Open Access
{"created":"2022-01-31T16:34:45.434933+00:00","id":"lit32905","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meinong, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 1-80","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n(Aus dem psychologischen Laboratorium der Universit\u00e4t Graz.)\nBemerkungen\n\u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\nVon\nA. Meinong.\n(Mit 4 Figuren im Text.)\n\u00a7 2. \u00a7 3. \u00a7 4.\n\u00a7 5-\u00a7 6. \u00a7 7. \u00a7 8* \u00a7 9.\n! 10.\n\u00a7 H-\u00a7 12.\n\u00a7 13. \u00a7 14. \u00a7 15. \u00a7 16. \u00a7 17. \u00a7 18.\nEinleitendes\nInli alt.\nSeite\n2\nErster Abschnitt.\nVom psychologischen Farbenk\u00f6rper.\nFarbengeometrie und Farbenpsychologie...................\nApriorisches an unserem Wissen vom Farbenk\u00f6rper ....\nAnteil der psychologischen Empirie .................*\t\u2022\nDer Farbenraum und seine Dimensionen ........\nDie Farbenelemente und die psychologische Farbenmischung\nIn Sachen der \u201espezifischen Helligkeit\u201c.................\nDer Farbenk\u00f6rper und die Farbentheorien.................\nZu F. Exnees Bestimmung der HELMHOLTZSchen Grundempfin\nd\u00fcngen .................................................\nErgebnisse..............................................\n3\n5\n8\n11\n18\n26\n32\n35\n39\nZweiter Abschnitt.\nVon der Farbenmischung.\nDas Mischungsgesetz in erstem Entw\u00fcrfe...............\nDas Mischungsgesetz in zweitem Entw\u00fcrfe .......\nDas TALBOTSche Gesetz........................\nBinokulare Farbenmischung. Mischung von Nachbarfarben\nDas reine und das modifizierte Mischungsgesetz.......\nDie Sonderstellung der Helligkeit............\nZur Pr\u00e4zisierung des Quantit\u00e4tsmomentes..............\nAllgemeines und Zusammenfassendes \u00fcber Farbenmischung\n40\n46\n49\n57\n61\n64\n67\n74\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 33.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nA. Meinong.\n\u00a7 1. Einleitendes.\nEs ist weder Zufall noch unangebrachte Bescheidenheit, wenn ich die nachfolgenden Mitteilungen blofs als \u201eBemerkungen\u201c einf\u00fchre. Die Fragen, denen sie gewidmet sind, haben sich mir buchst\u00e4blich aufgedr\u00e4ngt fast wider meinen Willen, weil zu einer Zeit, die ich auf ganz andere Aufgaben zu wenden dachte;: und nichts zu suchen war bei der Besch\u00e4ftigung mit diesen Fragen zun\u00e4chst mein Sinn, als jenes Ausmafs von Klarheit, das die Zuh\u00f6rer meines eben im Zuge befindlichen Kollegs \u00fcber Experimentalpsychologie billig von mir erwarten durften. Nichts lag mir also ferner als der Plan einer monographischen Bearbeitung der durch obigen Titel namhaft gemachten Gegenst\u00e4nde; und wenn mir nun gleichwohl das, was ich gefunden zu haben meine, der Niederschrift nicht unw\u00fcrdig scheint, so liegt dem doch nur die Hoffnung zu Grunde, dadurch k\u00fcnftigen Bearbeitern ein paar Gedanken zur Nachpr\u00fcfung vorzulegen,, deren Erw\u00e4gung f\u00fcr die Gewinnung eines klareren Einblickes in die nicht ganz einfache Sachlage nicht ohne jeden Wert sein k\u00f6nnte. Mit der Ver\u00f6ffentlichung eine Zeit abzuwarten, bis ich etwa selbst in die Reihe dieser Bearbeiter zu treten in der Lage w\u00e4re, h\u00e4tte einen Aufschub ins v\u00f6llig Unbestimmte zu bedeuten gehabt. Wem sein bisheriges Tun f\u00fcr absehbare Zeit und \u00fcber diese hinaus ganz bestimmte Arbeitswege gewiesen hat, dem steht es nicht mehr frei, sich nach Belieben auf Seitenpfaden aufzuhalten. Aber durch eine rasche photographische Aufnahme andere auf einen Ausblick aufmerksam machen, den vielleicht ein blofser Zufall gerade ihm erschliefst, ist wohl auch dann kein \u00fcberfl\u00fcssiges Beginnen, wenn die Camera, die er gerade zur Verf\u00fcgung hat, nicht die vollkommenste sein sollte. So denke ich es denn auch im Besonderen verantworten zu k\u00f6nnen, wenn der \u201eApparat\u201c im speziell literarischen Sinne des Wortes hei den folgenden Ausf\u00fchrungen ein mangelhafter geblieben ist, so fern es mir liegt, den Wert eines solchen Apparates zu untersch\u00e4tzen. Verdienen die Dinge, die ich hier zu sagen habe, nicht um ihrer selbst willen gesagt und erwogen zu werden, dann verm\u00f6chte auch gr\u00f6fserer Aufwand gelehrten Beiwerkes nicht, ihnen einen besser begr\u00fcndeten Anspruch auf Beachtung zu sichern.\nVon den beiden Abschnitten der nachstehenden Arbeit ist zun\u00e4chst der zweite derjenige, um des willen sie mitgeteilt wird:","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n3\nvielleicht ist aber auch bereits der erste Abschnitt manchem Leser nicht unwillkommen. Dafs darin \u2014 \u00fcbrigens auch im zweiten Abschnitte \u2014 erkenntnistheoretische Gesichtspunkte st\u00e4rker hervortreten, als man nach sonstigem Herkommen von Beitr\u00e4gen zur Farbenlehre erwarten mag, findet hoffentlich seine Rechtfertigung bereits in der besonderen Beschaffenheit der zu untersuchenden Fragen. \u00dcbrigens aber habe ich nun schon oft genug im Dienste der Erkenntnistheorie Psychologie getrieben, um nicht ohne einiges Zutrauen auf Erfolg einmal auch ein wenig Erkenntnistheorie im Dienste der Psychologie treiben zu d\u00fcrfen.\nErster Abschnitt.\nTom psychologischen Farbenk\u00f6rper.\n\u00a7 2. Farbengeometrie und Farbenpsychologie.\nEs ist ohne Zweifel zum Teil der relativ geringen Leistungsf\u00e4higkeit unseres Intellektes auf dem Gebiete der Farben beizumessen, dafs die Einsichten, welche zur Aufstellung des Farbenk\u00f6rpers gef\u00fchrt und in der ihm erteilten Gestalt ihren anschaulichsten Ausdruck gefunden haben, f\u00fcr ein St\u00fcck Psychologie gelten.\nVon Natur sind die Farben so wenig psychisch wie die Orte oder selbst die Zahlen ; und so wenig Geometrie oder Arithmetik deshalb Psychologie ist, weil die Gr\u00f6fsen, mit denen sie operiert und deren Relationen sie feststellt, zu diesem Ende nat\u00fcrlich vorgestellt werden m\u00fcssen, so wenig ist es an und f\u00fcr sich bereits Psychologie, wenn man feststellt, dafs die Farben eine mindestens dreidimensional ausgedehnte Mannigfaltigkeit ausmachen, dafs innerhalb jeder dieser Dimensionen prinzipiell unabh\u00e4ngige Variabilit\u00e4t gegen\u00fcber den \u00fcbrigen Dimensionen besteht u. s. f. Das ist Farbengeometrie, und zwar eine von genau der n\u00e4mlichen apriorischen Erkenntnisdignit\u00e4t wie die eigentliche Geometrie : hier wie dort entscheidet nicht die Existenz, sondern die Beschaffenheit der bearbeiteten Gegenst\u00e4nde1, \u2014 hier wie dort hat man es mit Teilen einer in ihrer Totalit\u00e4t erst der An-\n1 Vgl. meine Ausf\u00fchrungen \u201e\u00dcber Annahmen\u201c. Diese Zeitschrift, Erg\u00ab-Bd. II, S. 193.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\t\u25a0 \u00c2. Meinong.\nErkennung bed\u00fcrftigen Disziplin zu tun, f\u00fcr die mir die Bezeichnung \u201eGegenstandstheorie\u201c in besonderem Mafse charakteristisch scheint und an deren Ausarbeitung in ihren aufser-mathematischen Partien in erster Linie die Erkenntnistheorie interessiert sein wird.1\nDafs es nun aber doch keine Farbenwissenschaft gibt, die man der Baumwissenschaft zur Seite stellen k\u00f6nnte, das liegt sicher nicht etwa an allzu geringem Interesse f\u00fcr das Beich der Farben, auch schwerlich an allzu geringer Komplikation der\neigenartigen Tats\u00e4chlichkeiten dieses Gebietes, sondern einfach\n\u2022 \u2022\nan unserer Unf\u00e4higkeit, \u00c4hnlichkeiten, Abst\u00e4nde und Bichtungen hier mit eben solcher Leichtigkeit und Sicherheit zu erfassen wie etwa im B\u00e4umlichen. So hat die Farbenlehre in ihrem apriorischen Teile bisher nur recht kleine Schritte nach vorw\u00e4rts zu machen vermocht, und was die theoretische Forschung hier erreicht hat, ist viel zu d\u00fcrftig, um eine Wissenschaft f\u00fcr sich auszumachen. Dagegen mufs auch das Wenige dem willkommen sein, dem es um die Beschreibung unseres psychischen Geschehens, also auch unseres Wahrnehmens und Einbildens zu tun ist und zwar nicht nur um die Beschreibung dessen, was unsere Vorstellungen miteinander gemein haben, sondern auch dessen, was sie differenziert. Das liegt aber nicht nur darin, dafs wir einmal empfinden, ein ander Mal \u201eblofs vorstellen\u201c, d. h. einbilden oder phantasieren, sondern vor allem auch in dem, was wir empfinden resp. phantasieren. Im Gegenst\u00e4nde unserer Vorstellungen erfafst die Psychologie deren Inhalt2; insofern ist auch der eigent\u00fcmliche Komplex solcher Gegenst\u00e4nde, der die Farbenmannigfaltigkeit ausmacht, Sache der Psychologie und der Farbenk\u00f6rper ein psychologischer.\nAuf diese einfachen Voraussetzungen baut sich eine ver-wickeltere erkenntnistheoretische Sachlage, als man auf den ersten Blick glauben m\u00f6chte. Die psychologische Empirie gibt hier ein Material her, das einer apriorischen Behandlung f\u00e4hig und bed\u00fcrftig ist: aber die apriorische Behandlung greift auch\n1\tEinige erste Schritte auf diesem Gebiete versuchen aufser mehreren Kapiteln des erw\u00e4hnten Buches \u201e\u00dcber Annahmen\u201c die Abhandlung \u201e\u00dcber Gegenst\u00e4nde h\u00f6herer Ordnung und ihr Verh\u00e4ltnis zur inneren Wahrnehmung\u201c in Bd. 21 dieser Zeitschrift, sowie andere dort angezogene Arbeiten.\n2\t\u201e\u00dcber Gegenst\u00e4nde h\u00f6herer Ordnung etc.\u201c a. a. O. S. 185ff.'","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\t0\nhier wie sonst \u00fcber das ihr von der Erfahrung Gebotene hinaus und so findet man sich alsbald vor die Frage gestellt, ob man im Farbenk\u00f6rper ein Gebilde vor sich hat, das, obwohl gleich all unserem sonstigen geistigen Besitz in gewissem Sinne der Empirie entnommen und auf diese anwendbar, nun doch ganz und gar auf dem Boden des Apriori steht wie die Mathematik; oder ob dieses Gebilde doch auch noch in dem genaueren Sinne \u201epsychologisch\u201c hebst und heifsen darf, weil ihm die Aufgabe gestellt ist, nicht die Gesamtheit aller m\u00f6glichen, sondern blofs die aller wirklichen Farben zu umfassen, diejenigen n\u00e4mlich, die in unserem Vorstellungsleben tats\u00e4chlich Vorkommen.\n\u00a7 3. Apriorisches an unserem Wissen vom\nFarbenk\u00f6rper.\nWer etwa schon vorg\u00e4ngig zur zweiten der eben nebeneinander gestellten Auflassungen hinneigt, wird sich hierin vor allem nicht durch den Umstand best\u00e4rken lassen d\u00fcrfen, dafs man sich zur Beantwortung offener Fragen auch hier leicht genug auf das experimentelle Verfahren angewiesen findet.1 Das Experiment hat, auch wenn es kein blofs didaktisches Experiment ist, nicht jedesmal Induktionsinstanzen zu schaffen: es kann der Forschung nicht minder wesentliche Dienste leisten, wenn es Umst\u00e4nde herbeif\u00fchrt, welche dem Zustandekommen der erforderlichen Einsichten, die dann immer noch apriorischer Natur sein k\u00f6nnen, besonders g\u00fcnstig sind. Dafs man aber in der Farbengeometrie solcher k\u00fcnstlicher Hilfen weit eher und zur Erzielung viel bescheidenerer Erfolge bedarf als in der Raumgeometrie, darin tritt nun wieder der um so viel niedrigere Grad unseres nat\u00fcrlichen K\u00f6nnens in der ersteren Hinsicht zu Tage.\nWeit nachdr\u00fccklicher mufs es dagegen f\u00fcr eine sozusagen empiristische Auffassung des Farbenk\u00f6rpers sprechen, wenn die eben wieder erw\u00e4hnte Schwerf\u00e4lligkeit im Erfassen der Farbenrelationen geradezu das Versagen der betreffenden apriorischen Evidenzen mit sich f\u00fchrt. Doch ist auch in dieser Hinsicht nicht alles gleich beweisend, und einen meines Erachtens nicht be-\n1 Vgl. K. Zindler: \u201e\u00dcber r\u00e4umliche Abbildungen des Kontinuums der Farbenempfindungen und seine mathematische Behandlung\u201c, diese Zeitsehr. 20,: besonders S 10 f.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nA. Meinong.\nweisenden Fall mufs ich hier wegen einiger wichtigen Konsequenzen, auf die sp\u00e4ter noch zur\u00fcckzukommen sein wird, ausdr\u00fccklich zur Sprache bringen.\nIch meine die Position der Komplement\u00e4r- oder Kontrastfarben auf dem Farbenk\u00f6rper. Kontrast im Sinne von Gegens\u00e4tzlichkeit zwar ist auch bei den Farbent\u00f6nen apriorisch einzusehen : dafs ein gewisses Kot einem gewissen Gr\u00fcn, ein gewisses Gelb einem gewissen Blau als Farbe gr\u00f6fsten Abstandes gegen\u00fcbersteht, so dafs alle \u00fcbrigen Farbent\u00f6ne geringere Verschiedenheit davon aufweisen, das vermag ich innerhalb ausreichend bescheidener Zuverl\u00e4ssigkeitsgrenzen sicher aus der Natur der verschiedenen Farbent\u00f6ne und insofern apriori einzusehen. Wie steht es aber mit der zentralen Position des Grau zwischen diesen Gegens\u00e4tzen ? Dafs man von Rot zu Grau gelangen kann, ohne die Richtung zu \u00e4ndern, ist freilich einleuchtend, nicht minder, dafs der Weg von Gr\u00fcn zu Grau ein geradliniger ist. Habe ich aber auch eine Einsicht darein, dafs die eine der beiden Geraden in der Verl\u00e4ngerung der anderen liegt, dafs ich also, wenn ich den von Rot nach Grau f\u00fchrenden Weg in unver\u00e4nderter Richtung fortsetze, nach Gr\u00fcn gelangen mufs ? Es fehlt sonst keineswegs an Einsichten in Betreff Richtungs\u00fcbereinstimmung und RichtungsVerschiedenheit am Farbenk\u00f6rper, die man unbedenklich als apriorisch in Anspruch nehmen darf : dafs die Verbindungslinie von Rot und Orange nach Gelb, die von Rot und Violett nach Blau f\u00fchrt, dagegen diese beiden Verbindungslinienuntereinander keineswegs einen gestreckten Winkel ausmachen, das ist ohne weiteres einzusehen. Dafs dem aber unser intellektuelles Verhalten zur Rot - Grau - Gr\u00fcn - Linie auch g\u00fcnstigsten Falles nicht wohl zur Seite zu stellen ist, dar\u00fcber kann kaum ein Zweifel auf kommen, und es fragt sich dann eigentlich nur, ob, was uns sonach unmittelbar schwerlich ausreichend evident zu werden vermag, mindestens mittelbar evident zu machen ist, ohne die Bahnen apriorischer Erw\u00e4gung zu verlassen.\nDie Erkenntnislage, die man hier vor sich hat, ist jedenfalls eigenartig genug, um schon deshalb nicht unbeachtet bleiben zu d\u00fcrfen. Davon aber, dafs es sich auch hier um Tats\u00e4chlichkeiten handelt, die in der Beschaffenheit der betreffenden chromatischen Farben einerseits, des Grau andererseits ihre nat\u00fcrliche Begr\u00fcndung haben, anders ausgedr\u00fcckt also von der Apriorit\u00e4t der","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\t7\nfraglichen Erkenntnisse wird man doch nicht wohl abgehen k\u00f6nnen, schon deshalb nicht, weil unerfindlich ist, wie eine empirische Legitimation hier beschaffen sein k\u00f6nnte, man m\u00fcfste\ndenn in dem Umstande, dafs zwischen den chromatischen und\n\u2022 \u2022\nachromatischen Farben die verschiedensten \u00dcberg\u00e4nge als S\u00e4ttigungsstufen der ersteren wirklich Vorkommen, den empirischen Beweis f\u00fcr die M\u00f6glichkeit dieser \u00dcberg\u00e4nge ansprechen, in welchem Falle aber die so erwiesene M\u00f6glichkeit erst recht keine empirische, sondern zugleich eine apriorische M\u00f6glichkeit sein m\u00fcfste. \u00dcberdies gelangen wir so zwar zu einer leidlichen unmittelbaren Einsicht darein, dafs die Weifs-Schwarz-Linie eine Art Mittelstellung zwischen den chromatischen Farben einnimmt, keineswegs aber darein, dafs die Verbindungslinien der Kontrastfarben sich in der Weifs-Schwarz-Linie schneiden m\u00fcssen. Meinen wir gleichwohl ein gutes Recht zu haben, dies zu behaupten, so kann es sich dabei nicht wohl um anderes als um ^eine Legitimation durch mittelbare Evidenz handeln, die mir noch am ehesten durch eine Erw\u00e4gung wie die folgende erreichbar scheint.\nSoll etwa Rot eine Ab\u00e4nderung erfahren, ohne seine Stellung zwischen Gelb und Blau zu \u00e4ndern, so kann es sich, von der Helligkeit abgesehen, nur in der Rot-Grau-Linie bewegen, ebenso unter analogen Voraussetzungen Gr\u00fcn nur in der Gr\u00fcn-Grau-Linie. Da es sich aber f\u00fcr beide Linien um das n\u00e4mliche Gelb und das n\u00e4mliche Blau handelt1, so k\u00f6nnen diese Linien nicht wohl etwas anderes als eine Gerade ausmachen. Analoges l\u00e4fst sich cum grano salis von anderen Kontrastfarben ausf\u00fchren: dafs aber dann der eigentliche Komplementarismus, das charakteristische Verhalten der Kontrastfarben bei der Farbenmischung, sich aus dem Mischungsgesetze deduzieren l\u00e4fst, davon mufs weiter unten 2 noch ganz ausdr\u00fccklich die Rede sein.\nOb freilich die hiermit versuchte Beweisf\u00fchrung allen Anforderungen theoretischer Strenge Gen\u00fcge leistet, mag nicht \u00fcber\njedem Zweifel stehen: wichtiger noch ist vielleicht, dafs wir die\n\u2022 \u2022\ndurch diesen Beweis erst zu rechtfertigende \u00dcberzeugung bereits\n1\tSp\u00e4tere Aufstellungen (vgl. unten S. 17) vorwegnehmend, k\u00f6nnte man pr\u00e4ziser sagen : \u201eum die unver\u00e4nderte Distanz von der n\u00e4mlichen Gelb- resp. Blauebene\u201c oder auch (vgl. S. 23 f.) \u201eum Festhaltung des Ne\u00fctralit\u00e4ts wertes der Gelb-Blau-Dimension\u201c.\n2\tVgl. S. 42 ff.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nA. Meinong.\nvor dem Beweise haben. Das weist doch a\u00fcf das Vorhandensein einer unmittelbaren Evidenz hin, die nur vielleicht wieder wegen unserer geringen Gewandtheit im Operieren mit den eigenartigen Gegenst\u00e4nden des Farbengebietes nicht in v\u00f6lliger Reinheit zur Geltung kommt Wie viel aber in dieser Sache auch noch zu kl\u00e4ren sein mag, soviel wird festgehalten werden d\u00fcrfen, dafs auch hier das Gebiet apriorischen, wenn auch wie immer unvollkommenen Erkennens noch nicht \u00fcberschritten erscheint.\n\u00a74. Anteil der psychologischen Empirie.\nNun gibt es aber auch noch Bestimmungen am Farbenk\u00f6rper, f\u00fcr die uns nicht nur unmittelbare und, wie wir ohne Gefahr sogleich hinzuf\u00fcgen k\u00f6nnen, auch mittelbare Evidenz von apriorischem Charakter fehlt, sondern denen geradezu eine apriorische Evidenz f\u00fcr die M\u00f6glichkeit auch anderen Verhaltens gegen\u00fcbersteht. Der Farbenk\u00f6rper ist selbstverst\u00e4ndlich begrenzt wie ein wirklicher K\u00f6rper : gibt es aber einen a priori einleuchtenden Grund, die Gesamtheit der m\u00f6glichen Farben f\u00fcr begrenzt und insbesondere f\u00fcr gerade so begrenzt zu halten, wie es etwa von H\u00f6fleb 1 oder noch besser, wie es von Ebbinghaus 2 abgebildet wird?\nWas vor allem die Begrenztheit anlangt, so liegt es freilich nahe, sie durch die Berufung darauf zu begr\u00fcnden, dafs nichts weifser als Weifs und nichts blauer als Blau sein k\u00f6nne, \u2014 ohne Zweifel eine apriorische Erw\u00e4gung. Aber ist diese wirklich so selbstverst\u00e4ndlich, als sie auf den ersten Blick aussehen mag? Sicher ist einmal jedenfalls, dafs dieses Weifs oder Blau, auf das sie sich beruft, noch niemand gesehen hat, oder mit anderen Worten, dafs niemand eine bestimmte Farbe f\u00fcr eine solche Grenzfarbe zu erkl\u00e4ren sich f\u00fcr befugt halten wird. Dieser Stand unseres empirischen Wissens ist nun freilich gerade f\u00fcr allf\u00e4lliges apriorisches Erkennen nicht von zwingender Bedeutung,\n\u2014 um so mehr aber die Frage, woher ich denn eigentlich die\n\u2022 \u2022\n\u00dcberzeugung gewinnen soll, dafs ein Fortschritt von innen nach aufsen hier zu einem Ende f\u00fchren m\u00fcsse. Wer freilich das fragliche Weifs als dasjenige definiert, das gar kein Schwarz,,\n1\tPsychologie S. 113 Fig. 12, dazu das instruktive Modell hei H\u00f6fler-Witasek: \u201ePsychologische Schulversuche\u201c, II. AufL, S. 5.\n2\tGrundz\u00fcge der Psychologie I, S. 184, Fig. 15.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n9\ndas fragliche Blau als dasjenige, das gar kein Grau in sich enth\u00e4lt, mag hoffen, dadurch eine Grenze gegen\u00fcber jenem Weifs und Blau gesteckt zu haben, das dieser Bedingung noch nicht gem\u00e4fs ist. Aber wie schon oft betont worden ist und noch zu ber\u00fchren sein wird, genau genommen, enth\u00e4lt keine Farbe eine andere in sich, jede ist vielmehr anderen Farben nur mehr oder weniger \u00e4hnlich resp. von ihnen verschieden : worin l\u00e4ge aber die B\u00fcrgschaft daf\u00fcr, dafs jene \u00c4hnlichkeit irgend einmal Nullwert erreichen, diese Verschiedenheit \u00fcber einen Maximalwert nicht hinausgehen k\u00f6nnte?\nDer wichtigen Unterscheidung G. E. M\u00fcllebs zwischen \u201eprinzipiell begrenzten\u201c und \u201eprinzipiell unbegrenzten Qualit\u00e4tenreihen\u201c 1 m\u00f6chte ich darum so wenig widersprechen wie dessen Behauptung im besonderen, dafs die Qualit\u00e4ten des Gesichtssinnes als prinzipiell begrenzte zu betrachten sind.2 3 F\u00fcr unsere gegenw\u00e4rtige Fragestellung kommt aber alles auf die Natur der Gr\u00fcnde an, die in dieser Sache entscheidend sind. Zun\u00e4chst beruft sich M\u00fclles darauf, dafs \u201eder Fortschritt in allen jenen Qualit\u00e4tenreihen, die vom Schwarz zum Weifs, vom Weifs zum Bot, vom Gr\u00fcn zum Blau u. s. w. f\u00fchren, .... durch die von Glied zu Glied stattfindende Abnahme der \u00c4hnlichkeit zum An-fangsgliede und Zunahme der \u00c4hnlichkeit zum Endgliede vollst\u00e4ndig charakterisiert\u201c sind.0 Ohne Zweifel handelt es sich hier um Anfangs- und Endglieder, die dem Vergleiche zug\u00e4nglich sind, also um wirkliche, nicht blofs m\u00f6gliche. Wie sie gegeben sind, bedarf wohl noch der n\u00e4heren Untersuchung: schwerlich als Empfindungen resp. deren Reproduktionen, und dafs die Phantasie hier die Grenzen der Empfindung durch Produktion anschaulicher Vorstellungen erheblich sollte \u00fcberschreiten k\u00f6nnen,, wird auch kaum zu glauben sein. Jedenfalls ist der Unterschied der Sachlage gegen\u00fcber der bei der Tonreihe handgreiflich und wohl nicht nur wegen des Fehlens einer Analogie zur Oktavent\u00e4uschung: wir haben etwas wie ein anschaulich erfafstes Ideal von Weifs und Schwarz, Pot und Blau etc. nicht aber ein eben solches Ideal des h\u00f6chsten und tiefsten Tones. Wie dem aber auch sei, das letzte Glied ist ein psychologisch Gegebenes, und\n1\t\u201eZur Psychophysik der Gesichtsempfindungendiese Zeitschr. 10, S. 34 ff.\n2\ta. a. O. S. 46 ff.\n3\ta. a. 0. S. 46.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nA. Meinong.\ndie prinzipielle Begrenztheit betrifft ein Wirkliches, nicht ein M\u00f6gliches. Das wird nun vollends deutlich durch M\u00fcllers zweiten Grund, der kein anderer ist als die G\u00fcltigkeit des Mischungsgesetzes.1 Wie sich zeigen wird, liegt gerade mir nichts ferner als die Tendenz, das Apriorische am Mischungsgesetze zu vernachl\u00e4ssigen. Aber dieses Gesetz, obwohl es doch von Wirklichkeiten handelt, in seiner Totalit\u00e4t f\u00fcr aufserempirisch zu erkl\u00e4ren, daran kann doch niemand denken. Das Mischungsgesetz hat ohne Zweifel ein apriorisches Moment an sich: als Ganzes aber bleibt es ein empirisches Gesetz, und was daraus gefolgert wird, kann normalerweise auch nicht wohl etwas anderes als ein die Wirklichkeit Betreffendes sein. Zusammenfassend also : die Qualit\u00e4tenreihen des Gesichtssinnes halte auch ich f\u00fcr \u201eprinzipiell begrenzt\u201c : das gilt aber nur von den wirklichen, psychologisch gegebenen, nicht von allen m\u00f6glichen dem Farbengebiete zugeh\u00f6rigen Qualit\u00e4tenreihen.\nZu demselben Ergebnisse wie in Betreff der Begrenztheit des Farbenk\u00f6rpers im allgemeinen gelangt man nun auch in Betreff der genaueren Bestimmungen dieser Begrenztheit. Dafs die von Orange nach Gelb gezogene Linie hier gegen Gr\u00fcn umbiegt, ist freilich unangreifbar und auch a priori evident: nicht evident aber ist, dafs man bei Gelb gegen Gr\u00fcn umbiegen mufs und nicht etwa in der von Orange her eingeschlagenen Richtung weitergehen kann. Unsere Phantasie freilich l\u00e4fst uns, wenn wir uns das anschaulich vorstellen wollen, durchaus im Stiche : aber das ist eben nur jene Art des Nicht - denken - k\u00f6nnens, von der ich schon vor Jahren gezeigt habe2, dafs sie mit dem Nicht-sein-k\u00f6nnen ganz und gar nichts zu tun hat. Dafs dann sozusagen noch weniger aus der Natur der Farbenmannigfaltigkeit einzusehen sein wird, warum die Kanten des Farbenk\u00f6rpers gerade oder nahezu gerade, die Fl\u00e4chen desselben eben oder nahezu eben sein m\u00fcssen, versteht sich. Kurz, der Farbenk\u00f6rper kann nicht als das Ergebnis blofs apriorischer Erkenntnis angesehen werden : hat er gleichwohl seinen guten Sinn, so mufs dieser teilweise durch die Empirie legitimiert sein.\nWelcher Art aber diese Empirie ist, kann nat\u00fcrlich nicht zweifelhaft sein. Nicht alle m\u00f6glichen Daten des Farbengebietes\n1\ta. a. O. S. 47.\n2\tHume - Studien 2, S. 112 ff.