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{"created":"2022-01-31T16:30:47.895674+00:00","id":"lit32851","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guttmann, Alfred","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 34: 75-79","fulltext":[{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n75\n-psychologische Analysen, wie sie Goethe mit so viel Liebe zur Sache und teilweise mit so scharfem Blick durchf\u00fchrte, nicht mit den Ergebnissen physikalischer und physiologischer Forschung \u00fcber das Wesen des Lichtes und seiner Wirkung auf die Sehnervenendigungen verwechselt oder in Konkurrenz gestellt werden. Es sind das zwei Betrachtungs- und Unter-Buchungsweisen, die toto coelo verschieden sind. Dem Kunsthistoriker wird man es nicht zum Vorwurf machen d\u00fcrfen, wenn er sie nicht reinlich zu scheiden weifs, leistet ihm darin doch mancher Psychologe und auch einer oder der andere Physiologe Gesellschaft.\nW. A. Nagel (Berlin).\nSinnesgentisse and Kanstgenafs. Beitr\u00e4ge za einer sensaalistlschen Knnstlehre von Karl Lange, weil. Professor in Kopenhagen. Herausgegeben von Hans K\u00fcrblla. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1903. 100 S.\nDas Buch ist leider Fragment, sein Verfasser, Carl Lange, der F\u00fchrer der wissenschaftlichen Medizin in D\u00e4nemark, ist vor dem endg\u00fcltigen Ab-schluf8 pl\u00f6tzlich gestorben und Hans Kurella hat es als genauester Kenner der LANGE8chen Anschauungen und Absichten mit dem Untertitel einer \u201esensualistischen Kunstlehre\u201c herausgegeben. Die Tendenz des Buches ist, die \u00c4sthetik aus den bisherigen Bahnen der vorwiegend geschichtlichen, ethischen, ethnologischen Betrachtungsweise der sensualistischen Auffassung zuzuf\u00fchren: Aller Kunstgenufs beruhe auf vasomotorischen Einfl\u00fcssen.\nDas Werk ist in einem gl\u00e4nzenden Stil geschrieben, man merkt kaum, dafs es eine \u00dcbersetzung ist; denn Schwierigkeiten, wie die Wiedergabe des Wortes \u201eSympathie\u201c, das im D\u00e4nischen mit \u201eMitleid\u201c \u00fcbersetzt ist, sind in beiden Sprachen gleich grofs. Da dieser Begriff eine grofse Rolle bei Lange spielt, so sei er hier zun\u00e4chst erl\u00e4utert. Mit dem umschreibenden Ausdruck \u201esympathische Gem\u00fcts- (oder Stimmungs ) Erregung\u201c bezeichnet er die F\u00e4higkeit, in eine Stimmung versetzt zu werden, nur dadurch, dafs man dieselbe Stimmung bei einer anderen Person beobachtet. Und auf (li dieser sympathischen Gef\u00fchlserregung, r2/ der Abwechselung und (3) der Bewunderung basiert allein nach Lange der Kunstgenufs.\nVerfolgen wir im einzelnen, wie Lange seine Theorie begr\u00fcndet: im ersten Teil des Buches, \u201eDie Physiologie des Genusses und der Kunstgenufs\u201c betitelt, gibt er eine allgemeine physiologische Einleitung. Unsere Gef\u00fchlszust\u00e4nde sind Folgen von vasomotorischen Nervenreaktionen, die zentral oder peripher hervorgerufen werden k\u00f6nnen. Dreierlei Gruppen von Genufsmitteln, die reizend einwirken k\u00f6nnen, unterscheidet Lange nach ihrem Angriffspunkt: 1. solche, die auf nerv\u00f6se Leitungsbahnen wirken, also direkt durch die Sinnesnerven den Zentren zugef\u00fchrt werden (Geruch, Geschmack, Temperatur- und Ber\u00fchrungsreize, in gewissem Grade auch Farben und Kl\u00e4nge). 