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{"created":"2022-01-31T16:36:37.323585+00:00","id":"lit32901","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 34: 318-319","fulltext":[{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nLiteraturbericht.\nPaul Schusteb. Psychische St\u00f6rungen bei Hirntumoren. Klinische and sti> tistische Betrachtungen. Stuttgart, Ferdinand Enke, 1902. 368 S. 10 Mk.\nMit einem ungemeinen Aufwand an Fleifs hat Verf. nicht weniger als 775 einschl\u00e4gige F\u00e4lle \u2014 darunter 18 eigene Beobachtungen \u2014 verwertet, um die psychischen St\u00f6rungen bei Hirntumoren und ihre mannigfachen Beziehungen zu er\u00f6rtern.\nDie Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens liegen auf der Hand Nicht nur ist das Material, das von den verschiedensten Autoren stammt, aufserordentlich ungleichm\u00e4fsig, sondern die klinischen Beobachtungen lassen, soweit die psychiatrische Seite in Betracht kommt, sehr viel zu w\u00fcnschen \u00fcbrig; entweder Bind sie unvollkommen, nicht geleitet durch psychiatrisches Wissen und K\u00f6nnen, oder sie verfallen in den Fehler der zu grofsen Verallgemeinerung. Unsere Kenntnis der Symptomatologie psychischer Krankheitsbilder ist bei weitem noch nicht so weit gediehen, dafs eine Einigung unschwer erzielt werden k\u00f6nnte ; die M\u00f6glichkeit einer solchen war aber im vorliegenden Falle deshalb noch geringer, weil wir typischen Psychosen bei Gehirntumoren nur wenig begegnen. Auch das ist zu erw\u00e4hnen, dafs die urs\u00e4chlichen Beziehungen zwischen Tumor und Psychose bei weitem nicht in jedem Falle klar sind.\nDiese Erw\u00e4gungen legten Verf. nat\u00fcrlich viele Reserven auf, deren er sich auch stets bewufst blieb. Trotzdem bringt seine Arbeit eine Reihe interessanter Ergebnisse und wird hoffentlich Veranlassung sein, weiteres Material nach einheitlicheren Gesichtspunkten zu verarbeiten.\nZuerst bespricht Verf. das Verhalten der Tumoren der verschiedenen Gehirnpartien. Nach einer physiologischen Einleitung gruppiert er die bei den betreffenden Tumoren beobachteten psychischen St\u00f6rungen, er\u00f6rtert dann die Verschiedenheit der Lokalisation des Tumors (ob in Rinde, im Mark, in Rinde und Mark, ob rechts, ob links), und aus der Vereinigung dieser klinischen und anatomischen Betrachtung schliefst er auf die psychologische Dignit\u00e4t der verschiedenen Gehirnpartien.\nDie Ergebnisse, die an den einzelnen Hirnterritorien gewonnen sind, vereinigt er zu einer General\u00fcbersicht. Daraus ergibt sich, dafs die Stirn-hirn-, die Hypophysis- und die Balkentumoren auffallend viel h\u00e4ufiger von psychischen St\u00f6rungen begleitet sind, als andere Das Umgekehrte gilt von den Tumoren des Zentral- und des Okzipitalgebiets. Die grofse Zahl von Kleinhirntumoren mit Psychosen erkl\u00e4rt sich daraus, dafs Kleinhirntumoren \u00fcberhaupt recht h\u00e4ufig sind.\nEine einheitliche Beschreibung der Psychosen ist unm\u00f6glich. Es \u00fcberwiegen die Zust\u00e4nde einfacher psychischer Schw\u00e4che, Demenz, Benommenheit ohne Zeichen einer Erregung ; das entspricht der Ansicht von Oppenheim und Bruns, die dahin geht, dafs die Benommenheit das charakteristische und spezifische psychische Symptom der Hirntumoren darstellt.\nDann kommt eine Gruppe von St\u00f6rungen, deren gemeinsames Merkmal zornm\u00fctige Reizbarkeit, Erregbarkeit bis zum Ausbruch von Tobsuchtsanf\u00e4llen ist. Die dritth\u00e4ufige klinische Klasse bilden die Zust\u00e4nde der Melancholie und Depression sowie die der Verwirrtheit und Delirien. In weitem Abstand hiervon kommen die Gruppen, welche im Gegensatz zu den bisher erw\u00e4hnten scharf umschriebenen, distinkten Krankheits-","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n319\nbildern entsprechen. Bei allen parasit\u00e4ren Blasentumoren (Cysticerken und Echinokokken) \u00fcberwiegen im Vergleich zu den anderen Geschwulst-arten Erregungs- und Verwirrtheitszust\u00e4nde sowie die Bilder in der Form der progressiven Paralyse.