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{"created":"2022-01-31T13:35:05.739660+00:00","id":"lit32856","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Bernstein, Felix","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 34: 132-140","fulltext":[{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nDas Leuchtturmph\u00e4nomen und die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes.\nVon\nFelix Bernstein - Halle a. S.\nAuf der Insel Helgoland befindet sich ein Leuchtturm, der mit elektrischen Scheinwerfern ausger\u00fcstet ist Die ausgesandten Strahlen sind aufserordentlich kr\u00e4ftig und k\u00f6nnen bis zum Horizont verfolgt werden. Die scheinbaren Formen derselben, die sich dem Beobachter bei wechselndem Standort zeigen, sind eigent\u00fcmlicher Art und da hier offenbar ein Zusammenhang mit dem vielbehandelten Problem der scheinbaren Form des Himmels-gew\u00f6lbes vorliegt, so sollen sie im folgenden n\u00e4her beschrieben werden.\n\u00a7 1.\nZun\u00e4chst seien einige Angaben \u00fcber die \u00f6rtlichen Verh\u00e4ltnisse vorausgeschickt.\nDer Leuchtturm steht auf dem etwa 40 m \u00fcber dem Meeresspiegel sich erhebenden Oberland. Die drei ausgesendeten Strahlen bilden unter sich gleiche Winkel und sind s\u00e4mtlich gegen die Horizontale nach unten zu geneigt, damit sie genau nach dem Horizonte hinzielen, wie er dem erh\u00f6hten Standpunkt, von dem sie ausgehen, entspricht.\nDas ganze System befindet sich in Rotation um die Leuchtturmachse, so dafs jeder Strahl den ganzen Horizont durchl\u00e4uft Man beobachtet nun die folgende scheinbare Form des Strahls:\nSteht der Beobachter in Meeresh\u00f6he auf dem sogenannten Unterland, so erscheint der Strahl als ein am Himmel befindlicher leuchtender Bogen, der sich um zwei Pole, die Leucht-","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Das Leuchtturmph\u00e4nomen u. die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes. 133\nturmspitze einerseits und denjenigen Punkt des Himmelsgew\u00f6lbes andererseits zu drehen scheint, der in der Verbind un gs\u00fcnie von Leuchtturmspitze und Auge liegt (Dieser letztere Pol liegt nat\u00fcrlich unter dem Horizonte.) Der Bogen hat eine flach gestreckte Form. Die Kr\u00fcmmung nimmt gegen den Horizont zu merklich ab. Der spitze Winkel, den er am Horizont mit der Ebene des Meeres bildet, scheint in der h\u00f6chsten Lage des Bogens nicht den f\u00fcnften Teil eines Rechten zu \u00fcberschreiten. Die Form der Bogen erscheint bei jedem Umlauf stets wieder v\u00f6llig dieselbe und auch die Angaben verschiedener Personen, \u00fcber die gesehene Form stimmen v\u00f6llig \u00fcberein.\nEs sei gestattet, diese Erscheinung weiterhin als \u201eLeuchtturmph\u00e4nomen\u201c zu bezeichnen. Die angegebene Lage des Beobachters soll die A-lage genannt werden.\nWenn man die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes als bekanntes Ph\u00e4nomen voraussetzen will, so kann man die Beobachtung in der folgenden einfachen Weise dar stellen:\n\u201eMan projiziere den wirklichen Strahl an das Himmelsgew\u00f6lbe mittels derjenigen Ebene, die durch den Strahl einerseits, durch die Verbindungslinie des Auges mit der Leuchtturmspitze andererseits bestimmt ist. Diese Ebene dreht sich um die genannte Verbindungslinie als Achse, und schneidet in jederLage die scheinbare Figur des Strahls aus.