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{"created":"2022-01-31T15:34:05.142026+00:00","id":"lit32932","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guttmann, Alfred","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 333-345","fulltext":[{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"(Ans der physikalischen Abtheilung des physiologischen Universit\u00e4ts-Instituts\nzu Berlin.)\nBlickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\nVon\nDr. med. Alfred Guttmann.\nDie vorliegenden Untersuchungen sollen einen Beitrag zur Entscheidung der Frage liefern, ob die Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung der Gesichtsobjekte von der Stellung der Augen im Kopfe abh\u00e4ngig ist. Diese Frage ist neuerdings mehrfach er\u00f6rtert worden, seit die Vermutung aufgetaucht ist, dafs das bekannte, schon im Altertum vielfach diskutierte Ph\u00e4nomen der verschiedenen scheinbaren Gr\u00f6fse der Sonne, des Mondes und der Gestirne je nach ihrer Stellung nahe dem Horizont oder dem Zenith auf jenem Moment der Augenstellung oder Blickrichtung wenigstens zum Teil beruhe.\nWohl die gewandteste Vertretung fand diese Anschauung (die zuerst von Gauss 1 im Jahre 1830 in einem Briefe an Bessel ausgesprochen zu sein scheint) durch 0. Zoth 1 2, der sie durch eine Reihe von Experimenten zu begr\u00fcnden suchte. Wie bekannt, geht Zoths Ansicht dahin, dafs der am Horizont gesehene Mond deshalb gr\u00f6fser erscheine, als der am Zenith gesehene, weil jener mit geradeaus gerichteter, dieser mit mehr oder weniger stark gehobener Blickrichtung betrachtet zu werden\n1\tBriefwechsel zwischen Gauss und Bessel. 1880. S. 498.\n2\tOskar Zoth : \u00dcber den EinfLufs der Blickrichtung auf die scheinbare Gr\u00f6fse der Gestirne und die scheinbare Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Pfl\u00fcg. Archiv f. d. g es. Physiologie 78. 1899. \u2014 Oskar Zoth: Bemerkungen zu einer alten \u201eErkl\u00e4rung\u201c und zu zwei neuen Arbeiten, betreffend die scheinbare Gr\u00f6fse der Gestirne und Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Ebenda 88. 1901.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nAlfred Guttmann.\npflegt. Ist diese Anschauung zutreffend, so m\u00fcfste es m\u00f6glich sein, ihre Richtigkeit auch bei der Absch\u00e4tzung der Gr\u00f6fse terrestrischer Objekte experimentell zu erweisen. Zorn ist das nur mit einer gewissen Einschr\u00e4nkung gelungen ; zwar sagt er1 : \u201eObjekte, oder noch allgemeiner ausgedr\u00fcckt, Dimensionen, f\u00fcr deren Gr\u00f6fsen- und Entfernungssch\u00e4tzung keine Anhaltspunkte yorliegen, erscheinen bei gehobener Blickrichtung kleiner als bei horizontaler oder gerader\u201c, aber an anderer Stelle 2 3 sagt er: \u201eim allgemeinen tritt die Gr\u00f6fsent\u00e4uschung desto besser hervor, je mehr die T\u00e4uschung \u00fcber die Entfernung zur\u00fcckgedr\u00e4ngt werden kann, doch gelang es nur ausnahmsweise sich von der letzteren ganz frei zu machen\u201c \u2014 \u201ebei verh\u00e4ltnism\u00e4fsig nahen Objekten \u00fcberwiegt in der Regel die T\u00e4uschung \u00fcber die Entfernung \u2014.