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n11\nwill der Farbenk\u00f6rper umfassen, sondern nur alle sozusagen uns m\u00f6glichen, alle unserem Empfinden und Einbilden zug\u00e4nglichen. Wie weit aber unser K\u00f6nnen in dieser Richtung geht, dar\u00fcber vermag zuletzt nur die innere Erfahrung Aufschlufs zu geben. Nat\u00fcrlich wird es sich dabei nicht um blofses Verbuchen dieser Erfahrungen, sondern auch um ein Verarbeiten derselben handeln. Wer insbesondere in der \u201ereinen\u201c und in der \u201eges\u00e4ttigten\u201c Farbe die oben ber\u00fchrten Ideale erfafst und in diesen die nat\u00fcrlichen Enden der \u201eprinzipiell begrenzten\u201c Farbenreihen erkannt hat, wird in Betreff dieser Reihen dann durch zweifellos wheder apriorische Folgerungen aus ihrer Natur sicher der direkten Empirie zu Hilfe zu kommen und die so gewonnenen Ergebnisse im Farbenk\u00f6rper zur Geltung zu bringen versuchen. Aber entscheidend ist bei alledem am Ende immer die Beschaffenheit desjenigen Rot, Blau, Weifs etc., das eben wir empfinden oder sonst vorstellen : insofern bleibt der Farbenk\u00f6rper zuletzt doch die, gleichviel in welchem Mafse theoretisch pr\u00e4zisierte und schematisierte Darstellung des psychologisch Wirklichen; er ist also in der Tat in dem oben 1 in Aussicht genommenen Sinne ein \u201epsychologischer\u201c Farbenk\u00f6rper auch in besonders strenger Wortbedeutung.\n\u00a7 5. Der Farben raum und seine Dimensionen.\nDas so gewonnene Ergebnis wird insbesondere nach zwei Richtungen nicht mifsverstanden werden d\u00fcrfen. Vor allem hat es jederzeit f\u00fcr einen Teil der theoretischen Bearbeitung eines durch die Empirie gegebenen Tatsachenmaterials gegolten, auch seinen a priori erkennbaren Eigent\u00fcmlichkeiten gerecht zu wrerden. Es spricht also in keiner Weise gegen das bisher Dargelegte, hat \u00fcberdies schon in den obigen Ausf\u00fchrungen wiederholt ausdr\u00fcckliche Anerkennung gefunden, dafs der Farbenk\u00f6rper der Gegenstand von Feststellungen werden kann, bei deren Gewinnung das Vorgehen \u201emore geometrico\u201c nicht zu verkennen ist.2 3 Und wenn insbesondere K. Zindleb, die in der Mathematik so wohlbew\u00e4hrte Arbeitsweise ihrer Strenge wie ihren Methoden nach auf das Farbengebiet \u00fcbertragen w\u00fcnscht8, so wird man ihm\n1\tVgl. \u00a7 2 am Ende.\n2\tVgl. K. Zindler: \u201e\u00dcber r\u00e4umliche Abbildungen des Kontinuums der Farbenempfindungen\u201c a. a. 0. \u00a7 1, 4, 6.\n3\ta. a. 0.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"A. Meinong.\nf\u00fcr den Nachdruck, mit dem er seine ebenso korrekte als voraussichtlich fruchtbare Forderung vertreten hat, nur Dank wissen k\u00f6nnen. Nur wird man nicht aufser acht lassen d\u00fcrfen, wie wenig die wiederholt ber\u00fchrte Unvollkommenheit unserer intellektuellen Veranlagung sich der Erf\u00fcllung dieser Forderung g\u00fcnstig erweist. Jedenfalls w\u00e4re nicht abzusehen, warum die Psychologie bis zur Gewinnung vollkommeneren Wissens auf die Einsichten verzichten sollte, die dem einstweilen mehr anschaulichen als begrifflichen Erfassen der Beziehungen zwischen den verschiedenen Farben entspringen, auch wohl aus dem Raumgleichnis eines ihnen entsprechenden k\u00f6rperlichen Gebildes wieder, wenn auch vielleicht nicht ohne jede Irrtumsgefahr, herausgelesen werden k\u00f6nnen.\nFerner aber ist das oben Dargelegte nicht etwa so zu verstehen, als ob darum alles, was aus dem Farbenk\u00f6rper zu entnehmen ist, lediglich auf die Besonderheiten eben dieser psychologischen Empirie zur\u00fcckginge. Wie jeder eigentliche K\u00f6rper, so ist auch der Farbenk\u00f6rper im Raume und partizipiert an dessen Eigenschaften ; den hier in Betracht kommenden Raum aber ganz ausdr\u00fccklich als Farbenraum zu bezeichnen und als das eigentliche Objekt apriorischer Farbenerkenntnis dem Farbenk\u00f6rper als dem Objekt der einschl\u00e4gigen, im Prinzip empirischen Feststellungen ganz grunds\u00e4tzlich gegen\u00fcberzustellen, k\u00f6nnte, wenn ich recht sehe, \u00fcber manche Schwierigkeit hinweghelfen. Insbesondere m\u00f6chte dadurch die Gefahr, wenn nicht beseitigt, so doch einigermafsen ferner ger\u00fcckt sein, die Dimensionen des Farbenraumes von speziellen Bestimmungen am Farbenk\u00f6rper nicht ausreichend auseinander zu halten und ich will sogleich unten kurz zu zeigen versuchen, dafs hieraus f\u00fcr eines der bisher immer noch wenigstgekl\u00e4rten Gebiete der Farbentheorie, ich meine die Lehre von der Helligkeit, einiges zu gewinnen w\u00e4re. Ein paar allgemeinere Erw\u00e4gungen m\u00f6gen uns den Weg dazu bahnen.\nWenn man vom Farbenk\u00f6rper redet im Gegens\u00e4tze zur Farbenfl\u00e4che oder -Linie, so will man damit geradezu nichts anderes sagen, als dafs es sich da um ein wenigstens dreidimensionales Gebilde handle. Weil aber andererseits an den Farben die drei Momente Farbenton, Helligkeit und S\u00e4ttigung sich auffallend genug als ihnen allen gleich charakteristisch geltend machen, so liegt es nahe, in diesen drei Momenten nichts anderes","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 13\nals jene drei Dimensionen zu sehen. F\u00fcr zwei dieser Bestimmungen ist die hierin liegende Unrichtigkeit ohne weiteres ersichtlich zu machen. Der Farbenton vor allem kann unm\u00f6glich eine Dimension sein, da die Ver\u00e4nderungen des Farbentones ja doch in zwei Dimensionen verlaufen, so gewifs eine in sich geschlossene Linie in Einer Dimension keinen Platz findet. Die S\u00e4ttigung aber kann dem Farbentone nicht als besondere Dimension zur Seite gestellt werden, weil sie, falls Grau wirklich in die Mitte des Farbenk\u00f6rpers geh\u00f6rt, f\u00fcr verschiedene Farbent\u00f6ne in mehr als Einer Dimension variiert, genauer in denselben zwei Dimensionen, die bereits f\u00fcr die Mannigfaltigkeit der Farbent\u00f6ne unerl\u00e4fslich sind.\nWas dagegen die Helligkeit anlangt, so m\u00f6chte ich keineswegs bestreiten, vielmehr gerade betonen, dafs ihr Name der Ausdruck einer Dimension ist, daraus aber zugleich die Konsequenz ziehen, dafs sie selbst nicht nur den Farbenk\u00f6rper, sondern den ganzen Farbenraum betrifft. Sie f\u00e4llt darum keineswegs zusammen mit der Weifs-Schwarz-Linie, obwohl diese ganz und gar in dieser Dimension verl\u00e4uft. Man erkennt dies deutlich daran, dafs auch die chromatischen Farben jederzeit auf eine Position zwischen Weifs und Schwarz nat\u00fcrlichen Anspruch haben und zwar nicht etwa verm\u00f6ge ihres achromatischen Anteils: denn denkt man sich diesen so unbetr\u00e4chtlich, als man nur irgend kann, also die betreffende Farbe der idealen S\u00e4ttigung so nahe als irgend m\u00f6glich, so wird dadurch der Anspruch auf jene Position doch in keiner Weise zweifelhaft. Und dafs Helligkeit mit Weifs-\u00c4hnlichkeit oder Weifslichkeit sicher nicht zusammenf\u00e4llt, dar\u00fcber belehrt uns jede der Kugelfl\u00e4chen, die man sich vom Weifspunkte aus mit beliebigem, die Gr\u00f6fse der Distanz von Weifs, daher auch die Weifslichkeit repr\u00e4sentierenden Halbmesser in den Farbenk\u00f6rper eingetragen denken kann. Denn verschiedene Punkte einer solchen Fl\u00e4che bedeuten um so gr\u00f6fsere Helligkeiten, je weiter sie von der Weifs-Schwarz-Linie entfernt sind. Wer aber meinte, es komme eben nicht auf die Distanz von Weifs allein, sondern auch auf die von Schwarz an, der h\u00e4tte den in seiner relativen Einfachheit auch noch relativ plausiblen Gedanken der Identit\u00e4t von Helligkeit mit Weifslichkeit durch einen so k\u00fcnstlichen ersetzt, dafs dar\u00fcber auch aller Schein zu seinen Gunsten verloren gegangen w\u00e4re.\nF\u00e4llt sonach Weifs nicht mit Hell, Schwarz nicht mit Dunkel","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nA. Meinong.\nzusammen, so hat es doch einen guten Sinn, die Weifs- Schwarz-Linie den Hauptrepr\u00e4sentanten der Helligkeitsdimension zu nennen, und die Konzeption dieses Begriffes kann uns nun vielleicht auch zur genaueren Pr\u00e4zisierung der beiden anderen Dimensionen des Farbenraumes behilflich sein, bez\u00fcglich derer uns die Ausdr\u00fccke des t\u00e4glichen Lebens nicht in gleichem Mafse zu statten kommen. Vorab sei auch noch darauf hingewiesen, dafs sich die Natur der Helligkeit als Dimension auch darin verr\u00e4t, dafs es Farben gibt, die trotz Verschiedenheit des Tones und der S\u00e4ttigung gleiche Helligkeit aufweisen. Die unter Umst\u00e4nden ziemlich bescheidene Sicherheit, mit der diesbez\u00fcgliche Urteile gef\u00e4llt werden k\u00f6nnen, betrifft nur die Erkennbarkeit dieser Tatsache, kann aber an der Tatsache selbst keinen berechtigten Zweifel begr\u00fcnden. Dafs Farben gleicher Helligkeit im Farbenraume in eine Ebene zu stehen kommen werden, die auf der Helligkeitsdimension selbst, genauer auf ihrem Hauptrepr\u00e4sentanten, senkrecht steht, versteht sich, nicht minder, dafs es solcher Ebenen unendlich viele geben mufs : ich will dieselben f\u00fcr unseren n\u00e4chsten Zweck als Helligkeitsebenen bezeichnen, um daran die Frage zu kn\u00fcpfen, ob es im Farbenraume nicht noch andere Ebenen von verwandten Eigenschaften gibt, aus deren Lage dann die Lage der noch unbestimmten beiden anderen nat\u00fcrlichen Dimensionen des Farbenraumes erschlossen werden k\u00f6nnte.\nIch gehe dabei wieder zun\u00e4chst von Tatsachen des Sprachgebrauches aus. Kann man, obwohl Helligkeit keine Gr\u00f6fse ist, von heller und weniger hell sowie von gleich hell reden, so auch etwa von r\u00f6ter und weniger rot sowie von gleich rot. Zugleich k\u00f6nnte selbstverst\u00e4ndlich scheinen, dafs als gleich rot Farben zu qualifizieren sein werden, die vom Rotpunkte am Farbenk\u00f6rper gleich weit abstehen. Man wird damit wieder auf Kugelfl\u00e4chen gef\u00fchrt, wie uns deren oben bereits mit Bezug auf den Weifspunkt als Zentrum begegnet sind. Was sich aber bei Weifs mindestens im grofsen ganzen zu bew\u00e4hren scheint, versagt auffallenderweise bei Rot ganz und gar seinen Dienst, wie man am leichtesten aus folgender Erw\u00e4gung ersehen mag.\nMan denke sich das gleichviel wie ideal verstandene Roteck am Farbenk\u00f6rper festgelegt und dadurch nat\u00fcrlich auch seine Distanz vom Punkte des neutralen Grau bestimmt. Mit dem dieser Distanz entsprechenden Halbmesser konstruiere man","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen Uber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n15\nnun vom Rotpunkte als Zentrum aus in der Ebene, welche diesem Punkte und der Weifs- Schwarz -Linie gemeinsam ist, einen Kreisbogen, der, vom Graupunkte ausgehend, die Rot-Weifs- Kante in einem Punkte P schneidet. Dann sind alle Punkte dieses Bogens vom Roteck gleich weit: im Sinne des eben geltend gemachten Gesichtspunktes ist sonach ihnen allen in gleicher Weise das Pr\u00e4dikat der R\u00f6te zu- oder abzusprechen. Auf dem oben ber\u00fchrten 1 H\u00f6ELEEschen Modell kann man sich die Sache besonders leicht anschaulich machen, da der verlangte Kreisbogen in einer der an diesem Modell durch Zerlegung zu erhaltenden Schnittfl\u00e4chen liegt. Dabei soll von Details, die sich durch Modifikation des Farbenk\u00f6rpers \u2014 etwa im Sinne Ebbinghaus' \u2014 ergeben m\u00fcfsten2, ganz abgesehen werden: so fundamentaler Art w\u00fcrden sie ja gewifs nicht sein, um zu verhindern, dafs der Punkt P eine Farbe repr\u00e4sentierte, die, weil zwischen Rot und Weifs gelegen, als ein r\u00f6tliches Weifs oder weifsliches Rot zu bezeichnen w\u00e4re. Im Gegens\u00e4tze dazu ist der Graupunkt in keinem Sinne rot zu nennen, der Punkt P also sicher \u201er\u00f6ter\u201c als er, womit dargetan ist, dafs nicht das f\u00fcr gleich rot gelten darf, was auf dem Farbenk\u00f6rper vom Rotpunkte gleichen Abstand hat. Vielmehr werden auf unserer Schnittfl\u00e4che diejenigen Punkte als Repr\u00e4sentanten ebenso roter Farben wie P anzusehen sein, die von der Weifs-Schwarz-Linie ebenso weit abstehen wie dieser Punkt, woraus zugleich zu ersehen ist, dafs das, was wir hier als \u201emehr rot\u201c oder \u201eweniger rot\u201c betrachtet haben, wenigstens innerhalb der bisher eingehaltenen Grenzen, mit \u201eges\u00e4ttigter rot\u201c und \u201eminder ges\u00e4ttigt rot\u201c zusammenf\u00e4llt. Und eben um dieses Zusammenfallens willen wflrd man auch ohne weiteres einr\u00e4umen, dafs die hier auf Rot angewendete Betrachtungsweise sich auf jeden beliebigen anderen Farbenton, also auf Gr\u00fcn oder Blau so gut wie auf Orange oder Violett \u00fcbertragen l\u00e4fst.\nNun verschwindet aber die scheinbare Koinzidenz mit der S\u00e4ttigung sofort, wenn man den oben n\u00e4her bestimmten Kreisbogen statt in eine vertikale in eine horizontale Schnittfl\u00e4che des H\u00d6ELEBschen Modelles legt, in die Ebene also, in welche\n1\tVgl. S. 8 Anm. 1.\n2\tVgl. oben S. 8 Anm. 2. Die n\u00e4chste Konsequenz der Schiefstellung der Rot-Gr\u00fcn-Achse w\u00e4re, dafs ein Teil des Kreisbogens sogar jenseits der Weifs - Schwarz - Achse zu liegen k\u00e4me.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nA. Meinong.\naufser dem Granpunkte z. B. die Rot-Gelb-Kante des Farbenk\u00f6rpers zu liegen kommt. Die Punkte auch in diesem Kreisbogen haben keinen Anspruch darauf, f\u00fcr \u201egleich rot\u201d zu gelten : die Farbe aber, die dem Punkte Q zukommt, in dem der Kreisbogen die Rot - Gelb - Kante schneidet, ist nicht etwa als ein Rot von relativ geringer S\u00e4ttigung zu beschreiben, sondern eigentlich gar nicht als Rot, vielmehr als ein Orange, oder wohl auch bereits Gelb-Orange, dem es an S\u00e4ttigung vielleicht gar nicht fehlt, bei dem aber eine gewisse R\u00f6tlichkeit gerade mit zur Charakteristik des Farbentons zu geh\u00f6ren scheint. Nat\u00fcrlich werden auf der jetzt in Betracht kommenden Ebene die Farben gleicher R\u00f6te auch nicht etwa nach dem Abstande von der Weifs-Schwarz - Achse zu bestimmen sein. Aber die Analogie zum ersten Falle bliebe gewahrt, wenn gleich rot wie Punkt Q alle Punkte sind, die in das von hier auf die Rot - Gr\u00fcn - Achse des H\u00f6FLEsschen Modells gef\u00e4llte Lot zu liegen kommen. Der Fufs-punkt dieser Senkrechten repr\u00e4sentiert nat\u00fcrlich ein reines Rot von gewisser S\u00e4ttigung, eine Ebene aber, die durch dieselbe Senkrechte parallel zur Weifs-Schwarz-Achse gelegt wird, enth\u00e4lt dann nicht nur alles Rot vom n\u00e4mlichen S\u00e4ttigungsgrade, sondern auch alle anderen Farben, die in dem hier wiederholt ber\u00fchrten Sinne als \u201egleich rot\u201c anzusprechen sind. Es liegt darauf hin die Frage nahe, ob diese Ebene nicht in analoger Weise eine Dimension verr\u00e4t wie die Helligkeitsebene, und ob das Wort \u201erot\u201c mehr als Name dieser Dimension oder mehr als Name ihres Hauptrepr\u00e4sentanten, kurz, ob es mehr nach der Analogie von \u201ehell\u201c oder mehr nach der von \u201eweifs\u201c zu deuten sei.\nDer Vermutung, dafs sich in den unendlich vielen R\u00f6teebenen, wenn vor\u00fcbergehend dieser Ausdruck gestattet ist, eine Dimension verrate, k\u00f6nnte zun\u00e4chst das Bedenken entgegentreten, solcher Farbenebenen m\u00f6chte es wohl so viele geben als es Farbent\u00f6ne gibt, wodurch der Schlufs auf die Dimension nat\u00fcrlich ohne weiteres ad absurdum gef\u00fchrt w\u00e4re. So steht die Sache aber keineswegs. Man versuche, um sich hiervon zu \u00fcberzeugen, weiter nichts, als die obigen Erw\u00e4gungen auf Orange oder Violett zu \u00fcbertragen. Solange man im Gebiete eines bestimmten Orange oder eines bestimmten Violett bleibt, geht alles, wie schon oben ber\u00fchrt, bestens von statten : was aber nicht gelingt, ist die Anwendung auf Farben verschiedenen Tones, genauer","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgeseiz.\n17\nauf solche, bei denen die Verschiedenheit einen einigermafsen gr\u00f6fseren Betrag erreicht hat. Ich kann also zwar noch innerhalb gewisser Grenzen ein sich mehr dem Rot oder Blau n\u00e4herndes Violett weniger violett nennen als ein anderes: niemand aber k\u00f6nnte etwa in reinem Rot in derselben Weise zugleich Orange und Violett sehen, wie man so oft im Orange zugleich Rot und Gelb, oder im Violett zugleich Rot und Blau anzutreften meint. Auf die \u00fcbrigen einschl\u00e4gigen F\u00e4lle angewandt, f\u00fchrt dies zu dem Ergebnis, dafs neben Rot nur noch Gr\u00fcn, Gelb und Blau Ebenen aufweisen, die als Dimensionenebenen im obigen Sinne betrachtet werden k\u00f6nnten, w\u00e4hrend f\u00fcr die Zwischenfarben Ebenen von \u00e4hnlichen Eigenschaften nicht zu konstruieren sind. Was hierin zu Tage tritt, ist zun\u00e4chst weiter nichts als die auch sonst so oft zur Geltung kommende Sonderstellung der sogenannten Hauptfarben gegen\u00fcber den \u00fcbrigen Farben. Zugleich er\u00f6ffnet sich aber die Aussicht, diese Sonderstellung statt durch den Hinweis auf allerhand schon an sich wenig f\u00fcr sich einnehmende \u00c4ufserlichkeiten aus der Annahme heraus zu verstehen, dafs die Hauptfarben zu den nat\u00fcrlichen Dimensionen des Farbenraumes in einer besonders engen Beziehung stehen.\nFreilich haben wir nun der Hauptfarben doppelt so viele,\nals Dimensionen im Farbenraume zu vergeben sind, wenn wir\nvon der vorg\u00e4ngig kaum ganz auszuschliefsenden M\u00f6glichkeit von\nmehr als drei Dimensionen des Farbenraumes absehen. Hier\naber legt die auch in den gegenw\u00e4rtigen Untersuchungen so\nvielfach benutzte Analogie des Farbenraumes zum eigentlichen\n\u2022\u2022\noder, wie man zum Unterschiede sagen k\u00f6nnte, zum Orterraume die Erinnerung daran nahe, dafs es der Dreidimensionalit\u00e4t und der n\u00e4heren Bestimmung der drei nat\u00fcrlichen Dimensionen unseres subjektiven Raumes nichts verschl\u00e4gt, dafs dieser Bestimmung nicht drei, sondern sechs durch ihre Gegens\u00e4tzlichkeit zu drei Paaren verbundene r\u00e4umliche Momente zu Grunde liegen, zu deren Bezeichnung die Sprache die Ausdr\u00fccke rechts und links, oben und unten, vorn und hinten zur Verf\u00fcgung stellt. Raumtheoretisch ist durch diese Deutung der sonst so gern blofs relativ oder gar korrelativ verstandenen Termini allerdings einiges pr\u00e4judiziert, auf das n\u00e4her einzugehen im gegenw\u00e4rtigen Zusammenh\u00e4nge viel zu weit f\u00fchren m\u00f6chte. Vielleicht aber kommen \u00fcbereinstimmende Positionen, die verschiedenen psychologischen Gebieten angeh\u00f6ren, einander gegenseitig zu statten, und jedem\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 33.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nA. Meinong.\nfalls wird der Hinweis auf den subjektiven Raum dazu dienen,, die Meinung ausreichend deutlich zu machen, in der ich die Vermutung ausspreche, dafs Rot und Gr\u00fcn einerseits, Gelb und Blau andererseits je zwei Hauptrepr\u00e4sentanten Einer Dimension darstellen, wie dies ja auch bez\u00fcglich der Helligkeitsdimension bei Weifs und Schwarz der Fall ist. W\u00e4hrend uns aber bei der letztgenannten Dimension nicht nur ein auf sie direkt zu beziehender Name, sondern in den Worten \u201ehell\u201c und \u201edunkel\u201c sogar ihrer zwei zu Gebote stehen, die die Gegens\u00e4tzlichkeit der Hauptrepr\u00e4sentanten in die Dimension selbst hineinzutragen gestatten, fehlt uns f\u00fcr die beiden anderen Dimensionen nicht nur eine einheitliche Benennung, sondern es ist vermutlich auch gar nicht einigermafsen sicher auszumachen, ob die der Sprache gel\u00e4ufigen Namen Rot und Gr\u00fcn sowie Gelb und Blau eher die Dimension oder eher die Hauptrepr\u00e4sentanten betreffen. Im allgemeinen ist letzteres ohne Frage das Wahrscheinlichere; und. nur der Umstand, dafs das Anwendungsgebiet namentlich der Bezeichnungen f\u00fcr chromatische Farben, wie wir gesehen haben, sich gar nicht an die gleichen Distanzen von den betreffenden Punkten am Farbenk\u00f6rper, also die zugeh\u00f6rigen Kugelfl\u00e4chen zu halten scheint, l\u00e4fst einigen st\u00f6renden Einflufs auch des Dimensionengesichtspunktes vermuten. Unter solchen Umst\u00e4nden bleibt es jedenfalls statthaft und auch deutlich genug, der Hellig-keits- oder Hell - Dunkel - Dimension terminologisch eine Rot-Gr\u00fcn-Dimension und eine Gelb-Blau-Dimension an die Seite-zu stellen. Es ist dadurch keineswegs verlangt, dafs etwa die Gelb-Blau-Achse des Farbenk\u00f6rpers ebenso in die gleichbenannte Dimension ganz und gar hineinfallen m\u00fcfste wie die Weifs-Schwarz-Achse in die Helligkeits-Dimension. Ist die Position von der spezifischen Helligkeit, von der unten sogleich noch etwas eingehender gehandelt werden soll, im Rechte, so impliziert die verschiedene Helligkeit nat\u00fcrlich auch untereinander und von Null verschiedene Abst\u00e4nde von der die Gelb - Blau - Dimension repr\u00e4sentierenden Achse des durch die nat\u00fcrlichen Dimensionen in den Farbenraum gelegten Koordinatensystems.\n\u00a7 6. Die Farbenelemente und die psychologische\nFarbenmischung.\nDen Wert der hier kurz dargelegten Auffassung habe ich sozusagen an mir selbst erfahren, und um ihn auf zeigen zu","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 19\nk\u00f6nnen, sei mir der Hinweis auf die sonst sicher v\u00f6llig belanglose Tatsache gestattet, dafs erst diese Auffassung mich in die Lage versetzt hat, einer der verbreitetsten Positionen aufser-wissenschaftlicher wie wissenschaftlicher Farbenlehre gegen\u00fcber, nachdem ich ihr in Wort und Schrift wiederholt als einer in sich widerstreitenden Annahme entgegengetreten bin, den Standpunkt entgegenkommenderen Verst\u00e4ndnisses, ja sogar bedingter Zustimmung einnehmen zu k\u00f6nnen. Bekanntlich ist nichts gew\u00f6hnlicher, als den eben ber\u00fchrten Gegensatz der Haupt- und Nebenfarben als den der einfachen und Mischfarben zu charakterisieren und auch sonst mit der Anwendung der Mischungsgedanken bereits auf rein psychologischem Gebiete nichts weniger als haush\u00e4lterisch zu sein. Dem meinte ich, und keineswegs ich allein, unter Inanspruchnahme der st\u00e4rksten apriorischen Evidenzen entgegenhalten zu m\u00fcssen, dafs genau an derselben Stelle genau zur selben Zeit etwa Pot und Blau zu sehen oder auch einzubilden, so unm\u00f6glich sei wie ein rundes Viereck, \u2014 dafs jeder ausreichend energisch unternommene Versuch, die Aufgabe anschaulich zu l\u00f6sen, zur Einsicht in die Absurdit\u00e4t der darin gestellten Zumutung f\u00fchre, und dafs umgekehrt keine Analyse im Violett reines Rot und reines Blau herauszufinden im st\u00e4nde sei, indem man in Violett nicht etwa sowohl Rot als Blau, sondern weder Rot noch Blau daf\u00fcr aber ein zwischen Rot und Blau liegendes Drittes vor sich hat. Dafs dies so oft aufser acht geblieben ist, darf ohne Zweifel in vielen F\u00e4llen, so insbesondere in Bezug auf Gr\u00fcn den verschiedensten Mifsverst\u00e4ndnissen zugeschrieben werden, von denen sich auch Tr\u00e4ger illustrer Namen nicht immer frei zu halten vermocht haben. Im ganzen mufs aber doch der Umstand, dafs eine der klarsten Einsichten so vielen zweifellos Urteilsf\u00e4higen anscheinend nicht zug\u00e4nglich ist, einige Unsicherheit dar\u00fcber wachrufen, ob die Verschiedenheit des Evidenzzustandes nicht etwa irgendwie auf Verschiedenheit des Gemeinten zur\u00fcckgehe, so dafs an der Opposition gegen etwas so allgemein Acceptiertes am Ende doch ein Mifsverst\u00e4ndnis seitens des Opponierenden die Schuld tragen k\u00f6nnte. Solchen Gedanken gegen\u00fcber versp\u00fcre ich es heute als eine Art Erleichterung, sagen zu d\u00fcrfen : ich kenne nun einen Gesichtspunkt, unter dem auch ich ein im gewissen Sinne aus Rot und Blau bestehendes und insofern, wenn man so sagen will, gemischtes\nViolett auszudenken, ja sogar mir anzueignen vermag. Es soll\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nA. Meinong.\nversucht werden, diesen Gesichtspunkt im folgenden kurz zu pr\u00e4zisieren.\nZuv\u00f6rderst sei daran erinnert, dafs die Glieder einer mehrdimensionalen Mannigfaltigkeit unm\u00f6glich im strengen Sinne einfach sein k\u00f6nnen. Ist etwa ein A und ein B in denselben zwei Dimensionen variabel, so liegt darin die M\u00f6glichkeit, dafs das A dem B in der einen Hinsicht gleich, in der anderen Hinsicht ungleich befunden werde : zwei einfache Gegenst\u00e4nde aber k\u00f6nnen nat\u00fcrlich nicht voneinander zugleich verschieden und doch einander gleich sein. So viel Dimensionen also, so viel Bestandst\u00fccke, mag \u00fcbrigens die Analyse gelingen oder nicht, und gleichviel, ob auch eine entfernte Aussicht besteht oder nicht, sich von den Bestandst\u00fccken in ihrer Isoliertheit eine anschauliche Vorstellung zu bilden. Niemand kann an einem Tone das H\u00f6hebestandst\u00fcck und das St\u00e4rkebestandst\u00fcck auseinander analysieren, niemand vollends H\u00f6he ohne St\u00e4rke, St\u00e4rke ohne H\u00f6he anschaulich vorstellen. Aber die beiden Dimensionen verraten sich an der gleichzeitig m\u00f6glichen Gleichheit und Ungleichheit, nebenbei freilich auch an unserer F\u00e4higkeit, die eine der beiden \u201eSeiten\u201c gegen\u00fcber der anderen einigermafsen zu vernachl\u00e4ssigen. In gleicher Weise garantiert die Dreidimensionalit\u00e4t des Farbenraumes f\u00fcr jede der in ihm lokalisierten Farben wenigstens drei Bestandst\u00fccke, obwohl unsere analytischen F\u00e4higkeiten uns auch diesen gegen\u00fcber ganz und gar im Stiche lassen. Ich will sie, wenigstens f\u00fcr unsere n\u00e4chsten Zwecke, als \u201eFarbenelemente\u201c bezeichnen, wobei kaum ausdr\u00fccklich bemerkt zu werden braucht, dafs sie etwa mit dem, was A. K\u00f6nig unter spezieller Bezugnahme auf die HELMHOLTzsche Theorie als \u201eElementarempfindungen\u201c benannt und berechnet hat1 2, nicht das Geringste zu tun haben, \u2014 wahrscheinlich auch nichts mit den Elementarempfindungen in dem Sinne, in dem sie neuestens E. v. Oppolzer in die Farbentheorie einzuf\u00fchren versucht^, deren W\u00fcrdigung wohl besser der Zeit Vorbehalten bleibt, wenn der verdiente Astronom seine unter allen Umst\u00e4nden f\u00fcr die Psychologie h\u00f6chst willkommenen Untersuchungen soweit ver\u00f6ffentlicht haben wird, dafs sich die Leistungen \u00fcbersehen lassen, in denen\n1\tVgl. A. K\u00f6nig- u. C. Dieterici: \u201eDie Grundempfindungen in normalen und anomalen Farbensystemen etc.