\u201c\nSo einwandfrei diese Darstellung des Ph\u00e4nomens ist, wenn es sich nur um eine Beschreibung des Sachverhalts handelt, so wenig kann sie gen\u00fcgen, wenn ein Verst\u00e4ndnis der Erscheinung erzielt werden soll. Der leuchtende Strahl ist ein einfacheres Objekt als das Himmelsgew\u00f6lbe und darum ist es methodisch nicht zul\u00e4ssig, zur Erkl\u00e4rung der scheinbaren Form desselben, auf die scheinbare Form des komplizierteren Objekts zur\u00fcckzugehen.\nDas Problem der scheinbaren Form des Leuchtturmstrahls ist der eindimensionale Fall, das Problem der scheinbaren Form des Himmelsgew\u00f6lbes der zweidimensionale Fall ein und derselben Art von Erscheinung.\nDie scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes ist erkl\u00e4rt, sobald die scheinbare Form des Leuchtturmstrahls erkl\u00e4rt ist. In der Tat beschreibt ja der leuchtende Bogen w\u00e4hrend einer Um-","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\n\u00bb\nFelix Bernstein.\ndrehung den ganzen sichtbaren Himmel und setzt die Figur desselben vollst\u00e4ndig zusammen.\nDer Vorzug, den das Studium des Leuchtturmph\u00e4nomens bietet, ist aber augenscheinlich der, dafs seine Entstehungsbedingungen genau bekannt sind und sogar experimentell variiert werden k\u00f6nnen.\n\u00a7 2.\nEine Folgerung l\u00e4fst sich sofort aus den Beobachtungen ziehen.\n\u201eDie wirkliche Kr\u00fcmmung des Himmelsgew\u00f6lbes (also etwa die der untersten Schicht eines Wolkenhimmels) spielt f\u00fcr die scheinbare Kr\u00fcmmung derselben nahezu gar keine Rolle.\u201c\nIn der Tat, denkt man sich die Strahlen des Leuchtturms gleichzeitig in allen Lagen, die sie im Verlaufe einer Drehung erreichen, so bilden dieselben ein leuchtendes Kegeldach mit sehr stumpfem Winkel an der Spitze, unter dem sich der Beobachter befindet. Das Kegeldach mufs als gew\u00f6lbte Schale erscheinen. Die Abweichung des Winkels an der Spitze von einem gestreckten wird kaum einen Einflufs auf das Ph\u00e4nomen haben. Denn bei der Beobachtung erscheint dieser Winkel in der Tat, so gut sich das bei einem Sukzessivvergleich beurteilen l\u00e4fst, als gestreckt. Wir m\u00fcssen also folgendes postulieren:\n\u201eBefindet sich ein Beobachter auf einer unbegrenzten Ebene und einen gen\u00fcgend hohen der Ebene parallelen selbst ebenen Dache, das sich nach allen Seiten sehr weit erstreckt, so erscheint dasselbe als ein flaches Gew\u00f6lbe, das auf der Grundebene in einem Horizontkreise aufzusitzen scheint\u201c\n\u00a7 3.\nGanz anders wird das Bild der Erscheinung, wenn man sich auf dem Oberland befindet und sich allm\u00e4hlich dem Leuchtturm n\u00e4hert. Von dem erh\u00f6hten Standpunkt aus erscheint von vornherein die Kr\u00fcmmung des Strahls schw\u00e4cher, der Winkel am Horizont kleiner. Die Kr\u00fcmmung verschwindet bei Ann\u00e4herung an den Leuchtturm, befindet man sich. am Fufse desselben, so erscheint der Strahl absolut gerade. Zugleich aber erscheint er","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Das Leuchtturmph\u00e4nomen u. die scheinbare Form des Himmelsgeic\u00f6lbes. 135\nniedriger als das Himmelsgew\u00f6lbe, inmitten der Luft verlaufend und wird plastisch gesehen.\nDer auff\u00e4lligste Unterschied besteht aber, dafs es jetzt so erscheint, als ob der Strahl sich in sehr grofse Entfernung erstreckt. Von einem solchen intensiven r\u00e4umlichen Eindruck war in der A-lage nichts zu beobachten.\nDabei ist es ganz gleichg\u00fcltig, ob man mit einem oder mit beiden Augen die Beobachtung anstellt.\nWir wollen den Standort des Beobachters in unmittelbarer N\u00e4he des Leuchtturms als B-l\u00e4ge bezeichnen.\nEs war zu erwarten, dafs es einen Standort geben w\u00fcrde, wo die beiden Erscheinungsweisen der .4-lage .und 2?-lage ineinander \u00fcbergingen und dafs dieser \u00dcbergang Gelegenheit zu Deuen Beobachtungen bieten w\u00fcrde. In der Tat gab es in einiger Entfernung vom Leuchtturm (etwa 70 m) einen Bereich, der als C-lage bezeichnet wurde, in dem man folgendes beobachten konnte. Wandte man den Blick dem Leuchtturm zu, so erschien der gesehene Anfang des Strahls in der plastischen geraden Form, wandte man dem Leuchtturm den R\u00fccken, so erschien der jetzt \u00fcberblickte Teil in der Bogenform.\nDrehte man nun langsam den Blick von der ersten in die zweite Lage, so konnte man die gerade Form viel weiter verfolgen. Der Punkt, wo der gebogene Teil des Strahls einsetzte, liefs sich auf Stellen hinausschieben, die ohne diesen \u00dcbergang vorher im gebogenen Teil gelegen hatten. Dieses Hinausschieben der Ansatzstelle liefs sich willk\u00fcrlich steigern. Die Selbstbeobachtung ergab, dafs diese Willk\u00fcr abh\u00e4ngig war von einer Anstrengung, sich die Entfernung, in welche der Strahl sich hinauserstreckt, m\u00f6glichst lebhaft zu vergegenw\u00e4rtigen. Je besser diese Vorstellung gelang, um so mehr wurde der geradlinige Teil auf Kosten des gebogenen verl\u00e4ngert. \u00dcbrigens machte es auch hier kaum einen Unterschied, ob man mit einem oder mit zwei Augen beobachtete.\nEs w\u00fcrde verkehrt sein, eine solche Beobachtung, die vom Zustande des Subjekts so beeinflufst werden kann, zur Grundlage einer Erkl\u00e4rung konstanter und sicherer Erscheinungen zu machen. Wohl aber k\u00f6nnen im Status nascendi einer Erscheinung, Faktoren die sp\u00e4ter unter die Schwelle des Bewufst-seins sinken, deutlich werden, und darum k\u00f6nnen aus solchen","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nFelix Bernstein.\nBeobachtungen Fingerzeige f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der stabilen Erscheinungen gewonnen werden.\n\u00a7 4.\nWenn man auf Grund der Beobachtungen eine Erkl\u00e4rung des Leuchtturmph\u00e4nomens geben will, so k\u00f6nnte man die folgenden Momente geltend machen.\nEs ist zu unterscheiden zwischen dem Raum der sichtbaren Objekte Rs und dem Raum der Anschauung IlA- Beide R\u00e4ume sind endlich ; der eine, weil es eine Schwelle der Lichtempfindung, der andere, wTeil es eine Grenze der Raumanschauung gibt. Beide R\u00e4ume haben einen Mittelpunkt 0, indem sich der Beobachter befindet Die von 0 bis an die Grenzen der R\u00e4ume laufenden Radien seien mit OS resp. OA bezeichnet Die Entfernungen in Rs werden objektiv gemessen, die in Ra subjektiv gesch\u00e4tzt\nDa die Objekte des Raumes R\u00c4 mit denen des Raumes R3 \u00fcbereinstimmen sollen, so mufs eine Abbildung <y> des Raumes Ra auf den Raum RA stattfinden. F\u00fcr diese Abbildung gelten die folgenden Gesetze:\n1.\tDie Abbildung ist nahezu kongruent in der Umgebung von 0.\n2.\tLiegen OS und OA auf demselben Halbstrahl, so ist f\u00fcr jede Richtung\nOS > OA\nund die Abbildung findet so statt, dafs dieStrecken des Raumes Rs bei derselben um so mehr verkleinert werden, je weiter sie von 0 entfernt sind.\n3.\tDer spitze Winkel, den eine Grade des Raumes Rs mit einem Radius OS bildet, wird bei der Abbildung um so mehr vergr\u00f6fsert (d. h. seine Differenz von einem Rechten wird immer mehr verkleinert), je weiter der Scheitel von 0 entfernt liegt.