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{"created":"2022-01-31T16:58:55.780719+00:00","id":"lit32906","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Rosenbach, O.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 81-90","fulltext":[{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"81\nDas Ticktack der Uhr\nin akustischer und sprachphysiologischer Beziehung.\nVon\n0. Rosenbach in Berlin.\nEs ist eine alte Erfahrung, dafs auch diejenigen, die gew\u00f6hnt sind, sich um das Wie und Warum auffallender Erscheinungen zu k\u00fcmmern, doch die allt\u00e4glichen Vorkommnisse nicht beachten, teils weil man nur das Seltenere f\u00fcr interessant h\u00e4lt, teils weil man sich den altgewohnten Erscheinungen gegen\u00fcber gew\u00f6hnlich mit irgend einer oberfl\u00e4chlichen Erkl\u00e4rung, die vielleicht schon aus der Kindheit stammt, begn\u00fcgt. So ist es nicht merkw\u00fcrdig, dafs mir, als ich mich im Verlaufe von Untersuchungen \u00fcber die Herzt\u00f6ne mit der Entstehung des uns allen von Kindheit an vertrauten Ticktack der Uhr besch\u00e4ftigte, weder Gelehrte noch Ungelehrte, weder Fachm\u00e4nner noch Laien, dar\u00fcber Auskunft gehen konnten, warum denn eigentlich bei den anscheinend gleichen Verh\u00e4ltnissen des Pendelschlages \u2014 der Anker greift ja mit gleichem Arme einmal links, einmal rechts in die gleichartigen Z\u00e4hne des Rades ein \u2014 doch ein so verschiedener akustischer Eindruck sich ergibt. Einige hielten die Frage \u00fcberhaupt keines besonderen Interesses wert, andere, die mit dem Mechanismus der Uhr Bescheid wufsten, hatten sich mit den akustischen Differenzen nie besch\u00e4ftigt oder hielten die Erscheinungen f\u00fcr zuf\u00e4llig oder subjektiv; aber auch die mit dem akustischen Vorgang Vertrauten nahmen an, dafs es sich nur um kleine Abweichungen in der Beschaffenheit des Echappements oder unwesentliche Differenzen des Gleichgewichtes, der Uhrlage etc. handle, und dafs es demnach ein Zufall sei, ob eine Uhr das Tick resp. Tack bei einer Pendelschwingung nach links oder nach rechts h\u00f6ren l\u00e4fst. Da ich nun nach eingehender\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 33.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\n0. B.osenbach.\nUntersuchung eine befriedigende Erkl\u00e4rung gefunden habe, die stets anf\u00e4nglich mit einiger \u00dcberraschung oder Widerspruch auf genommen wird, so halte ich es nicht f\u00fcr ganz unlohnend, dieser, bei aller Einfachheit recht interessanten und, was das wichtigste ist, experimentell zu pr\u00fcfenden Erscheinung, welche wichtige Fragen der Sinnesphysiologie und -Psychologie ber\u00fchrt, eine kleine Besprechung zu widmen.\nEs sind durch die Untersuchung folgende Fragen zu beantworten: 1. Ist jedes der beiden Schallmomente an eine bestimmte Richtung des Pendelganges gekn\u00fcpft? 2. Worauf beruht dieser Zusammenhang? 3. Wie l\u00e4fst sich der Beweis f\u00fcr diese Abh\u00e4ngigkeit f\u00fchren? Daran kn\u00fcpft sich 4. f\u00fcr den Psychologen resp. Sprachphysiologen die Frage, aus welchen tieferen Gr\u00fcnden der Pendelschlag mit Ticktack und nicht mit Tacktick bezeichnet wird.