\u201c Diese Zeitschr. 4, S. 241 ff.\n2\t\u201eGrundz\u00fcge einer Farbentheorie\u201c, erster Abschnitt. Diese Zeitschr. 29, S. 183 ff.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n21\ner selbst die Legitimation f\u00fcr seine anregende Konzeption erblickt.\nFragen wir nun unter diesen Voraussetzungen, wie es mit der Annehmbarkeit dessen bewandt ist, was man in dem oben gekennzeichneten Sinne als \u201eMischung\u201c der Nebenfarben aus den Hauptfarben ins Auge zu fassen pflegt und was wir im Gegensatz zu weiter unten 1 zu untersuchenden Tatsachen als \u201epsychologische Farbenmischung\u201c bezeichnen k\u00f6nnten. Es handelt sich dabei nach allgemeiner Meinung um die Aufgabe, etwa Rot und Gelb an derselben Stelle des subjektiven Raumes zu empfinden oder sonst vorzustellen, und da kann ich f\u00fcrs erste nach wie vor nicht absehen, wie ihr gegen\u00fcber in anderer Weise Stellung genommen werden k\u00f6nnte, als etwa gegen\u00fcber der Zumutung, einer sollte sich denselben Gegenstand zugleich genau vor sich und genau rechts von sich anschaulich vorstellen. Man kann sich nicht nur durch den Versuch davon \u00fcberzeugen, dafs einer solchen Forderung nicht gerecht zu werden ist, sondern man sieht die Unm\u00f6glichkeit des Verlangten mit einer apriorischen Evidenz ein, wie sie uns nur unter besonders g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden zug\u00e4nglich ist.\nNun vermag uns aber gerade das Gleichnis aus dem eigentlichen Raume darauf aufmerksam zu machen, dafs der in Rede stehenden Forderung doch in irgend einer Weise Gen\u00fcge zu leisten sein k\u00f6nnte. Denn wir k\u00f6nnen uns ja auch ein Ding anschaulich vorstellen, das zugleich vor uns und rechts von uns gelegen ist, n\u00e4mlich eben vorn rechts. Erhellt daraus nicht, dafs die zuvor so nachdr\u00fccklich betonte Unvereinbarkeit der beiden r\u00e4umlichen Bestimmungen doch nicht unter allen Umst\u00e4nden besteht, und sollte die Berufung auf \u201eUmst\u00e4nde\u201c, wenn einmal zul\u00e4ssig, nicht auch auf Daten des Farbenraumes zu \u00fcbertragen sein? Aber eine Unvertr\u00e4glichkeit \u201eunter Umst\u00e4nden\u201c w\u00e4re eine allzu seltsame Sache: unser Fall verlangt also doch eine etwas sorgf\u00e4ltigere Erw\u00e4gung, und f\u00fcr diese bietet die durch die Mehrdimensionalit\u00e4t gew\u00e4hrleistete Mehrheit der Elemente \u2014 wir k\u00f6nnen hier so gut von \u201eRaumelementen\u201c reden wie eben zuvor von \u201eFarbenelementen\u201c, \u2014 geeignete Hilfsmittel.\n1 Vgl. S. 76 f.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nA. Meinong.\n\u2022 \u2022\nHalten wir uns zun\u00e4chst an den eigentlichen oder Orterraum. Gesetzt, ich stehe mitten in einem viereckigen Zimmer, einer der W\u00e4nde zugekehrt. Ist es da einigermafsen genau zu sagen, dafs die vordere Zimmerecke rechts die Ortsbestimmungen in sich vereinige, welche eine gewisse Stelle der Wand vor mir und eine Stelle der Wand rechts von mir auf weist? Indem ich die Frage so stelle, f\u00e4llt sofort wieder die Unvertr\u00e4glichkeit dieser beiden Ortsbestimmungen in die Augen und macht mich darauf aufmerksam, dafs, was ich kurzweg als \u201evor mir\u201c, mithin durch ein Tiefendatum, und was ich kurzweg als \u201erechts von mir\u201c, also durch ein Breitendatum bezeichne, doch auch noch nach den bez\u00fcglichen beiden anderen Dimensionen des Raumes determiniert sein wird. Handelt es sich im besonderen Falle um Stellen im Zimmer, die gleich \u201ehoch\u201c sind, so kann vom \u00fcbereinstimmenden H\u00f6hendatum hier der Einfachheit wegen abgesehen werden. Dann bedeutet aber immer noch \u201evor mir\u201c eine bestimmte Tiefe t nebst einem bestimmten Breitenwerte b \u2014 \u201eBreite\u201c nat\u00fcrlich nicht etwa als Strecke verstanden \u2014, ebenso \u201erechts von mir\u201c eine bestimmte Breite b' zusammen mit einer bestimmten Tiefe t, die Stelle an der Zimmerecke aber tr\u00e4gt dann das Tiefendatum t zusammen mit dem Breitendatum V an sich, nicht aber etwa sowohl die Doppelbestimmung b t als V t'. Man k\u00f6nnte freilich f\u00fcrs erste meinen, das b der ersten und das t' der zweiten Bestimmung habe Nullwert, denn was gerade vor mir ist, ist weder rechts noch links, was gerade neben mir ist, weder vorn noch hinten : darum entfalle in diesen speziellen F\u00e4llen das betreffende Datum, und was \u00fcbrig bleibe, das sei dann in der Ortsbestimmung der Zimmerecke vereinigt. Aber gerade der Umstand, dafs die Orte, die in die Mitten der beiden W\u00e4nde fallen, nicht an Einem Ort zusammentreten k\u00f6nnen, beweist, dafs sie durch mehr bestimmt sind als durch das, was sich in der Ortsbestimmung der Ecke tats\u00e4chlich vereinigt vorfindet. Aufserdem aber bedeutet ein Koordinatenwert Null doch etwas ganz anderes als Nichtvorhandensein einer Bestimmung. Das anscheinende R\u00e4tsel der Vereinigtheit des Unvereinbaren l\u00f6st sich also in sehr einfacher Weise, wenn man in R\u00fccksicht zieht, dafs das Unvereinbare gewisse Komplexe, das Vereinigte aber gewisse Bestandst\u00fccke derselben sind, denen f\u00fcr sich eben gar keine Unvereinbarkeit zukommt.\nDie Anwendung auf den Farbenraum gestaltet sich nun sehr","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n23\n\u00abeinfach. Was wir als das reine Rot und das reine Gelb kennen, ist so unvertr\u00e4glich wie die Komplexe b t und b' t' im obigen Beispiel. Aber dieses Rot und Gelb kann verm\u00f6ge seiner Position in einem dreidimensionalen Kontinuum nicht einfach sein, und sehen wir von dem durch die Helligkeitsdimension geforderten Farbenelemente im Interesse gr\u00f6fserer Einfachheit ab, so bleibt an jeder dieser beiden Farben immer noch ein Rot-Gr\u00fcn-Element r resp. r und ein Gelb-Blau-Element b resp. V \u2014 ich vermeide den Buchstaben g wegen der Gefahr, Gelb und Gr\u00fcn zu verwechseln \u2014 \u00fcbrig. Nat\u00fcrlich wird dann auch r mit b1 ohne weiteres vertr\u00e4glich sein k\u00f6nnen, und was wir eben als psychologische Mischung bezeichnet haben, braucht nicht als das Zusammentreten von reinem Rot und reinem Gelb verstanden zu werden: es gen\u00fcgt, die f\u00fcr sich unvorstellbaren Farbenelemente r und bf als daran beteiligt in Anspruch zu nehmen. Die gew\u00f6hnliche Auffassung, die im reinen Rot und Gelb die Elemente b und r \u00fcbersieht, nimmt nat\u00fcrlich auch keinen Anstand, die Elemente r und V f\u00fcr reines Rot und reines Gelb gelten zu lassen.\nWie man sieht, impliziert diese Auffassung und legitimiert zugleich, falls sie sich bew\u00e4hrt, die Voraussetzung, dafs sowohl die Rot - Gr\u00fcn - Dimension als die Gelb - Blau - Dimension je eine Bestimmung auf weist, die weder f\u00fcr Rot noch f\u00fcr Gr\u00fcn resp. weder f\u00fcr Gelb noch f\u00fcr Blau genommen werden darf, gleichwohl aber auch nicht etwa als Negation einer in diese Dimension fallenden Bestimmtheit anzusehen ist. Jede dieser beiden Dimensionen schliefst also einen Neutralit\u00e4tswert in sich, dessen Beschaffenheit wir aber auf direktem Wege nicht zu erfassen verm\u00f6gen. Indirekt l\u00e4fst sich \u00fcber diese beiden Werte sagen, dafs sie zusammen Grau ergeben, das je nach der hinzutretenden Helligkeitsbestimmung eventuell sich auch als Weils oder Schwarz darstellen kann, und geradezu \u201eneutrales Grau\u201c genannt wird, wenn auch die Helligkeitsdimension durch ihren Neutralit\u00e4tswert vertreten ist. Vielleicht dafs das Zusammentreffen von wenigstens zwei Neutral werten die ausgezeichnete Stellung begr\u00fcndet, die der Weifs- Schwarz -Linie eigen ist: mindestens stimmt damit ganz gut die Tatsache, dafs das Zusammentreffen des Neutralit\u00e4tswertes der einen mit einem einigermafsen extremen Werte der anderen Dimension ebenfalls einen ausgezeichneten Fall konstituiert, jene \u201eReinheit\u201c die man eventuell","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nA. Meinong.\nungezwungen von jeder Hauptfarbe, nicht leicht dagegen etwa von einem Violett oder Blaugr\u00fcn behaupten kann. Mitgegebensein der Helligkeitsneutralit\u00e4t ist dabei nicht unerl\u00e4fslich, aber g\u00fcnstig. Es steht zu dieser auszeichnenden Funktion der Neutralit\u00e4ts werte in seltsamem Gegensatz, dafs man einer solchen \u201ereinen Farbe\u201c, etwa reinem Rot, sozusagen auf dessen unmittelbaren Aspekt hin am liebsten die der anderen Dimension zugeh\u00f6rige Komponente ganz absprechen, d. h. ihr statt Neutralit\u00e4tswert Nullwert zuerkennen m\u00f6chte. Das Raumanalogon hat gezeigt, warum diese Auffassung ausgeschlossen ist. Vielleicht aber l\u00e4fst sich vermuten, dafs f\u00fcr das Aussehen eines Komplexes, auch wenn er sich nicht durch Isolierung der Bestandst\u00fccke zerlegen l\u00e4fst, ein Bestandst\u00fcck mehr, ein anderes weniger zu bedeuten hat, oder auch sich das eine einer gewissen analytischen oder abstraktiven Bevorzugung weniger, das andere mehr widersetzt. Man k\u00f6nnte in diesem Sinne dann im allgemeinen den Extremwerten einer Dimension mehr, den Neutralit\u00e4tswerten und ihrer n\u00e4chsten Umgebung weniger an intellektueller Zug\u00e4nglichkeit, wenn man so sagen darf, zuerkennen. Wahrscheinlich macht dieser Vorzug, in besonderem Mafse charakteristisch zu sein,, auch den Kern dessen aus, was der Begriff der S\u00e4ttigung hervorhebt, die den Werten einer Dimension in um so h\u00f6herem Grade zukommt, je extremer sie sind. Ob es mehr als konventionell ist, dafs der Terminus \u201eS\u00e4ttigung\u201c auf Weifs und Schwarz die analoge Anwendung wie auf die anderen Extreme und deren Zusammensetzungen nicht zu gestatten scheint, mufs hier ununtersucht bleiben.\n\u2022 \u2022\n\u00fcberhaupt aber sind die eben versuchten Aufstellungen, augenscheinlich noch viel zu primitiv, als dafs an deren Durchf\u00fchrung mehr ins einzelne hinein bereits hier geschritten werden d\u00fcrfte. Manches wird in dieser Sache wohl schon von einer Weiterentwicklung der Komplexionstheorie1 zu hoffen sein: denn der blofse R\u00fcckschlufs von der Dimensionenzahl auf die Elementenzahl ist, solange man sich wreder \u00fcber die Beschaffenheit noch \u00fcber die Zusammensetzungsweise dieser Elemente etwas einigermafsen Pr\u00e4zises denken kann und daher halb un-bewufst immer wieder die Analogie materieller Teile zu Rate\n1 Erste Aufstellungen zu einer solchen vgl. in meiner Abhandlung ^tlber Gegenst\u00e4nde h\u00f6herer Ordnung etc.\u201c, diese Zeitschr. 21, S. 189ff.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n25\nzieht, doch noch ein recht rohes Verfahren. Unter solchen Umst\u00e4nden begn\u00fcge ich mich hier damit, nur die Antwort auf die Ausgangsfrage des gegenw\u00e4rtigen Paragraphen noch einmal kurz zu formulieren. Die Frage war diese; sind die sogenannten Mischfarben wirklich aus den Hauptfarben zusammengesetzt, so dafs, wer Orange empfindet oder sonst irgendwie vorstellt, zugleich reines Eot und reines Gelb empfindet resp. vorstellt? Die Antwort lautet : Eot und Gelb, wie wir sie aus unseren Empfindungen kennen, bleiben unvertr\u00e4glich ; aber sie sind nicht einfach im strengen gegenst\u00e4ndlichen Sinne des Wortes, und ihre Komponenten k\u00f6nnen in geeigneten Kombinationen ganz wrohl miteinander vertr\u00e4glich sein. Kann man zudem in der Eegel nur den extremeren, d. h. ausreichend ges\u00e4ttigten Farbenelementen charakterisierende Bedeutung f\u00fcr die aus ihnen zusammengesetzte Farbe beimessen, so ist verst\u00e4ndlich, dafs man leicht meinen kann, in einer sogenannten Mischfarbe Eot und Gelb, jedes in seiner Totalit\u00e4t zu sehen, indes es nur die vorzugsweise charakteristischen Elemente dieser Hauptfarben sind, die sich aus jener Mischfarbe in gewissem Sinne herausfinden lassen. Was daher oben psychologische Mischung genannt wurde, verdient diesen Namen h\u00f6chstens im Hinblick auf das Zusammentreten der Farbenelemente, nicht aber in Bezug auf die Hauptfarben, die in ihrer Totalit\u00e4t in ein solches \u201eGemisch\u201c niemals eingehen k\u00f6nnen. Da man aber von Farbenmischung doch stets mit Bezugnahme auf wirkliche und nicht blofs auf hypothetische Farben redet, so wird der Klarheit nach wie vor am besten durch die Behauptung gedient sein: Psychologische Farbenmischung gibt es nicht. Eben darum ist aber auch der Begriff der \u201eMischfarbe\u201c, sofern er im Gegensatz zur \u201eHauptfarbe\u201c verstanden ist, streng genommen ein unberechtigter: denn in dem Sinne, in dem jene gemischt heifsen d\u00fcrfen, sind es auch diese, und nur in der Beschaffenheit der Elemente liegt der Unterschied.\nMufs sonach die Unvertr\u00e4glichkeit des uns empirisch bekannten Eot mit dem uns empirisch bekannten Gelb aufrecht bleiben, so l\u00e4fst die Ber\u00fccksichtigung der Farbenelemente doch zugleich auch verstehen, warum die Unvertr\u00e4glichkeit von Eot und Gr\u00fcn oder die von Gelb und Blau noch einen ganz anderen Charakter auf weist. Hier sind die uncharakteristischen Elemente nicht nur vertr\u00e4glich, sondern sogar gleich: daf\u00fcr macht sich","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nA. Meinong.\ndie Unvereinbarkeit in den charakteristischen Elementen um so nachdr\u00fccklicher geltend, die ja verschiedene Bestimmungen einer und derselben Dimension repr\u00e4sentieren. Darum ist auch nicht einmal der Schein anzutreffen, als ob einmal in irgend einer Farbe komplement\u00e4re Farben vereinigt auftreten k\u00f6nnten. Auffallenderweise ist der n\u00e4mliche Schein innerhalb der Helligkeitsdimension offenbar nicht in gleichem Mafse ausgeschlossen, wenigstens nicht, wenn die beiden anderen Dimensionen durch neutrale Bestimmungen vertreten sind : im Grau hat man ja oft sowohl Weifs als Schwarz zu sehen gemeint. Ich kann auch hier \u00fcber die Unvertr\u00e4glichkeit nicht hinauskommen, obwohl ich den Schein des Gegenteils mir nicht einmal unter Bezugnahme auf vertr\u00e4gliche Elemente verst\u00e4ndlich zu machen vermag.\n\u00a7 7. In Sachen der \u201espezifischen Helligkeit\u201c.\nEs braucht sicher nicht erst ausdr\u00fccklich hervorgehoben zu werden, dafs die begrifflichen Konzeptionen, auf die wir durch die Natur des Farbenraumes hingedr\u00e4ngt worden sind, in der Hauptsache keineswegs sich mit denjenigen decken, in denen die psychologische resp. psychophysische Farbentheorie, sich normalerweise zu bewegen pflegt. Auch ihr ist es darum zu tun, die Mannigfaltigkeit der Farben, diesmal aber der im Farbenk\u00f6rper zu-sammengefafsten wirklichen Farben, auf relativ einfachere Farbendaten zur\u00fcckzubeziehen. Aber diese \u201eGrundempfindungen\u201c sind vor allem nichts weniger als Farbenelemente im obigen Sinne: denn sie sind von Haus aus jederzeit wenigstens nach zwei Dimensionen fest bestimmt, nach der dritten, der Helligkeit, aber nicht etwa unbestimmt, sondern nur variabel. Dann aber sind diese sogenannten Empfindungen bei n\u00e4herer Erw\u00e4gung weder als Empfindungen noch als Vorstellungen im engeren Sinne aufrecht zu erhalten und daher einer bestimmten Farbe als ihrem Gegenst\u00e4nde nur in eigent\u00fcmlich indirekter W eise zugeordnet. Es hat dies darin seinen Grund, dafs dergleichen Grundempfindungen eben nicht Empfindungen von Farbenelementen sind, daher ein Zusammentreten derselben im Sinne einer \u201epsychologischen Mischung\u201c wegen der oben wiederholt ber\u00fchrten Unvertr\u00e4glichkeit aller nach s\u00e4mtlichen Dimensionen bestimmten Farbendaten ausgeschlossen ist. Dieser, wenn ich recht sehe, noch lange nicht allgemein genug gew\u00fcrdigte Mangel ist ohne erheblichen Nachteil f\u00fcr die sonstige Ausgestaltung der Theorie zu beseitigen, indem man nicht \u201eGrund-","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n27\nempfindungen\u201c zu neuen Ergebnissen zusammentretend denkt, sondern Erregungen, die psychologisch dadurch bestimmt sind, dafs sie, wenn sie allein zur Geltung kommen oder kommen k\u00f6nnten, psychisch von Empfindungen bestimmter gegenst\u00e4ndlicher Beschaffenheit begleitet sind oder begleitet w\u00e4ren. Man hat es also streng genommen zun\u00e4chst mit \u201eGrunderregungen\u201c zu tun, kann aber ihre m\u00f6glicherweise blofs fiktiven Empfindungskorrelate ganz wohl, ja mit mancherlei Vorteil auch noch weiterhin als \u201eGrundempfindungen\u201c bezeichnen, wenn man sich nur des Sinnes, in dem dies geschieht und allein geschehen kann, ausreichend deutlich bewufst bleibt. Diese immerhin etwas ungew\u00f6hnlich definierten Grundempfindungen also, genauer die Grunderregungen, machen das mehr oder minder hypothetische Material aus, des sich die Farbentheorien zu bedienen pflegen, um die schon bei den Mischungstatsachen in seltsamster Verschlingung auftretenden Beziehungen zwischen Farbenreiz und Farbenempfindung Gesetzm\u00e4fsigkeiten von ausreichend durchschlagender Allgemeinheit unterzuordnen. Ihr Zusammentreten denkt man sich mehr oder minder genau dem Paradigma der gew\u00f6hnlichen Farbenmischung nachgebildet: aber auch die Beschreibung des psychologisch Tats\u00e4chlichen stellt sich bereits sozusagen mit Vorliebe in den Dienst des Mischungsgedankens. Man spricht vom ,, Anteil\u201c des achromatischen Momentes gegen\u00fcber dem chromatischen, bezieht ihn unter dem Namen der \u201eS\u00e4ttigung\u201c speziell auf dieses letztere, fafst, was am chromatischen Momente ohne Hereinziehung des Achromatischen variabel ist oder scheint, unter dem Namen des \u201eFarbentones\u201c zusammen, so dafs in Farbenton und S\u00e4ttigung sich jene zwei Scheindimensionen darbieten, von denen bereits oben die Bede war u. s. f.\nDen Konzeptionen dieser Art habe ich im Vorhergehenden den Versuch einer den nat\u00fcrlichen Dimensionen des Farbenraumes, die selbstverst\u00e4ndlich auch' die des Farbenk\u00f6rpers sind, zugewandten Betrachtungsweise keineswegs in der Absicht gegen\u00fcbergestellt, um jene durch diese zu verdr\u00e4ngen, wohl aber in der Erwartung, ein kurzes Verweilen bei der letzteren k\u00f6nnte insbesondere dort, wo eine der nat\u00fcrlichen Dimensionen sich schon in der Auffassung des t\u00e4glichen Lebens und nicht minder der Farbenpsychologie l\u00e4ngst durchgesetzt hat, Unklarheiten fernhalten helfen, die zun\u00e4chst in der Verkennung der Eigenart jener Dimensionsbegriffe ihren Grund haben d\u00fcrften. Ich","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"A. Meinong.\nbabe dabei nat\u00fcrlich die einzige von den drei Dimensionen im Auge, von der bereits oben hervorzubeben war, dafs sie einen volkst\u00fcmlichen Namen besitzt, die Helligkeit. Dafs gerade bei ihr die Farbenlehre immer wieder Schwierigkeiten antrifft, daran d\u00fcrfte doch in hohem Mafse der Umstand beteiligt sein, dafs das achromatische Moment, der Gegensatz von Weifs und Schwarz, mit der Helligkeit immer wieder in eines zusammenzufliefsen scheint. Insbesondere d\u00fcrfte ein sorgf\u00e4ltiges Auseinanderhalten dieser beiden Dinge in der Frage nach der sogenannten \u201espezifischen Helligkeit\u201c \u00fcber manches Bedenken hinweghelfen, das namentlich in den polemischen Ausf\u00fchrungen von G. Maetius zum Worte gelangt ist. Einige Bemerkungen zu dieser vielver-handelten Sache m\u00f6gen daher hier ihre Stelle finden.\nVor allem kann ich unter Berufung auf das in den beiden vorhergehenden Paragraphen Dargelegte in der Konzeption des Begriffes der spezifischen Helligkeit keineswegs einen \u201eSch\u00f6nheitsfehler\u201c der HEKiNGschen Theorie 1 finden, sondern eben nur den Ausdruck der Tatsache, dafs jeder Farbe ihrer Natur nach eine Stellung im Farbenraume, also auch eine Bestimmtheit in Betreff der Helligkeitsdimension eigen ist. W\u00e4re freilich Helligkeit etwa ebenso f\u00fcr Weifslicheit zu nehmen, als S\u00e4ttigung das Gegenteil von Graulichkeit im weitesten Wortsinne ist, handelte es sich mit Einem Worte bei Helligkeitsbestimmungen um etwas wie Mischlinien, an deren einem Ende das f\u00fcr sie alle charakteristische Moment gestellt zu denken w\u00e4re, dann w\u00e4re es freilich ein theoretischer Mangel, wenn dieses charakteristische Moment nun pl\u00f6tzlich auch am anderen Ende solcher Mischlinien wieder auftauchte. Aber so verbreitet auf dem Farbengebiete derlei den Mischungsgedanken entweder implizierende oder ihm doch auffallend nahestehende Begriffe sonst sind, der Helligkeitsbegriff geh\u00f6rt eben nicht dazu und mag ganz geeignet sein, uns daran zu erinnern, dafs unter dem Gesichtspunkte der Mischung f\u00fcr sich allein, ich meine durch Mischung ganz beliebig zusammengestellter Komponenten, noch lange kein Farbenk\u00f6rper, d. h. ein Gebilde zu gewinnen w\u00e4re, das in einem einigermafsen nat\u00fcrlich beschaffenen Farbenraume Platz h\u00e4tte. Vielmehr m\u00fcssen die Grundempfindungen, ich meine die in ihrer Isoliertheit wie immer fiktiven psychischen Korrelate der durch die Theorie ver-\n1 G. Martius : \u201eBeitr\u00e4ge zur Psychologie und Philosophie\u201c, Bd. I, S. 152.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n29\nlangten Grunderregungen, ihrer Natur nach, wie schon oben ber\u00fchrt, bereits einen ganz bestimmten Ort im Farbenraume besitzen, wenn der Zur\u00fcckf\u00fchrung auf sie nicht der ganze Vorzug psychologischer Nat\u00fcrlichkeit verloren gehen soll, der die Grundgedanken der Hnsmoschen Position gerade demjenigen, der von der psychologischen Empirie herkommt, so sehr empfiehlt. Freilich, dafs es gerade diese 6 Punkte sein m\u00fcssen aus der unendlichen Mannigfaltigkeit des sozusagen vorg\u00e4ngig Gleichm\u00f6glichen, das ist eine Last f\u00fcr die Theorie und man wird anerkennen m\u00fcssen, dafs etwa die WuNDTsche Stufentheorie\u201c1 von dieser Last relativ frei ist. Ich kann zur Zeit nicht daran zweifeln, dafs die Last durch die Leistungen der HEEiNoschen Theorie um vieles mehr als aufgewogen wird : um so weniger hat man Anlafs, sich \u00fcber die Unvermeidlichkeit der in Rede stehenden Voraussetzung hinwegzut\u00e4uschen. Insofern hat also auch das \u201eUrblau\u201c, \u201eUrgr\u00fcn\u201c etc. ganz unvermeidlich seine Helligkeit sozusagen noch vor aller Theorie oder als Voraussetzung derselben und dafs diese Helligkeit gerade die Mitte halten m\u00fcfste zwischen der von Weifs und Schwarz, das anzunehmen, daf\u00fcr fehlt vorg\u00e4ngig jeder Grund. Ob es also wirklich so oder ob es anders ist, dar\u00fcber kann nur die Erfahrung und deren richtige Deutung Aufschlufs geben.\nUnd da mufs ich denn in der Tat vor allem einr\u00e4umen, dafs ich gegen die von Mastitis in Anspruch genommene M\u00f6glichkeit, die HiLLEBEANDschen Versuche 2 3 anders als zu Gunsten der spezifischen Helligkeit zu deuten8, keine Einwendung zu erheben w\u00fcfste. Aber eben so wenig konnte ich mich bisher davon \u00fcberzeugen, dafs die Ergebnisse der MAETiusschen \u201eNachbildmethode\u201c 4 nur auf die Weifsvalenz bezogen werden d\u00fcrften und nicht auf die Helligkeit, die sich dann immer noch aus der Helligkeit des Weifsanteils und der des chromatischen Anteils zusammensetzen k\u00f6nnte. Weit eher schiene mir da die von Maetius nur nebenbei erw\u00e4hnte 5 Tatsache ins Gewicht zu fallen, dafs die Helligkeit komplement\u00e4rer Gemische von der Helligkeit ihrer\n1\tPhysiolog. Psychologie, 5. AufL, Bd. II, S. 242 ff.\n2\t\u201e\u00dcber die spezifische Helligkeit der Farben\u201c, Sitzungsberichte der k. Akademie d. Wiss., Wien, Math.-nat. KL, 98, Abt. Ill, S. 89 ff. Wien 1890.\n3\ta. a. O. S. 150.\n4\ta. a. 0. S. 132 ff.\n5\ta. a. 0. S. 153.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nA. Meinong.\nKomponenten in einer Weise abh\u00e4ngig ist, die bei Voraussetzung spezifischer Helligkeiten diese letzteren f\u00fcr mitbeteiligt zu halten zwingt, obgleich die chromatischen Effekte selbst sich wegen des Antagonismus der Gegenfarben aufheben sollen. Nun ist aber die Vorstellung, die man sich bisher gerade von diesem Antagonismus hat machen k\u00f6nnen, eine ungemein schwankende: die M\u00f6glichkeit, dafs trotz desselben von den Wirkungen der betreffenden Reize noch etwas \u00fcbrig bleiben k\u00f6nnte, wird daher derzeit keinesfalls von der Hand zu weisen sein. Dazu kommt aber vielleicht noch ein anderes. War ich oben im Rechte, f\u00fcr die Position der Komplement\u00e4rfarben zueinander und zum Grau eine innere Notwendigkeit zu postulieren, f\u00fcr die uns nur die unmittelbare Evidenz abgeht oder schwer zug\u00e4nglich ist1, dann ist streng genommen, wie noch unten zu ber\u00fchren sein wird2 3, der Mischungseffekt komplement\u00e4rer Lichter durch die Annahme eines Antagonismus sozusagen \u00fcbererkl\u00e4rt, daher vielleicht die ganze Annahme zu entbehren. Wie dem aber auch sei, die spezifischen Helligkeiten scheinen mir unter den gegebenen Umst\u00e4nden auch von dieser Seite nicht bedroht, wenn ihre theoretische Position nur sonst eine ausreichend gute ist. Und ich w\u00fcrde dann auch keinen Anstand nehmen, mir die Ebbinghaus-schen Mischungsversuche 8, wenigstens die an Farbent\u00fcchtigen, durch Bezugnahme auf den Anteil der spezifischen Helligkeit der Komponenten am Mischungsergebnis verst\u00e4ndlich zu machen.