2. Genufsmittel, die durch chemische Ver\u00e4nderung des Blutes auf das vasomotorische Zentrum einwirken (Kaffee, Tee, Alkohol, Opium, Haschisch u. dergl.j. 3. Die grofse Gruppe solcher Genufs-mittel, die die Zirkulation mechanisch beeinflussen (als lebhafte und starke k\u00f6rperliche Bewegungen, in erster Linie der Tanz).\nSodann legt Lange dar, wie die einzelnen Arten der - Genufsmittel physiologisch einwirken, d. h. Genufs verschaffen. Denn der Genufs ist ein","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nLiteraturbericht.\nphysiologisches Ph\u00e4nomen, aber \u2014 und diese Einschr\u00e4nkung ist wichtig \u2014-\u201ekein unter allen Umst\u00e4nden physiologisch gleiches Ph\u00e4nomen\u201c, (wie es z. B. bei Freude der Fall ist, mit der immer Gef\u00e4fserweiterung einhergehtj. Als Genufs dagegen bezeichnet Lange, indem er Genufszust\u00e4nde f\u00fcr zum grofsen und wesentlichen Teil identisch mit den Gem\u00fctsbewegungen anuimmt (S. 28, cf. auch Langes Schrift \u201e\u00dcber Gem\u00fctsbewegungen\u201c) die Stimmung die man zu erreichen strebt; und \u201eals Kriterium, ob eine Stimmung f\u00fcr jemanden ein Genufs ist, kann man den Umstand betrachten, ob der Be* treffende in diese Stimmung zu gelangen sucht\u201c. D. h. also: nichts ist ein Genufsmittel an und f\u00fcr sich. (Im Gegensatz dazu kann ein Eindruck, der nur auf unsere Intelligenz wirkt, uns kalt lassen, d. h. unser vasomotorisches System nicht erregen, ergo uns keinen Genufs verschaffen).\nVon den Affekten, die fast alle Genufs gew\u00e4hren k\u00f6nnen, ist die mit Gef\u00e4fserweiterung verbundene Freude oben erw\u00e4hnt ; dieselbe physiologische Grundlage hat der Zorn, der sich von der Freude wohl nur durch die gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t der Gef\u00e4fserweiterung und die Steigerung der motorischen Innervation unterscheidet. Unter unseren heutigen Kulturverh\u00e4ltnissen ist der Genufs des Zorns eingeschr\u00e4nkt, nur wo wir uns ihm ohne Gefahr und Reue hingeben k\u00f6nnen (z. B. bei \u201egerechter Entr\u00fcstung\u201c) empfinden wir ihn als Genufs. Viel st\u00e4rker empfinden das heut noch die wilden V\u00f6lker, vielleicht am st\u00e4rksten die alten nordischen V\u00f6lker, z. B. die Berserker, auf deren ganze Kultur Lange exemplifiziert. Geringer ist der Genufs bei allen mit Gef\u00e4fsverengerung (und spastischen Kontraktionen der willk\u00fcrlichen Muskeln) einhergehenden Affekten, als Angst und Schrecken, Spannung, Kummer. Aber dafs auch sie Genufs gew\u00e4hren k\u00f6nnen, besonders wenn es sich um \u201esympatisclie Angst usw.