\nI. Zur Beobachtung eignet sich, bis man mit den Vorkommnissen vertraut ist, am besten eine Uhr des gew\u00f6hnlichen Typus mit langsam schwingendem sichtbarem Pendel, also etwa ein grofser Regulator, und man versuche zuerst bei geschlossenen Augen sich den Rhythmus des Pendelschlages, d. h. die Beschaffenheit der beiden Schallmomente bez\u00fcglich der Dauer, H\u00f6he, Accentuierung genau einzupr\u00e4gen ; dann erst verfolge man die Pendelbewegung mit den Augen. Man wird so feststellen, dafs das Tick mit dem h\u00f6chsten Punkte der rechtsgehenden Pendelschwingung, das Tack mit der linksgehenden zusammenf\u00e4llt.\nHat man sich den Rhythmus so gut eingepr\u00e4gt, dafs man \u2014 ev. unter Kontrolle durch einen anderen Beobachter \u2014 mit geschlossenen Augen durch Handbewegung die Schwingungsrichtung genau angeben kann, so beobachte man andere Uhren mit schnellerem Pendelgange und etwas verschiedenem Klange, und man wird finden, dafs bei allen Pendeluhren des gew\u00f6hnlichen Typus ein bestimmter Ton, wie ich der K\u00fcrze halber sagen will, stets derselben Schwingungsrichtung entspricht ; nur ist nat\u00fcrlich, aus Gr\u00fcnden, die hier nicht er\u00f6rtert zu werden brauchen, das Intervall und das Schallmoment selbst verschieden. Bei kleinen Uhren 1 (kleinem Pendel oder\n1 Bei Taschenuhren kann man nur mit Hilfe eines kleinen Kunstgriffes die T\u00f6ne auf die Richtung der Bewegung des Steigrades beziehen. Ha man n\u00e4mlich das Ticken einer solchen Uhr nur dann deutlich unterscheiden kann, wenn man es in m\u00f6glichst geringer Entfernung mit einem Ohre aufnimmt, so mufs man das Uhrwerk vermittels eines Spiegels beobachten, um die Richtung des Ankers beim Eingreifen zu bestimmen.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Das Ticktack der Uhr in akustischer u. sprachphysiologischer Beziehung. 83\nSchwungrad) ist der Vorgang aufserordentlich kurz, und demgem\u00e4fs ist der Schallcharakter, namentlich die Differenz der Tonh\u00f6he, die Accentuation etc. weniger deutlich.\nDie Tonform resp. Dauer des akustischen Ph\u00e4nomens h\u00e4ngt nat\u00fcrlich von verschiedenen Umst\u00e4nden, dem Material, der Pesonanz, der Schnelligkeit der Bewegung, der Gr\u00f6fse der Teile etc. etc. ab, und das Schallmoment variiert demnach in allen Eigenschaften, wie ja auch die Herzt\u00f6ne um eine grofse oder kleine Terz und bisweilen noch weniger differieren und bei den einzelnen Individuen in verschiedener H\u00f6henlage sich bewegen. Es geh\u00f6rt aber nur einige \u00dcbung dazu, um bei jeder Pendeluhr mit geschlossenen Augen die Pendelrichtung so sicher anzugeben, wie man aus dem akustischen Eindr\u00fccke der Herzt\u00f6ne die Phase der Herzbewegung bestimmt.\nII. Die Konstruktion der gebr\u00e4uchlichen Pendeluhren ergibt nur eine M\u00f6glichkeit f\u00fcr die Entstehung des differenten akustischen Eindruckes: Da n\u00e4mlich die Form der beiden in die Zahnl\u00fccken eingreifenden Arme des Ankers und die Gr\u00f6fse und Form der Z\u00e4hne des Steigrades die gleiche1 ist, so kann der Unterschied nicht in der Beschaffenheit des schallerzeugenden Materials liegen, sondern mufs, so unwahrscheinlich eine solche Annahme auf den ersten Blick erscheint, von einem Wechsel der Form der Schallerregung, also von einem Unterschiede in der Kraft oder Form des Zusammenwirkens abh\u00e4ngen. Diese ist in der Tat