\nVon der erw\u00e4hnten theoretischen Position aber, in der sich die spezifische Helligkeit befindet, scheint mir folgendes zu sagen : Das Ergebnis der Nachbildmethode formuliert G. Maktius selbst in den Worten: \u201eDie Helligkeitskomponente der farbigen Empfindungen ist eine Funktion der Lichtst\u00e4rke, und zwar nimmt die Helligkeit der Farbenempfindungen des langwelligen Teiles des Spectrums mit abnehmender Lichtst\u00e4rke stetig ab, die Helligkeit der kurzwelligen Farben dagegen zu bis zu dem Werte, welcher bei minimaler Lichtst\u00e4rke und Wegfall der farbigen Komponente gewonnen wird.\u201c 4 Hier m\u00f6chte ich vor allem statt ,,Helligkeitskomponente\u201c etwa ,,Helligkeit\u201c kurzweg sagen, da\n1\tVgl. oben S. 61\n2\tVgl. unten S. 45.\n3\tDiese Zeitschr. 5, S. 168 ff., auch Psychologie I, S. 259 f.\n4\tBeitr\u00e4ge zur Psychol, und Philos. Bd. I, S. 170.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n31\naus oben angegebenen Gr\u00fcnden die Helligkeit jedenfalls keine Komponente im Sinne einer Mischungstheorie ist, von den im Sinne einer solchen Theorie zul\u00e4ssigen Komponenten aber vor n\u00e4herer Untersuchung keine den Vorzug in Anspruch nehmen d\u00fcrfte, etwa ausschliefslicher Tr\u00e4ger des Helligkeitsmomentes zu sein. Vielmehr hat man sozusagen die Wahl, ob man, obwohl das Helligkeitsmoment weder der achromatischen noch der chromatischen Wirkung des Farbenreizes fehlt, f\u00fcr die im Sinne der obigen Gesetzm\u00e4fsigkeit sich vollziehende Ver\u00e4nderung nur die achromatische oder nur die chromatische Seite des Tatbestandes oder schliefslich beide verantwortlich machen m\u00f6chte. Genauer steht es nun so: Steigt ein Farbenreiz von minimaler St\u00e4rke angefangen zu mittleren St\u00e4rken an, so beobachtet man einerseits allenthalben ein Hervortreten des chromatischen gegen\u00fcber dem achromatischen Anteil im Sinne einer S\u00e4ttigungssteigerung der betreffenden Farbe, aufserdem aber bei langwelligen Lichtern gleichsam ein Voraneilen, bei kurzwelligen ein Zur\u00fcckbleiben der im allgemeinen ansteigenden Helligkeit. Dies kann ohne Zweifel in der Weise zu st\u00e4nde kommen, dafs alle Farben die n\u00e4mliche und auch konstante Helligkeit aufweisen \u2014 etwa in der Mitte zwischen Weifs und Schwarz \u2014, indes eine angemessene Ver\u00e4nderung am achromatischen Anteil jedesmal f\u00fcr den durch die obige Gesetzm\u00e4fsigkeit verlangten Helligkeitserfolg sorgt. Die verschiedenen Lichter h\u00e4tten dann zugleich die beiden Eigenschaften, einmal beim Ansteigen innerhalb gewisser Grenzen stets sowohl ein absolutes, als ein relatives Ansteigen auch der farbigen Erregung mit sich zu f\u00fchren, ferner je nach Wellenl\u00e4nge bald ein relatives Mitansteigen der farblosen Erregung, bald ein relatives Zur\u00fcckgehen derselben, ohne dafs zwischen diesen beiden Eigenschaften ein engerer Zusammenhang statuiert w\u00fcrde. Nun ist aber die Vermutung eines solchen Zusammenhanges unter den gegebenen Umst\u00e4nden doch aufserordentlich nahe gelegt, genauer also die Vermutung, dafs die Rot- und Gelb - Erregung die Weifs - Erregung beg\u00fcnstige, die Gr\u00fcn- und Blau - Erregung sie beeintr\u00e4chtige. Weiter ist aber ein solches Beg\u00fcnstigen und Beeintr\u00e4chtigen zwischen den prinzipiell voneinander unabh\u00e4ngig gedachten Erregungen viel weniger plausibel als die Annahme, es handle sich hier \u00fcberhaupt nicht so sehr um die Weifs-Erregung als um den Helligkeitseffekt, und dieser werde nicht von Seite der achromatischen","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nA. Mein on g.\nErregung her im Sinne der obigen Gesetzm\u00e4fsigkeit bestimmt, sondern dadurch, dafs die mit jeder Farbe gegebene Helligkeit nicht f\u00fcr alle Farben gleich, sondern verm\u00f6ge ihrer Beschaffenheit der Gesamterhellung das eine Mal g\u00fcnstig, das andere Mal ung\u00fcnstig ist, ein Einflufs, der nat\u00fcrlich um so mehr zur Geltung kommen mufs, je st\u00e4rker sich das chromatische Moment gegen\u00fcber dem achromatischen geltend macht. So komme ich zu dem Ergebnisse, dafs es gerade unter Voraussetzung der von Martius selbst aufgestellten Gesetzm\u00e4fsigkeit doch immer noch am plausibelsten ist, zu vermuten, dafs den Farben Rot und Gelb eine nat\u00fcrliche, d. h. bereits in der Natur der betreffenden Erregungen gelegene Helligkeit \u00fcber, ebenso den Farben Gr\u00fcn und Blau eine eben solche Helligkeit unter der Helligkeitsmitte eigen ist.\nNun darf aber schliefslich auch nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dafs mir Herings Aufstellung in Betreff der spezifischen Helligkeit nicht erst durch Hillebrands fein erdachte, aber immerhin keinen ganz einfachen Erw\u00e4gungen entsprungene Versuche glaubhaft geworden ist, sondern durch die direkte Beachtung der Natur des m\u00f6glichst ges\u00e4ttigten Gelb und Blau. Die nat\u00fcrliche Helligkeit dort, die nat\u00fcrliche Dunkelheit hier ergibt sich freilich aus Beobachtungen, denen viel von der Strenge des exakten psychologischen Experimentes fehlen mag5 die aber letzterem an \u00dcberzeugungskraft leicht \u00fcberlegen sein k\u00f6nnen. Vielleicht tut auch die gleichfalls noch sozusagen vorexperimentelle Erfahrung, dafs man nicht leicht dunkles Gelb oder helles Blau von erheblicher S\u00e4ttigung antrifft, das Ihre : kurz ich meine, die spezifische Helligkeit der Farben kann man, wenn man nur erst einmal darauf aufmerksam gemacht worden ist, sozusagen den Farben direkt ansehen, und auch nachtr\u00e4gliche theoretische Erw\u00e4gung hat keinen Grund, gegen das Zeugnis direkter Empirie hier Bedenken zu erheben.\n\u00a7 8. Der Farbenk\u00f6rper und die Farbentheorien.\nWeist so bereits die vorexperimentelle Erfahrung auf den oben erw\u00e4hnten EBBiNGHAusschen Farbenk\u00f6rper, so k\u00f6nnte immerhin noch die Frage aufgeworfen werden, ob er ihr auch wirklich durchaus Gen\u00fcge leistet. Was berechtigt uns insbesondere zu der Annahme, das ges\u00e4ttigte Rot, Gelb etc. k\u00f6nne nur in Einer Helligkeit Vorkommen oder komme wenigstens tats\u00e4chlich nur in Einer Helligkeit vor ? Es hat mir auf Grund dieser Erw\u00e4gung","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n33\nlange eine unabweisliche Forderung geschienen, die die Grundfl\u00e4che des in Rede stehenden Farbenk\u00f6rpers begrenzenden Kanten durch Ebenen parallel zur Weifs-Schwarz-Achse zu ersetzen, was ein Prisma zwischen zwei Pyramiden erg\u00e4be. Der Grund, um deswillen ich hiervon wieder zur\u00fcckgekommen bin, mag verdienen, an dieser Stelle als Beleg daf\u00fcr namhaft gemacht zu werden, dafs der Farbenk\u00f6rper so wenig apriorischer Natur ist, dafs in seiner Gestalt sogar jene Verarbeitung der Empirie zur Geltung zu kommen scheint, die wir unter dem Namen einer ,,Farbentheorie\u201c zusammenzufassen pflegen. Dafs mir als solche zur Zeit die HERmosche am n\u00e4chsten steht \u2014 selbstverst\u00e4ndlich immer mit dem Vorbehalte beliebig weit gehender Modifikationen auf Grund etwa zu gewinnender besserer Einsicht \u2014, hat sich oben bereits ergeben, und wirklich scheint mir eigentlich erst unter Bezugnahme auf diese Konzeption die eben angeregte Umkonstruktion entbehrlich. Das psychische Korrelat der Blau-Erregung, das in seiner Reinheit freilich empirisch nicht vertreten sein wird, kann nat\u00fcrlich nur ein Punkt sein, nicht minder das Korrelat der Rot-Erregung ; die Korrelate des Zusammenauftretens beider Erregungen aber m\u00fcssen in der die beiden Punkte verbindenden Mischlinie liegen : die abgestumpften Ecken und Kanten tragen dann der Empirie Rechnung, weniger wie man sie konstatiert hat, als wie man sie sich unter den gegebenen theoretischen Voraussetzungen erwartet. Die oben erw\u00e4hnten Ebenen senkrecht zur Schwarz - Weifs - Achse zu Grenzfl\u00e4chen zu machen, hat man kein direkt der Empirie entnommenes Recht: der Theorie gegen\u00fcber steht aber immer zu vermuten, dafs solche Fl\u00e4chen, soweit die Bewegung innnerhalb derselben einmal wirklich der Erfahrung begegnen sollte, im Inneren des Farbenk\u00f6rpers liegen und durch geeignet gef\u00fchrte Schnitte zu erhalten sind.\nEs liegt nahe, im gegenw\u00e4rtigen Zusammenh\u00e4nge nun auch die Frage aufzuwerfen, wie denn etwa der Anh\u00e4nger der Young-HELMHOLTzschen Theorie sich den Farbenk\u00f6rper auszugestalten h\u00e4tte. Authentisches hier\u00fcber liegt, so viel mir bekannt, literarisch nicht vor, was seinen Grund wohl zun\u00e4chst darin haben wird, dafs der Farbenk\u00f6rper doch eigentlich erst in aller j\u00fcngster Zeit zu dem Ansehen in der Farbenpsychologie zu gelangen scheint, auf das er so wohlbegr\u00fcndeten Anspruch hat. Sehe ich aber recht, so d\u00fcrfte die YouNO-HELMHOLTzsche Theorie sich\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 33.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nA. Meinong.\ninsbesondere der einen Konsequenz schwer entziehen k\u00f6nnen, zur Grundfl\u00e4che des Farbenk\u00f6rpers etwas zu nehmen, was dem Farbendreieck ziemlich nahe stehen m\u00fcfste, wie es etwa zuletzt von F. Exneb, auf Grund der K\u00f6xio-DiETERicischen sowie auf Grund eigener Bestimmungen gezeichnet worden ist.1 Sollte man sich aber seitens der Vertreter der in Rede stehenden Theorie dazu nicht recht entschliefsen k\u00f6nnen, so schiene mir hierin zun\u00e4chst doch nur die Tatsache zur Geltung zu kommen, dafs diese Theorie unbeschadet der ebenso bewundernswerten als fruchtbringenden Arbeit, die auf ihre empirische Begr\u00fcndung und Ausgestaltung gewendet worden ist, doch von Natur eine erfahrungsfremde, in erster Linie aus dem Postulate der lex parsimoniae herausdeduzierte Konzeption bleibt. Am deutlichsten tritt das freilich in ihrer urspr\u00fcnglichen Fassung zu Tage: die Zur\u00fcckf\u00fchrung der Farbent\u00f6ne auf Rot, Gr\u00fcn und Violett l\u00e4fst in dieser Auswahl kaum die Spur eines Versuches erkennen, an die Eigenart der speziell in der psychologischen Empirie vorliegenden Tatsachen anzukn\u00fcpfen, obwohl es doch am Ende gerade diese waren, die es einigennafsen verst\u00e4ndlich zu machen galt. Dann sind freilich die Fr\u00fcchte der erw\u00e4hnten experimentellen Bearbeitung nicht ausgeblieben : insbesondere der Ersatz der Grundempfindung Violett durch Blau hat die Theorie den lebendigen Tatsachen bereits um vieles n\u00e4her gebracht, und so w\u00e4re derzeit bei \u00dcbertragung des Farbendreiecks in den Farbenk\u00f6rper ohne Zweifel der Ort des Gelb der Punkt, an dem der Konflikt mit der psychologischen Empirie sich am nachdr\u00fccklichsten Geltung erzw\u00e4nge. Gegen Rot, Blau und Gr\u00fcn als \u201eGrundempfindungen\u201c ist nichts einzuwenden, aber was sie legitimiert, ist zun\u00e4chst die Tatsache, dafs psychologisch bei Rot, Blau und Gr\u00fcn \u201eprinzipiell begrenzte\u201c Qualit\u00e4tenreihen ihr Ende haben. Ist dem aber so, dann fordert Gelb gebieterisch eine parit\u00e4tische Behandlung, und dann geht es auch nicht an, Rot, Gelb und Gr\u00fcn in Eine Gerade zu legen.\n1 \u201e\u00dcber die Grundempfindungen im Young- Helmholtz sehen Farbensystem\u201c. Sitzungsberichte der k. \u00c4kad. d. Wiss. in TVien, math.-nat. Kl., 111, Abteilung Ha. 1902. S. 15 des Sonderabdruckes.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n35\n\u00a79. Zu F. Exnees Bestimmung der HELiHOLTzschen\nGrundempfindungen.\nDafs \u00fcbrigens trotz so prinzipiellen Dissenses die Theorien einander immer n\u00e4her kommen, das belegt wohl am besten die erfreuliche Tatsache, dafs Untersuchungen die zun\u00e4chst im Dienste einer ganz speziellen Theorie durchgef\u00fchrt worden sind, sich bereits mehr als einmal auch der gegnerischen Theorie f\u00f6rderlich erwiesen haben. Das gilt z. B. von den erw\u00e4hnten K\u00d6NiGschen Versuchen zur Feststellung der Mischungskurve der Spektralfarben, die zum Zwecke der Ermittlung des Ortes dieser Farben im Farbenk\u00f6rper auch f\u00fcr denjenigen von gr\u00f6fstem Werte sein mufs, der diesen K\u00f6rper im Sinne des Ebbinghaus-schen Entwurfes und insofern auch einigermafsen im Sinne HerinGscher Voraussetzungen gestaltet denkt. Ebenso sind die in der oben erw\u00e4hnten Abhandlung F. Exnees ver\u00f6ffentlichten Untersuchungen ganz ausdr\u00fccklich auf Feststellung der Young-HELMHOLTzschen Grundempfindungen gerichtet. Es ist aber leicht zu erkennen, dafs das gl\u00fccklich ersonnene Versuchsverfahren, das zu diesem Zwecke zu dienen bestimmt ist, auch ganz unabh\u00e4ngig von den besonderen theoretischen Voraussetzungen seinen Wert beh\u00e4lt.\nDas Verfahren fufst auf der \u00dcberlegung, dafs die Abschw\u00e4chung einfacher oder aus quantitativ gleichen Teilen zusammengesetzter Reize resp. Erregungen um der Schwelle willen f\u00fcr den psychischen Erfolg anderes zu bedeuten haben wird als die Herabsetzung bei ungleich starken Komponenten. W\u00e4hrend im ersteren Falle ein Anlafs zu einer Qualit\u00e4ts\u00e4nderung nicht ersichtlich ist, mufs in letzterem Falle eine solche eintreten, sobald eine Komponente unter die Schwelle sinkt. Exner gibt nun ein ebenso rasches als genaues Verfahren an, sich \u00fcber den Erfolg der Abschw\u00e4chung verschiedener spektraler Lichter zu orientieren. Bei Anwendung dieses Verfahrens findet man nun wirklich gewisse Punkte im Spektrum von der Abschw\u00e4chung des Lichtes im obigen Sinne unabh\u00e4ngig und Exner meint diese Punkte mit den Schnittpunkten der K\u00d6NiGschen Kurven identifizieren, zugleich zwei derselben darauf hin HELMHOLTzschen Grundempfindangen zuordnen, die beiden anderen endlich als Komplement\u00e4rfarben zu zwei Grundempfindungen betrachten zu d\u00fcrfen.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"A. Meinong.\n36\nLassen wir hier den dritten der vier Schnittpunkte (von iinks nach rechts gez\u00e4hlt), der dem Experimente tats\u00e4chlich Schwierigkeiten bereitet hat1, aufser Betracht, so bedeuten die drei \u00fcbrigen gem\u00e4fs der HELMHOLTzschen Theorie die Punkte des reinen Gelb, Gr\u00fcn und Blau. Nun hat aber nat\u00fcrlich jenes spektrale Gelb, das noch weder von Rot noch von Gr\u00fcn, ebenso das spektrale Gr\u00fcn, das noch weder von Gelb noch von Blau etwas an sich hat u. s. f. seine grofse Bedeutung f\u00fcr jede Theorie, und ein relativ einfaches Verfahren, an einem gegebenen Spektrum die betreffenden Stellen f\u00fcr ein gegebenes Subjekt zu bestimmen, ist unter den verschiedensten Gesichtspunkten eine h\u00f6chst erw\u00fcnschte Sache. Speziell vom Standpunkte der Hering-schen Theorie aus betrachtet f\u00e4llt der von Exner in der obigen Weise ermittelte Gelbpunkt und Blaupunkt fast genau mit den beiden Punkten zusammen, an denen die \u00dcERiNGsche Rot-Gr\u00fcn-Kurve ihre Abszissenachse schneidet. Dagegen liegt der Schnittpunkt der Gelb-Blau-Kurve freilich unverkennbar rechts von dem durch Exner bestimmten Gr\u00fcnpunkte. Darin kommt aber nur jene seltsame Blaulichkeit des \u00dcERixoschen Urgr\u00fcn zur Geltung, die nebst der gleichen Eigenschaft des \u00dcERiNGschen Urrot f\u00fcr mich noch einen von den einer Kl\u00e4rung am meisten bed\u00fcrftigen Punkten der ganzen Konzeption ausmacht.2\nSieht man von der mangelhaften \u00dcbereinstimmung in betreff des Gr\u00fcnpunktes ab, identifiziert also Exners ersten, zweiten und vierten Punkt direkt mit dem HERixoschen Urgelb, Urgr\u00fcn und Urblau, dann m\u00f6chte ich geradezu so weit gehen, zu behaupten, dafs Prinzip wie Ergebnisse der ExNERsehen Feststellungen 3 f\u00fcrs erste ganz ebenso \u00fcberzeugend f\u00fcr die HERiNGsche wie f\u00fcr die HELMHOLTzsche Auffassung sprechen, so dafs es erst weiteren Versuchen zu \u00fcberlassen sein d\u00fcrfte zu entscheiden, ob sich ihren Ergebnissen gegen\u00fcber eine der\n1\ta. a. O. S. 9.\n2\tEinigermafsen im Gegens\u00e4tze zu Ebbinghaus, der hierauf nicht viel Gewicht zu legen scheint, vgl. dessen Psychologie Bd. I, S. 253, Anm. 2.\n3\t\u00c4hnlich steht es mit desselben Autors etwas sp\u00e4ter ver\u00f6ffentlichten Beitr\u00e4gen \u201eZur Charakteristik der sch\u00f6nen und h\u00e4fslichen Farben.\u201c Wiener Sitzungsberichte 1902, Math.-naturw. Kl., 111, Abt. Ha, in denen neben den HELMHOLTzschen Grundempfindungen auch Gelb in ausreichendem Mafse zur Geltung gelangt (vgl. insbesondere S. 9 f., 12 u. 21 des Sonderabdruckes), um den Gedanken an parit\u00e4tische Behandlung aller vier Farben nahe zu legen.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\nbeiden Theorien in merklichem Vorteile befinden mag und welche. Im allgemeinen wird man sich vom Unterschwelligwerden einer Komponente nm so eher einen Einflufs auf das psychische Ergebnis erwarten d\u00fcrfen, je geringeres Gewicht die pr\u00e4sumtiv verschwindende Komponente gegen\u00fcber der zur\u00fcckbleibenden besitzt. Vergleichen wir nun den Sachverhalt in der Umgebung des Gelbpunktes nach Hering und nach Helmholtz, so finden wir, dafs im Sinne der ersteren Auffassung links vom Gelbpunkte die Rot-, rechts davon die Gr\u00fcnkurve eben erst den Nullwert \u00fcberschreitet, indes die HELMHOLTzsche Rot- und Gr\u00fcnkurve sich doch schon in recht ansehnlicher Entfernung von der Achse schneiden. Von Komponenten dieser Art eine unter die Schwelle zu bringen, mufs, falls man nicht sehr geringe Lichtst\u00e4rken verwendet, ungleich mehr verlangen als der analoge Erfolg unter den Voraussetzungen der HERiNGschen Theorie, Tritt also die Farbenton\u00e4nderung an den geeignet gew\u00e4hlten Nachbarpunkten bei verh\u00e4ltnism\u00e4fsig unbetr\u00e4chtlicher Abschw\u00e4chung der Helligkeit ein, so ist die HERiNGsche, erfolgt sie erst bei starker Herabsetzung, so ist die HELMHOLTzsche Auffassung n\u00e4her gelegt. Genauere Angaben hier\u00fcber habe ich bei Exner nicht gefunden mit Ausnahme etwa der folgenden Bemerkung: \u201eDie absolute Helligkeit ist bei diesen Versuchen innerhalb weiter Grenzen ohne Einflufs, man mufs mit derselben nur merklich von der Grenze, wo Blendung beginnt, entfernt bleiben, und ebenso darf man mit derselben nicht so weit herabgehen, dafs die Erkennung des Farbentones des dunkleren Feldes die geringste Schwierigkeit bereitet.\u201c 1 Ist hier nicht etwa blofs von der St\u00e4rke des zur Erzeugung des Spektrums verwendeten Lichtes die Rede, dann w\u00e4re dies einigermafsen zu Gunsten Herings zu deuten. Gelegentlich einiger an einem Dispersionsspektrum vorgenommenen Versuche, die bei der Unzul\u00e4nglichkeit der mir zur Zeit erreichbaren Versuchsanordnung zun\u00e4chst nur auf eine Veranschaulichung des ExNERschen Verfahrens abzielen konnten, schien mir (und Herrn Dr. V. Benussi) der Farbenwandel erst bei einer Verdunklung einzutreten, bei der das genaue Agnoscieren des Farbentones schon etwas schwer zu werden begann, was also, falls diesen Versuchen \u00fcberhaupt Beweiswert beizumessen w\u00e4re, einigermafsen zu Gunsten Helmholtz\u2019 gedeutet werden k\u00f6nnte.\n1 \u201e\u00dcber die Grundempfindungen etc.\u201c a. a. O. S. 9.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nA. Meinong.\nF\u00fcr den Gr\u00fcn- und vollends f\u00fcr den Blaupunkt nimmt auch die HELMHOLTzsche Theorie relativ niedrige Ordinatenwerte in Anspruch, so dafs die Umst\u00e4nde hier einem Experimentum crucis im eben angegebenen Sinne weniger g\u00fcnstig liegen d\u00fcrften. Vielleicht aber gestatten sie ein anderes, das, falls seiner beweiskr\u00e4ftigen Durchf\u00fchrung nicht die durch die Abdunklung so sehr erh\u00f6hte Unterscheidungsschwelle f\u00fcr Farbent\u00f6ne im Wege stehen sollte, noch weit entscheidendere Instanzen zu bieten verspricht. Wie ein Blick auf die ExxERsche Kurve1 lehrt, kann es unter den von ihm gemachten Voraussetzungen nicht schwer fallen, etwa gr\u00fcnw\u00e4rts vom Blaupunkte nach dem Rot-Anteile auch den Gr\u00fcn-Anteil, umgekehrt violettw\u00e4rts vom Blaupunkte nach dem Gr\u00fcn-Anteil auch den Rot-Anteil unter die Schwelle zu bringen. Dann m\u00fcfste im ersten Falle der qualitativen Bewegung nach links, wenn man kurz so sagen darf, wieder eine nach rechts, im zweiten umgekehrt der Rechtsbewegung eine Linksbewegung, jedesmals ein \u00dcbergang in die reine Grundempfindung folgen. Analoges w\u00e4re f\u00fcr den Gr\u00fcnpunkt zu erwarten. Die erw\u00e4hnten Veranschaulichungsversuche im Grazer psychologischen Laboratorium haben von einer solchen r\u00fcckl\u00e4ufigen Bewegung auch nicht die geringste Spur ergeben : nat\u00fcrlich hat aber das Nichteintreten eines pr\u00e4sumtiv erwarteten Tatbestandes um so weniger zu bedeuten, je unvollkommener die Versuche sind.\nVon dem Austrage dieser Detailfragen ist der theoretische Wert der ExxERschen Versuche auch insofern unabh\u00e4ngig, als deren Resultate unter allen Umst\u00e4nden auf das Vorhandensein zusammengesetzter Grundlagen unserer Farbenempfindungen hin-weisen. Insofern zeugen sie, um nochmals den von Wundt statuierten Gegensatz heranzuziehen, f\u00fcr eine Komponenten- und gegen eine Stufentheorie.2\n1\ta. a. O. S. 12.\n2\tDie Intention, auch diesen Gegensatz zu \u00fcberbr\u00fccken, kommt neuestens in W. Wirths sch\u00f6ner Arbeit \u00fcber den \u201eFECHNER-HELMHOLTZSchen Satz \u00fcber negative Nachbilder und seine Analogien\u201c zur Geltung, dessen dritter Teil (Philosophische Studien 18, vgl. insbesondere S. 654 ff.) unmittelbar vor Abschlufs des Manuskriptes der gegenw\u00e4rtigen Abhandlung in meine H\u00e4nde gelangt. Leider hindern mich \u00e4ufsere Gr\u00fcnde, diesen Abschlufs so lange aufzuschieben, bis ich eine angemessene W\u00fcrdigung der WiRTHschen Untersuchungen, die in mehr als einer Hinsicht dem Interessenkreise der","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n39\n\u00a7 10. Ergebnisse.\nVon dieser Digression \u00fcber Farbentheorien wende ich mich wieder znm psychologischen Farbenk\u00f6rper zur\u00fcck, um im folgenden seinen Beziehungen zu einem der fundamentalsten Gesetze des Farbengebietes etwas n\u00e4her zu treten. Vorher mag jedoch der Haupterl\u00f6s der bisherigen Darlegungen in ein paar S\u00e4tzen zusammengefafst sein:\n1.\tEs empfiehlt sich, dem Farbenk\u00f6rper einen Farbenraum gegen\u00fcberzustellen. Dieser ist der Inbegriff aller m\u00f6glichen Farben wie jener der Inbegriff aller psychologisch wirklichen Farben, der Farben Vorstellungen oder besser vorgestellten Farben ist. Der Farbenk\u00f6rper ist im Farbenraume und partizipiert insofern an dessen Eigenschaften.\n2.\tUnser Wissen vom Farbenraume ist von Natur ebenso apriorisch wie unser Wissen vom eigentlichen Raume: es ist Farbengeometrie. Unser Wissen vom Farbenk\u00f6rper ist von Natur empirisch und insofern Farbenpsychologie: doch ist apriorische Durcharbeitung des empirisch Gewonnenen hier so wenig ausgeschlossen wie sonst in den empirischen Wissenschaften.\n3.\tApriorischen Einsichten in die Beschaffenheit der Farbenmannigfaltigkeit kommt unsere intellektuelle Veranlagung vergleichsweise wenig entgegen. Man hat daher mit der M\u00f6glichkeit zu rechnen, dafs notwendige Zusammenh\u00e4nge auch dort vorliegen, wo die Evidenz f\u00fcr solche sich nur in unvollkommener Weise einstellen will. Dies scheint insbesondere von den Relationen der Kontrast- oder Komplement\u00e4rfarben zueinander zu gelten; die innere Notwendigkeit dieser Relationen aber k\u00f6nnte, wie noch zu ber\u00fchren sein wird3, der Beseitigung einiger fundamentaler Schwierigkeiten der Farbentheorie f\u00f6rderlich sein.\n4.\tDie psychologische Empirie kommt beim Farbenk\u00f6rper zun\u00e4chst an dessen Grenzen zur Geltung, aber nat\u00fcrlich nur unter Voraussetzung schematisierender Vereinfachung der Daten, die sie bietet. F\u00fcr den Ausfall des so zu gewinnenden Schemas ist die theoretische Ansicht, die dabei zu Grunde gelegt wird, nicht ohne Belang. Obwohl also der Farbenk\u00f6rper eigentlich\ngegenw\u00e4rtigen Ausf\u00fchrungen nahe stehen d\u00fcrften, diesen nutzbar machen k\u00f6nnte.\n1 Vgl. S. 45 f.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nA. Meinong.\ndie Aufgabe hat, die Farbendaten der Empirie vor aller Theorie zu umfassen, wird es doch nahe liegen, ihn vom Standpunkte der Youko-HELMHOLTzschen Theorie anders zu konzipieren als vom Standpunkte der HERixGschen.\n5.