\u201c \u00e4\nSeine Versuchspersonen schwanken also in der Art der Deutung ihrer Wahrnehmungen, sie wechseln zwischen der Auffassung, dafs die mit erhobener Blickrichtung gesehenen Objekte kleiner seien, oder dafs sie ferner seien; in dem Mafse, wie die eine Auffassungsm\u00f6glichkeit im Bewufstsein hervortritt, wird die andere zur\u00fcckgedr\u00e4ngt, kurzum, die scheinbar einfache Aufgabe, zwei Objekte in Bezug auf ihre Gr\u00f6fse zu vergleichen, l\u00f6st einen komplizierten psychologischen Vorgang aus, der der beabsichtigten, einfachen physiologischen Erkl\u00e4rung, die Zoth f\u00fcr die in Rede stehende T\u00e4uschung annimmt, hemmend im Weg steht.\nDen Grund daf\u00fcr bildet die Versuchsanordnung, dafs Entfernung und Gr\u00f6fse der Objekte unbekannt sind. Es steht im Belieben der Versuchsperson, das gesehene Objekt in jede Entfernung zu projizieren, ohne dafs der Experimentator kontrollieren kann, wieviel von der etwaigen T\u00e4uschung auf Kosten jedes der beiden Elemente kommt (Gr\u00f6fsent\u00e4uschung \u2014 Entfernungst\u00e4uschung) , aus denen sich die schliefsliche T\u00e4uschung zusammensetzt. Damit ist auch schon gesagt, dafs mit dieser Methode, die nur Sch\u00e4tzungen ungenauer Art erlaubt, sich keine systematischen, zahlenm\u00e4fsig ausdr\u00fcckbaren Resultate erlangen lassen.\n1\t1. c. 78, S. 376.\n2\t1. c. S. 386.\n3\t1. c. S. 387.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Blickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\n335\nAuf Veranlassung des Herrn Professor Nagel, dem ich auch an dieser Stelle meinen Dank daf\u00fcr, wie f\u00fcr das Interesse, das er an der vorliegenden Arbeit nahm, ausspreche, unternahm ich es im S./'S. 1902, zu versuchen, ob unter geeignet gew\u00e4hlten Bedingungen sich nicht auch messende Versuche anstellen liefsen, die eine Entscheidung \u00fcber die G\u00fcltigkeit der von Zoth vertretenen Anschauung gestatteten. Es gelang dies in der Tat, wie im folgenden beschrieben, vollkommen, ohne dafs sich die Entfernungst\u00e4uschung st\u00f6rend einschob. Das Endergebnis der Versuche fiel, wie hier gleich vorgreifend erw\u00e4hnt werden m\u00f6ge, durchaus im Sinne Zoths aus.\nIch w\u00e4hlte zuerst, dem Beispiel fr\u00fcherer Experimentatoren folgend, die Distanzen von Linienpaaren. Von vornherein verzichtete ich auf gr\u00f6fsere Entfernungen derselben vom Auge, und brachte sie im Gegenteil in deutlicher Sehweite an, damit man gewissermafsen \u201eauf den ersten Blick\u201c sich \u00fcberzeugen konnte, dafs beide Objekte gleich weit vom Auge entfernt waren. Daf\u00fcr erschien das Perimeter aufserordentlich geeignet, dessen Halbkreis das betrachtende Auge umgibt und so geradezu zwingend jede etwaige Entfernungst\u00e4uschung ausschliefst.\nAls Grad der Blickhebung w\u00e4hlte ich 40 \u00b0. Diese Bewegung ist f\u00fcr mein emmetropes Auge wenn auch nicht mehr ganz bequem, so doch ohne gr\u00f6fsere Anstrengung m\u00f6glich. Ich habe davon abgesehen, bei meinen Versuchen die oberen Objekte noch h\u00f6her zu befestigen. Denn bei jeder nur etwas st\u00e4rkeren Hebung des Blickes folgt unwillk\u00fcrlich der Kopf nach und ein Teil der Blickhebung wird durch Kopfhebung ersetzt. Nur so ist es ja \u00fcberhaupt zu erkl\u00e4ren, wenn die Versuchspersonen anderer Autoren Objekte fixierten, die 90\u00b0 \u00fcber ihrer geraden Blickrichtung lagen. Dadurch wird nat\u00fcrlich jede Angabe \u00fcber die Gr\u00f6fse der Blickhebung unm\u00f6glich. Eine Fixierung des bei 90\u00b0 gesehenen Objektes kann sich ebensowohl aus einer Kopfhebung von 700 -J- Blickhebung von 200 zusammensetzen, wie z. B. aus einer Kopfhebung von 400 -{- 500 Blickhebung ! [Ich will \u00fcbrigens hier erw\u00e4hnen, dafs die M\u00f6glichkeit der Blickhebung individuell aufserordentlich verschieden ist : z. B. konnte Helmholtz 1 ungef\u00e4hr 450 aufw\u00e4rts sehen, Aubert nur 30 \u00b0, Hering sogar nur\n1 Helmholtz: Physiol. Optik. 