\nDie Eigenschaften 2 und 3 der Abbildung werden deutlich in den einfachen und bekannten T\u00e4uschungen \u00fcber die Dimensionen in einer Landschaft. Die Winkelt\u00e4uschung tritt besonders hervor bei der Beurteilung des Steilheitsgrades von Wegen, der ja bekanntlich stark \u00fcbersch\u00e4tzt zu werden pflegt Es besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen diesen","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Das Leuchtturmph\u00e4nomen u. die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes. 137\nT\u00e4uschungen an irdischen Objekten und der Erscheinungsweise der Himmelsform.\nDie Eigenschaften der Abbildung (p werden in der Beobachtung wesentlich dadurch kompliziert, dafs die Gr\u00f6fse OA keine Konstante ist. Vielmehr ist die scheinbare Erstreckung des sichtbaren Raumes, d. h. die Erstreckung des Anschauungsraumes, abh\u00e4ngig von der Anordnung der Objekte desselben einerseits, von Dispositionen des Beobachters andererseits. Es gilt die folgende Erfahrungstatsache :\n\u201ePerspektivisch ausgezeichnete Anordnungen in der Richtung OA bewirken stets eine Verl\u00e4ngerung des Radius OA.\u201c\nZ. B. wird durch den Anblick zweier Eisenbahnschienen und begleitender Telegraphenstangen die Erstreckung OA der Landschaft in der entsprechenden Richtung stark erweitert. Ein anderes Beispiel ist dieses: Die Insel Helgoland hat die Form eines langgestreckten Dreiecks. Man beobachtet nun etwa in der Mitte des Oberlands deutlich, dafs der Horizont elliptisch erscheint und zwar so, dafs die grofse Achse der Ellipse mit der L\u00e4ngsrichtung der Insel zusammenf\u00e4llt. Auch hier ist offenbar infolge perspektivischer Wirkungen OA in dieser Richtung erweitert.\nF\u00fcr die Anwendung dieser Auffassung auf die Erscheinung des Leuchtturmph\u00e4nomens, sowie der Himmelsfigur, mufs man vor allem ber\u00fccksichtigen, dafs die Erdoberfl\u00e4che eine starke perspektivische Wirkung hervorruft. F\u00fcr einen unmittelbar auf der Ebene stehenden Beobachter m\u00fcssen die horizontalen Radien OA nach jeder Richtung eine bedeutende Verl\u00e4ngerung erfahren.\nF\u00fcr den nach dem Zenith laufenden Radius findet eine solche Verl\u00e4ngerung im allgemeinen nicht statt. Aus den Eigenschaften 2 und 3 der Abbildung folgt sofort, dafs der Leuchtturmstrahl gekr\u00fcmmt erscheinen mufs. Die spitzen Winkel, in denen der Sehstrahl den Leuchtturmstrahl schneidet, m\u00fcssen vergr\u00f6fsert werden und es mufs also eine entsprechende Kr\u00fcmmung der letzteren erscheinen.\nDiese Kr\u00fcmmung wird um so mehr r\u00fcckg\u00e4ngig gemacht, je gr\u00f6fser durch die jeweiligen Umst\u00e4nde des Radius OA in der Richtung des betreffenden Sehstrahls wird.\nMan kann nach den Ursachen fragen, welche die Eigenschaften der Abbildung bestimmen. Hierf\u00fcr m\u00fcfste man nach","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nFelix Bernstein.\nder dargelegten Vorstellung angeln, dafs der zentrale Mechanismus, welcher der Raumanschauung dient, in seiner Entwicklung zur\u00fcckgeblieben ist hinter der der Leistungsf\u00e4higkeit des Auges. Daher ist der Anschauungsraum kleiner als der Sehraum. Wahrscheinlich ist bei den niederen Tieren dieses Mi\u00dfverh\u00e4ltnis noch st\u00e4rker. Wenn, wie angegeben wird, die Hunde den Mond anbellen, so mufs man doch annehmen, dafs er ihnen in greifbarer und drohender N\u00e4he erscheint Dieselben Hunde bellen irdische Gegenst\u00e4nde nicht an, wenn sie sich durch ihren Geruchs- oder Geh\u00f6rssinn \u00fcberzeugt haben, dafs dieselben aufser dem Bereich eines Angriffs liegen.