\tVon den drei Dimensionen, die der Farbenk\u00f6rper wie der Farbenraum im Mindestfalle aufweist, f\u00fchrt nur die der Helligkeit einen gebr\u00e4uchlichen Namen; doch sprechen gute Gr\u00fcnde daf\u00fcr, in Rot und Gr\u00fcn einerseits, Gelb und Blau andererseits die Hauptrepr\u00e4sentanten der beiden anderen nat\u00fcrlichen Dimensionen des Farbenraumes zu sehen. Die Variabilit\u00e4t in den drei Dimensionen weist auf ebenso viele Farbenelemente hin, deren jedes als zwischen einem uncharakteristischen Indifferenzoder Mittelwerte und charakteristischen Extremwerten variabel zu vermuten ist. Auf das Zusammentreffen von Werten letzterer Art, die \u00fcbrigens, nat\u00fcrlich verschiedenen Dimensionen angeh\u00f6ren m\u00fcssen, d\u00fcrfte der Schein zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, als ob die Hauptfarben sich \u201epsychologisch\u201c zu Nebenfarben mischten.\n6.\tWeil die Helligkeit eine Dimension ist, ist sie nicht mit Weifslichkeit identisch, und eben darum ist nicht nur die Weifs- Schwarz -Linie nach Helligkeit bestimmt, sondern nicht minder die Gelb-Blau- und die Rot - Gr\u00fcn - Linie. Alle sechs HERiNGschen Grundempfindungen m\u00fcssen also wie nach den beiden anderen Dimensionen so auch der Helligkeit nach als bestimmt angenommen werden. Es ist darum auch gegen eine Spezifikation dieser Helligkeiten kein vorg\u00e4ngiger Einwand zu erheben, und auch den Tatsachen gegen\u00fcber scheint sich die Annahme der \u201espezifischen Helligkeit\u201c zu bew\u00e4hren.\nZweiter Abschnitt.\nVon der Farbenmischung.\n\u00a7 11. Das Mischungsgesetz in erstem Entw\u00fcrfe.\nDafs die Psychologie um den Farbenk\u00f6rper weifs, hat sie. sicher in erster Linie dem Interesse zu danken, das die Tatsache der Farbenmischung nebst ihren Gesetzm\u00e4fsigkeiten schon seit so langer Z\u00e8it auf sich gezogen hat.1 Es w\u00e4re nichts als ein\n1 Vgl. Zindlek a. a. 0., diese Zeitschrift 20, S. 230ff., 249f.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n41\nweiterer Beleg f\u00fcr die nat\u00fcrliche Zusammengeh\u00f6rigkeit dieser Dinge, wenn nun umgekehrt der Farbenk\u00f6rper die Grundlage f\u00fcr die nat\u00fcrlichste Formulierung der Mischungsgesetze dar-bieten sollte. Als solche Grundlage scheint er sich in der Tat zu bew\u00e4hren, wenn man die beiden nachstehenden Grundgesetze f\u00fcr alle Farbenmischung aufstellen darf, die sich, wie kaum ausdr\u00fccklich bemerkt zu werden braucht, auf Farbenmischung im ganz gew\u00f6hnlichen Wortsinne beziehen und nicht etwa auf jene kaum den eigentlichen Mischungen mehr zuzuz\u00e4hlenden F\u00e4lle, f\u00fcr die oben vor\u00fcbergehend der Ausdruck \u201epsychologische Mischung\u201c verwendet worden ist, auf den wir erst gegen Ende dieser Ausf\u00fchrungen noch einmal zur\u00fcckzukommen haben werden. Die beiden Gesetze, die genau genommen nur als ein einziges anzusehen sind, da sub II eigentlich nur determiniert wird, was sub I unbestimmt gelassen bleibt, k\u00f6nnen etwa so formuliert werden :\nI. Treffen zwei Reize Ra und i4, die dadurch definiert seien, dafs sie unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden die Farbenempfindungen a und b hervorrufen, in geeigneter Weise zusammen, so kommt die Tatsache der Mischung im Entstehen einer Empfindung m zur Geltung, deren Ort in der Geraden liegt, welche die Orte von a und b im psychologischen Farbenk\u00f6rper verbindet.\nII. Die Stellung des Punktes m zwischen den Punkten a und b bestimmt sich genauer nach dem Quantit\u00e4tsVerh\u00e4ltnis der Reize, indem die Mischfarbe einer Komponentenfarbe um so \u00e4hnlicher ausfallen mufs, je ausgiebiger der betreffende Reiz vertreten ist. Ver\u00e4ndert sich \u00c4hnlichkeit entgegengesetzt wie die Un\u00e4hnlichkeit und f\u00e4llt diese mit Distanz zusammen, so heilst dies: Zwei Farben mischen sich so, dafs ihre Abst\u00e4nde von der Mischfarbe sich umgekehrt verhalten wie die Quantit\u00e4ten der zugeh\u00f6rigen Reize.\tm\nVielleicht h\u00e4lt man dieser Formulierung des Mischungsgesetzes den Einwand entgegen, dafs daran gerade das, worauf hier besonderes Gewicht gelegt wird, die Zugrundelegung des psychologischen Farbenk\u00f6rpers, willk\u00fcrlich sei. Das scheint einfachst aus der Tatsache zu erhellen, dafs dem Mischungsgesetze auch eine,Farbentafel wie etwa die MAxwELLsche Gen\u00fcge leistet,","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nA. Meinong.\nder K. Zindler1 den Charakter einer psychologischen Farbentafel aberkennt, da sie nur als physiologische Farbentafel in Anspruch zu nehmen sei. Dem habe ich vor allem entgegenzuhalten, dafs, soweit zu gleichen und \u00e4hnlichen psychischen Geschehnissen gleiche resp. \u00e4hnliche physische, genauer physiologische geh\u00f6ren, eine r\u00e4umliche Abbildung der physischen Korrelate der gegenst\u00e4ndlich differenzierten Farbenempfindungen auch wohl eine Abbildung dieser Empfindungen wird sein m\u00fcssen. Sollten wir also eine Farbentafel in diesem Sinne ebensowohl physiologisch als psychologisch nennen d\u00fcrfen, so wird- die letztere Bezeichnung unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden den Vorzug verdienen, weil uns das abgebildete Psychische hier durch direkte Empirie bekannt, das etwa zugleich mitabgebildete Physische dagegen zun\u00e4chst blofs darauf hin vermutet ist. Insofern ist also auch die MAxwELLsche Farbentafel eine psychologische, nur wegen der Willk\u00fcrlichkeit der Ausgangspunkte darin2 eine noch sehr unvollkommene, indem diese Willk\u00fcrlichkeit den Fehler fast unvermeidlich macht, dafs verschieden distanten Farben gleiche Raumdistanzen zugeordnet werden. Wer sich nur um die im Mischungsgesetze enthaltenen Relationen k\u00fcmmern will, findet sich dadurch freilich nicht gest\u00f6rt und mag darum Anstand nehmen, von einem \u201eFehler\u201c zu reden: das ist im gegenw\u00e4rtigen Zusammenh\u00e4nge aber auch ganz unwesentlich. Entscheidend ist dagegen, wenn ich recht sehe, dafs jede auch noch so ausschliefslich den Mischungstatsachen zugew7andte Farbenkonstruktion doch jedenfalls auf Mischlinien zur\u00fcckgeht, denen eine verst\u00e4ndliche Beziehung auf die Farben nur dann beizulegen ist, wenn mindestens jede f\u00fcr sich einem psychologischen Farbenk\u00f6rper angeh\u00f6rend gedacht werden k\u00f6nnte. Die Willk\u00fcrlichkeit in der Lokalisation der Ausgangsfarben hat dabei eben nur zur Folge, dafs verschiedene dieser Linien zu r\u00e4umlichen Abbildungen von verschiedener Gr\u00f6fse, insofern zu verschiedenen Farbenk\u00f6rpern geh\u00f6ren, und eben darum nicht \u201ezueinander passen\u201c.\nDafs sich nun unter Voraussetzung der obigen Formulierungen so ziemlich alles verstehen l\u00e4fst, was an allgemeinen Farbenmischungstatsachen zu interessieren pflegt, ist nun leicht\n1\ta. a. O. S. 240ff.\n2\ta. a. O. S. 235ff.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n43\nzu erkennen. Die Natur des Farbenk\u00f6rpers bringt es vor allem mit sich, dafs jeder Farbe, genauer jedem Farbenton darin ein und nur ein Farbenton zugeordnet ist, dessen Verbindungslinie mit dem ersten die Weifs- Schwarz -Achse schneidet. Die Mischung solcher Farben kann im Sinne des Obigen nur entweder eine der beiden Farben oder Grau ergeben: es sind eben Komplement\u00e4rfarben. Ebenso m\u00fcssen die Mischungsergebnisse bei vorkomplement\u00e4ren Farben, wenn man so sagen darf, dem Tone wie der S\u00e4ttigung nach zwischen diesen Farben liegen. Weil ferner in den Grundgesetzen \u00fcber die Beschaffenheit der Reize und Empfindungen nichts vorausgesetzt ist, im besonderen also auch nichts \u00fcber Gemischtheit und Ungemischtheit, indem die Reize nur nach ihrem \u201eAussehen\u201c definiert wurden, so kann man von der Mischung aus zwei Komponenten ohne weiteres auf die aus drei Komponenten \u00fcbergehen, indem man davon zuerst zwei mischt, das Mischungsergebnis aber dann mit der dritten zusammenbringt. So gelangt man auf Farbendreiecke und durch Einbeziehung einer vierten Farbe auf Farbengleichungen, deren Inkonstanz im Falle extremer Reizwerte den Mischungsgesetzen nicht beizumessen ist, da bei extremer Steigerung oder Herabsetzung die Reize ihr Aussehen (auch dem Farbenton nach) \u00e4ndern, so dafs, was bei Aufstellung der Farbengleichung ein a-Reiz gewesen ist, sich in einen a- Reiz umgewandelt hat, auf den die Farbengleichung sich ja von Haus aus gar nicht bezieht.\nBemerkenswerter noch als ihre Konsequenzen d\u00fcrfte aber die erkenntnistheoretische Natur der Thesen I und II sein. Was an ihnen sofort auff\u00e4llt, ist die eigent\u00fcmliche innere Vern\u00fcnftigkeit, jene Einsichtigkeit, verm\u00f6ge deren sie der mathematischen Erkenntnis weise n\u00e4her verwandt scheinen als derjenigen, auf welche die Erfahrungswissenschaften in der Regel angewiesen sind. Dafs, wenn zwei Reize Ba und Bb einander sozusagen durchdringen, ohne ihre Beschaffenheit aufzugeben, ein Empfindungsergebnis zum Vorscheine kommen mufs, welches dem a wie dem b verwandt, zwischen ihnen beiden gelegen ist, und dafs die Verwandtschaft um so gr\u00f6fser sein mufs, je gr\u00f6fser der Anteil ist, der der betreffenden Komponente an der Mischung zukommt, das m\u00fcssen wir uns nicht von der Erfahrung sozusagen aufdr\u00e4ngen lassen, wie etwa die Tatsache, dafs \u00d6l auf Wasser schwimmt, Quecksilber aber nicht, \u2014 vielmehr sp\u00fcren wir sofort etwas von","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nA. Meinong.\nder inneren Nat\u00fcrlichkeit und Selbstverst\u00e4ndlichkeit jenes Sachverhaltes, \u00e4hnlich wie wir die Gleichheit der Diagonalen im Quadrate oder Rechtecke nicht als ein uns blofs \u00e4ufserlich sich Darbietendes, sondern als ein in sich Nat\u00fcrliches und uns darum Verst\u00e4ndliches zur Kenntnis nehmen. Darauf hin kurzweg von \u201epsychophysischen Axiomen\u201c zu reden, wie G. E. M\u00fcller tut1, ist vielleicht gleichwohl nicht ohne Wagnis; und die in den obigen S\u00e4tzen I und II gegebenen Formulierungen, die der Empfindung nicht die \u201epsychophysische Erregung\u201c, sondern den ihr um so vieles ferner stehenden Reiz gegen\u00fcberstellen, werden darum vollends nicht als axiomatisch, auch nicht als apriorisch ohne Vorbehalt in Anspruch zu nehmen sein. Dafs aber auch hier dem zweifellos vorliegenden empirischen Momente ein nicht in blofser Erfahrungsgem\u00e4fsheit, sondern in der Natur der Sache gelegenes, also apriorisches Moment zur Seite steht, scheint ebenso deutlich wie bei gewissen vielumstrittenen Prinzipien der theoretischen Mechanik, sollte es auch hier gleich schwer sein wie dort, das Apriorische vom Empirischen reinlich loszul\u00f6sen.\nDem Dargelegten ist es v\u00f6llig gem\u00e4fs, dafs auch die oben angedeuteten Konsequenzen aus den beiden Grundgesetzen die ber\u00fchrte innere Vern\u00fcnftigkeit nicht vermissen lassen. Eine Ausnahme machen blofs die Komplement\u00e4rfarben, deren Verhalten zueinander und zum Grau resp. Weifs so wTenig Selbstverst\u00e4ndlichkeit an sich hat, dafs hier das Staunen und das begr\u00fcndete Interesse des Laien immer wieder zum Ausdrucke gelangt. Auch die Mischungsergebnisse vorkomplement\u00e4rer Farben sind innerhalb leicht zu ziehender Grenzen nicht ganz frei von solchem Staunen. Aber der Evidenzmangel, der sich hierin verr\u00e4t, ist schwerlich auf Rechnung der betreffenden Mischungsgesetze zu setzen. Entscheidend wird hier vielmehr der Umstand sein, dafs es sieh um jene Regionen oder genauer Relationen des Farbenk\u00f6rpers handelt, von denen schon oben2 zu sagen war, dafs die f\u00fcr die Konstruktion desselben mafs-gebende Evidenz, die unmittelbare wenigstens, sich bei ihnen nicht recht einstellen will. Darf der Farbenk\u00f6rper einmal zur Voraussetzung gemacht werden, dann ist aus seiner Natur auf\n1\t\u201eZur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\u201c Diese Zeitschr. 10 S. Iff.\n2\tVgl. S. 6 ff.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n45\nGrund der Gesetze I und II auch die Tatsache der Komplement\u00e4rfarben ohne Appell an neue Erfahrungen einzusehen.1\nEs soll an dieser Stelle, obwohl es streng genommen nicht in den gegenw\u00e4rtigen Zusammenhang geh\u00f6rt, nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dafs die eben dargelegte Auffassung des Komplemen-tarismus, falls sie sich bew\u00e4hrt, f\u00fcr einige Grundfragen der Farbentheorie nicht ohne wichtige Folgen sein m\u00f6chte. Ist das .Mischungsergebnis der Komplement\u00e4rfarben ebenso durch deren Natur gefordert, nur etwa unserer Einsicht minder leicht zug\u00e4nglich als das Mischungsergebnis von Rot und Gelb, dann ist, um das Verhalten der Komplement\u00e4rfarben zueinander verst\u00e4ndlich zu machen, die Annahme antagonistischer Erregungen ebenso entbehrlich als eine besondere Annahme etwa zur Erkl\u00e4rung der Tatsache, dafs zwei rechte Winkel zusammen einen gestreckten ausmachen. Durch den Wegfall des Antagonismus aber\nk\u00f6nnte die HEitmosche Theorie vielleicht nach zwei Seiten hin\n\u2022 \u2022\nentlastet werden. Einmal entfiele der Ubelstand, den die Andersbehandlung des Gegensatzes von Schwarz und Weifs gegen\u00fcber den beiden chromatischen Gegens\u00e4tzlichkeiten mit sich f\u00fchrt.2 Denn Grau ergibt sich aus der Mischung von Schwarz und Weifs ganz in derselben Weise und aus ganz demselben Grunde, wie aus der Mischung von Gelb und Blau oder von Rot und Gr\u00fcn: im Grau enthalten im Sinne \u201epsychologischer Farbenmischung \u201c sind darin die einen Komponenten so wenig wie die anderen. Dafs in dieser Hinsicht gleichwohl ein Schein bestehen k\u00f6nnte, der Weifs und Schwarz bevorzugt, haben wir oben3 aus der Natur der \u201eFarbenelemente\u201c, die daran beteiligt sein d\u00fcrften, nicht zu verstehen vermocht : jetzt k\u00f6nnten wir versuchen, an die Evidenz anzukn\u00fcpfen, welche die Weifs-Schwarz-Linie ja tats\u00e4chlich vor der Gelb-Blau- und der Rot-Gr\u00fcn-Linie voraus hat. Als ein zweiter Gewinn aber b\u00f6te sich die M\u00f6glichkeit, die schon oben ber\u00fchrten4 Helligkeitsschwankungen, die\n1\tSchon H. Grassmann versucht, den Satz, dafs es \u201ezu jeder Farbe eine andere homogene Farbe\u201c gibt, \u201ewelche mit ihr vermischt farbloses Licht liefert\u201c, \u201emit mathematischer Evidenz\u201c abzuleiten (Boggendorfs Annalen 89, (1853), S. 73ff.): doch ist es nicht leicht, \u00fcber alle Schritte dieses Beweises zu befriedigender Klarheit zu gelangen.\n2\tVgl. Ebbinghaus: Psychologie, I, S. 259f.\n8 Vgl. S. 26.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nA. Meinong.\nsich bei Weifs- Gemischen ans verschiedenen Komponenten als Folge verschiedener Beleuchtung einstellen, auf die spezifische Helligkeit der Komponenten zur\u00fcckzuf\u00fchren. Es ist hier indes nicht der Ort, Gedanken dieser Art noch weiter nachzugehen.\n\u00a7 12. Das Mischungsgesetz in zweitem Entw\u00fcrfe.\nMit der anscheinend bestens gesicherten Einsichtigkeit der beiden obigen Mischungsgesetze steht es nun in einem \u00fcberraschenden Gegensatz, dafs f\u00fcr dieselben in vielen F\u00e4llen die Verifikation seitens der direkten Erfahrung sich durchaus nicht ein stellt, noch dazu gerade in denjenigen F\u00e4llen, die allgemein f\u00fcr die einfachsten und sozusagen paradigmatischen Mischungsf\u00e4lle gehalten werden. Und zwar ist es bereits die noch so unbestimmte These I, die mit der Empirie in ganz deutlichen Konflikt tritt. Es ist eben gar nicht richtig, dafs, wenn der a-Reiz und der b- Reiz Zusammenwirken, jedesmal etwas empfunden wird, das zwischen a und b liegt. Wirft man etwa mittels Doppelspaltes zwei Spektra teilweise \u00fcbereinander auf die\nProjektionsleinwand, so sind die Deckstellen auffallend heller als\n\u2022 \u2022\ndas \u00dcbrige. Man sieht das auf Einen Blick beim V-f\u00f6rmigen oder X - f\u00f6rmigen Spalt : instruktiver ist aber auch hier, ein Paar einander paralleler Spalte zu benutzen. Man \u00fcberzeugt sich bei geeigneter Wahl der Distanz leicht, dafs die Mischfarbe nicht nur dort heller wird, wo eine hellere auf eine dunklere, sondern auch dort, wo eine dunklere auf eine hellere Komponente trifft. Hat man n\u00e4mlich, wie ja am nat\u00fcrlichsten ist1, die beiden Spalte so nebeneinander angebracht, dafs oben und unten je ein Spektrum, in der Mitte aber ein Gemisch aus beiden zu sehen ist, so hebt sich dieses nicht nur von den dunkleren, sondern auch von den hellsten Partien seiner Komponenten als ein oben und unten scharf abgegrenztes helles Feld ab. Nat\u00fcrlich ist nun aber die Tatsache, die hier zur Geltung kommt, ganz und gar nicht an Spektralfarben gebunden. Beleuchte ich die Projektionsleinwand, von der eben die Rede war, mit einem gew\u00f6hnlichen Bogenlicht, und lasse ich dann auch noch irgendwie blaues Licht auf sie fallen, das so schwach ist, dafs von ihm allein bestrahlt die Leinwand zweifellos dunkler aussieht als\n1 Vgl. 0. Zoth: \u201eEine neue Methode zur Mischung objektiv dargestellter Spektralfarben.\u201c Pfl\u00fcgers Archiv 70, S. 2.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 47\nbeim weifsen Bogenlichte, so erscheint die Leinwand infolge des hinzutretenden blauen Lichtes unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden sicher heller, in keinem Falle aber dunkler, als ohne dieses. Gerade das Gegenteil aber wird durch unser Gesetz I gefordert : denn w\u00e4re etwa a das Aussehen der Leinwand beim starken weifsen, b das Aussehen derselben beim schwachen blauen Licht, so m\u00fcfste das Mischungsergebnis nicht nur dem Farbentone nach, was ja der Fall ist, sondern auch der Helligkeit nach zwischen ci und b hegen, somit zwar heller sein als &, daf\u00fcr aber dunkler als a : und bei den vorhin erw\u00e4hnten Spektralversuchen st\u00fcnde es genau ebenso.\n\u00dcbrigens ist aber das zweite Beispiel auch besonders geeignet, erkennen zu lassen, dafs die Tatsache, die es illustriert, eigentlich nichts als etwas in gewissem Sinne bis zur Trivialit\u00e4t Selbstverst\u00e4ndliches ist, so selbstverst\u00e4ndlich etwa, als dafs zwei Lichter heller leuchten als eines, oder auch, dafs das schw\u00e4chste L\u00e4mpchen den hellsterleuchteten Saal h\u00f6chstens heller, keinesfalls aber finsterer machen kann. Auch diese Beispiele sind ja Instanzen gegen das obige Mischungsgesetz. Nicht minder nat\u00fcrlich die Tatsache, dafs auch die hellste Stelle eines spektralen Gelb in keiner Weise die Helligkeit des W eifs erreicht, aus dem das betreffende Spektrum gewonnen ist, \u2014 dafs man seit Newton bei Konzeption der Farbenmischungstafeln, insbesondere bei dem auf die Spektralfarben bezogenen Mischungsdreiecke fast immer von einem Weifspunkte und nur ausnahmsweise von einem Graupunkte redet und vieles andere, das jedermann weifs, seltsamerweise ohne es, falls ich andere nach mir selbst beurteilen darf, mit den Mischungsgesetzen in n\u00e4here Verbindung zu bringen. Auch literarisch habe ich diese Verbindung, nachdem ich durch einen Zufall auf sie aufmerksam geworden war, aufser in gewissem Sinne durch H. Grassmann 1 und neuerlich durch E. von Oppolzer 2 nur durch E. Hering ausdr\u00fccklich ber\u00fccksichtigt angetroffen 1 2 3, und erst w\u00e4hrend der Niederschrift dieser Zeilen finde\n1\tP oggendorff s Annalen a. a. O. S. 82: \u201eAm einfachsten ist es anzunehmen, dafs die gesamte Lichtintensit\u00e4t der Mischung die Summe sei aus den Intensit\u00e4ten der gemischten Lichter.\u201c Statt \u201eIntensit\u00e4t\" ist hier, wie der sonstige Zusammenhang sicherstellt, sinngem\u00e4fs \u201eHelligkeit\u201c zu setzen.\n2\tDiese Zeitschr. 29, S. 201 ff.\n3\tHermanns Handbuch III, 1, S. 596","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nA. Meinong.\nich die Erfahrungen yon der obigen Art unter Berufung auf Hering- in den allgemeinen Satz zusammengefafst : \u201eWenn man ein und dieselbe Stelle einer Netzhaut von zwei verschiedenfarbigen Strahlen beleuchten l\u00e4fst, so wird dadurch eine Mischfarbe erzeugt, die so hell ist, wie die beiden Komponenten zusammen ; es addieren sich also hier bei der Mischung die Helligkeiten.\u201c 1 Eafs Gleichheit der zwei beleuchtenden Strahlenarten hier als Grenzfall der Verschiedenheit mit einbezogen werden kann, ist praktisch unwichtig, spricht aber theoretisch gewifs zu Gunsten dieser Formulierung.'2\nVon hier ist der Hauptsache nach nur Ein Schritt n\u00f6tig, um den eben angef\u00fchrten Satz ganz f\u00f6rmlich in das ihm akkom-modierte Mischungsgesetz einzubeziehen. Die Modifikation betrifft zun\u00e4chst die Helligkeit, l\u00e4fst dagegen den Farbenton unber\u00fchrt. Ob die S\u00e4ttigung durch die Modifikation in Mitleidenschaft gezogen wird, h\u00e4ngt wieder einigerma.fsen davon ab, inwieweit Helligkeit nur Sache des chromatischen oder auch des achromatischen Momentes an der Farbenempfindung ist. Lassen wir dies f\u00fcr die Zwecke dieser Untersuchung in suspenso, so bleibt es doch ganz deutlich, obwohl vielleicht in der eben ber\u00fchrten Hinsicht nicht bestimmt genug, wenn wir den Entwurf zu dem verbesserten Mischungsgesetze etwa so zum Ausdruck bringen: Treffen der a-Ke iz und der 6-Keiz im Subjekte zusammen, so ergibt sich eine Empfindung, die dem Tone und vielleicht auch der S\u00e4ttigung nach im Sinne der Schwerpunktskonstruktion zwischen a und b zu liegen kommt, ihrer Helligkeit nach aber in angemessener Distanz \u00fcber der Linie a\u2014b steht, falls man sich den Farbenk\u00f6rper so auf gestellt denkt, dafs die Weifs-Schwarz-Achse desselben vertikal und mit der Weifs-Spitze nach oben zu stehen kommt. Der dadurch der Ausgangsformulierung des Mischungsgesetzes in den Thesen I und II gegen\u00fcbergestellte neue Entwurf f\u00fcr dieselben l\u00e4fst sich also\n1\tF. Schenck: \u201eEiniges \u00fcber binokulare Farbenmischung.\u201c Marburg 1901. S. 11.\n2\tDie jedenfalls verwandt intentionierte Aufstellung E. v. Oppolzers am eben angef\u00fchrten Orte tritt nur als Deduktion aus dem WEBERSchen resp. FECHNERschen Gesetze auf. Was ich gegen die Voraussetzungen dieser Deduktion einzuwenden habe, findet sich ausf\u00fchrlich dargelegt in meiner Schrift \u201e\u00dcber die Bedeutung des WEBERschen Gesetzes\u201c, Hamburg und Leipzig 1896 (auch diese Zeitschr. 11), besonders im f\u00fcnften Abschnitt.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n49\nleicht etwa durch Schema B der Figur 1 veranschaulichen, im Gegens\u00e4tze zum Schema A, das die Mischfarbe m direkt in die Linie a b legt. Ich will im folgenden der K\u00fcrze halber blofs vom Entw\u00fcrfe A und Entw\u00fcrfe B des Mischungsgesetzes reden.\n.771\nA.\tB.\nFig. 1.\nEs wird n\u00e4mlich nach dem Dargelegten die Aufgabe nicht abzuweisen sein, zwischen Entwurf A und Entwurf B eine Wahl zu treffen. Was f\u00fcr den letzteren spricht, haben wir eben gesehen. Beicht es aus, darauf hin den ersteren fallen zu lassen? Vorher mufs jedenfalls auch gew\u00fcrdigt werden, was dieser Entwurf f\u00fcr sich hat. Und da f\u00e4llt ohne Zweifel vor allem das wiederholt ber\u00fchrte apriorische Moment daran, die einem so formulierten Mischungsgesetze zukommende innere Einsichtig-keit ins Gewicht. Es gibt viele gut beglaubigte Gesetzm\u00e4fsig-keiten, denen sie fehlt. Aber ihr Vorhandensein bedeutet jederzeit eine Art Erkenntnisvorzug, ein Plus an Erkenntnisdignit\u00e4t, das man nur widerstrebend einem allf\u00e4lligen Zwange von Seite der Erfahrung zum Opfer bringen w\u00fcrde.\n' Kann man aber auch wirklich sagen, dafs die Tatsachen der Empirie einen solchen Zwang aus\u00fcben ? Ist Entwurf B wirklich unter allen Umst\u00e4nden der erfahrungsgem\u00e4fsere? Dies ist so wenig der Fall, dafs es vielmehr ganze Gebiete von Mischungstatsachen gibt, die sich wenigstens ihrem unmittelbaren Aspekte nach ohne weiteres der Fassung A unterordnen, und teils nur unter gewissen, wenn auch vielleicht sehr plausiblen theoretischen Voraussetzungen, teils \u00fcberhaupt nicht mit der Fassung B in Einklang gebracht werden k\u00f6nnen.\n\u00a7 13. Das TALBOTsche Gesetz.\nSo steht es vor allem mit der praktisch so vielfach verwendbaren Farbenmischung mittels rotierender Scheiben, Wer mit ihnen experimentiert hat, weifs l\u00e4ngst, und jedermann kann sich ad hoc immer wieder leicht genug davon \u00fcberzeugen, dafs auf dem Farbenkreisel das Mischungsergebnis niemals heller ausf\u00e4llt als die hellere Komponente, sich vielmehr der Helligkeit wie der S\u00e4ttigung und dem Farbentone nach in der Verr\nZeitschrift, f\u00fcr Psychologie 33.\t4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nA. Meinong.\nbindungslinie der Komponenten h\u00e4lt und jenen Ort darin einnimmt, der ihr im Sinne von Entwurf A durch das Verh\u00e4ltnis der Sektorenbreiten vorgezeichnet ist. Auch Schwarz macht davon keine Ausnahme: und wer von der psychologischen Positivit\u00e4t und qualitativen Eigenartigkeit dieser Farbe \u00fcberzeugt ist, wird\nin dieser Parit\u00e4t des Schwarz mit den \u00fcbrigen Farben eine Be-\n\u2022 \u2022 ____ statigung dieser \u00dcberzeugung finden k\u00f6nnen, durch die der Entwurf A f\u00fcr ihn an Vertrauensw\u00fcrdigkeit nur gewinnen kann. Dafs der Schwarz-Reiz dem Weifs- oder Rot-Reiz gegen\u00fcber physikalisch eine etwas ungew\u00f6hnliche Stellung einnimmt, braucht ihn dabei weiter nicht zu st\u00f6ren.