2. AufL S. 615.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nAlfred Guttmann.\n20 \u00b0.1 Der Grad der Blickhebung mufs also je nach dem individuellen Maximum der Versuchspersonen vom Experimentator gew\u00e4hlt werden.]\nIch kann \u2014 monokular \u2014 bei 400 noch foveal sicher beobachten 2, binokular f\u00e4llt mir eine derartige Blickhebung bedeutend schwerer. Diese Untersuchungen \u2014 ich benutze zuerst keine andere Versuchsperson \u2014 machte ich monokular, das rechte Auge war durch eine Binde verh\u00e4ngt. Damit sind also die Hauptbedingungen gegeben, die Zoth f\u00fcr das Zustandekommen der Mikropsie bei gehobenem Blick f\u00fcr essentiell h\u00e4lt : die Entfernung ist konstant und bekannt, die Akkommodation ist die gleiche, eine zahlen-m\u00e4fsige Gr\u00f6fsenvergleichung ist m\u00f6glich, wenn man zwei Objekte von gleicher Farbe und Helligkeit in variabler Gr\u00f6fse unter dem verschiedenen Gesichtswinkel anbringt, zwischen denen die Versuchsperson eine Gr\u00f6fsengleichung herzustellen hat. Ver\u00e4ndert wird damit der mit der Blickhebung verbundene Konvergenzimpuls.\nZun\u00e4chst mufste also eine gleichm\u00e4fsig gef\u00e4rbte und beleuchtete Fl\u00e4che hergestellt werden, auf der sich scharf markiert zwei Punkte oder besser Linien in verschiedenen Entfernungen voneinander fixieren lassen mufsten. Ich konstruierte daf\u00fcr aus weifsem Pappkarton einen 20 cm langen und 10 cm hohen, degenscheidenartigen K\u00e4hmen, dessen Vorderfl\u00e4che in ihrer ganzen L\u00e4nge von einem 2 cm hohen Spalt durchbrochen war. In diesem Hohlrahmen liefen 2 weifse Pappstreifen, deren einander zugewendete, vertikale, scharfrandige Kanten mit chinesischer Tusche geschw\u00e4rzt waren. Jeder Streifen liefs sich nach jeder beliebigen Stelle des Rahmens verschieben. So konnte ich die geschw\u00e4rzten Enden der Streifen (die also als 2 cm hohe, senkrechte, feine, schwarze Linien auf weifsem Hintergr\u00fcnde sichtbar waren), in verschiedenen Entfernungen voneinander beliebig einstellen.\nIch verwendete zwei derartige \u201eSchieber\u201c ; in dem einen, dem \u201eVergleichsschieber\u201c, wurde die gew\u00e4hlte Distanz der Linien vor dem Versuch fest eingestellt, im andern, dem \u201eEinstellungsschieber\u201c, mufste die Versuchsperson eine ihr als gleich erscheinende Entfernung der schwarzen Linien einstellen. Beide Schieber wurden im\n1\tCit. nach Botjedon: La perception visuelle de l\u2019espace. Paris 1902. Schleicher fr\u00e8res. S. 59.\n2\tWie ich mit der Nachbildmethode (Heeing) festgestellt habe.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Blickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\t337\nl\nPerimeterbogen durch seitlich angebrachte Klammern horizontal fixiert, der inneren Fl\u00e4che des Perimeters eng anliegend, der eine bei 0\u00b0, der andere oberhalb bei 40\u00b0. Im oberen, der als \u201eVergleichsschieber\u201c gedacht war, waren die schwarzen Linien in einer Distanz von z. B. 3 cm eingestellt, der untere sollte als \u201eEinstellungsschieber\u201c dienen. Wenn man die f\u00fcr alle perimetrischen Untersuchungen \u00fcbliche Stellung eingenommen hatte, wobei das rechte Auge mit einer schwarzen Binde verh\u00e4ngt war, sah man also die fest eingestellte Distanz bei v\u00f6llig unbewegten Kopf nur, indem man den Blick um 40 0 aufw\u00e4rts wendete, den unteren Einstellungsschieber dagegen in horizontaler Blickrichtung. Eine T\u00e4uschung in Bezug auf die Entfernung der beiden zu vergleichenden Distanzen vom Auge war von vornherein, durch den halbkreisf\u00f6rmigen Bogen des Perimeters, in den die beiden Schieber eingepafst waren, ausgeschlossen. Wenn also \u00fcberhaupt eine T\u00e4uschung zu st\u00e4nde kam, so konnte sie sich nur auf die Distanz der Schieberenden voneinander beziehen. Die Aufgabe bestand darin, durch Hin- und Herschieben der Pappstreifen im Einstellungsschieber eine Distanz herzustellen, die der im oberen Vergleichsschieber gegebenen Distanz gleich war. Ich mufste also unter fortw\u00e4hrender abwechselnder Kontrolle mittels des aufw\u00e4rts gerichteten Blicks und bei gerader Blickrichtung, ohne den Kopf zu bewegen, die bei gehobenem Blick gesch\u00e4tzte Entfernung der zwei Linien dann bei gerader Blickrichtung gewisser-mafsen formulieren. Die am unteren Schieber eingestellte Distanz wurde dann durch einen Zirkel in ein Heft \u00fcbertragen (ohne dafs ich ihre zahlenm\u00e4fsige L\u00e4nge feststellte) und der Zirkel nach jeder \u00dcbertragung wieder geschlossen; auch war die Eintragung in das Heft so eingerichtet, dafs sie keinerlei Anhaltspunkte bot, zu beurteilen, wieweit sich die einzelnen Einstellungen \u00e4hnelten oder voneinander unterschieden, noch \u00fcberhaupt einen Mafsstab f\u00fcr die Richtigkeit oder Falschheit der Sch\u00e4tzungen gab. Auf diese Weise wurde jede Beeinflussung der folgenden Einstellung vermieden. Am Einstellungsschieber ging ich abwechselnd von zu grofsen und zu kleinen Distanzen aus. F\u00fcr jede einzelne Entfernung, die beurteilt werden sollte, wurden ungef\u00e4hr 20 Versuche gemacht. Eine gr\u00f6fsere Zahl von Versuchen hintereinander anzustellen, erwies sich als unzweckm\u00e4fsig, weil diese Versuche recht anstrengend und erm\u00fcdend waren, sodafs aus Gr\u00fcnden der Zuverl\u00e4ssigkeit und Genauigkeit der\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 32.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nAlfred Guttmann.\n9\nEinstellung gelegentlich sogar schon vor der Beendigung der vorgesehenen 20 Einstellungen aufgeh\u00f6rt werden mufste. Das war besonders in den ersten Versuchs - Tagen der Fall, als ich auch die umgekehrte Anordnung versuchte : in Augenh\u00f6he den Vergleichsschieber fest einzustellen und die Einstellung im oberen Schieber bei um 400 erhobenem Blick vorzunehmen. Dies war aber so anstrengend, dafs ich es sp\u00e4ter ganz aufgab.\nEs wurden die Entfernungen von 3, 4, 5, 6, 7 und 10 cm durchgepr\u00fcft und die Resultate, wie erw\u00e4hnt, als Distanzen, noch nicht gemessen, eingetragen. Erst nachdem ich ein Material von 125 Versuchen hatte, mafs ich nun diese Distanzen. Es zeigte sich zun\u00e4chst, dafs die Einstellungen unter sich wenig differierten, am meisten bei den Versuchen, die ich oben als nur anfangs ausgef\u00fchrt erw\u00e4hnte, in denen der Vergleichsschieber in Augenh\u00f6he, der Einstellungsschieber bei 40 0 oberhalb stand. Als Probe gebe ich einige Einzelprotokolle hier wieder.\nFest eingestellt ist die Entfernung von 3 cm bei 40 0 oben. