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{"created":"2022-01-31T16:24:36.700259+00:00","id":"lit32769","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Edinger","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 35: 275-277","fulltext":[{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Literatw'bericht.\n275\ndes materiellen Elements im Verkehr der Geister weit gr\u00f6fsere Konzessionen machen mufsten, als ihre Schulweisheit fr\u00fcher je sich tr\u00e4umen liefs.\nE. Platzhoff - Lejeune (Tour-de-Peilz, Schweiz).\nFranz Nissl. Die Nearoaenlehre and ihre Anh\u00e4nger. Ein Beitrag zur L\u00f6sung des Probl\u00e8mes der Beziehungen zwischen Nervenzelle, Faser and Grau. Mit\n2 Tafeln. Jena, Fischer, 1903. 478 S. 12,00 Mk.\nNissls Buch zerf\u00e4llt in zwei \u2014 oft ineinandergreifende \u2014 Teile.\nDer erste bringt auf 338 Seiten eine sehr kritische Darstellung der verschiedenen Auffassungen des Neurons.\nDie von S. R. y Cajal, Waldeyeb, Forel, His u. a. begr\u00fcndete Neurontheorie liefs bekanntlich das ganze Nervensystem aufgebaut sein aus sich ber\u00fchrenden oder sekund\u00e4r verklebenden Einheiten, die je aus Zelle und Achsenzylinder bestehen sollten. Mit dem Fortschreiten der betr. Untersuchungen, namentlich auch als durch Apathy und Bethe der Nachweis geliefert wurde, dafs aus einer Zelle Fibrillen in eine andere ziehen k\u00f6nnen, liefs sich diese Auffassung nicht mehr als allgemein g\u00fcltig festhalten. Mehr und mehr stellte sich heraus, dafs die rein histologischen Verh\u00e4ltnisse weiterer Pr\u00fcfung bed\u00fcrften, dafs namentlich vielfach ein allzu hoher Wert auf die Golgimethode gelegt worden war. Man lernte F\u00e4serchen aufsen an den Zellen, Netzwerke um die Zellen und in den Zellen kennen, man erfuhr n\u00e4heres \u00fcber die viel studierten Faserfilze bei den Wirbellosen.\nW\u00e4re die Neurontheorie nur auf die Golgibilder begr\u00fcndet gewesen, so h\u00e4tte man sie zweifellos, als sich erwies, dafs diese nicht immer die wirklichen Verh\u00e4ltnisse zeigen, fallen lassen m\u00fcssen. Diesen Schritt tat als erster Nissl vor einigen Jahren. Das Gewicht seines Namens in der Wissenschaft war so grofs, dafs bei den nicht speziell Mitarbeitenden \u00fcberall Zweifel entstanden an einer Theorie, die jedenfalls gl\u00fccklich konzipiert, sich bis dahin als eine heuristische Hypothese ersten Ranges erwiesen und einen m\u00e4chtigen Aufschwung in der Lehre vom Bau des Nervensystems hervorgebracht hatte.\nAber der Begriff der Neuroneinheit war gar nicht allein auf die anatomische Einheit gest\u00fctzt. Lange, ehe man ihn hatte, war in pathologischen Dingen schon mit \u201eBahnen erster, zweiter etc. Ordnung\u201c gerechnet wqrden. Man hatte l\u00e4ngst erkannt, dafs bei Untergang einer Ganglienzelle die Entartung des Achsenzylinders nicht \u00fcber diesen selbst hinausschreitet, man lernte, durch Nissl selbst, schon fr\u00fch, dafs Durchschneidung eines Achsenzylinders nur auf die ihm zugeh\u00f6rige Zelle von Einfiufs ist. Die Entwicklungsgeschichte zeigte, dafs mindestens ein grofser Teil des Achsenzylinders aus der Ganglienzelle ausw\u00e4chst, mit ihr eine anatomische Einheit bildet und zahlreiche andere Beobachtungen liefsen sich daf\u00fcr geltend machen, dafs das Nervensystem wenn nicht aus anatomischen Einheiten, so doch aus biologischen (Edinoeb) oder biologisch trophi-schen (Hoche, M\u00fcnzer, Vebwobn u. a.) aufgebaut ist. F\u00fcr die Anh\u00e4nger dieser Auffassung blieb es eine der Anatomie zu \u00fcberlassende Aufgabe, wie weit derartige Einheiten auch anatomisch nachzuweisen sind. An vielen Stellen des Nervensysternes \u2014 am Riechlappen, in der Retina, im