grundverschieden. Dadurch n\u00e4mlich, dafs der Anker sich \u00fcber dem vertikalen Durchmesser des Steigrades befindet, und ein Arm eine Zahnl\u00fccke des obersten rechten, der andere die des linken Quadranten trifft, werden die Bedingungen f\u00fcr die Schallerregung ungleichartig ; denn je nach der Dichtung der Raddrehung wird im einen F alle der aufsteigende, im anderen der absteigende Teil des Rades mit dem betreffenden Arm des Ankers Zusammentreffen. D. h. : Wenn der absteigende Arm des Ankers auf den auf steigenden Teil des Rades trifft, so wirken zwei entgegengesetzt gerichtete Kr\u00e4fte (direkt) gegeneinander; im anderen Falle, wo der absteigende Arm auf das absteigende Rad trifft, treffen zwei gleich gerichtete Kr\u00e4fte unter sehr spitzem Winkel zur Schallerregung zusammen. Es m\u00fcssen also zwei verschiedene akustische Resultate entstehen, etwa wie wenn der Hammer auf einen feststehenden Ambofs trifft, resp. wenn er ihn nur streifend ber\u00fchrt oder auf einen\n1 Allerdings sind die Enden der Ankerarme ans konstruktiven Gr\u00fcnden in verschiedener Richtung abgeschr\u00e4gt.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\n0. Rosenbach.\nAmbofs f\u00e4llt, der wegen seiner elastischen Unterlage etwas nachgibt.\nDa nun beim gew\u00f6hnlichen Typus der Pendeluhr die Raddrehung in der Richtung des Uhrzeigers erfolgt, so ist f\u00fcr den vor der Uhr stehenden Beobachter jener Fall \u2014 direktes Gegeneinanderwirken \u2014 bei dem Eingriff5 des Ankers in den linken, dieser Fall (gleitendes Zusammentreffen) bei der Einwirkung auf den rechten Quadranten des Rades gegeben. Nach einfachen akustischen Erw\u00e4gungen mufs unter den ersterw\u00e4hnten Verh\u00e4ltnissen der Ton heller und sch\u00e4rfer akzentuiert (klingend), im zweiten dumpfer, l\u00e4nger ausgezogen sein. Da der Anker sich umgekehrt bewegt wie das Pendel, so vernehmen wir bei der Rechtsschwingung des Pendels (d. h. beim Eingreifen des Ankers in den aufsteigenden Teil des Rades) das Tick, bei der Bewegung des Pendels nach links (Wirkung des Ankers auf das absteigende Zahnrad) das Tack.\nEine besondere Aufmerksamkeit verdient die Tonh\u00f6he, die bei sehr deutlichen Schallmomenten grofser Uhren ann\u00e4hernd eine Quart betr\u00e4gt, um die das Tick tiefer ist als das Tack. Ich habe nun mehrfach auch von Personen mit gutem musikalischem Geh\u00f6r die Annahme vertreten h\u00f6ren, dafs das Verh\u00e4ltnis umgekehrt sei, und der Grund liegt wohl darin, dafs h\u00e4ufig doch nach der Klangfarbe oder Dauer des akustischen Eindrucks geurteilt wird. Man h\u00e4lt den helleren (oder accentuierteren) Ton f\u00fcr den h\u00f6heren. Warum unter den vorher auseinandergesetzten Entstehungsverh\u00e4ltnissen der tonartigen Momente bei entgegengesetzter Bewegung der tonerzeugenden Faktoren ein tieferer Ton resultiert, m\u00f6chte ich hier nicht eingehend er\u00f6rtern; ich will nur erw\u00e4hnen, dafs wohl bei der Entstehung des Tick ein gr\u00f6fserer Teil des Zahnes schwingt als bei der des Tack. Die gr\u00f6fsere Helligkeit, Sch\u00e4rfe und K\u00fcrze des ersterw\u00e4hnten Schallmomentes (Klanges) ist wohl auf die intensivere Bewegung, gleichsam den Zusammenprall resp. die (relativ k\u00fcrzere) Dauer der erregenden Impulse zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nDer akustische Charakter des Ticktack ist \u00e4hnlich dem der Herzt\u00f6ne ; denn auch am Herzen ist ein Ton weniger markiert und tiefer, als der andere, scharf accentuierte; ein wesentlicher Unterschied wird aber durch die ganz verschiedenen Intervalle bewirkt. Bei der Uhr kann man den Rhythmus willk\u00fcrlich mit dem Tick oder Tack beginnen, weil die Pendelschl\u00e4ge die Phase der doppelten Schwingung in zwei ganz gleiche Intervalle zerlegen, w\u00e4hrend am Herzen durch die Verschiedenheit der Pause ein bequemes Merkzeichen f\u00fcr den wirklichen Beginn der Phase gegeben wird. Man bezeichnet bekanntlich den Ton, der nach der l\u00e4ngeren Pause folgt, als den ersten, den sich nach kurzem Intervall anschliefsenden als zweiten. Man kann \u00fcbrigens eine solche Differenz auch bei der Uhr erzielen, wenn man sie etwas aus der Gleichgewichtslage bringt, wodurch","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Das Ticktack der Uhr in akustischer u. sprachphysiologischer Beziehung. 85\nauch der akustische Charakter der T\u00f6ne wesentlich und in sehr interessanter Weise ver\u00e4ndert wird. Es entstehen dann Doppelt\u00f6ne und gespaltene T\u00f6ne, deren Beobachtung, beil\u00e4ufig erw\u00e4hnt, eine gute Vorschule f\u00fcr die Auskultation und Bestimmung der Herzt\u00f6ne bildet.\nIII. Bafs das Ticktack nur von der Richtung der Raddrehung abh\u00e4ngig ist, l\u00e4fst sich in verschiedener Weise demonstrieren. Es liegen zwei M\u00f6glichkeiten f\u00fcr Versuchsbedingungen vor, n\u00e4mlich Ver\u00e4nderung der Richtung der Raddrehung oder andere Stellung des Ankers. In beiden F\u00e4llen m\u00fcssen die Erscheinungen aus den vorher er\u00f6rterten Gr\u00fcnden von den oben beschriebenen verschieden sein, und zwar mufs bei umgekehrter Raddrehung (entgegengesetzt dem Zeiger der Uhr) das Tick bei linksgehendem Pendel, d.h. wenn der Anker in das auf steigende Zahnrad eingreift, auftreten, das Tack in der umgekehrten Phase. Bei seitlicher Stellung des Ankers dagegen, der dann gleichsam auf dem horizontalen Durchmesser des Rades reitet, m\u00fcssen, ganz gleich, ob er rechts oder links befestigt ist, beide Schallmomente absolut gleich sein, da beide Arme nur in absteigende oder in auf steigende Z\u00e4hne eingreif en k\u00f6nnen.\nDie erste M\u00f6glichkeit ist u. a. in den sogenannten Jahresuhren mit kreisf\u00f6rmig schwingender horizontaler Platte realisiert ; denn hier ist die Drehung des Rades umgekehrt der des Uhrzeigers, und man kann bei einiger \u00dcbung in solchen Pr\u00fcfungen, trotz des relativ langen Intervalls zwischen den zwei T\u00f6nen, deutlich nach weisen, dafs nun dem Eingreifen des Ankers auf der linken Seite (des vor der Uhr stehenden Beobachters) resp. der Schwingung der Pendelplatte im Sinne des Uhrzeigers das Tack und der umgekehrten Bewegung das Tick entspricht.1\nDas Gleiche kann man an einer gew\u00f6hnlichen Gewichtsuhr durch Umschaltung des Gewichtes und eine kleine Sperrvorrichtung erreichen, durch welche die Umdrehung der R\u00e4der in umgekehrter Richtung bewirkt wird, wobei allerdings der Pendel \u00f6fter angestofsen werden mufs, weil ihm die* beschleunigende Bewegung wegen der ung\u00fcnstigen Richtung der Fl\u00e4che der Ankerarme nicht f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit erteilt werden kann.