\nInzwischen wird man hier nicht unerwogen lassen d\u00fcrfen, dafs es nicht nur m\u00f6glich ist, die Mischung am Farbenkreisel auch dem Entw\u00fcrfe B zu subsumieren, sondern dafs eine solche Subsumtion der sonst n\u00e4chstliegenden Auffassung dieser Mischungstatsachen weitaus besser zu entsprechen scheint. Diese Auffassung findet ihren Ausdruck in dem Talbot-PLATEA\u00fcschen Satze, dem zufolge ein periodisch wirkender Reiz unter den bekannten g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden eine Empfindung hervorruft, die identisch ist \u201emit derjenigen Empfindung, welche entstehen w\u00fcrde, wenn das w\u00e4hrend einer jeden Periode wirkende Licht gleichm\u00e4fsig \u00fcber die Dauer der ganzen Periode verteilt w\u00e4re\u201c.1 Wechselt n\u00e4mlich z. B. der a -Reiz mit dem b- Reize in gleichen Zeitintervallen ab, so kommt dem Gesagten zufolge jeder der beiden Reize nur nach seiner halben St\u00e4rke in Betracht: handelte es sich also etwa um Mischung von Gelb und Gr\u00fcn, so w\u00e4re an dieser nicht der in den betreffenden Pigmenten gegebene Gelb- und Gr\u00fcn-Reiz beteiligt, sondern der halb so starke, dem also ein viel dunkleres Gelb und Gr\u00fcn entspricht als das in den Pigmenten vorgegebene. Zieht man jetzt dieses dunkle Gelb und dieses dunkle Gr\u00fcn in Rechnung, dann wird man dar\u00fcber nicht im Zweifel sein k\u00f6nnen, dafs das bei der Rotation resultierende Gelbgr\u00fcn wesentlich heller sein mufs als jede der beiden Komponenten. Allgemein: die durch das Tal-BOTsche Gesetz verlangte Verteilung des Reizes auf die ganze Periode, oder auch, wenn man will, eines jeden der beteiligten Pigmente auf die ganze Fl\u00e4che des Kreisels bedeutet eine\n1 K. Maebe: \u201eTheorie des TALBOTschen Gesetzes.\u201c Fhilosophische Stud. 12, S. 279.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\nHerabsetzung der Reizst\u00e4rke, somit auch der Helligkeit der durch den Reiz erregten Empfindung. Liegt daher auch die Mischempfindung zwischen den Empfindungen, die den durch die Pigmente repr\u00e4sentierten Reizen zugeordnet sind, so doch keineswegs zwischen den im Sinne des TALBOTschen Satzes modifizierten Empfindungen; sie ist vielmehr heller als diese, womit die Forderung von Entwurf B erf\u00fcllt ist.\nMan hat schon oft erfahren, dafs man in experimentellen\nDingen nicht wohl daran tut, der Phantasie mehr zu \u00fcberlassen\nals gerade unentbehrlich ist, \u2014 anders ausgedr\u00fcckt: dafs wenig\nselbstverst\u00e4ndliche Dinge so selbstverst\u00e4ndlich sind, dafs man\nohne Schaden unterlassen darf, sie sich, falls es angeht, einmal\nwirklich anzusehen. So wird, wer sich \u00fcber den Charakter der\neben dargelegten Reduktion der Kreiselmischungen auf Ent-\n\u2022 \u2022\nwurf B ein Urteil bilden m\u00f6chte, schwerlich etwas \u00fcberfl\u00fcssiges tun, wenn er den Sinn dieser Reduktion sich durch das Experiment so anschaulich als m\u00f6glich vor Augen f\u00fchrt. Die Aufgabe ist nicht eben schwer zu l\u00f6sen. Ich habe dazu zwei Farbenscheiben benutzt, deren jede, wie Fig. 2 schematisch andeutet, aus drei konzentrischen Feldern bestand, einem vollen Kreise im Zentrum und zwei Kreisringen um diesen Vollkreis herum.\nA\nFig. 2.\nVon den so an jeder Scheibe angebrachten drei Feldern war\njedesmal das mittlere zur H\u00e4lfte mit einem gelben, zur anderen\nH\u00e4lfte mit einem gr\u00fcnen Sektor bedeckt. Das innerste und\n\u00e4ufserste Feld der einen Scheibe (A) war bez\u00fcglich gelb und\ngr\u00fcn, das der anderen Scheibe (B) bez\u00fcglich halb gelb und halb\nschwarz, sowie halb gr\u00fcn und halb schwarz. In der Figur be-\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nA. Meinong.\ndeuten die Vertikalen Gelb, die Horizontalen Gr\u00fcn, indes die ausgef\u00fcllten Sektoren nat\u00fcrlich Schwarz repr\u00e4sentieren. Selbstverst\u00e4ndlich war f\u00fcr beide Scheiben das n\u00e4mliche gelbe und gr\u00fcne Papier in Verwendung, und dieses war so gew\u00e4hlt, dafs die bez\u00fcglichen Helligkeiten f\u00fcr ann\u00e4hernd gleich gelten konnten. Darf man in dieser Versuchsanordnung das verwendete schwarze Papier f\u00fcr lichtlos nehmen, so erkennt man leicht in der ersten Scheibe (Fig. 2 A) den Entwurf A, in der zweiten Scheibe (Fig. 2 JB) den Entwurf B repr\u00e4sentiert, indem jedesmal das Mittelfeld die Mischfarbe, das Aufsen- und das Innenfeld jedesmal die im Sinne der einen und der anderen Auffassung an der Mischung beteiligten Komponenten darstellt. L\u00e4fst man nun die beiden Scheiben nebeneinander rotieren, so hat man einen Anblick, den Fig. 3 in A und JB versinnlichen mag, wo mit den d\u00fcnnen Strichen dasselbe gemeint ist wie in Fig. 3, mit den dicken aber die bez\u00fcgliche dunklere Farbe, die sich infolge\nder Mischung mit Schwarz einstellt. Dafs dabei in A der die Mischung aus Gelb und Gr\u00fcn darstellende Kreisring etwas dunkler aussieht als die benachbarten Felder, ist nat\u00fcrlich nichts als eine f\u00fcr die Hauptsache zuf\u00e4llige Konsequenz der hier der Einfachheit wegen gew\u00e4hlten graphischen Symbolik : ganz anders steht es dagegen mit dem entgegengesetzten Aussehen desselben Kreisringes in B, und jedenfalls ber\u00fchrt beim Anblick der rotierenden Scheiben das Verlangen, die relativ helle Mischfarbe aus den dunklen Komponenten in JB statt aus den ungef\u00e4hr gleich hellen in A gemischt zu denken, als eine handgreiflich unnat\u00fcrliche Zumutung.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n53\n\u00dcbrigens ist nun auch das oben in Fig. 1 dargestellte Schema ganz geeignet, die hier vorliegende Unnat\u00fcrlichkeit anschaulich zu machen. Man setzt zwei Pigmente auf den Farbenkreisel, die wie a und b aussehen, und die Mischung ergibt das zwischen]iegende tn. Die Auffassung JB aber macht erst aus dem a ein tiefer liegendes a, aus b ein tiefer liegendes \u00df (vgl. Fig. 4) und kann dann freilich in dem Verh\u00e4ltnis von a und \u00df zu m den Entwurf B verifiziert sehen.\n-------------------b\nm\n\u2022P\nFig. 4.\nInzwischen wird der hier durchgef\u00fchrten Betrachtungsweise der Vorwurf einer gewissen \u00c4ufserlichkeit kaum zu ersparen sein, und wer der Sache etwas mehr auf den Grund zu gehen bestrebt ist, mag sich vor allem zur Frage hingedr\u00e4ngt finden, ob denn die bei der Formulierung des TALBOTschen Gesetzes herangezogene Verteilung des Lichtes auf die ganze Periode wirklich nicht mehr als eine Fiktion zu bedeuten habe. Ist es denn nicht einfach Tatsache, dafs, wenn Licht von betimmter St\u00e4rke w\u00e4hrend der H\u00e4lfte der Periode wirkt, das eben genau halb so viel Licht ist, als wenn dieselbe Lichtquelle w\u00e4hrend der ganzen Zeit Licht aussendete? Soweit man hier ganz ausdr\u00fccklich die Licht menge ins Auge fafst, ist dies unzweifelhaft richtig; und was die Lichtmenge zu bedeuten hat, darauf soll weiter unten noch zur\u00fcckgekommen werden. Hier aber ist von Lichtst\u00e4rke (Amplitude) und deren Empfindungskorrelat die Rede, und dafs es auch f\u00fcr Letzteres in der Regel gar nicht auf dasselbe hinauskommt, ob ein Reiz von bestimmter St\u00e4rke eine bestimmte Zeit lang, oder ein Reiz von halber St\u00e4rke die doppelte Zeit hindurch wirksam ist, das beweist die triviale Verschiedenheit zweier Kerzen, die Eine Minute lang brennen, von Einer Kerze, die zwei Minuten lang brennt. Nun wird man freilich sagen, dafs dieser Unterschied eben verschwinde, wenn die Zeiten kurz genug sind. Auch davon wird unten, und zwar sogleich, die Rede sein. An sich bleibt herabgesetzte Reizdauer und herabgesetzte Reizst\u00e4rke auch hier zweierlei : die Behauptung also, dafs am Farbenkreisel Komponenten von herabgesetzter Helligkeit in die Mischung ein-\na *\na *","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nA. Meinong.\ntreten, kann sicher nicht als Ausdruck der vor einer bestimmten theoretischen Auffassung anzutreffenden Tatsachen gelten.\nSchwerer f\u00e4llt schon ein anderer Umstand ins Gewicht. Die bis zu mathematischer Eleganz ausgebildete1 Anwendung des Gedankens vom An- und Abklingen, die ja eben darauf aus ist, zu einem Verst\u00e4ndnis der wirklichen Vorg\u00e4nge in der Netzhaut unter der Einwirkung der rotierenden Farbenscheibe zu gelangen, f\u00fchrt faktisch auf die Annahme gerade jener Herabsetzung der Reizst\u00e4rke, welche unserem Schema B charakteristisch ist. Das Wesentliche des Vorganges soll ja dies sein, dafs die Empfindung nicht bis zur ganzen H\u00f6he der dem Reize unter normalen Umst\u00e4nden zugeordneten Reaktion anklingen kann, durch die Langsamkeit des Abklingens aber ungef\u00e4hr auf dieser unternormalen H\u00f6he erhalten bleibt. Das besagt doch nur soviel, dafs der Reiz, der unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen wie a \u201eaussieht\u201c, es diesmal nur bis zum Aussehen a bringt, unter diesen Umst\u00e4nden also streng genommen kein a-Reiz, sondern nur ein a -Reiz ist. Ebenso ist der in die Zeitl\u00fccke eintretende sonstige b - Reiz diesmal nur ein \u00df - Reiz : kommt dann durch Mischung beider gleichwohl m zu st\u00e4nde, so ist eben der im Entw\u00fcrfe B vorgesehene Fall verwirklicht.\nSieht man aber nun einmal etwas n\u00e4her zu, wie die Gesichtspunkte beschaffen sind, unter denen diese Auffassung eine so vielseitige Zustimmung gefunden hat, so zeigt sich vor allem, dafs die einschl\u00e4gigen Erw\u00e4gungen nat\u00fcrlichst von dem Falle ausgehen, dafs die eine der intermittierenden Farben Schwarz ist, z. B. so, dafs Weifs und Schwarz miteinander abwechseln, was sich von der physikalischen Seite her als Alternieren von Reiz und Nicht-Reiz darstellt. Die sozusagen reizfreie Zeit kann dann auch durch einen zweiten Reiz, etwa rotes Licht, ausgef\u00fcllt sein, der dann, indem man zun\u00e4chst vom ersten Reize absieht, nun ganz so wie dieser f\u00fcr sich einen Wechsel von Reiz und Nicht-Reiz repr\u00e4sentiert: der Wechsel von Weifs und Rot kann dann als passendes Ineinandergreifen der fiktiven Elementarf\u00e4lle Weifs-Schwarz und Rot-Schwarz betrachtet und aus den f\u00fcr diese Elementarf\u00e4lle gewonnenen Gesetzen deduziert werden. Darauf, wie man diese Elementarf\u00e4lle sich zurecht legt, kommt also alles an. Denkt man sich etwa\nliYgl. A. Fick in Hermanns Handbuch Bd. Ill, 1, S. 212 ff.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 55\nbeim Wechsel von Weifs und Schwarz die Sache so, dafs der Zeit einer Weifs-Erregung einfach eine Zeit der Nicht - Erregung folgt, dann kann die Weifs-Reizung ihrem Effekte nach freilich nicht erheblich \u00fcber das hinaus anwachsen, was die Erfahrung beim Anblicke des Kreisels zeigt, das mittlere Grau. Aber dem liegt, wie kaum zu verkennen, eigentlich doch stillschweigend die Voraussetzung zu Grunde, dafs Schwarz ungef\u00e4hr so viel als nichts ist. Steht dagegen der Weifs-Erregung eine Schwarz-Erregung als ein nicht minder Positives gegen\u00fcber, dann kann die Weifs-Erregung innerhalb des ihr zukommenden Abschnittes der Periode ohne weiteres die ganze der Natur des Weifs-Reizes angemessene St\u00e4rke erreichen oder behaupten : gilt auch von der Schwarz - Erregung das n\u00e4mliche, so ist es dann nur noch eben Sache der Mischung, das ph\u00e4nomenal gegebene Grau herzustellen. Was aber so f\u00fcr Weifs und Schwarz recht ist, wird etwa f\u00fcr Rot und Schwarz nicht weniger als billig sein k\u00f6nnen. Und was die ausschliefslich chromatischen Kombinationen, z. B. Gelb und Gr\u00fcn anlangt, so gestatten sie dann genau die n\u00e4mliche Behandlung, die zugleich den EinfachheitsVorzug aufweist, des Umwegs \u00fcber zweimalige Fiktion einer Schwarz - Komponente entraten zu k\u00f6nnen. Gr\u00fcn wie Ge]b kommen dann eben in ihrer vollen Helligkeit zur Geltung und das Gelbgr\u00fcn, das entsteht, entspricht dem Entw\u00fcrfe A.\nVielleicht h\u00e4ngt es mit dem eben Dargelegten zusammen, dafs von den beiden letzten mir bekannt gewordenen Bearbeitungen des TALBOTschen Gesetzes die eine sich zu der herk\u00f6mmlichen, von A. Fick und S. Exner begr\u00fcndeten Auffassung desselben in direkte Opposition setzt1, die andere von einem n\u00e4heren Eingehen auf dieselbe mindestens absieht.2 Gleichwohl kann ich mir nicht verhehlen, dafs auch diese Bearbeitungen nicht dem Entw\u00fcrfe A, sondern ganz zweifellos dem Entw\u00fcrfe B g\u00fcnstig sind.\nBeide gehen, wohl unabh\u00e4ngig voneinander, von der Tatsache aus, dafs bei Bestrahlung eines lichtempfindlichen Stoffes, der keine Regeneration erf\u00e4hrt, der photochemische Gesamteffekt gleich ist der Summe der in die Bestrahlungszeit fallenden photochemischen Einzeleffekte. Bei der lebenden Netzhaut ist dies\n1\tK. Makbe a. a. O. S. 283 Anm. 1.\n2\tVgl. G. E. M\u00fcllek a. a. 0., diese Zeitschr. 10, S. 385.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nA. Meinong.\nwegen der \u201enutritiven\u201c Vorg\u00e4nge in ihr im allgemeinen nicht der Fall, wohl aber innerhalb ausreichend kurzer Zeitstrecken, indem es dann auf dasselbe hinauskommt, ob innerhalb der in Betracht kommenden sehr kurzen Zeit ein Licht von der Intensit\u00e4t i w\u00e4hrend des Zeitabschnittes t oder ein Licht von der\nIntensit\u00e4t n \u2022 i w\u00e4hrend der Zeit \u2014 wirkt, wobei \u00fcber den Wert\nn\nvon n nichts vorbestimmt ist.1 W\u00e4re also etwa T die Zeitstrecke, die abgelaufen sein rnufs, ehe die Regeneration sich eben geltend zu machen beginnt, so ist vor allem klar, dafs von einem a -Reiz oder 6-Reiz im Sinne dieser Auffassung eigentlich immer nur unter der Voraussetzung die Rede sein kann, dafs der psychische Erfolg der Reizung erst von dem Momente an, da die Einwirkungszeit des betreffenden Lichtes den Betrag T \u00fcberschritten hat, in Betracht gezogen wird. Ehe die Zeit T abgelaufen ist, ist der sogenannte a-Reiz streng genommen noch kein a-Reiz, vielmehr hat er, wenn z. B. die H\u00e4lfte von T verstrichen ist, nur eine solche photochemische Leistung zu st\u00e4nde gebracht, dafs diese, um einen ihr gleichen Betrag vermehrt, also kurz verdoppelt erst zu jener H\u00f6he angewachsen sein w\u00fcrde, die zum Zustandekommen der Empfindung a erforderlich ist. Es kann also in der halben Zeit T photochemisch nicht mehr ausgerichtet sein, als w\u00e4hrend der ganzen Zeit T durch einen halb so starken Reiz ausgerichtet w\u00e4re: die Empfindung, die zu st\u00e4nde kommt, ist also keine a-Empfindung, sondern eine a-Empfindung im Sinne der oben verwendeten Ausdrucksweise. Ergibt also die Mischung eines gelben und gr\u00fcnen Pigmentes auf dem Farbenkreisel ein Gelbgr\u00fcn von ungef\u00e4hr der Helligkeit, welche die Komponenten zeigen, so entspricht der Sachverhalt dem Entw\u00fcrfe A nur \u00e4ufserlich, denn im Grunde kommen an den Komponenten nicht die Helligkeiten in Frage, welche die beiden Pigmente bei gew\u00f6hnlicher, d. h. die Zeit T meist erheblich \u00fcberdauernder Betrachtung aufweisen, sondern weit geringere : das Mischungsergebnis zeigt gleichwohl eine Helligkeit, welche jener Normalhelligkeit der Komponenten, wie man vielleicht ganz verst\u00e4ndlich sagen k\u00f6nnte, gleich ist. Der von mir oben als unnat\u00fcrlich bezeichnete Umweg w\u00fcrde sonach\n1 M\u00fcller a. a. O. S. 384 f.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n57\nvon der Wirklichkeit am Ende doch eingeschlagen, und der Entwurf B beh\u00e4lt Recht.\nWie man sieht, findet man sich einigermafsen vor die Wahl gestellt, die Vorg\u00e4nge an den rotierenden Scheiben entweder im Sinne von Entwurf A oder im Sinne des Regenerationsgedankens aufzufassen: und im Hinblick auf die nat\u00fcrlichen Vorz\u00fcge des letzteren, verm\u00f6ge deren er auch das An- und Abklingen ohne weiteres als Spezialf\u00e4lle in sich begreift, wird die Entscheidung wohl zu seinen Gunsten ausfallen m\u00fcssen. Ganz kann ich mich dabei freilich des Gef\u00fchls nicht entschlagen, als w\u00fcrde damit in Betreff der Farbenmischung an die Natur die Zumutung eines Verfahrens gestellt nicht un\u00e4hnlich dem des Rechners, der trotz eines begangenen Fehlers zum richtigen Resultate gelangt, indem er noch einen zweiten Fehler macht: und sollte es sich einmal als m\u00f6glich heraussteilen, dem Regenerationsgedanken eine Wendung zu geben, oder ihn durch eine Auffassung zu ersetzen , der gegen\u00fcber Entwurf A seine Geltung behaupten k\u00f6nnte, so w\u00fcrde ich darin einen zweifellosen theoretischen Gewinn sehen. F\u00fcr jeden Fall mufs indes anerkannt sein, dafs das obige Gleichnis von den zwei Rechenfehlern ohne Zweifel grau in grau malt: es soll unten gezeigt werden, dafs es weder f\u00fcr die rotierenden Scheiben noch f\u00fcr die \u00fcbereinander fallenden Lichter an einem Gesichtspunkte fehlt, unter dem sich einer Helligkeitssteigerung als Mischungserfolg ein gewisses Verst\u00e4ndnis abgewinnen l\u00e4fst.\n\u00a7 14. Binokulare Farbenmischung. Mischung von\nNachbarfarben.\nDie eben durchgef\u00fchrten Untersuchungen haben dargetan, dafs dasjenige Tatsachengebiet, das auf den ersten Blick und noch \u00fcber diesen hinaus in ganz unverkennbarer Weise den Entwurf A des Mischungsgesetzes zu verifizieren scheint, dies doch nur sozusagen von aufsen besehen tut, indes genauere Erw\u00e4gung der eigent\u00fcmlichen Vorg\u00e4nge beim Anblicke rotierender Scheiben auch den Widerstrebenden auf den Entwurf B hindr\u00e4ngt. Damit w\u00e4re nun in der Tat zugleich dargetan, dafs dieser Entwurf das allenthalben ausschliefslich geltende Mischungsgesetz darstellt, tr\u00e4ten Farbenmischungen nicht noch in einer immerhin einigermafsen ungew\u00f6hnlichen, gleichwohl aber v\u00f6llig","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nA. Meinong.\nnormalen Gestalt auf, der gegen\u00fcber sich Entwurf A, so viel ich sehe, unter allen Umst\u00e4nden behauptet. Ich meine die Tatsachen der binokularen Farbenmischung. Die in dieser Hinsicht etwa noch schwebende Kontroverse scheint mir durch die schlagenden Briefmarkenversuche F. Schencks 1 und die darauf gegr\u00fcndeten statistischen Aufnahmen A. Lohmanns 2 endg\u00fcltig zu Gunsten der Positionen Herings 3 entschieden, und dies gilt insbesondere von der nun auch an den Briefmarken erprobten Beobachtung, dafs die bei binokularer Mischung resultierende Farbe niemals heller ist als die Komponentenfarben und der n\u00e4mliche Effekt unokular, wenn die Umst\u00e4nde sonst g\u00fcnstig sind, nur durch Halbierung der Reizintensit\u00e4ten mittels Doppelspat zu erzielen ist.1 2 3 4 5\nImmerhin k\u00f6nnte hier gerade das letzterw\u00e4hnte Verfahren vor\u00fcbergehend den Gedanken wachrufen, ob nicht auch bei der binokularen Mischung die beiden Reize aus irgend einem Grunde nur mit einem Teile ihrer St\u00e4rke zur Geltung kommen, womit dann auch hier die Reduktion auf Entwurf B angebahnt w\u00e4re. N\u00e4her w\u00e4re etwa daran zu denken, dafs der Wettstreit zwischen den beiden gleich zu lokalisierenden Qualit\u00e4ten, wenn er nicht zur vollen Verdr\u00e4ngung der einen f\u00fchrt, doch einen solchen Helligkeitsverlust bei den Komponenten zur Folge haben k\u00f6nnte, dafs im Mischungsergebnis auch nach Entwurf B eine Helligkeitssteigerung im Vergleich mit den gleichsam unbehindert wirksam gedachten Komponenten nicht zu st\u00e4nde k\u00e4me. Im ganzen aber h\u00e4tte eine solche Vermutung zur Zeit doch den Charakter einer v\u00f6llig willk\u00fcrlichen Konstruktion, so dafs daraus der G\u00fcltigkeit des Entwurfes A f\u00fcr die Tatsachen der binokularen Farbenmischung\nnicht wohl ein Bedenken erwachsen kann.\n\u25a0 \u25a0\n\u00dcbrigens m\u00f6chte ich auch nicht unerw\u00e4hnt lassen, dafs unmittelbar vor dem Abschlufs der gegenw\u00e4rtigen Arbeit mich die interessanten Versuche H. Pipers 5 dar\u00fcber belehren, dafs auf\n1\t\u201eEiniges \u00fcber binokulare Farbenmischung\u201c, Marburg 1901. Die Versuche sind im Grazer psychologischen Laboratorium unter Verwendung \u00f6sterreichischer Marken wiederholt worden und haben zu durchaus \u00fcberein stimmenden Ergebnissen gef\u00fchrt.\n2\t\u201e\u00dcber binokulare Farbenmischung\u201c, Marburger Dissertation 1902.\n3\tHermanns Handb. Ill, 1, S. 591 ff.\n4\tVgl. Schenck a. a. O. S. 11 ff.\n5\t\u201e\u00dcber Dunkeladaptation.\u201c Diese Zeitschr. 31, S. 200 ff.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 59\ndem in Rede stehenden Tatsachengebiete dem Entw\u00fcrfe B von ganz unerwarteter Seite her Hilfen erwachsen k\u00f6nnten. Es hat sich n\u00e4mlich herausgestellt, \u201edafs die Empfindlichkeit beider Augen zusammen bei vorgeschrittener Dunkeladaptation einen sehr viel h\u00f6heren Wert hat als die jedes einzelnen Auges, und zwar betr\u00e4gt der binokulare Empfindlichkeitswert stets ann\u00e4hernd das Doppelte des monokularen. Bei Beobachtung mit beiden Augen im Zustande vorgeschrittener Dunkeladaptation summieren sich also die beiden jedes einzelne Auge treffenden Lichtreize\u201c, wobei aber ausdr\u00fccklich zu betonen ist, \u201edafs diese Erscheinung erst nach etwa 15 Minuten dauerndem Dunkelaufenthalt hervortritt, dafs also der Satz der binokularen Reizaddition f\u00fcr das helladaptierte Auge nicht gilt\u201c.1 Trotz dieses Beisatzes ist die Eventualit\u00e4t, Entwurf A k\u00f6nnte einmal auch noch aus dem Gebiete der binokularen Farbenmischung durch Entwurf B verdr\u00e4ngt werden, f\u00fcr denjenigen am wenigsten vorg\u00e4ngig von der Hand zu weisen, der etwas \u00c4hnliches bei den Mischungen an rotierenden Scheiben gewissermafsen an sich selbst erlebt hat. Diese Eventualit\u00e4t aber f\u00fcr die weiteren Untersuchungen ausdr\u00fccklich in Rechnung zu ziehen, w\u00e4re jedenfalls mindestens verfr\u00fcht: ich glaube an den hier folgenden Darlegungen um so weniger \u00e4ndern zu sollen, als das Wesentliche derselben, soviel ich sehe, auch der im angedeuteten Sinne abge\u00e4nderten theoretischen Sachlage leicht anzupassen w\u00e4re.\nSchon der Vollst\u00e4ndigkeit wegen sollte nun hier auch noch von der vierten Gestalt gehandelt werden, in der die Tatsache der Farbenmischung auftritt. Sie stellt insofern eine Art Seitenst\u00fcck zur Mischung des Successiven dar, als dem durch den Farbenkreisel widerlegten Vorurteil, dafs nur Gleichzeitiges sich mischen k\u00f6nne, die Vormeinung entspricht, als ob Farben, die sich mischen sollen, mit den gleichen subjektiven Ortsbestimmungen versehen sein m\u00fcfsten. Diese Ortsgleichheit findet sich verwirklicht bei den aufeinanderfallenden Lichtern und unter besonderem Hervortreten des subjektiven Momentes bei der binokularen Farbenmischung: sie fehlt bei der zun\u00e4chst unokularen Mischung r\u00e4umlich ausreichend nahe lokalisierter Farben, wie sie bekanntlich manchen Webe- und Maltechniken\n1 a. a. O. S. 2011","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\n\u00c2. Meinong.\nzu Grande liegt, \u00fcbrigens aber bereits in der freien Natur, etwa roten Fr\u00fcchten (z. B. Ebereschen) in gr\u00fcnem Laube sch\u00f6n beobachtet werden kann, an denen bei geeigneten Distanzen die verschiedensten T\u00f6ne in Orange, Gelb und Gelbgr\u00fcn anzutreffen sind. Die Eigenartigkeit solcher F\u00e4lle ist nun freilich eine mehr \u00e4ufserliche, falls hier durch Berufung auf Irradiation alles Wesentliche getroffen ist: es k\u00f6nnte ja nicht viel verschlagen, ob die als Komponenten auf treten den Lichter schon aufser dem Auge oder erst auf der Netzhaut Zusammentreffen. Indes wird man schwerlich an diese Auffassung als einzig m\u00f6gliche gebunden sein. Vor allem legt die eben ber\u00fchrte Analogie zu\n\u2022 \u2022\nden Tatsachen am Farbenkreisel nahe, unter \u00dcbertragung des an der Zeit Bew\u00e4hrten auf den Raum f\u00fcr die Normalbet\u00e4tigung eines Lichtreizes nicht nur ein zeitliches, sondern auch ein r\u00e4umliches Minimum vorauszusetzen. Was bisher \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit des Reiz wertes von der Winkelgr\u00f6fse des leuchtenden Objektes beobachtet worden ist1, w\u00e4re keineswegs ungeeignet, eine solche Vermutung zu bekr\u00e4ftigen. Zieht man \u00fcberdies in Rechnung, dafs ja auch an der binokularen Farbenmischung zentralen Vorg\u00e4ngen offenbar ein Anteil am Zustandekommen von Mischeffekten nicht wohl abzusprechen ist, so wird sicher die M\u00f6glichkeit nicht unerwogen bleiben d\u00fcrfen, auch unokular mit ausreichend benachbarten Ortsbestimmungen Gegebenes k\u00f6nnte erst zentral zu einer Gesamtwirkung zusammentreten, f\u00fcr welche dann die Irradiation gar nicht unerl\u00e4fslich zu sein brauchte. In Betreff des Ergebnisses solcher Mischungen, bez\u00fcglich dessen mir genauere Untersuchungen nicht bekannt geworden sind, scheint einstweilen ziemlich sicher, dafs von einer Helligkeitssteigerung gegen\u00fcber den Komponenten nichts zu merken ist. \u00c4ufserlich spr\u00e4che das wieder f\u00fcr Entwurf A : aber irradiierende Lichter werden sicher nicht in ihrer vollen St\u00e4rke aufeinander treffen, so dafs f\u00fcr den Entwurf B auch hier die Wege zu ebnen w\u00e4ren, falls nat\u00fcrlich nicht etwa durch Zur\u00fcckverlegung ins Zentrum mit der Analogie zur binokularen Farbenmischung auch der Entwurf A in den Vordergrund tritt. So ist einstweilen hier schon in Betreff der Tatsachen, noch mehr aber in Betreff ihrer Deutung die Unsicherheit f\u00fcr mich noch eine so grofse, dafs es mir angemessen scheint, bei der Weiterf\u00fchrung\n1 Vgl. H. Piper: \u201e\u00dcber Dunkeladaptation\u201c, diese Zeitschr. 