Akustikus-\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nLiteraturbericht\nbereiche, im Bereiche der Muskelinnervation schien die Aufgabe in dem Sinne gel\u00f6st, dale in der Tat biologische Einheiten durch anatomisch isolier' bare Zeiteinheiten dargestellt wurden. F\u00fcr die Anh\u00e4nger dieser Auffassung des Neuronbegriffes bleibt die Gesamtfrage im Flusse, bleibt sie vor allem vor jeder Verkn\u00f6cherung bewahrt. Nisbl bek\u00e4mpft nun in je einem eigenen Kapitel je einen Vertreter der rein anatomischen oder der biologischen Auffassung auf das sch\u00e4rfste. Er h\u00e4lt die an gedeutete Weiterbildung des Neuronbegriffes f\u00fcr ein Ungl\u00fcck; nicht weiterbilden, aufgeben m\u00fcsse man den ganzen unseligen Begriff. Dieser, \u00fcbrigens streng sachlich gef\u00fchrten Polemik ist der ganze erste Teil des Buches gewidmet. Man m\u00fcfste in eine weitl\u00e4ufige Diskussion mit dem Verfasser treten, wenn man seine Gr\u00fcnde anzeigen und kritisch besprechen wollte. Ich pers\u00f6nlich kann nicht sagen, dafs mich auch bei sorgf\u00e4ltigster Lekt\u00fcre die Beweisf\u00fchrung des von mir hoch gesch\u00e4tzten Autors \u00fcberzeugt hat.\nDie Anatomen hatten bisher angenommen, dafs die Achsenzylinder direkte Forts\u00e4tze des Zellprotoplaemas seien und mit dieser Annahme die Neurontheorie gest\u00fctzt. In den letzten Jahren haben wir aber \u00fcber das Protoplasma der Ganglienzelle vielerlei Neues erfahren, welches eine Revi-sion \u2018dieser Anschauung w\u00fcnschenswert machen k\u00f6nnte. Nissl speziell ist der Meinung, dafs mit dem Nachweis, dafs das, was bisher Zellprotoplasma genannt wurde, nicht in den Achsenzylinder sich fortsetze, dafs dieser vielmehr aus Fibrillen bestehe, die jenes Protoplasma nur durchsetzen, der Neurontheorie eine m\u00e4chtige St\u00fctze genommen sei. Wie die vorerw\u00e4hnten kritischen Studien \u00fcber die Anschauung einzelner Autoren vielfach sehr interessant sind, so erhebt sich die Darstellung an diesem Punkte, wo Nissls eigene Arbeiten eingreifen, zu besonderer H\u00f6he. Mit ausgezeichneter Sch\u00e4rfe wird namentlich in dem Kapitel, das Raymon y Cajal gewidmet ist, untersucht, was wir eigentlich wirklich wissen, und was wir suppo-nieren. Ich glaube, dafs in dieser Kritik der Hauptwert des ganzen Buches liegt. Es ist gut, dafs wir in so gr\u00fcndlicher Weise wieder einmal auf die faktischen Grundlinien unserer Auffassungen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Hier ist nicht der Ort zu zeigen, dafs nichts von dem bekannt gewordenen gegen die \u2014 etwas zu modifizierende \u2014 Auffassung des Neuronbegriffes spricht, aber wenn die bisher als zutreffend geltende Hypothese einmal fallen sollte, dann m\u00fcssen wir aus Gr\u00fcnden der wissenschaftlichen \u00d6konomie doch versuchen, eine andere, die Tatsachen zusammenfassende Anschauung zu gewinnen. Nissl selbst konnte sich dieser Notwendigkeit nicht entziehen. Er versucht am Schl\u00fcsse seines Werkes die bekannten Bruchst\u00fccke zu einem neuen Bilde zu f\u00fcgen. Weil es aber nur Bruchst\u00fccke sind, so ist auch dieses Bild unsicher, ja durch die Aufnahme des kaum bekannten und namentlich in seinen Beziehungen zu den Fibrillen ganz unbekannten interzellul\u00e4ren Filz Werkes sehr anfechtbar. Die neue NiB8Lsche Hypothese erkl\u00e4rt bei weitem nicht so einfach wie die bestehende die sekund\u00e4ren Degenerationen und die Beziehungen der Fasern zu einzelnen Zellen, sie erkl\u00e4rt auch nicht die Erscheinungen in der Pathologie, ebensowenig wie sie den Erfahrungen gerecht wird, welche in der Physiologie \u2014 etwa auf dem Gebiete des Sympathikus, vgl. Lanolkts Arbeiten \u2014 ganz sicher gestellt sind.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"LiUraturbcricht.