\u201c also \u201eAngst usw. auf anderer Leute Kosten\u201c wie bei Kampfspielen, Tierb\u00e4ndigerszenen handelt, zeigt die Beliebtheit derartiger Schaustellungen, ferner die Erfolge der \u201eR\u00e4uberromane\u201c, ja z. T. ist die Wirkung von Kunstwerken wie die von E. A. Poe und E. T. A. Hoffmann auch diesem Gef\u00fchl zuzuschreiben. Auf die eigene Person beziehen sich die mit derartigen Affekten verkn\u00fcpften Gen\u00fcsse in erster Linie bei allen Spielen, besonders den sogenannten \u201eGl\u00fccksspielen\u201c, in denen die Spannung eine so grofse Rolle spielt, sodann hat f\u00fcr gewisse Menschen die Gefahr eine besondere Anziehungskraft, f\u00fcr manche Menschen ist nicht nur die \u201esanfte Melancholie\u201c beim Lesen eines r\u00fchrenden Buches, beim H\u00f6ren r\u00fchrender Musik, ja sogar der wirkliche Kummer eine Quelle des Genusses. So berichtet Ohlensckl\u00e4ger von einem Freunde, der immer \u201eungl\u00fccklich verliebt\u201c sein mufste, um in seinen Mufse stunden in die \u201eelegische Stimmung, die er so sehr liebte\u201c zu kommen. (Koch charakteristischer erscheinen dem Ref. f\u00fcr diese Art des Genusses die Selbstbekenntnisse des Novalis in seinen Tageb\u00fcchern.) \u2014 Ausf\u00fchrlich bespricht Lange die Extase, deren physiologische (vasomotorische) Grundlage wahrscheinlich sehr verschieden ist. Ihr Einflufs ist von h\u00f6chster Bedeutung f\u00fcr die Geschichte (besonders der ihr leicht unterliegenden Orientalen), wie f\u00fcr die Kulturentwicklung der Menschheit. Derwische, christliche M\u00e4rtyrer, Flagellanten, Stigmatisierte stellen die voll entwickelte Form der Extase dar. Aber auch heut in unserem Klima unter zivilisierten V\u00f6lkern spielt die halbentwickelte Form als \u201eBewunderung\u201c im t\u00e4glichen Leben eine be-","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Litera iurbericht.\n77\ndeutungsvolle Rolle als Lustgef\u00fchl; denn wenn ein Mensch durch die Natur, eine Person, ein Kunstwerk so gefangen genommen wird, dafs seine Gehirn-erregbarkeit f\u00fcr alle anderen Einwirkungen aufgehoben oder herabgesetzt ist, so ist das eine Form der \u201eEntz\u00fcckung\u201c, der Extase. \u2014 Der einzige Affekt, der nie mit Genufs verbunden ist, ist die \u201eEntt\u00e4uschung\u201c, weil ihr Effekt eben das Nichterreichen des Begehrten ist, das gerade Lust bereiten sollte. \u2014\u25a0' Den Einwand, dafs wir Genufs empfinden k\u00f6nnen ohne das, was man gew\u00f6hnlich \u201eGem\u00fctsbewegung\u201c nennt, widerlegt Lange mit dem Hinweis darauf, dafs eine geringere Intensit\u00e4t der Gef\u00e4fsinnervation n\u00f6tig sei, um Genufs zu bereiten, denn als \u201eGem\u00fctsbewegung\u201c die Bewufstseins-schwelle zu \u00fcberschreiten. Die Unklarheit liegt nach Lange darin, dafs man eben nach alter Gewohnheit von der \u201eGem\u00fctsbewegung\u201c ausgehe und nicht von der physiologischen Gef\u00e4fsinnervation, deren psychische Resultate zu analysieren, Aufgabe der wissenschaftlichen Untersuchung ist. \u00dcber die Schwierigkeiten dieser Methodik sagt Lange leider nichts aus sodafs der Unbefangene den Eindruck gewinnen mufs, dafs der Zusammenhang zwischen psychischen Vorg\u00e4ngen und plethysmographischen Untersuchungen klar zu erkennen sei.