der folgende Fall von Dreifachsehen, den letzten, den ich beobachtete, schon nachdem ich den Einflufs des H\u00f6henschielens einigermafsen kannte, aber leider bevor ich die Erkl\u00e4rung f\u00fcr das zwiefache Doppelsehen gefunden hatte.\nG. 20 tn E\t45.1\n+ D 44.1 650\nStrabismus divergenz, Triplopie, H\u00f6henabweichung, bald das Bild des einen, bald des anderen Auges h\u00f6her. Es wurden alle m\u00f6glichen Versuche, auch die Nachbildversuche, wie sie Schlodt-3iAi\u00eeN ausgef\u00fchrt hat, angestellt, aber ohne Erreichung eines ver-l\u00e4fslichen Ergebnisses. Sie scheiterten daran, dafs die Frage nach der Gleichzeitigkeit des Sehens der Doppelbilder beziehendlich Dreibilder nicht gen\u00fcgend betont wurde, dafs nicht genau genug ermittelt wurde, welche Stelle des schielenden Auges beim Laden mit dem Nachbilde fixierte und dafs nicht gen\u00fcgend auf den Stellungswechsel der Augen geachtet wurde. Es fehlte eben der Schl\u00fcssel, die Kenntnis der verschiedenen Ver\u00f6rt-lichung der Doppelbilder je mit und ohne Augenbewegung. Infolge davon betonte die Untersuchung nicht gen\u00fcgend die Scheidung zwischen Versuchen mit und ohne Ausschlufs vop Augenbewegung und ebensowenig die Frage nach der Gleichzeitigkeit. Diese Frage wurde zwar gestellt, aber nicht nachdr\u00fccklich genug. Sie wurde, wenn auch nach Z\u00f6gern, bejahend beantwortet. Die z\u00f6gernde Unsicherheit des Untersuchten machte\nsich oft bemerklich.\n\u2022 \u2022\n\u00dcbrigens war der Einflufs des Stellungswechsels uns schon damals nicht v\u00f6llig entgangen, denn es steht ein Versuch bemerkt, wo zuerst gekreuztes Doppelsehen bestanden habe und dann unter sichtbarem Stellungswechsel des rechten Auges das Bild von links nach rechts gegangen sei. Wir vermissen leider die ausdr\u00fcckliche Feststellung, ob in diesem Augenblicke die drei Bilder gleichzeitig gesehen wurden. Es fehlte eben die bewufste Untersuchung in der n\u00f6tigen Richtung. Auch die wechselnden Angaben \u00fcber den H\u00f6hestand konnten noch nicht entr\u00e4tselt werden. Schliefslich, als alle Untersuchungsmittel ersch\u00f6pft schienen, wurde wegen des Ausw\u00e4rtsschielens eine R\u00fccklage-","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nIV. Schorn.\nrung gemacht, w\u00e4hrend die Ausgleichung des H\u00f6henschielens das einzig Richtige gewesen w\u00e4re. Sp\u00e4ter geriet der Fall aufser Sicht, w\u00e4re ja auch so wie so nicht mehr verwertbar gewesen.\nNachdem man sich hatte \u00fcberzeugen m\u00fcssen, d&fs die Annahme der Erwerbung einer neuen Sehrichtungsgemeinschaft f\u00fcr solche wie die sp\u00e4ter beigebrachten F\u00e4lle nicht zutrifft, kam auch der Zweifel ob denn diese Annahme f\u00fcr jenen SchulfaU Geltung verdiene. Bewiesen ist sie dort auch nicht, st\u00fctzt sich vielmehr nur auf die f\u00fcnf Gr\u00fcnde, welche ihr Wahrscheinlichkeit verleihen. Das perverse Doppelsehen w\u00fcrde bei den Schulf\u00e4llen gleicherweise durch Augenbewegungen erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Dem st\u00e4nde vorl\u00e4ufig auch nichts entgegen, denn die Untersuchungen sind bisher bei denselben nicht genau genug gewesen, um diese zitternden Bewegungen ganz geringen Umfanges auszuschliefsen.\n>----T--->\nFig. 2.\nBei dem eingangs besprochenen Schulfalle von operiertem Strabismus convergens wurde also das dem rechten Auge an-","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Paradoxes Doppelsehen.\n143\ngeh\u00f6rige Doppelbild der Flamme F, statt gleichnamig in a2, gekreuzt gesehen und die Hypothese vermutete es in cr8. Nun kann auch ein Augenwechsel stattgefunden haben. Erst stehen die Gesichtslinien in LS2F und i?\u00a34, nachher in La2 und Ra2F.\nBei dem Wechsel bewegt sich das Flammenbild auf den Netzh\u00e4uten von links nach rechts. Diese Bewegung wird, weil Kenntnis einer Stellungs\u00e4nderung nicht besteht, auf eine \u00e4ufsere Bewegung der Flamme von rechts nach links bezogen, welche, wenn sie bei ruhenden Augen stattgefunden h\u00e4tte, auf den Netzh\u00e4uten dieselbe Bewegung der Flammenbildchen bewirkt haben wurde.\n(Eingegangen am 24. Februar 1904.)","page":143}],"identifier":"lit32746","issued":"1904","language":"de","pages":"134-143","startpages":"134","title":"Paradoxes Doppelsehen","type":"Journal Article","volume":"35"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:02:41.867050+00:00"}