31, S. 168, 204.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n61\nder gegenw\u00e4rtigen Untersuchung von diesem vierten Mischungsfalle in der Hauptsache lieber abzusehen.\n\u00a7 15. Das reine und das modifizierte Mischungsgesetz.\nDagegen ist es unerl\u00e4fslich, nunmehr aus den im obigen etwas n\u00e4her betrachteten drei Hauptf\u00e4llen bez\u00fcglich der beiden Entw\u00fcrfe A und B die Summe zu ziehen. Die Mischung aufeinanderfallender Lichter folgt dem Entw\u00fcrfe B, die an rotierenden Scheiben \u00e4ufserlich dem Entw\u00fcrfe A, innerlich wahrscheinlich gleichfalls dem Entw\u00fcrfe B, indes sich die binokulare Farbenmischung ohne Gewaltsamkeit nur im Sinne von Entwurf A aulfassen zu lassen scheint. Daraus erw\u00e4chst nat\u00fcrlich das Problem, wie wir uns eigentlich das Verh\u00e4ltnis der beiden Entw\u00fcrfe zueinander zu denken haben.\nDie n\u00e4chste und in gewissem Sinne jedenfalls zutreffende Antwort ist die, dafs die beiden Gesetzm\u00e4fsigkeiten A und B, wie wir nun statt Entwurf A und B billig sagen d\u00fcrfen, in ihren Sph\u00e4ren nebeneinander zu Recht bestehen. Insofern gibt es ohne Zweifel Farbenmischung nach zweierlei Gesetzen, deren eines in allen seinen Details eine gewisse innere Einsichtigkeit an sich tr\u00e4gt, indes das andere in Betreff des Helligkeitseventuell auch des S\u00e4ttigungsmomentes eine Modifikation ins Irrationelle erkennen l\u00e4fst. Dafs die beiden Gesetze, die ja zum mindesten in Betreff des Farbentons durchaus miteinander \u00fcbereinstimmen, gar nichts N\u00e4heres miteinander zu tun haben sollten, darf nat\u00fcrlich unter solchen Umst\u00e4nden und im Hinblick auf die nat\u00fcrliche Zusammengeh\u00f6rigkeit aller Mischungstatsachen f\u00fcr ausgeschlossen gelten. Um so n\u00e4her liegt die Vermutung, eine der beiden Gesetzm\u00e4fsigkeiten m\u00f6chte ihrer Natur nach als eine Modifikation der anderen zu betrachten sein, die im Hinzutreten irgend welcher st\u00f6renden Umst\u00e4nde ihren Grund hat. Versucht man darauf hin, sich dar\u00fcber eine Meinung zu bilden, welche der beiden Gesetzm\u00e4fsigkeiten das Pr\u00e4judiz der Urspr\u00fcnglichkeit oder vielleicht besser der Unentstelltheit f\u00fcr sich haben m\u00f6chte, so mag am n\u00e4chsten liegen, sich an denjenigen Tatbestand zu halten, der seiner Verbreitung nach darauf Anspruch erheben darf, f\u00fcr die Regel zu gelten. Damit h\u00e4tte man sich ohne Frage f\u00fcr Formulierung B entschieden;","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nA. Meinong.\nnun f\u00fchren aber ein paar nahe liegende Erw\u00e4gungen doch zum entgegengesetzten Ziele.\nSie st\u00fctzen sich auf die wiederholt hervorgehobene Tatsache, dafs Formulierung A zwar nicht kurzweg apriorische Erkenntnisdignit\u00e4t, aber doch ein gutes St\u00fcck innerer Ein-sichtigkeit an sich hat, die das Zutrauen motiviert, dafs diese Formulierung einen in besonderem Mafse \u201enat\u00fcrlichen\u201c Sachverhalt wiedergibt. Dafs gleichwohl dieses Nat\u00fcrliche doch das relativ selten Verwirklichte ist, wird sogleich weniger befremden, wenn man in Rechnung zieht, dafs auch die dem Gesetze B unterstehenden Thatsachen nur zum Teile, genauer in Einer bestimmten Richtung, n\u00e4mlich der Helligkeit nach, sich der Forderung jener Nat\u00fcrlichkeit sozusagen widersetzen, in anderen Richtungen dagegen, zun\u00e4chst dem Farbentone, in gewissen Einschr\u00e4nkungen wohl auch der S\u00e4ttigung nach sich ganz und gar im Sinne des Gesetzes \u00c0 verhalten, das sich vom Gesetze B ja eben nur mit Bezug auf die Helligkeit unterscheidet Man kann also n\u00e4her besehen gar nicht sagen, dafs das, was man den Sinn des Gesetzes A nennen k\u00f6nnte, etwa nur eben so selten verwirklicht ist wie die binokulare Farbenmischung: bis zu gewissem Grade findet es sich vielmehr in allen Mischungsf\u00e4llen ohne Ausnahme realisiert, und die B-F\u00e4lle sind also gegen\u00fcber den A-F\u00e4llen nicht nur darin sozusagen im Nachteil, dafs ihnen im ganzen die Einsichtigkeit fehlt, die den A-F\u00e4llen zukommt, sondern auch noch verm\u00f6ge einer Art innerer Inkonsequenz, indem sie sich in einem Teile ihrer Bestimmungen jener Einsich tigkeit doch gem\u00e4fs verhalten, in einem anderen Teile dagegen nicht.\nDie hier vorliegende Anomalie l\u00e4fst sich noch unter einem allgemeineren Gesichtspunkte auffassen. Gesetzt, zwei Totalursachen1 \u00fc und TJ\\ die untereinander vertr\u00e4glich sind, und denen bez\u00fcglich die Wirkungen W und W' zugeh\u00f6ren, seien zugleich gegeben. Sind auch W und W' untereinander vertr\u00e4glich, so werden daraufhin auch sie gleichzeitig auftreten. Sind sie dagegen unvertr\u00e4glich, so resultiert Verschiedenes, jenachdem W und W' Qualit\u00e4ten oder Quantit\u00e4ten sind: ersteren Falles\n1 \u00dcber den Gegensatz der Gesamtursache zu den Teilursachen vgl. meine Hume-Studien 2, S. 118ff., auch H\u00f6flers Logik (\u201ePhilosophische Prop\u00e4deutik\u201c Bd. I) S. 65.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\nm\nwird entweder eine der beiden Wirkungen zeitweilig oder endg\u00fcltig die andere gleichsam verdr\u00e4ngen, oder es entsteht etwas das weder W noch W' ist, sondern zwischen beiden in der Mitte liegt ; im anderen Falle dagegen summieren sich die. Quanta, falls sie summierbar sind. Greifen z. B. an demselben materiellen Punkte zwei Kr\u00e4fte von verschiedener Richtung an,-so bewegt sich der Punkt im Sinne der Regel vom Kr\u00e4fteparallelogramm : greifen zwei Kr\u00e4fte an, die qualitativ, n\u00e4mlich der Richtung nach, gleich sind, so dafs die Unvertr\u00e4glichkeit der einen Einzelwirkung mit der anderen nur in der Gr\u00f6fse der Wirkung (einschliefslich des Grenzfalles, dafs die Gr\u00f6fsen gleich sind) zur Geltung kommt, so summieren sich die Wirkungen. Auf den Spezialfall der Lichter und ihrer Empfindungswirkungen \u00fcbertragen, bedeutet dies: Lichter, die f\u00fcr sich zur a-Empfindung resp. b- Empfindung f\u00fchren, sind zun\u00e4chst Ursachen qualitativ differenzierter Wirkungen, die untereinander unvertr\u00e4glich sind. Demgem\u00e4fs ergibt ihr Zusammenwirken unter Umst\u00e4nden Wettstreit, unter Umst\u00e4nden Mischung, sofern eine Empfindung entsteht, die zwischen a und b liegt, wie Gesetz A es verlangt. Untersteht das Ergebnis aber dem Gesetze B, so f\u00fcgt sich dasselbe der allgemeinen Norm zwar in Betreff des Farbentones, nicht aber in Betreff der Helligkeit, die der allgemeinen Regel so gut unterworfen sein sollte wie der Farbenton, da sie Qualit\u00e4t ist wie dieser und nicht etwa Intensit\u00e4t, so dafs die sie betreffende Abweichung des Gesetzes B von der Norm nicht etwa als Summierungsfall betrachtet und in diesem Sinne der Norm doch untergeordnet werden k\u00f6nnte.\nUnter solchen Umst\u00e4nden haben wir also vor allem jedenfalls Grund, in der Formulierung A den Ausdruck der eigentlichen, sozusagen reinen Mischungsgesetzm\u00e4fsigkeit zu vermuten, und diese Vermutung erh\u00e4lt eine weitere, nicht unbetr\u00e4chtliche St\u00fctze, wenn sich in Betreff dessen etwas N\u00e4heres angeben l\u00e4fst, was innerhalb des Anwendungsgebietes der Formulierung B jene Gesetzm\u00e4fsigkeit st\u00f6rt resp. verdunkelt. Das Bem\u00fchen in dieser Hinsicht erh\u00e4lt aber ganz bestimmte Richtung durch den Umstand, dafs es gerade die Helligkeit ist, die aus der allgemeinen Gesetzm\u00e4fsigkeit herauszutreten scheint.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nA. Meinong.\n\u00a7 16. Die Sonderstellung der Helligkeit.\nGreifen wir zun\u00e4chst noch einmal auf die oben schon ber\u00fchrte triviale Tatsache zur\u00fcck, dafs eine weifse Wand, wenn weifses Licht aus Einer Lichtquelle auf sie f\u00e4llt, minder hell aussieht, als wenn sie auch noch aus einer zweiten ausreichend ausgiebigen Quelle solches Licht empf\u00e4ngt. Hier zweifelt niemand, wie die gr\u00f6fsere Helligkeit im zweiten Falle zu verstehen sei: was sich zutr\u00e4gt, ist nichts als eine Art Summierung der als Reize fungierenden physikalischen Vorg\u00e4nge, verm\u00f6ge deren das Licht, das hier die Augen des Beschauers trifft, gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t, d. h. eine Amplitude aufweist, die durch Superposition der Amplituden der beiden von der Wand reflektierten Lichter zu st\u00e4nde gekommen ist. Dafs mit der gesteigerten Reizst\u00e4rke gesteigerte Helligkeit zusammengeht, ist ja selbstverst\u00e4ndlich. Ersetzen wir nun das eine der beiden weifsen Lichter durch ein blaues, so tritt, wie ebenfalls schon erw\u00e4hnt, gegen\u00fcber der Beleuchtung blofs durch das eine weifse Licht ebenfalls Helligkeitssteigerung ein. Was liegt n\u00e4her, als hier ebenfalls Superposition der Reizwellen und daher Steigerung der Amplituden zu vermuten? Und wenn nun statt weifsen und blauen Lichtes rotes und blaues unsere Wand bestrahlt, allenfalls auch rotes und blaues Licht von spektraler Einfachheit, und wieder der Erfolg der Helligkeitssteigerung eintritt, werden wir Bedenken zu tragen haben, den Superpositionsgedanken auch hier in Anwendung zu bringen ? Nun* spielt freilich die Schwingungsform in der physikalischen Optik nicht dieselbe Rolle wie in der physikalischen Akustik, und dies hat, so viel ich sehe, darin seinen Grund, dafs man Anstand nimmt, den der Empirie an den Luft wellen entnommenen oder wenigstens zun\u00e4chst an ihnen verifizierten Superpositionsgedanken kurzweg auf den Licht\u00e4ther zu \u00fcbertragen, ehe die Erfahrung es ausdr\u00fccklich verlangt. Von einem\n\u2022 \u2022\nGesichtspunkte aber, der diese \u00dcbertragung an sich verb\u00f6te, ist\nmir nichts bekannt. Nun scheint mir in der herk\u00f6mmlichen\nAuffassung der durch zwei qualitativ gleiche Lichter bewirkten\n\u2022 \u2022\nHelligkeitssteigerung diese \u00dcbertragung tats\u00e4chlich bereits vollzogen zu sein, und ich k\u00f6nnte nicht absehen, warum die weitere\n\u2022 \u2022\n\u00dcbertragung auch auf den Fall der qualitativ verschiedenen\nLichter bedenklicher sein sollte. Umgekehrt scheint mir viel-\n\u2022 \u2022\nmehr in der \u00dcbereinstimmung, die sich beim Zusammentreffen","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n65\nqualitativ verschiedener Lichter im Vergleich mit dem Zusammentreffen qualitativ gleicher Lichter bez\u00fcglich der hier wie dort eintretenden Helligkeitssteigerung einstellt, eine Instanz daf\u00fcr zu liegen, dafs die Auffassung des physikalischen Sachverhaltes durchaus im Rechte ist, wenn sie hier wie dort mit der Superposition der Licht wellen rechnet. Nat\u00fcrlich k\u00e4me eine solche Superposition nicht nur in den gesteigerten Amplituden, sondern auch in abge\u00e4nderten Schwingungsformen zur Geltung : doch w\u00e4re nach akustischen Analogien zu erwarten, dafs in letzteren die durch die Wellenl\u00e4ngen repr\u00e4sentierten qualitativen Eigent\u00fcmlichkeiten der Komponenten in einer sozusagen analysierbareren Weise konserviert blieben, als bei den resultierenden Amplituden\ngegen\u00fcber den sie zusammensetzenden m\u00f6glich w\u00e4re.\n\u2022 \u2022\n\u00dcbrigens liegt, diese physikalische Konsequenz sozusagen endg\u00fcltig zu ziehen, nat\u00fcrlich v\u00f6llig aufserhalb meiner Kompetenz. Es wird aber sicher nicht zu wenig Zur\u00fcckhaltung in sich schliefsen, wenn ich sage : fallen zwei oder nat\u00fcrlich auch mehr physikalische Lichter zur selben Zeit auf denselben Ort, so verlaufen die Tatsachen so, als ob Superposition und sonach Amplitudensteigerung eintr\u00e4te. Wir d\u00fcrfen also die Sachlage so beurteilen, als ob die Partialreize sich zu einem Totalreize vereinigten, dem gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t zukommt, als den Partialreizen, falls man nicht geradezu sagen kann, dafs seine Intensit\u00e4t durch die Summe aus den Intensit\u00e4ten der Partialreize repr\u00e4sentiert ist. K\u00fcrzer ausgedr\u00fcckt: Reize, die in dem hier nicht wohl mifszuverstehenden Sinne r\u00e4umlich und zeitlich Zusammentreffen, summieren sich zu einem neuen Reize, in dem die Qualit\u00e4ten cum grano salis ihre Eigenartigkeit bewahren, indes an Stelle der vorgegebenen Partialintensit\u00e4ten eine neue gesteigerte Intensit\u00e4t tritt. Einem Reize von gesteigerter Intensit\u00e4t steht aber auch hier im Sinne der innerhalb so weiter Grenzen beglaubigten Gesetzm\u00e4fsigkeit eine gesteigerte Helligkeitsempfindung zur Seite.\nUnter Bezugnahme auf das obige Schema von den beiden zusammentreffenden Totalursachen U und U' l\u00e4fst sich der in Rede stehende Sachverhalt mithin so charakterisieren : die beiden Ursachen U und U' kommen hier nicht jede f\u00fcr sich zur Geltung, sondern vereinigen sich bereits selbst im Sinne der oben blofs auf die Wirkungen angewendeten Regel, mindestens kommen f\u00fcr die Empfindung nicht zwei Lichtst\u00e4rken, sondern nur eine Lichtst\u00e4rke in Betracht, die jener Regel gem\u00e4fs die Summe der\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 33.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nA. Meinong.\nbeiden vorgegebenen Lichtst\u00e4rken repr\u00e4sentiert. \u00dcbrigens aber versteht sich von selbst, dafs der hiermit gewonnene Gesichtspunkt doch keineswegs f\u00fcr das ganze Anwendungsgebiet des Mischungsgesetzes B vorh\u00e4lt, falls diesem wirklich, wie ja oben wahrscheinlich geworden ist, auch die Mischungen am Rotationsapparate unterzuordnen sind. Inzwischen hat gerade in der Farbentheorie schon so of das physiologische Mittelglied f\u00fcr das aufkommen m\u00fcssen, was das physikalische Anfangs- und das psychologische Endglied f\u00fcr sich zu leisten aufser st\u00e4nde waren, dafs es im gegenw\u00e4rtigen Falle sicher nicht sonderlich gewagt sein wird, von demselben Auskunftsmittel Gebrauch zu machen. Lichter, die zu verschiedenen Zeiten auf die Netzhaut fallen, superponieren oder summieren sich gewifs nicht ; um so leichter k\u00f6nnen es die Erregungen tun, solange die Regeneration nicht hindernd in den Weg tritt. Freilich st\u00fcnde dann nichts im Wege, diese Auffassung auch auf die eben zuvor er\u00f6rterte Mischung aufeinanderfallender Lichter auszudehnen. Dort scheint aber doch die in der Physik anerkannte Superposition qualitativ gleicher Lichter den n\u00e4heren resp. minder hypothetischen Anschlufs zu bieten.\nWarum \u00e4hnliche Gedanken, falls man nicht etwa von der Peripherie ins Zentrum zur\u00fcckgeht, bei binokularer Farbenmischung ausgeschlossen sind, ja warum bereits von vorn herein jeder Anlafs zu solchen Gedanken fehlt, solange es bei der zur Zeit einzig in Betracht kommenden Auffassung dieser Mischungstatsachen bleibt, bedarf keiner Ausf\u00fchrung. So kann dar\u00fcber, dafs die Stellung, die durch die Formulierung B der Helligkeit zugewiesen wird, eine Ausnahmestellung, Formulierung B selbst daher in dem von A abweichenden Teile eine Ausnahmebestimmung sei, um so weniger Zweifel obwalten, je sicherer wir den Grund anzugeben im st\u00e4nde sind, warum es gerade die Helligkeit ist, die sich in dieser Stellung befindet. Der Grund ist nat\u00fcrlich kein anderer als der, dafs die Helligkeit diejenige Bestimmung an den Farbenempfindungen ist, die in ihren Ver\u00e4nderungen zu den Ver\u00e4nderungen der Licht- oder doch Erregungsst\u00e4rke in den n\u00e4chsten Beziehungen steht, \u2014 der Umstand also, der so oft dazu Anlafs gegeben hat, den Unterschied von Hell und Dunkel im allgemeinen, Weifs und Schwarz im besonderen als Quantit\u00e4tsunterschied zu behandeln.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n67\nSollte die oben vor\u00fcbergehend ins Ange gefafste M\u00f6glichkeit sich verwirklichen, dafs Erweiterung und Vertiefung unserer Kenntnis der binokularen Farbenmischung dazu f\u00fchrt, auch sie dem Gesetze B zu subsummieren, dann k\u00f6nnte nat\u00fcrlich von einer Ausnahmestellung der Helligkeit in den B-F\u00e4llen nicht mehr die Rede sein, da es ja dann andere Mischungsf\u00e4lle als B-F\u00e4lle wohl \u00fcberhaupt nicht g\u00e4be. In Sonderstellung bliebe aber die Helligkeit auch dann gegen\u00fcber Farbenton resp. (cum grano salis) S\u00e4ttigung, und es w\u00e4re immer noch keineswegs willk\u00fcrlich, gerade ihr die Position aufser der Regel zuzuschreiben. Denn man d\u00fcrfte auch dann behaupten, dafs das reine Mischungsgesetz in der Formulierung A eigentlich die Helligkeit sozusagen in sich befassen sollte, und nur die Eigenart der der Helligkeit zugeordneten Reize resp. Erregungen hier die Ab\u00e4nderung im Sinne des Gesetzes B mit sich f\u00fchrt.\n\u00a7 17. Zur Pr\u00e4zisierung des Quantit\u00e4tsmomentes.\nDarf durch das Gesagte im allgemeinen f\u00fcr dargetan gelten, dafs es zuletzt nur ein und dasselbe Mischungsgesetz ist, das in der Gestalt A sozusagen rein, in der Gestalt B einigermafsen entstellt zur Geltung kommt, so verlangt nun noch ein Punkt ausdr\u00fcckliche Erw\u00e4gung, der zwar, falls den Mischungen am Rotationsapparat durch die obigen Untersuchungen die richtige Stelle angewiesen worden ist, nicht mehr die \u00dcbereinstimmung von A und B betrifft, daf\u00fcr aber eine Unklarheit zun\u00e4chst, obwohl kaum ausschliefslich, innerhalb des Bereiches des Gesetzes B, in der sich unter Umst\u00e4nden geradezu etwas wie ein innerer Widerspruch zu verraten scheint. Ich meine das quantitative Moment, das eine unerl\u00e4fsliche Voraussetzung der Schwerpunktskonstruktion ausmacht und oben in der ersten Formulierung des Mischungsgesetzes durch Satz II seinen Ausdruck gefunden hat.\nVergleicht man n\u00e4mlich erstens die Mischungen am Farbenkreisel und die Mischungen durch gleichzeitige Bestrahlung derselben Stelle daraufhin miteinander, so bietet sich im ersten Falle als das quantitativ Ausschlaggebende die Sektorenbreite oder auch die Einwirkungszeit des betreffenden Lichtes, im zweiten Falle dagegen die Lichtst\u00e4rke (Amplitude) dar, wie sie in der Regel, freilich nicht mit jederzeit voraussetzungsloser Genauigkeit, in den den zu mischenden Lichtern zugewiesenen","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nMeinong\u00bb\nSpaltbreiten zur Geltung kommt. Lichtst\u00e4rke und Lichtdauer aber sind, wie oben schon einmal zu erw\u00e4hnen Gelegenheit war, ganz verschiedene Dinge, und es scheint nicht wohl ein und dasselbe Mischungsgesetz sein zu k\u00f6nnen, das einmal auf das eine, ein andermal auf das andere Quantit\u00e4tsdatum Bezug nimmt.\nEs kommt nun zweitens noch hinzu, dafs das Einbeziehen der Lichtst\u00e4rken mit dem Grundcharakter des Mischungsgesetzes gar nicht vereinbar scheint. Dieses Gesetz handelt ja von zwei Reizen, von denen einer der Farbenempfindung a, der andere der Farbenempfindung b entspricht: es gibt an, was aus der Mischung je nach dem quantitativen Verhalten der beiden Reize resultiert. Darin liegt die quantitative Variabilit\u00e4t jedes der beiden Reize prinzipiell impliziert, und man macht von dieser ganz ausdr\u00fccklich Anwendung, wenn man etwa daraus resp. aus der Schwerpunktskonstruktion die Konsequenz zieht, dafs der Ort der Mischfarbe m je nach dem Verh\u00e4ltnisse der Reizquantit\u00e4ten in jeden Punkt der Linie a b fallen kann. Und dies hat auf dem Farbenkreisel auch gar keine Schwierigkeiten: es steht ja bei mir, welche Sektorenbreite ich einer Farbenscheibe von bestimmtem Gr\u00fcn, bestimmtem Blau u. s. f. erteilen will. Was soll aber dieselbe Forderung im Hinblick auf Lichtst\u00e4rken, da doch mit der St\u00e4rke des Reizes sich normalerweise auch die Qualit\u00e4t, zun\u00e4chst die Helligkeit, der Empfindung \u00e4ndert? Was soll ein Gesetz \u00fcber die Bedeutung der quantitativen Ver\u00e4nderung des a-Reizes und des b- Reizes, wenn bei jeder quantitativen Ver\u00e4nderung der betreffende Reiz einfach auf h\u00f6rt, ein a -Reiz oder ein b -Reiz zu sein? An das Vorliegen einer wirklichen Ungereimtheit in der hier in Frage kommenden Anwendung des Mischungsgesetzes wird schwerlich jemand glauben: um so deutlicher f\u00fchlt jeder, dafs der in gewissem Sinne so bekannte Sachverhalt offenbar an irgend einer Stelle immer noch nicht ausreichend durchsichtig ist.\nIch beginne mit der zweiten Schwierigkeit. Sie erledigt sich, wenn man sich daran erinnert, dafs es sich hier um Mischungsf\u00e4lle handelt, in denen infolge der Superposition der Reize das Mischungsgesetz in Betreff der Helligkeit durch ein Summationsgesetz ersetzt ist. Das Mischungsgesetz gilt hier also, wenn wir die S\u00e4ttigung aufser Betracht lassen, nur von Farbent\u00f6nen, indem es aussagt, dafs w^enn ein Reiz vom Farbentone a mit einem Reiz vom Farbentone b gemischt wird, eine Mischung","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n69\nvom Farbentone m znm Vorschein kommt. Hier bedeuten also a, b und m nicht die Farben sozusagen in ihrer Totalit\u00e4t, sondern nur im Hinblick auf Eine Bestimmung, die man unter dem Namen des Farbentons von den \u00fcbrigen Bestimmungen aussondert. Das l\u00e4fst sich \u00fcbrigens nicht nur aus den hier durchgef\u00fchrten Untersuchungen ableiten, sondern findet auch seine ganz direkte Verifikation an der Intention, in der man Mischungsfragen zumeist aufwirft und beantwortet. Das Mischungsgesetz soll dar\u00fcber Aufsehlufs geben, was herauskommt, wenn man etwa Bot mit Gelbgr\u00fcn, oder Blau mit Gelbgr\u00fcn mischt. Die Farbennamen der Sprache sind schon selbst in der Regel Farbentonnamen. Auch der Begriff der Komplement\u00e4rfarben betrifft nur den Farbenton; und wenn man sich etwa die Aufgabe stellt, \u00fcber die Mischung von Spektralfarben Genaueres festzustellen, so arbeitet man freilich mit ganz bestimmten Farben, aber das Interesse ist dabei zweifellos zun\u00e4chst dem Farbentone zugewandt. Haben wir also die Symbole a, b und m bisher dazu verwendet, sozusagen die ganzen, genauer die bestimmten Farben durch sie zu bezeichnen, so mag es deutlicher sein, durch eine Ab\u00e4nderung dieser Symbole die F\u00e4lle auszuzeichnen, wro von den Farben nur mit R\u00fccksicht auf ihren Ton die Rede sein soll. Bezeichnen wir also etwa den in a, b und m gegebenen Farbenton bez\u00fcglich mit a, b' und m, so k\u00f6nnen wir, was in einem der in Rede stehenden F\u00e4lle dem eigentlichen, unentstellten Mischungsgesetze folgt, an einer Linie symbolisieren, die a und V verbindet und die nun auch wieder den Ort des m in sich enth\u00e4lt. Die Lage dieser Punkte auf dem Farbenk\u00f6rper ist insofern unbestimmt, als zu einem bestimmten Farbenton und einer bestimmten S\u00e4ttigung, wenn die Helligkeit unbestimmt bleibt, allemal eine ganze, zur Weifs-Schwarz - Achse parallele Linie geh\u00f6rt, im Falle unbestimmter S\u00e4ttigung sogar eine Ebene, diejenige n\u00e4mlich, die man sich durch die erw\u00e4hnte Linie und die Weifs-Schwarz-Achse gelegt denken kann. Praktisch wird man am einfachsten verfahren, wenn man die f\u00fcr a, b' und daher auch m zu w\u00e4hlende Linie in die Region maximaler S\u00e4ttigung, also in die Grundfl\u00e4che des Farbenk\u00f6rpers legt.\nDer Ersatz von a, b und m durch a\\ V und m behebt nun ohne weiteres die hier an die Quantit\u00e4tsbestimmungen sich scheinbar kn\u00fcpfende Unzuk\u00f6mmlichkeit. Ein a -Reiz kann sich","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nA. Meinong.\nfreilich nicht in seiner St\u00e4rke \u00e4ndern, ohne zugleich a mitzu\u00e4ndern und so den Anspruch darauf zu verlieren, immer noch ein a -Reiz zu sein. Ein a'-Reiz dagegen kann dies ohne weiteres, da a nichts als einen Farbenton bedeutet, ein Farbenton aber unver\u00e4ndert bleiben kann, auch wenn sich die Helligkeit \u00e4ndert. Ebenso l\u00e4fst V die Variabilit\u00e4t in Betreff der Helligkeit ganz und gar offen: weder a noch b' bestimmt aber etwas in Betreff der Helligkeit der durch m nur nach Farbenton und h\u00f6chstens noch S\u00e4ttigung pr\u00e4zisierten Mischfarbe.\nWeiter wird es nun auch nicht mehr schwer fallen, der Verschiedenheit der in verschiedenen Mischungsf\u00e4llen mafs-gebenden Quantit\u00e4tsdaten einiges Verst\u00e4ndnis abzugewinnen und damit die erste der beiden oben namhaft gemachten Schwierigkeiten zu beseitigen. Man braucht sich zu diesem Ende nur die oben schon einmal herangezogene Analogie ins Ged\u00e4chtnis zu rufen, die zwischen dem Vorg\u00e4nge beim Sehen und dem bei einer photochemischen Einwirkung besteht und die ja ohnehin, wenn nicht alle Anzeichen tr\u00fcgen, weit mehr ist als blofse Analogie. Man kommt im Prinzip zum n\u00e4mlichen Ziele, wenn man eine photographische Platte unter Verwendung eines lichtstarken Objektivs w\u00e4hrend kurzer Zeit oder unter Verwendung eines lichtschwachen Objektivs w\u00e4hrend langer Zeit exponiert, und hat man Zeit genug, so f\u00fchrt auch eine blofse Lochcamera zum Ziele. Dafs es beim Sehen ganz anders zuzugehen scheint, das liegt an der relativen Fl\u00fcchtigkeit unserer Gesichtseindr\u00fccke, die auch einen ganz sorgf\u00e4ltigen Beobachter in der Meinung best\u00e4rken kann, als reagierte unser Gesichtssinn mit der Promptheit eines Spiegels auf alles, was sich sozusagen Augenblick f\u00fcr Augenblick im Gesichtsfelde zutr\u00e4gt. Wir wissen jetzt, dafs der Fl\u00fcchtigkeit der Spiegelbilder zwar die der Netzhautbilder, nicht aber die der Wirkungen dieser Bilder, sit venia verbo, an die Seite zu setzen ist, dafs vielmehr die Fl\u00fcchtigkeit dieser letzteren mit dem Verlaufe des organischen Stoffwechsels in engster Verbindung stehen d\u00fcrfte und daher auch in der Geschwindigkeit dieses Verlaufes ihre Grenze findet. Innerhalb dieser Zeitgrenze verh\u00e4lt sich unser Gesicht wie die photographische Platte, so dafs sich da einfach sagen l\u00e4fst : die durch einen gegebenen Lichtreiz erzielte Wirkung ist um so gr\u00f6fser, einerseits je st\u00e4rker das Licht, andererseits je gr\u00f6fser seine Einwirkungszeit ist. Bezeichnen wir also etwa mit i die Lichtst\u00e4rke, mit t die Expositions-","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n71\nzeit, mit w endlich die Wirkung, so bestellt, immer unter der Voraussetzung, dafs die Zeitgrenze, jenseits welcher die Regeneration zur Geltung kommt, nicht \u00fcberschritten wird, die Gleichung :\nw = i t.