\nF\u00fcr die Wirkungsweise aller Genufsmittel ist nun aber Grundbedingung, dafs sie entsprechend ihrer physiologischen Wirkungsweise nach gewissen Regeln angewendet werden. Ja, wichtiger als die Natur des Reizes selbst ist diese Methodik; mit anderen Worten: die Abwechselung selbst spielt als Genufsmittel eine Hauptrolle. Jedes Genufsmittel an Bich wirkt nach einiger Zeit nicht mehr, entweder man stumpft dagegen ab oder \u2014 ein physiologisch vollkommen anderer Zustand \u2014 man wird seiner m\u00fcde. Die Abstumpfung bei Geruchs- und Geschmackseindr\u00fccken schon nach einigen Sekunden, bei Gesichtseindr\u00fccken sogar schon nach dem Bruchteil einer Sekunde ist bekannt. Hier gen\u00fcgt aber einfach ein Wechsel des sensorischen Reizmittels, um der geschw\u00e4chten Perzeption wieder aufzuhelfen. Vollkommen anders verh\u00e4lt es sich mit dem zweiten Folgezustand, der Erm\u00fcdung. Er kommt zustande durch langandauernde, vasomotorische Erregung, also Erm\u00fcdung der Gef\u00e4fsw\u00e4nde, die dann trotz Weiterbestehen des Reizes nicht l\u00e4nger auf ihn reagieren. Es kann eine Zeitlang durch Steigerung des Reizes diese Erschlaffung \u00fcberwunden werden, wenn aber auch die Erm\u00fcdung f\u00fcr die letzte m\u00f6gliche Steigerung des Reizes eingetreten ist, so folgt das unangenehme Gef\u00fchl der \u201eAbspannung\u201c. Dies kann man nur durch Hervorrufen einer anderen (entgegengesetzten) Form der Gef\u00e4fsinnervation verhindern. Ein Beispiel aus der Kunst: Wirkung des Satyrspiels nach der Trag\u00f6die. Auf gesetzm\u00e4fsige Methodik in der Abwechselung bezieht Lange die Wirkung des Rhytmue, dessen Reiz in best\u00e4ndig wiederkehrender Spannung mit folgender L\u00f6sung besteht. Auch \u00ablas Ph\u00e4nomen der \u00dcberraschung beruht auf der Abwechslung, insofern als an Stehe des im Wechsel der Erscheinungen erwarteten Reizes ein heterogener Reiz erscheint. Je vernunftwidriger ungereimter er ist, um so mehr wirkt er als Komik oder Humor (Heine, Dickens), schliefs-licb als Farce. Die habituelle wie momentane Disposition spielt nat\u00fcrlich eine grofse Rolle, ja Lange f\u00fchrt \u00fcberhaupt den verschiedenen geistigen Habitus, den Unterschied zwischen dem k\u00fcnstlerisch veranlagten und dem","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nLitera turbericht.\nVerstandesmenschen auf das verschiedene Bed\u00fcrfnis nach Abwechslung zur\u00fcck, das einzelne Menschen sogar bis zum Konflikt mit der konven* tionellen Moral tihren kann. \u2014 Der sympatischen Gem\u00fctserregung widmet Lange eine ausf\u00fchrliche Besprechung, er weist auf die ansteckende Kraft von Freude, Gel\u00e4chter, Panik, Zorn und Erbitterung, Sorge und Kummer, L\u00e4cheln und G\u00e4hnen hin. Die wichtigste Rolle spielt dies Moment jedoch als unwillk\u00fcrliche Nachahmung bei Erziehung und Unterricht der Kinder, jedenfalls auf den fr\u00fchen Entwicklungsstufen.\nSoweit der erste, allgemeine, physiologische Teil der Schrift, im zweiten Abschnitt wendet sich Lange der Besprechung der \u201eKunst\u201c zu.\nWie Lange hier im einzelnen: an der Geschichte der Dekoration, der\n*\nEntwicklung der Malerei und der Dichtkunst, an der Betrachtung der Wirkungen der B\u00fchne (im weitesten Sinne dieses Wortes) seine Theorie demonstriert, mufs im Original nachgelesen werden. Die Theorie, deren Nutzanwendung hier lautet: \u201eDie genufserf\u00fcllte Stimmung, welche die Wirkung eines jeden Werkes ist, dem wir den Rang eines Kunstwerkes beimessen, kann also durch Abwechselung oder durch Erwfeckung sympathischer Gef\u00fchle oder durch Bewunderung hervorgerufen werden\u201c (S. 52, wird leider nur an den oben genannten Kunstformen und nicht auch z. B. an der Musik, der sinnlichsten aller K\u00fcnste, gepr\u00fcft, ob absichtlich oder infolge des unerwarteten Todes des Verfassers, ist nicht recht ersichtlich, jedenfalls aber sehr bedauerlich. Zu diesem speziellen Teil tritt nun auch, wie erkl\u00e4rlich, neben und an Stelle der objektiveren, psychophysischen Betrachtungsweise das subjektive Werten von Kunstwerken auf Grund \u00e4sthetischer, geschichtlicher Deduktion, wie es Laxgb selbst ja f\u00fcr unzweckm\u00e4fsig h\u00e4lt. So kommt der Widerspruch zustande, dafs er einmal ein Kunstwerk als naiver Geniefser, das anderemal als historischer Kenner werten mufs, um es mit seiner Theorie in Einklang zu bringen. Jedenfalls aber ist der kurze geschichtliche \u00dcberblick \u00fcber die Entwicklung der genannten Kunstformen unter dem Gesichtspunkte der Theorie dieser 3 Faktoren ebenso anregend, w ie Langes Kenntnis der Geschichte dieser K\u00fcnste bewundernswert ist.\nNur an einem erkennt man vielleicht, dafs die Abhandlung ein Alters werk ist, \u2014 wie ja auch Lange selbst in den letzten Worten des Buches wehm\u00fctig auf seine sinkenden Kr\u00e4fte hinwreist \u2014 und das ist: die subjektive Einseitigkeit Langes allen modernen Kunstbestrebungen gegen\u00fcber. Die Sch\u00e4rfe, mit der er die \u201ekrampfhaften Anstrengungen, die man heute trifft (sic!) \u2014 namentlich in den emanzipierten (Sezessions-u. dgl.) Ausstellungen vieler L\u00e4nder \u2014 der Banalit\u00e4t zu entgehen\u201c angreift, die ironische \u00dcberlegenheit, mit der er die Kunst B\u00f6cklins und Klingkbs ablehnt, das vollkommene Stillschweigen, mit dem er die wichtigste Bewegung in der Geschichte der Malerei der letzten 4 Dezennien, den Impressionismus, der an die Namen Manet und Monet ankn\u00fcpft, \u00fcbergeht, \u2014 das alles l\u00e4fst viele W\u00fcnsche unerf\u00fcllt, die man beim Lesen eines modernen den \u201eKunstgenufs\u201c behandelnden Buches empfindet. Auch gegen\u00fcber Langes skeptischen Betrachtungen und seiner dubi\u00f6sen Prognose f\u00fcr die Entwicklung der dekorativen Kunst in unserer Zeit \u201emit ihrem unausl\u00f6schlichen Durst nach neuen Abwechselungsformen\u201c, wenn","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n79\nunsere heutigen Quellen ersch\u00f6pft sein werden, mufs auf Vanderveldes konstruktives Prinzip, auf die schier unersch\u00f6pflichen Motive hingewiesen werden, die wir dank K\u00fcnstlern wie Eckmann und Forschern, wie Haeckel und seinen Sch\u00fclern, der Flora und Fauna der Erde und des Meeres zu entnehmen gelernt haben. Und wenn das alles einmal verbraucht ist, nun \u2014 so wird das Auge eines Pfadfinders neue k\u00fcnstlerische Motive finden.