\nNur einzelne klinische Formen von Psychosen k\u00f6nnen klinisch verwertet werden und auch da nur mit aller Vorsicht. So finden sich F\u00e4lle typischer Melancholie bis auf einen Fall s\u00e4mtlich bei Geschw\u00fclsten der Grofshirnlappen. Die Zahl der paralyse\u00e4hnlichen F\u00e4lle ist eine aufallend hohe unter den Stirnhirntumoren. Psychische St\u00f6rungen in der Form von Verwirrtheit, Delirien und \u00e4hnliche Zust\u00e4nde sind auffallend h\u00e4ufig bei Geschw\u00fclsten des Okzipitallappens, sehr selten bei solchen des Stirnhirns. Hysterische, hypochondrische, neurasthenische Krankheitsbilder werden fast nur bei Tumoren des Stirn- und Schl\u00e4fenhirns gefunden. Fr\u00fcher hat man Witzelsucht als ein fast charakteristisches Symptom f\u00fcr Stirhirntumoren aufgefafst. Richtiger ist es, nicht von Witzelsucht zu reden, sondern den weiteren Begriff der Moria oder Hypomanie anzuwenden. Das trifft zu, dafs die Stirnhirntumoren mit diesem Krankheitsbilde die Zahl der anders lokalisierten Tumoren mit der gleichen psychischen St\u00f6rung bedeutend \u00fcbertreffen. Doch spielt die bedeutende Gr\u00f6fse des Tumor bei dem Zustandekommen der geistigen Alienation eine Rolle, wie das vor kurzem \u00fcberzeugend auch von M\u00fclleb dargetan ist Tumoren des Stirn-, Okzipital- und Temporalhirns sind h\u00e4ufiger von aktiven psychischen St\u00f6rungen begleitet als von der blofsen geistigen L\u00e4hmung; beide Zust\u00e4nde finden sich gleich oft bei Geschw\u00fclsten des Balkens und Scheitellappens.\nVerf sch\u00e4tzt, dafs 50\u201460\u00b0/o aller Hirntumoren psychopathologische Zeichen erkennen lassen. Interessant sind seine Ausf\u00fchrungen \u00fcber die kausalen Verh\u00e4ltnisse zwischen Tumor und Psychose. Operationen brachten die Psychose zur Heilung oder zur bedeutenden Besserung. Heredit\u00e4re Belastung spielt keine besondere Rolle.\tErnst Schultze (Bonn).\nP. Maupert. Le Caract\u00e8re. Paris, Octave Doin, 1902. 305 S.\nVerf. will keine neue, ersch\u00f6pfende Theorie des Charakters geben, er will nur durch eine historisch-kritische Darstellung des Problems den gegenw\u00e4rtigen Stand der Frage ausf\u00fchrlich darstellen und dadurch vor allem auch zeigen, wie sehr auf diesem Gebiete die Begriffe noch schwankend, die Resultate noch unsicher sind; geschweige denn, dafs sie allgemeine Anerkennung f\u00e4nden. Nicht einmal einer einheitlichen Nomenklatur kann man sich hierbei bedienen. Zu diesem Zwecke werden nun alle Anschauungen, die in letzter Zeit von den Forschern \u00fcber diese Frage ausgesprochen worden sind, ausf\u00fchrlich dar gestellt und besprochen.\nEs ist nicht m\u00f6glich, auf all dies genauer einzugehen. Es mufs auf das Original verwiesen werden. Jedem, der sich in dieses schwierige Gebiet einf\u00fchren will, sei das Studium dieses Buches empfohlen.\nHier sei nur kurz der Inhalt des Buches angegeben.\nNach einem einleitenden Kapitel \u00fcber Problem und Methode der Ethologie werden zun\u00e4chst die Faktoren des Charakters besprochen. Die Frage nach dem angeborenen oder erworbenen Charakter, der Einflufs","page":319}],"identifier":"lit32901","issued":"1904","language":"de","pages":"318-319","startpages":"318","title":"Paul Schuster: Psychische St\u00f6rungen bei Hirntumoren. Klinische und statistische Betrachtungen. Stuttgart, Ferdinand Enke, 1902. 368 S.","type":"Journal Article","volume":"34"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:36:37.323591+00:00"}