\nEs liegt nahe, sich dabei unter der quantitativ ver\u00e4nderlichen Wirkung w die Erregung zu denken, mit der unter normalen Umst\u00e4nden die Helligkeit des empfundenen Lichtes steigt resp. abnimmt.\nNun erkennt man vor allem ohne weiteres, dafs i und t die beiden Quantit\u00e4tsdaten sind, deren sozusagen koordinierte Position bei verschiedenen Mischungsf\u00e4llen vor allem auffallend ist. Denn dafs i je nach Umst\u00e4nden direkt als Amplitude, bald mehr indirekt als Spaltbreite auf treten kann, wird f\u00fcr sich allein niemanden befremden. Das N\u00e4here ergibt nun die Ber\u00fccksichtigung der f\u00fcr die verschiedenen Mischungsf\u00e4lle charakteristischen Sachlage, wenn man zugleich in Rechnung zieht, dafs den obigen Mischungsgesetzen I und II zufolge f\u00fcr den Ort des m, soweit er Ergebnis der Mischung ist, nicht die absoluten, sondern nur die relativen Quantit\u00e4tsdaten in Rechnung kommen.\nVielleicht ist es aber nicht \u00fcberfl\u00fcssig, diese Tatsache zuvor ausdr\u00fccklich dem Zweifel gegen\u00fcber sicher zu stellen, der aus der unanfechtbaren Erkenntnis hervorgehen k\u00f6nnte, dafs doch auch die absoluten Reizquanta f\u00fcr den Ausfall einer Mischung das Ihre zu bedeuten haben. Wenn ich den Farbenkreisel bei unge\u00e4nderter Sektorenbreite einmal heller, einmal minder hell beleuchte, so ist nat\u00fcrlich auch das Mischungsergebnis nach seiner Helligkeit verschieden; ebenso, wenn ich mit Hilfe der HEBiNGschen Fenstereinrichtung1 unter Benutzung der n\u00e4mlichen Spaltbreiten einmal zu Mittag, ein andermal gegen Abend, einmal bei heiterem, ein andermal bei tr\u00fcbem Himmel Licht einlasse. Dafs gleichwohl f\u00fcr das Mischungsgesetz unter allen Umst\u00e4nden nur das Verh\u00e4ltnis der betreffenden quantitativen Bestimmungen in Frage kommt, hat je nach der Natur der Mischungsf\u00e4lle einen verschiedenen Grund. Wo das Mischungsgesetz streng genommen nicht mit a, b und mx sondern mit a\\ V und m zu tun hat, d. h. wo es die Helligkeit sowohl bei den\n1 Vgl. E. Herinq: \u201eEine Vorrichtung zur Farbenmischung, zur Diagnose der Farbenblindheit und zur Untersuchung der Kontrasterscheinungen.\u201c Pfl\u00fcgers Archiv 42, (1888), S. 119 ff.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nA. Meinong.\nKomponenten als bei der Mischfarbe anfser Betracht l\u00e4fst, ist der Umstand mafsgebend, dafs die absoluten Reizquanta zun\u00e4chst nur f\u00fcr die Helligkeit von Belang sind. Wird dagegen die Helligkeit mitber\u00fccksichtigt, so geschieht dies schon bei der Bestimmung des Ortes von a und b sowie der zugleich mit festgelegten Verbindungslinie a b im Farbenk\u00f6rper. Die quantitativen Data in Betreff der Reize haben nur noch die Distanz des m von a und b zu bestimmen: hierf\u00fcr entscheiden aber nach der Schwerpunktskonstruktion nur relative, nicht absolute Gr\u00f6fsen. Zusammenfassend also: die absoluten Gr\u00f6fsen verschlagen ent-weder deshalb nichts, weil die absoluten Data durch die Orter von a und b bereits ber\u00fccksichtigt sind, oder deshalb nichts, wTeil, was mit Helligkeiten zusammenh\u00e4ngt, in die Anwendung des Mischungsgesetzes gar nicht einbezogen ist.\nTreten uns also am Lichtreiz im allgemeinen als quantitative Bestimmungen die Faktoren i und t (letzterer unter Voraussetzung ausreichend kleiner Zeitstrecken) entgegen, und kommen ferner f\u00fcr die Mischungsgesetze nicht die absoluten, sondern nur die relativen Reizquanta in Betracht, so sind die hier aus-sehliefslich entscheidenden Gr\u00f6fsendata repr\u00e4sentiert durch das Verh\u00e4ltnis zweier Produkte aus i und t, allgemein also durch\neinen Bruch von der Form\n2*2 L\nHandelt es sich nun n\u00e4her\num einen Mischungsfall, wo die Reize im wesentlichen gleichzeitig wirksam sind, so sind die G Werte in Z\u00e4hler und Nenner gleich, so dafs nur die Relation der Lichtst\u00e4rken i zu ber\u00fccksichtigen bleibt. Das gilt von der binokularen Farbenmischung ebenso gut wie von gleichzeitiger Bestrahlung einer Stelle durch mehrere Lichter. In beiden F\u00e4llen kommt normalerweise noch hinzu, dafs die dabei in Betracht kommenden Zeiten die Grenze erheblich \u00fcberschreiten, innerhalb welcher der G Faktor die ihm im Sinne der Analogie photochemischer Vorg\u00e4nge zuerkannte Rolle zu spielen vermag. Beim Farbenkreisel kann man freilich nicht umgekehrt sagen, dafs etwa die G Werte des obigen Bruches sich aufheben : die verwendeten Pigmente m\u00fcssen ja durchaus nicht gleich lichtstark sein. Da aber hier die Reize verm\u00f6ge ihrer Beziehung zu a und 6, d. h. zu den v\u00f6llig bestimmten Empfindungen in die Gesetzm\u00e4fsigkeit eingehen, so ist der fragliche Intensit\u00e4tsunterschied ebenfalls bereits bei der Bestimmung der Lage der Verbindungslinie a b einbegriffen.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz.\n73\nAnders ausgedr\u00fcckt: der i-Faktor kann in solchen F\u00e4llen jedesmal weggelassen werden, weil hier das Mischungsgesetz erst zwischen Farben von vorgegebener Helligkeit zur Anwendung gelangt, die in der Relation des obigen Satzes II auf gleichem Fufse, insofern also, soweit es auf ihre Qualit\u00e4t (einschliefslich Helligkeit) ankommt, beide mit Einheitswert in Rechnung gezogen werden m\u00fcssen. So sind hier nur die Sektorenbreiten resp. die jeder Farbe zukommenden Zeiten t mafsgebend.\nWo das quantitative Moment durch den i- Faktor vertreten ist, findet man nicht selten statt Daten \u00fcber Amplituden solche \u00fcber Spaltbreiten. Vorauszusetzen ist dabei, wie schon aus fr\u00fcherem ersichtlich, dafs die Lichter, um deren Mischung es sich handelt, nicht etwa vermittelst ihres nach allen drei Dimensionen bestimmten Aussehens gegeben sind. Sollen die quantitativen Bestimmungen des Mischungsgesetzes Anwendung finden k\u00f6nnen, so mufs in Betreff der Reize auch hier eine gewisse quantitative Variabilit\u00e4t noch offen sein, es d\u00fcrfen eben nur a- und V- Reize, nicht aber a- und b- Reize in Betracht kommen. Weil aber derselbe Spalt Lichter der verschiedensten Helligkeit, d. h. Amplitude durchl\u00e4fst, so kann die Spaltbreite doch immer nur erst unter noch spezielleren Voraussetzungen den i- Faktor ausmachen, so etwa, wenn man weifs, dafs die beiden Lichter bei gleichen Spaltbreiten gleich hell aussehen, oder auch, wenn aus der Natur der Lichtquellen sich bestimmte Anhaltspunkte in dieser Hinsicht ergeben. Wir ber\u00fchren damit die nat\u00fcrlich keineswegs seltenen F\u00e4lle, wo die Komponenten nicht psychologisch, d. h. ihrem Aussehen nach, sondern in anderer Weise bestimmt sind. Die Frage- resp. Aufgabestellung kann dadurch leicht \u00e4ufserlich eine ganz andere werden, ohne dafs an dem im Mischungsgesetze kodifizierten Kern etwas ge\u00e4ndert w\u00fcrde. Leicht kann dann wieder eine Sachlage gegeben sein, die die Spaltbreiten zu berechtigten Repr\u00e4sentanten des Quantit\u00e4tsmomentes macht, so z. B. beim Mischungsdreieck genauer an der Mischungskurve der Spektralfarben, soweit es sich dabei nur darum handelt, festzulegen, in welchen Mengen die ihrer sonstigen Beschaffenheit nach eben vorgegebenen Spektrallichter genommen werden m\u00fcssen, um diesen oder jenen Mischungserfolg, zumeist insbesondere, um Weifs zu ergeben.\nDas eben in Betreff des i- Faktors Dargelegte bezieht sich selbstverst\u00e4ndlich in erster Linie auf Mischung durch gleich-","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nA. Meinong.\nzeitige Bestrahlung; indes ist in Betreff der binokularen Farbenmischung nichts prinzipiell anderes zu sagen. In der Regel werden hier die zu mischenden Lichter ihrem ganzen Aussehen nach, also durch die Empfindungen a und b vorgegeben sein: diese also auch der Intensit\u00e4t nach bestimmten Lichter k\u00f6nnen in demselben Sinne wie durch gleiche Sektoren repr\u00e4sentierten Lichter am Farbenkreisel nicht wohl anders als in gleichen Quantit\u00e4ten vorliegen, so dafs der Ort der Mischfarbe m hier kurzweg als die Mitte zwischen a und b zu bestimmen sein wird. Erst wenn einmal auch hier die zu mischenden Lichter anders als nach ihrem Aussehen bestimmt w\u00e4ren, k\u00f6nnte bei Anwendung des Mischungsgesetzes der i- Faktor etwa als Spaltbreite oder sonst irgendwie in Rechnung zu ziehen sein.\nIm \u00dcberblicke erkennt man, dafs die f\u00fcrs erste befremdende Verschiedenartigkeit dessen, was als Quantit\u00e4t in das Mischungsgesetz eingeht, sehr wohl unter einen Gesichtspunkt zu bringen ist, dem gem\u00e4fs man in dieser Verschiedenheit nur das Ergebnis der jedesmaligen besonderen Sachlage vor sich hat. \u00dcberall kommt es auf St\u00e4rke und Einwirkungszeit der betreffenden Lichtreize (Schwarz als Grenzfall einbegriffen) an: aus den verschiedensten Gr\u00fcnden verschwindet aber bald der eine, bald der andere der beiden Faktoren aus der nur die relativen Quanta ber\u00fccksichtigenden Rechnung. Besondere Beachtung verdient dabei, dafs die quantitativen Bestimmungen sich nicht nur je nach der Beschaffenheit des Mischungsfalles verschieden gestalten, der gerade vorliegt, sondern auch nach dem Gesichtspunkte, unter dem die Komponenten sowie das Mischungsergebnis erfafst werden.\n\u00a7 18. Allgemeines und Zusammenfassendes \u00fcber\nFarbenmischung.\nIndem mir nunmehr nur noch er\u00fcbrigt, aus den Ergebnissen der voranstehenden Untersuchungen die Summe zu ziehen, scheint es mir angemessen, dem Tatsachengebiet, das uns hier besch\u00e4ftigt hat, vorher ein paar allgemeinere Erw\u00e4gungen zu widmen.\nWer die Erfahrungen, die in den Farbenmischungsgesetzen kodifiziert sind, dem allgemeinen Mischungsgedanken zu sub-summieren versucht, bedroht damit weit mehr die diesem Ge-","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 75\ndanken von Natur zukommende Klarheit, als er den psychischen Geschehnissen n\u00e4her tritt, um deren Erfassen ihm im Grunde doch zun\u00e4chst zu tun ist. Was der Hauptsache nach vorgeht, wenn zwei Fl\u00fcssigkeiten oder zwei Pulver gemischt werden, weifs jedermann, und kann auch leicht einsehen, wie aus den ihren Teilen nach sich gewissermafsen durchdringenden Komponenten neue Ganze entstehen, die einer Komponente um so \u00e4hnlicher sind, je mehr Teile von ihr sie enthalten. Das ist genau ebenso durchsichtig, als die Tatsache der \u00c4hnlichkeit durch gleiche Teile durchsichtig ist. Und auch die \u00dcbertragung auf die Farben scheint sich, freilich zun\u00e4chst am leichtesten unter Vermittlung der Farbstoffe, ohne sonderliches Hindernis zu vollziehen : denn auch die Farben, die sozusagen auf einem und demselben Paume zusammen Platz finden m\u00fcssen, scheinen darauf angewiesen, sich einigermafsen zu durchdringen. Vor allem aber : das Ergebnis der Mischung steht den Komponenten in Betreff seiner \u00c4hnlichkeit ganz ebenso gegen\u00fcber, wie man es bei gew\u00f6hnlichen Mischungen antrifft und voraussehen kann. Aber folgt aus Gleichheit von Teilen \u00c4hnlichkeit der Ganzen, so werden nicht umgekehrt durch \u00c4hnlichkeit gleiche Teile gew\u00e4hrleistet : f\u00fcr Farben insbesondere geht das nicht an, weil es keine Farbe gibt, genauer keine geben kann, die Farben zu Teilen h\u00e4tte. Wir kommen damit auf eine bereits im ersten Abschnitte dieser Untersuchungen1 ausf\u00fchrlicher abgehandelte Angelegenheit zur\u00fcck, hei der darum neuerlich zu verweilen entbehrlich ist. Aus dem Mifslingen jeder Analyse k\u00f6nnen wir jetzt kurz sagen, d\u00fcrfte auf das Bestehen einer Unm\u00f6glichkeit sicher nicht erkannt werden : denn was bis heute nicht gelungen ist, kann morgen gelingen, es sei denn, dafs die Unm\u00f6glichkeit sich eben einsehen l\u00e4fst. Diese Evidenz aber bietet sich jedem dar, der den Gedanken einer beliebig kleinen Fl\u00e4che, die zugleich verschiedene Farben h\u00e4tte, anschaulich zu konzipieren versucht. Der Schein, der sich bei den sogenannten Mischfarben einstellt, k\u00f6nnte, auch wenn es kein Mittel g\u00e4be, ihn psychologisch zu verstehen, gegen solche Einsicht nicht aufkommen : doch ist das Zur\u00fcckgehen auf die allerdings einigermafsen hypothetischen \u201eFarbenelemente\u201c vielleicht nicht ungeeignet, \u00fcber den Gegensatz der Haupt- und Nebenfarben einige Rechenschaft zu geben*","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nA. Meinong.\nWie immer es indes mit dem Werte dieses Versuches bewandt sei, in keinem Falle k\u00f6nnen zwei Farben, so wie wir sie empfinden, in ein Mischungsverh\u00e4ltnis zueinander eintreten ; als Farben sind die Mischfarben nicht minder einfach als ihre Komponenten, kurz: eine psychologische Farbenmischung im strengen Sinne gibt es nicht. Gibt es gleichwohl eine Farbenmischung, an der die Psychologie interessiert ist, so steht zu vermuten, dafs darin der einfache Mischungsbegriff des t\u00e4glichen Lebens in einigermafsen modifizierter Gestalt realisiert erscheint.\nIn der Regel besteht diese Modifikation darin, dafs die Mischung, die man von den Empfindungen (genauer von deren Gegenst\u00e4nden) aussagt, zwar eine ganz gew\u00f6hnliche Mischung ist, aber nur zwischen den physikalischen Vorg\u00e4ngen sich zutr\u00e4gt, die jenen Empfindungen als Reize gegen\u00fcberstehen. Sagt man also, a und b mische sich zu m, so heilst dies genau genommen nur, der a-Reiz und der &-Reiz mischen sich zu etwas was einen w-Reiz abzugeben im st\u00e4nde ist. Man k\u00f6nnte diese Mischung, obwohl an einem solchen Zusammentreten von Lichtern (der Schwarzreiz nimmt die Position des Grenzfalles ein, in der er freilich mit erstaunlicher Deutlichkeit an die alte \u201ecausa deficiens\u201c gemahnt) die Physik von ihrem Standpunkte aus kaum viel Bemerkenswertes zu verzeichnen haben wird, billig als physikalische Farbenmischung charakterisieren im Gegens\u00e4tze zu einer immerhin dem Naiven schon etwas ferner liegenden, theoretisch daf\u00fcr um so fruchtbareren Betrachtungsweise, die von den Empfindungen a und b statt zu den Reizen blofs bis zu den zugeh\u00f6rigen Erregungen zur\u00fcckgeht, und das Zusammentreffen der a-Erregung mit der b- Erregung im Hinblick auf dessen psychologische Bedeutung ins Auge fafst. Auch dieses Zusammentreffen wird man wohl ohne allzu grofse Willk\u00fcrlich-keit als eine Art Mischung dieser Erregungen betrachten d\u00fcrfen, die dann physiologische oder etwa auch psychpohysische Farbenmischung heifsen k\u00f6nnte, obwohl zun\u00e4chst auch hier das psychische Ergebnis dieser Mischung, die Beschaffenheit der m- Empfindung, im Mittelpunkte des Interesses steht. Weil es aber um so vieles n\u00e4her liegt, die Empfindung statt mit dem ihr n\u00e4chstverbundenen physischen Vorg\u00e4nge mit dem Reize in Beziehung zu setzen, dessen nat\u00fcrliches Erkenntnismittel sie ist, so pflegt man auch die Gesetze physiologischer Farbenmischung, wo immer es angeht, als Relationen zwischen den Empfindungen","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz. 77\nund den die sich mischenden Erregungen ausl\u00f6senden Reizen zu formulieren, und F\u00e4lle, wo dies wegen mangels normal zugeordneter Reize nicht mehr angeht, gar nicht mehr als eigentliche Mischungsf\u00e4lle anzuerkennen. Formuliert man etwa, was sich der konsequenten Durchf\u00fchrbarkeit wegen sehr empfiehlt, die Farbenkontrast- resp. Lichtinduktionsgesetze so, dafs man sagt, man habe die Empfindung, als ob an der betreffenden Stelle des Sehfeldes oder der Netzhaut die Kontrast- oder Induktionsfarbe zugemischt w\u00e4re, so sp\u00fcrt jedermann sofort den fiktiven Charakter dieser Aufstellung, obwohl vom Standpunkte der Erregung eine Fiktion m\u00f6glicherweise gar nicht vorliegt.1\nSo ist denn das, was man unter dem Namen der Farbenmischung und der Farbenmischungsgesetze im Auge hat, nur ein Kapitel aus der Lehre von den Beziehungen zwischen Reiz und Empfindung. Die Farben, von deren Mischung man spricht, sind keine subjektiven, sondern objektive Farben: die Mischung tr\u00e4gt sich nat\u00fcrlichst im Reiche dieser objektiven Farben selbst, also zwischen den affizierenden Lichtern zu ; sie kann sich jedoch auch sozusagen blofs im Nachbarreiche der Erregungen zutragen. Aber nicht ob oder wie sich die Farben in diesem physikalischen oder physiologischen Sinne mischen, ist der Inhalt der Mischungsgesetze, sondern, wie diese objektiven Farben, nachdem sie sich physikalisch wirklich oder physiologisch in einem ziemlich beil\u00e4ufigen Sinne des Wortes gemischt haben, \u201eaussehen\u201c. In diesem Sinne und innerhalb der dadurch vorgezeichneten Grenzen ist auch in den vorstehenden Untersuchungen von der Farbenmischung und deren Gesetzen die Rede gewesen. Ich fasse die Ergebnisse dieser hintersuchungen in den nachstehenden S\u00e4tzen zusammen.\n1. Je nachdem die Reize sich wirklich selbst mischen oder nur eine Quasi - Mischung eingehen, indes etwas wie Mischung nur an den durch sie ausgel\u00f6sten Erregungen zu statuieren ist, untersteht, was die Erfahrung an Farbenmischungen dar bietet, zwei Typen, die man f\u00fcglich als den Typus der physikalischen und den der physiologischen Mischung auseinanderhalten k\u00f6nnte. Der erstere findet sich, so viel mir bekannt, nur in dem Einen Falle realisiert, dafs dieselbe Stelle der Netzhaut von mehreren\n1 Vgl. W. Wirth: \u201eDer Fechner-Helmholtz sehe Satz \u00fcber negative Nachbilder und seine Analogien.\u201c Philosophische Studien 18, S. 665 \u00a3\u00a3.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nA. Meinong.\nLichtern bestrahlt wird, was gew\u00f6hnlich oder mindestens bei leichtest zu \u00fcbersehender Sachlage darauf zur\u00fcckgeht, dafs die betreffenden Lichter von demselben sie beleuchtenden K\u00f6rper reflektiert werden. Der andere Typus fafst je nach der \u00e4ufseren Lage der Dinge wenigstens drei F\u00e4lle unter sich, vor allem den Fall intermittierenden oder wechselnden Lichtes h\u00e4utigst, doch nicht ausschliefslich repr\u00e4sentiert durch die Mischung an rotierenden Scheiben, dann die binokulare Farbenmischung, endlich die (gleich allen \u00fcbrigen F\u00e4llen mit Ausschlufs des letztgenannten im Prinzip unokulare) Mischung des r\u00e4umlich Nahen, soweit sie nicht als Irradiationsfall dem ersten Typus zuzuweisen ist. Sie ist im obigen aufser n\u00e4herem Betracht geblieben. Den beiden Typen der physikalischen und der physiologischen Farbenmischung steht ein Typus psycholgischer Farbenmischung nicht zur Seite.\n2.\tDagegen sind es jederzeit psychische Daten, gegenst\u00e4ndlich resp. inhaltlich mehr oder weniger bestimmte Empfindungen, die in den Gesetzen der Farbenmischung verbunden auftreten. Diese Gesetze sind daher jederzeit als S\u00e4tze \u00fcber Relationen zwischen den Punkten eines richtig konstruierten psychologischen Farbenk\u00f6rpers auszusprechen.\n3.\tIm allgemeinen liegt die Mischfarbe allemal zwischen den Komponentenfarben. Doch gilt dies mit voller Strenge nur von dem einen Falle des zweiten Typus (von der binokularen Farbenmischung), vom anderen Hauptfalle dieses Typus (der Mischung an rotierenden Scheiben) nur unter Voraussetzung einigermafsen \u00e4ufserlichen Betrachtungsweise, indes beim ersten Typus die Mischung stets hellere Farben zum Ergebnis hat. Ausreichend \u00e4ufserlich betrachtet entsprechen also den beiden Mischungstypen auch zweierlei Mischungsgesetze.\n4.\tDie Distanz der Mischfarbe von ihren Komponenten bestimmt sich, abgesehen von dem sub 3 f\u00fcr den Typus physikalischer Mischung ber\u00fchrten Vorbehalte, nach der relativen Quantit\u00e4t der Reize im Sinne der bekannten Schwerpunktskonstruktion, aber unter dem Namen der Quantit\u00e4t kommt in den verschiedenen Mischungsf\u00e4llen Verschiedenes in Betracht. Bei physikalischer Mischung, desgleichen bei physiologischer, wenn sie binokular ist, tritt die Lichtst\u00e4rke in den Vordergrund ; bei Succession der zu mischenden Lichter deren Bestrahlungszeit. Im einzelnen finden noch weiter gehende Differentiationen","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischung sg esetz.\n79\nstatt: dies h\u00e4ngt aufser mit den Umst\u00e4nden, unter denen die Mischungen sich vollziehen, noch mit dem besonderen Sinne zusammen, in dem Mischungsbehauptungen in verschiedenen F\u00e4llen aufgestellt werden, sofern diese zur Bestimmung der Farben bald aufserpsychische bald psychische Momente in Anspruch nehmen und auch im letzteren Falle die Farben bald in ihrer ganzen Bestimmtheit, bald nur dem Farbentone und etwa noch der S\u00e4ttigung nach ins Auge fassen.\n5. Trotz derartiger Verschiedenheiten gibt es streng genommen nur Ein Mischungsgesetz f\u00fcr die Farben. Dasselbe steht zwar nicht auf gleicher Erkenntnisstufe mit S\u00e4tzen der Mathematik, l\u00e4fst aber neben einem zweifellos vorliegenden empirischen Momente einen starken Zug zu apriorischer Ein-sichtigkeit nicht verkennen. Das Quantum, von dem es handelt, ist, n\u00e4her besehen, urspr\u00fcnglich \u00fcberall das Produkt aus Lichtst\u00e4rke und Bestrahlungszeit. Der Unterschied zwischen physikalischer und physiologischer Mischung in Betreff der jedesmal resultierenden Helligkeit ist aber so aufzufassen, dafs das Gesetz nur bei physiologischer Mischung und auch da wahrscheinlich nur im einen Hauptfalle derselben, bei der binokularen Farbenmischung sich in voller Reinheit pr\u00e4sentiert. Bei physikalischer Mischung wird diese durch den Umstand getr\u00fcbt, dafs hier hinsichtlich der Intensit\u00e4t, d. h. Amplitude der zusammentreffenden Lichter gar keine eigentliche Mischung mehr vorliegt, da aus solchem Zusammentreffen sozusagen ein neuer Reiz, genauer ein Reiz mit neuer Amplitude hervorgeht, auf die dann psychisch durch eine Empfindung von gesteigerter Helligkeit reagiert wird. Wer vorzieht, die gesteigerte Amplitude mit der vermehrten Masse des Gemisches etwa zweier Fl\u00fcssigkeiten in Parallele zu stellen, der m\u00fcfste eben deshalb, weil das Ganze stets gr\u00f6fser ist als seine Teile, die Reizintensit\u00e4t und deren psychisches Korrelat, die Helligkeit, f\u00fcr diese Mischungsf\u00e4lle aufserhalb des Gesetzes stellen, was f\u00fcr die Auffassung des letzteren nat\u00fcrlich auf dasselbe hinauskommt. Tritt Helligkeitssteigerung auch bei physiologischer Mischung auf, was f\u00fcr die rotierenden Scheiben bei genauerer Betrachtung der Vorg\u00e4nge an denselben sehr wahrscheinlich wird, so ist statt Superposition der Reize eine Art Superposition der Erregungen zu vermuten.\nMan ersieht hieraus, dafs eigentlich nicht, wie man zun\u00e4chst zu glauben geneigt ist, die physikalischen Farbenmischungen","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nA. Meinong.\ndie reinsten und durchsichtigsten Mischungsf\u00e4lle ausmachen, sondern die physiologischen Mischungen, bei denen die Verteilung der Reize auf die beiden Augen oder (bei ausreichend \u00e4ufserlicher Betrachtung) die Verteilung auf verschiedene Zeitstrecken offenbar viel weniger st\u00f6rt, als das Zusammentreffen der Reize bei gleichzeitiger Bestrahlung. F\u00fcr die rotierenden Scheiben insbesondere ergibt sich daraus noch die .Konsequenz, dafs man den dabei verwendeten Pigmenten sozusagen Unrecht tut, wenn man deren geringe Leistungsf\u00e4higkeit im Vergleiche mit Spektralfarben unter anderem daran zu erkennen glaubt, dafs man auf dem Farbenkreisel nie Weifs, sondern h\u00f6chstens Grau erh\u00e4lt. Selbst wenn man im st\u00e4nde w\u00e4re, die leuchtendsten Spektralfarben auf eine Farbenscheibe aufzutragen, die Rotation\nw\u00fcrde im Vergleich mit der Mischung derselben Farben durch \u2022 \u2022\nUbereinanderlegen der Spektra doch nichts anderes als ein Grau zum Ergebnis haben k\u00f6nnen, weil die f\u00fcr das Weifs erforderliche Helligkeitssteigerung diesmal ausbleiben m\u00fcfste.\n(Eingegangen Ostern 1903.)","page":80}],"identifier":"lit32905","issued":"1903","language":"de","pages":"1-80","startpages":"1","title":"Bemerkungen \u00fcber den Farbenk\u00f6rper und das Mischungsgesetz","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:34:45.434938+00:00"}