\nDie zweite M\u00f6glichkeit fand ich an einer Uhr verwirklicht, die meiner Auffassung zu widersprechen schien, weil sie zwei ganz gleichartige Schallmomente produzierte. Als ich das Schlagwerk freilegte, um die Ursache herauszufinden, zeigte sich\n1 Man k\u00f6nnte allerdings hier die Verschiedenheit der Schallmomente auch daraus ableiten, dafs der Anker abwechselnd auf verschieden gestaltete Fl\u00e4chen des Zahnes auftrifft.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\n0. Rosenbach.\nder Anker seitlich angebracht, was ich bisher noch nicht gesehen hatte. Gerade dieses Verhalten hat, wie ich glaube, die theoretische Annahme aufs beste best\u00e4tigt.\nIV. Da das Tack das l\u00e4nger dauernde Schallmoment ist, da die Periode einer Doppelschwingung durch die akustischen Vorg\u00e4nge in zwei ganz gleiche Phasen geteilt wird, so dafs man bei einiger \u00dcbung beliebig das Tack oder das Tick zum ersten Schallmomente machen kann, so ist die Frage nicht unberechtigt, warum man von dem Ticktack und nicht von dem Tacktick der Uhr spricht. Die onomatopoetischen Bezeichnungen und die absonderlichen oder auf den ersten Blick nicht verst\u00e4ndlichen Kombinationen von \u00fcblichen und nicht \u00fcblichen Lautkomplexen sind, wie wir glauben, nicht Produkte der Willk\u00fcr, sondern entweder getreue Nachahmungen \u00e4ufserer Vorg\u00e4nge oder bewufst und unbewufst, zweckgem\u00e4fs geschaffene Bildungen. Sie haben, wie die eingehende Betrachtung lehrt, immer eine bedeutungsvolle physiologische oder psychologische Grundlage. Wir k\u00f6nnen also auch hier keinen Zufall annehmen, sondern halten es f\u00fcr sicher, dafs f\u00fcr den naiven Standpunkt und darum besonders empf\u00e4nglichen Sinn derjenigen, die das Lautbild der Pendelschl\u00e4ge zuerst sprachlich nachzuahmen versuchten, ein gewichtiger Anlafs f\u00fcr die Stellung der Silben Vorgelegen hat.\nJedenfalls ist die Tatsache auffallend, dafs in dieser Beziehung eine merkw\u00fcrdige Analogie zwischen den verschiedenartigsten Wortbildungen besteht, durch die eine auffallende akustische resp. optische Verschiedenheit oder eine Vereinigung begrifflich heterogener Bestandteile (s. u.) ausgedr\u00fcckt werden soll. Man vergleiche : Piffpaff, Bimbam, Klippklapp, Klickklack, Singsang, Schnickschnack, Mischmasch, Klingklang, Pitzratz, Pitschpatsch (das den klatschenden Doppellaut des Schlagens auf resonanzf\u00e4hige Substrate wiedergibt), blitzblank, Firlefanz etc. Ja selbst das Wort Tingeltangel mufs hier angef\u00fchrt werden.\nEs kann also kein Zweifel sein, dafs aus physiologischen oder psychologischen Gr\u00fcnden der hellere, sch\u00e4rfer akzentuierte Bestandteil eines aus ungleichen Bestandteilen gemischten Lautkomplexes als Orientierungs- resp. Ausgangspunkt f\u00fcr die onomatopoetische Reproduktion oder f\u00fcr die lautliche Kombination besonderer Qualit\u00e4ten der Sinneserregung vorgezogen wird. Der Umstand, dafs im Deutschen der Wortakzent (Hauptakzent) auf der Stammsilbe liegt, kann hier nicht die Erkl\u00e4rung","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"jDas Ticktack der Uhr in akustischer u. sprachphysiologischer Beziehung. 