\n277\nNjssl hat sich durch die ausf\u00fchrliche und scharfe Kritik der Neuron* lehre und durch pr\u00e4zise Feststellung dessen, was wir wissen, ein greise* Verdienst erworben, gest\u00fcrzt hat er die Neurontheorie noch nicht, und einstweilen bleibt sie noch immer diejenige Auffaesungsart, welche den meisten Tatsachen gerecht wird. Sie entsprang einer k\u00fchnen Konzeption und h\u00e4lt auch jetzt noch vor, wo gezeigt wird, dafs nicht alle ihre Unterlagen so fest sind, wie man anfangs meinte. Auch die Neurontheorie wird geben, aber noch ist die Gesamtauffassnng noch nicht gekommen, welche sie verdr\u00e4ngen wird.\tEdinger (Frankfurt a. Main).\nA. Bicker. Kristalloptik. Eine ansffihrliche elementare Darstellung aller wesentlichen Erscheinungen, welche die Kristalle in der Optik darbieten, nebst einer historischen Entwicklung der Theorien des Lichts. Stuttgart, Ferdinand Enke, 1903. 362 S.\nB. hat sich die verdienstliche Aufgabe gestellt, eine sehr auffallende und oft empfindlich bemerkbare L\u00fccke in der physikalisch \u25a0 optischen Literatur durch Bearbeitung des vorliegenden Buches auszuf\u00fcllen. Es gab bisher weder eine zusammenfassende Darlegung der experimentellen Erscheinungen des Gebietes der Kristalloptik, noch eine einheitliche und zusammenh\u00e4ngende rechnerische Bearbeitung derselben, noch endlich eine vollst\u00e4ndige, kritische \u00dcbersicht \u00fcber die verschiedenen theoretischen Erkl\u00e4rungsversuche. Es ist um so auffallender, dafs diese L\u00fccke solange offen bleiben konnte, als gerade die kristalloptischen Erscheinungen von ganz eminenter, ja ausschlaggebender Bedeutung f\u00fcr die modernen Lichttheorien gewesen sind; man geht mit der Behauptung nicht zu weit, dafs auf diesem Felde die Entscheidung in dem Kampfe, welchen die Anh\u00e4nger von Newtons Emanationstheorie gegen die wellentheoretischen Anschauungen mit gr\u00f6fster Z\u00e4higkeit f\u00fchrten, gefallen ist, eine Entscheidung, welche den Sieg der auf Hcyghens und Fresnels Prinzipien auf gebauten Theorien bedeutete. Es gibt wohl sonst kein Gebiet der Optik, auf welchem sich die wesentlichsten Beweiserscheinungen der Wellentheorie, die Polarisation und Interferenz, in solcher aufserordentlichen Mannigfaltigkeit und dabei znm Teil in so ausgezeichneter theoretischer Durchsichtigkeit wiederfinden. Um so willkommener ist da die \u00fcbersichtliche Vorf\u00fchrung dieser Dinge in dem BECKERschen Buch.\nEs ist nat\u00fcrlich nicht m\u00f6glich eine vollst\u00e4ndige \u00dcbersicht des Inhaltes des Buches hier zu geben. Es sei nur in K\u00fcrze auf die Einteilung des Stoffes und die Behandlung der einzelnen Spezialprobleme im folgenden hingewiesen. Nach einigen allgemeinen Vorbemerkungen \u00fcber die Wellentheorie des Lichtes besch\u00e4ftigt sich das erste Kapitel mit der geradlinigen Polarisation, deren Gesetze f\u00fcr gebrochene und reflektierte Strahlen allgemein abgeleitet und dann zur Erkl\u00e4rung verschiedener Arten der Doppelbrechung in verschiedenen Kristallen angewendet werden.\nDer folgende Abschnitt befafst sich dann mit den theoretischen Vorstellungen der Undulationstheorie, welche Fresnel zur Erkl\u00e4rung der Doppelbrechung und Polarisation der doppelt gebrochenen Strahlen ausbildete; es handelt sich um die Entwicklung der Hypothesen \u00fcber die","page":277}],"identifier":"lit32769","issued":"1904","language":"de","pages":"275-277","startpages":"275","title":"Franz Nissl: Die Neuronenlehre und ihre Anh\u00e4nger. Ein Beitrag zur L\u00f6sung des Problemes der Beziehungen zwischen Nervenzelle, Faser und Grau. Mit 2 Tafeln. Jena, Fischer, 1903. 478 S.","type":"Journal Article","volume":"35"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:36.700264+00:00"}