\n\u00a7 5.\nMit wenigen Worten m\u00f6chte ich zum Schlufs noch auf die in der Literatur vorliegenden Erkl\u00e4rungsweisen der scheinbaren Figur des Himmelsgew\u00f6lbes eingehen.\nIch darf mich, da die Literatur von Herrn E. Reimann1 in ausgezeichneter Weise zusammengestellt ist, auf die neuesten Publikationen beschr\u00e4nken. In seiner an Beobachtungsmaterial reichen Abhandlung gibt E. Reimaxn (L c. S. 188\u2014190) die un-vollkommene Durchsichtigkeit der Atmosph\u00e4re, welche in vertikaler und horizontaler Richtung verschieden ist, als Ursache der scheinbaren Schalenform an. Nach meiner Angabe kann man in vertikaler Richtung 17\u201423 km, nach horizontaler Richtung 60\u201480 km weit sehen. Er schliefst daraus, dafs das Verh\u00e4ltnis der scheinbaren Himmelsh\u00f6he und scheinbaren Horizontentfernung entsprechend sich wie 1:3 7* etwa verhalten m\u00fcsse. Nach der Vorstellung von E. Reimann mufs also die Abbildung fp eine \u00e4hnliche sein, da doch andernfalls unm\u00f6glich das Verh\u00e4ltnis des horizontalen und vertikalen Radius im B\u00c4 dasselbe sein kann wie im Rs. Wenn man jedoch ein irdisches Objekt, z. B. einen Berg, der 17 km entfernt ist, mit einem anderen, der 34 km entfernt ist, vergleicht, so erscheint der zweite keineswegs doppelt so weit entfernt, wie der erste. Es d\u00fcrfte \u00fcberhaupt schwierig sein, ein Urteil \u00fcber das \u00c7ntfemungs Verh\u00e4ltnis\n1 E. Reimann : 1. Beitr\u00e4ge zur Bestimmung der Gestalt des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes und Weitere Beitr\u00e4ge etc. Programme d. Kgl. Gymnasium zu Hirschberg 1890 u. 1891. \u2014 2. Derselbe: Die scheinbare Vergr\u00f6fserung der Sonne und des Mondes am Horizont. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 30, S. 1 u. 161.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Das Leuchtturmph\u00e4nomen \u00ab. die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes. 139\nzweier solcher Objekte zu gewinnen. Das Verh\u00e4ltnis scheinbarer Entfernungen ist v\u00f6llig verschieden von dem. wirklicher Entfernungen. Die Erscheinung des elliptischen Horizontes w\u00fcrde die Auffassung E. Reimanks durchaus nicht erkl\u00e4ren k\u00f6nnen. Jch kann mich daher seiner Erkl\u00e4rung nicht anschliefsen.\nO. Zoth 1 hat den Einflufs der Blickrichtung auf die Gr\u00f6fsen-sch\u00e4tzung im Sehfelde als Erkl\u00e4rungsmoment herangezogen. Schon C. Gauss * * hat in einem Briefe an Bessel den Einflufs der Blickrichtung auf die scheinbare Vergr\u00f6fserung von Sonne und Mond am Horizont hervorgehoben.\nO. Zoth hat als der erste schlagende Experimente angegeben, welche diesen Einflufs an irdischen Objekten demonstrieren. Ich zweifele nicht daran, dafs die Blickrichtung ein Faktor ist, dessen Rolle in dem vorliegenden Ph\u00e4nomen zu ber\u00fccksichtigen ist. Sehr richtig hebt O. Zoth aber hervor, dafs es notwendig ist, alle in Betracht kommenden Faktoren zu studieren. Man wird insbesondere versuchen m\u00fcssen, den quantitativen Anteil jedes Faktors abzusch\u00e4tzen.