\nAls einen grofsen Yorzug des Buches mufs man es betrachten, dafs Lange konsequent den Ausdruck \u201edas Sch\u00f6ne4 vermieden hat Er erkennt es weder als eine \u201eEntit\u00e4t\u201c, die durch eine absolute Definition bestimmt werden kann, an, noch gibt er die M\u00f6glichkeit zu, es (als einen relativen Begriff) durch absolute Kriterien zu bestimmen. Lange stellt als Analogon zu Hamlets Standpunkt dem Begriff des \u201eGuten\u201c gegen\u00fcber den Satz auf: \u201eNichts ist an sich sch\u00f6n; erst unsere Auffassung macht es dazu.\u201c\nAlfred Gdttmann (Berlin.)\nII. v. Buttel - Reepen. Die sUmmesgeschichtliehe Entstehung des Bienenstaates, sowie Beitr\u00e4ge znr Lebensweise der solit\u00e4ren und sozialen Bienen (Hummeln,\n\u25a0eliponinen etc.)\u00bb 138 S. Leipzig, G. Thieme, 1903.\nDer Abhandlung liegt ein auf dem Zoologenkongrefs in Giefsen 1902 gehaltener Vortrag zugrunde; doch ist der Stoff wesentlich vermehrt und die Darstellung erweitert. Ein Teil des Inhaltes ist auch unter dem Titel \u201eDie phylogenetische Entstehung des Bienenstaates, sowie Mitteilungen zur Biologie der solit\u00e4ren und sozialen Apiden\u201c im Biologischen Zentralblatt erschienen. Der Verf. steht durchaus auf dem Boden der Deszendenztheorie. Hinsichtlich der Tierpsychologie vertritt er einen Standpunkt, der von krassem Anthropomorphismus ebensoweit entfernt ist, wie von der Auffassung der Tiere als Reflexmaschinen. Die Organisation der Bienen bleibt nach ihm in jeder Weise tief unter der menschlichen und zur Erkl\u00e4rung selbst anscheinend hoch entwickelter Handlungen sind vorerst nur einfache Reflexe, Instinkte und etwaige Modifikationen der letzteren, die ganz ohne Bewufstsein verlaufen k\u00f6nnen, heranzuziehen.\nDer erste Teil des auch an psychologisch wichtigen Bemerkungen reichen Buches handelt von den solit\u00e4ren Bienen, ihren sozialen Instinkten und ihren Lebensgewohnheiten. Die Eigent\u00fcmlichkeiten des Nestbaues, das Austapezieren des Nestes, das Anbringen von Schutzvorrichtungen gegen die Schlupfwespen werden eingehend er\u00f6rtert. Die hier zu beobachtenden Kunstfertigkeiten sind geradezu bewunderungsw\u00fcrdig. Dennoch handelt es sich nur um Produkte blinden Instinktes.\nEin wichtiges \u00dcbergangsglied zwischen den solit\u00e4ren und den sozialen Apiden bilden die Hummeln. Bei ihnen zuerst findet man selbstbereitetes Wachs als Baumaterial des Nestes, das im \u00fcbrigen freilich noch sehr an die primitiven Bauten der Solit\u00e4ren erinnert. Ein deutlicherer Fortschritt zu einer phylogenetisch h\u00f6heren Stufe zeigt sich in der Brutpflege, wrelche aber, wie Verf. wiederholt hervorhebt, nichts mit der Staatenbildung zu tun hat, da einerseits Staatenbildung ohne Brutf\u00fctterung vorkommt, andererseits auch bei solit\u00e4ren Wespen eine F\u00fctterung der Jungen beobachtet wird. Das sogenannte Bebr\u00fcten der Zellen seitens der Hummeln erkl\u00e4rt","page":79}],"identifier":"lit32851","issued":"1904","language":"de","pages":"75-79","startpages":"75","title":"Sinnesgen\u00fcsse und Kunstgenu\u00df. Beitr\u00e4ge zu einer sensualistischen Kunstlehre von Karl Lange, weil. Professor in Kopenhagen. Herausgegeben von Hans Kurella. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1903. 100 S.","type":"Journal Article","volume":"34"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:30:47.895680+00:00"}