37\nabgeben, da bei den uns besch\u00e4ftigenden akustischen Bildungen eine eigentliche Stammsilbe nicht vorhanden ist, oder gerade der zweite Bestandteil das Grundelement ist, aus dem der erste durch Ableitung (Umlaut) gewonnen wird.\nDa beim Ticktack der Uhr das Tick der tiefere Ton ist (s. S. 84), so k\u00f6nnte es befremden, dafs er im gesprochenen \u201eTicktack\u201c der h\u00f6here ist; aber man darf nicht vergessen, dafs das hellere Lautmoment, wahrschein\" lieh wegen der dominierenden Obert\u00f6ne, vom naiven Geh\u00f6r eben als das h\u00f6here angenommen wird und so zur dominierenden Stelle gelangt (s. o.). Die Dauer des Schallph\u00e4nomens scheint weniger bedeutungsvoll.\nAuch im Englischen und Franz\u00f6sischen scheint das Verh\u00e4ltnis das gleiche zu sein, wobei bemerkt werden mag, dafs entsprechend der besonders exakten Accentuierung im Franz\u00f6sischen doch t\u00ef\u00e7-t\u00e2c (tic-t\u00f6c) betont wird. (Vgl. auch pif-paf, clic-clac, bric-\u00e0-brac u. a.) Ebenso scheint im Englischen in solchen Wortgebilden die i-Silbe an den Anfang gestellt zu werden und zwar entweder ans onomatopoetischen Gr\u00fcnden, wenn nur eine lautliche Ann\u00e4herung (Alliteration) beabsichtigt ist, oder wenn Begriffe, deren Lautkomplexe dieselben oder bis auf den Vokal gleiche sind, absichtlich zusammengesetzt werden, um begriffliche Gegens\u00e4tze auch besonders effektvoll lautlich zum Ausdruck zu bringen. Man vergleiche: Tick-tack, tip-tap-toe (das Klippklapp der M\u00fchle), trick-track (das bekannte Brettspiel), tip-top, das ja als Modewort auch bei uns Eingang gefunden hat, tip[tit] for tap[tat] (Wurst wider Wurst), tit-bit (Leckerbissen); ferner tiptoe und pickpocket, zugleich Beispiele f\u00fcr die gegen\u00fcber der deutschen Sprache umgekehrte Wortfolge (Zehenspitze resp. Taschendieb), W\u00f6rter, die man also der Analogie folgend mit toetip resp. pocket - pickfer] \u00fcbersetzen w\u00fcrde. (Vgl. auch Dick, Tom, Harry, entsprechend unserem Hinz und Kunz.)\nWir k\u00f6nnen, so interessant es w\u00e4re, hier nicht auf sprach-physiologische und -psychologische Einzelheiten eingehen; aber aus allen Beispielen geht doch hervor, dafs die i enthaltende iSilbe, die zur Verst\u00e4rkung oder Ver\u00e4nderung eines Begriffes dient, auch durch den Wortaccent die Bedeutung der Stammsilbe erh\u00e4lt, wenn in solchen besonderen Lautbildungen entweder blofs differente akustische Vorg\u00e4nge (durch Tonmalerei) oder begriffliche Gegens\u00e4tze resp. engere Beziehungen durch Kombination bekannter, \u00e4hnlich lautender1, oder willk\u00fcrlich (aber\n1 Sang wird durch das als selbst\u00e4ndiges Wort nicht existierende Sing, Zack[e] durch das willk\u00fcrlich gebildete Zick, Schnackfe] ebenso durch Schnick erweitert. Die Angabe von Kluge (Etymologisches W\u00f6rterbuch) \u00fcber die erste schriftlich niedergelegte Form von Zickzack, n\u00e4mlich Sigsac, widerspricht allerdings dieser Auffassung; aber es liegt doch nahe anzunehmen, dafs in diesem Falle, wie so oft, das urspr\u00fcnglich deutsche Wort","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\n0. Rosenbach.\ngew\u00f6hnlich nach Analogie) gebildeter Komplexe effektvoller zum Ausdruck gebracht werden sollen. Der i-Laut scheint also in bestimmter Verbindung einen besonderen physiologischen Reiz zu bilden resp. einen h\u00f6heren Bewufstseinswert zu haben, etwa wie die Wurzeln aller W\u00f6rter.\nWelchen Grund diese Bevorzugung hat, ist nicht so einfach zu bestimmen; aber es spricht doch manches daf\u00fcr, dafs auch hier auf dem Gebiete der Lautbildung das Gesetz des vorteilhaftesten (bequemsten) Geschehens (gr\u00f6fster Effekt bei kleinstem Kraftverbrauch) resp. die in dem Mechanismus der Organe gegebene Anlage (Automatie) wesentlich wirksam ist, ein Prinzip, das, wie ich nachzuweisen versucht habe, besonders schlagend bei gewissen optischen Vorg\u00e4ngen in Betracht kommt.* 1 In vielen F\u00e4llen wird dann wohl auch die Analogie wirksam sein; denn sie ist ja in gewissem Sinne auch ein Bequemlichkeitsprinzip. Ich m\u00f6chte also glauben, dafs diese primitiven Zus\u00e4tze resp. Wortbildungen \u2014 die teils kindlich naiv lautlich nachahmen, teils absichtlich Begriffe gleichsam epigrammatisch kombinieren, um besondere Gegens\u00e4tze oder innige Beziehungen zu veranschaulichen \u2014 nach dem Gesetze der Leichtigkeit der Funktion gebildet werden. Leichte Aussprache bei gr\u00f6fstem akustischem Effekt resp. Erregungswert f\u00fcr das Bewufstsein.\nIst ja doch, wie schon Pott nachgewiesen hat, Verdoppelung in Form, vollkommener Wiederholung unter Ver\u00e4nderung des Vokals oder Verk\u00fcrzung des betreffenden Lautkomplexes das primitivste, aber sehr wichtige Mittel der Sprachbildung, sei es, dafs es sich um Bildung neuer Begriffe, sei es, dafs es sich um den Ausdruck der Verst\u00e4rkung, H\u00e4ufigkeit etc. handelt, und schon die Alliteration ist eine einfache aber bedeutsame Form, die lautliche Verbindung ohne st\u00e4rkeren Kraftaufwand (f\u00fcr die Betonung) zur Verst\u00e4rkung des psychischen Eindruckes zu verwerten.\nEbenso wie die Verdoppelung oder die vereinfachende (reduktive) Reduplikation in erster Linie wohl nur zur Erh\u00f6hung der Aufmerksamkeit ben\u00fctzt worden ist, und so erst sekund\u00e4r zum einfachsten Mittel der Verst\u00e4rkung resp. Ver\u00e4nderung des Begriffes geworden ist, bietet die \u2014 wie man sagen k\u00f6nnte \u2014\nnur in franz\u00f6sischer Lautierung, ev. mit geringer Umformung, Wieder-auf n\u00e4hme und st\u00e4ndiges B\u00fcrgerrecht gefunden hat. (Vgl. Bivouac \u2014 Beiwacht, Boulevard = Bollwerk, chic = Schick [Geschick] etc.)\n1 0. Bosenbach: Zur Lehre von den Urteilst\u00e4uschungen. Zeitschrift f, Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 29, S\u201e 434. 1902.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Das Ticktack der Uhr in akustischer u. sprachphysiolog is cher Beziehung. 89\nkontrastierende Reduplikation mit den gegens\u00e4tzlichen Vokalen (i, a), namentlich in onomatopoetischen und epigrammatischen Bildungen etc., die einfachste Methode, durch besondere Gruppierung in der Wortkombination den verschiedenen Reizungs- resp. Bewufstseinswert der Elemente zur Geltung zu bringen und so einen st\u00e4rkeren Eindruck hervorzurufen. Der Regel nach ist der an den Anfang gestellte Komplex nicht nur am besten geeignet, als Signal1 f\u00fcr die Erregung der Aufmerksamkeit zu dienen, sondern er ist auch in unseren F\u00e4llen der bequemer zu bildende.\nWenn es nur gilt, psychologisch nach dem Bewufstseinswerte zu charakterisieren, so wird im Deutschen in epigrammatischer Zuspitzung, wo Begriffe verschiedener Qualit\u00e4t verbunden werden, gew\u00f6hnlich das Bedeutungsvollere vorangestellt. In Redensarten, die Zusammengeh\u00f6rendes, aber in gewissem Sinne doch Gegens\u00e4tzliches, verbinden, wie : von Kopf zu Fufs, Haus und Hof, Kind und Kegel, Himmel und Erde etc. steht auffallend h\u00e4ufig das Bedeutungsvolle oder h\u00f6her Bewertete voran. Umgekehrt ist das englische tip-top gebildet; d. h. in dieser engen begrifflich - lautlichen Verbindung von selbst\u00e4ndigen Begriffen, die als Reduplikation durch Kontrast bezeichnet werden k\u00f6nnten, ist (vgl. die fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen) nicht der bedeutungsvollere Begriff, sondern die i-Silbe bevorzugt. Blitzblank, Kind und Kegel, Himmel und Erde k\u00f6nnten wohl zur begrifflich gruppierten Kategorie, in der das bedeutungsvollere Wort vorangestellt wird, geh\u00f6ren; doch kann auch hier bei der Bevorzugung der i-Silbe schon die lautliche Analogie allein wirksam gewesen sein.\nIm Deutschen beruht die dominierende Stellung der i-Silbe unseres Erachtens auf sprachphysiologischen und -psychologischen Gr\u00fcnden, soweit die einfachsten Bildungen in Betracht kommen ; in erster Linie darauf, dafs die einfachere, bequem zu sprechende Lautkombination, die aber auch einen h\u00f6heren Reizwert hat, in den Vordergrund gestellt wird. F\u00fcr die physiologische Grundlage spricht, abgesehen von anderen lautphysiologischen Erw\u00e4gungen, dafs ausnahmslos alle von mir Befragten angaben, dafs es leichter sei mit der i - Silbe (z. B. Singsang) zu beginnen,\n1 Ein heller gellender Laut (Pfiff) wirkt viel st\u00e4rker als ein viel gr\u00f6fsere Anstrengung erfordernder dumpfer Laut. Es ist auch bedeutungsvoll, dafs der Charakter des Hellen, Durchdringenden, gew\u00f6hnlich schnell vor\u00fcbergehenden, in Klirren, Pfiff, schrill, Triller etc. durch den kurzen i-Laut ausgedr\u00fcckt ist. Man k\u00f6nnte sagen, dafs hier eine Art von psychophysischem Parallelismus besteht, der sich auch in anderen Wortbildungen und Verbindungen, namentlich in den kombinierten Interjektionen, erweisen l\u00e4fst.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\n0. Bosenbach.\nda sich \u2014 ohne \u00dcbung \u2014 eine gewisse Schwierigkeit in der Artikulation bei umgekehrter Reihenfolge (Sangsing etc.) geltend macht. Ebenso ergibt die Pr\u00fcfung, dafs bei rascher Wiederholung der beiden Silben der oben angef\u00fchrten Wortkombinationen, wobei nat\u00fcrlich nach jedem Komplexe eine sehr kleine Pause gemacht werden mufs, mit wenigen Ausnahmen die Schwierigkeit w\u00e4chst, wenn die i-Silbe nachfolgt. Man kann also aus der mittleren resp. Ruhestellung leichter zur i-Silbe als zur a-Silbe \u00fcbergehen; doch wmllen wir, so interessant dieses Verhalten ist, es nicht n\u00e4her er\u00f6rtern, da wir dazu auf den Mechanismus der Lautbildung n\u00e4her eingehen m\u00fcfsten.\n(Eingegangen am 5. Mai 1903.)","page":90}],"identifier":"lit32906","issued":"1903","language":"de","pages":"81-90","startpages":"81","title":"Das Ticktack der Uhr in akustischer und sprachphysiologischer Beziehung","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:58:55.780724+00:00"}