\nDafs die Blickrichtung allein nicht ausschlaggebend ist, daf\u00fcr smd zwei Tatsachen beweisend: Erstens die beschriebene elliptische Form des Horizonts, zweitens aber noch folgende Erscheinung. Wenn man sich auf einen H\u00fcgel begibt, der isoliert sich in einer Ebene befindet, so erscheint der Zenith n\u00e4her und der Himmel flacher, als am Fufs des H\u00fcgels. Diese Erscheinung ist qualitativ und quantitativ ziemlich die gleiche, ob der H\u00fcgel 20, 50 oder 100 m hoch ist. Da die Blickrichtung genau die gleiche bleibt, so ist diese Erscheinung aus dem Einflufs der Blickrichtung nicht erkl\u00e4rbar. Aus der hier gegebenen Anschauung ist sie ziemlich einfach abzuleiten. Der Beobachter betrachtet sich n\u00e4mlich als \u00fcber das Niveau der Ebene gehoben, d. h. er verlegt den Anfangspunkt 0 der R\u00c4 unter sich, an den Fufs des H\u00fcgels. Die scheinbare H\u00f6he des Standorts \u00fcber 0 wird nun in der Sch\u00e4tzung von dem vertikalen Radius OA subtrahiert und der Himmel erscheint entsprechend n\u00e4her. Am Rande einer Grube beobachtet man diese Erscheinung aus gleichen Gr\u00fcnden nicht.\n1 Oskar Zoth : \u00dcber den Einflufs der Blickrichtung auf die scheinbare Gr\u00f6fse der Gestirne und die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Pfl\u00fcgers Archiv d. ges. Physiologie 78. 1899.\n* Briefwechsel zwischen Gauss und Bessel 1880. S. 498.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nFelix Bernstein.\nIst also die Blickrichtung nicht ausschlaggebend, so entsteht die Frage, wie grofs der Anteil derselben sein mag. Ich m\u00f6chte dabei das eine geltend machen, dafs wir bei Ver\u00e4nderung der Blickrichtung eine scheinbare Bewegung des Himmelsgew\u00f6lbes beobachten m\u00fcfsten, wenn dieser Anteil relativ bedeutend wird. Ich m\u00f6chte so res\u00fcmieren: Der Blickrichtungsfaktor verlangt nach den Beobachtungen von O. Zoth Ber\u00fccksichtigung bei der Erkl\u00e4rung der scheinbaren Form des Himmelsgew\u00f6lbes.1 * * * * * * Wie grofs aber der quantitative Anteil dieses Faktors ist, bleibt vorl\u00e4ufig dahingestellt. Ich will dabei nicht unterlassen zu erw\u00e4hnen, dafs 0. Zoth eine Zur\u00fcckf\u00fchrung des Problems der scheinbaren Vergr\u00f6fserung von Sonne und Mond am Horizont auf das vorliegende Problem gegeben hat, welche in sehr befriedigender Weise den Erscheinungen gerecht wird.\nSchliefslich m\u00f6chte ich noch eine \u00e4ltere Arbeit von Filehkb anf\u00fchren. Filehne hat seine Beobachtungen ebenfalls am Meere angestellt. Leider waren mir dieselben nicht zug\u00e4nglich zu der Zeit, als ich das Leuchtturmph\u00e4nomen beobachtete. Es h\u00e4tte sonst untersucht werden k\u00f6nnen, wie sich das Leuchtturmph\u00e4nomen verh\u00e4lt, wenn man mit verkehrter Kopfhaltung beobachtet. Mit seitlich geneigtem Kopf habe ich eine wesentliche Ver\u00e4nderung des Anblicks nicht bemerkt Im \u00fcbrigen sind die Beobachtungen Filehnes sowohl als seine Erkl\u00e4rungen mit den hier gegebenen in voller Harmonie.\n1 Neuerdings hat A. Guttmann (\u201eBlickrichtung und Gr\u00f6fsenschfttzung\u201c,\ndiese Zeitschr. 32, S. 333) eine solche quantitative Bestimmung versucht\nObjekte, die unter sonst v\u00f6llig gleichen Bedingungen gesehen und als\nGr\u00f6fsen beurteilt werden, erscheinen bei um 40\u00b0 erhobener Blickrichtung\nin 25\u201436 cm Entfernung vom Auge um rund 3*/3\u201439/s % kleiner als bei\ngerader Blickrichtung. Das ist nicht eben viel.\n(Eingegangm am 2. November 1903.)","page":140}],"identifier":"lit32856","issued":"1904","language":"de","pages":"132-140","startpages":"132","title":"Das Leuchtturmph\u00e4nomen und die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes","type":"Journal Article","volume":"34"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:35:05.739665+00:00"}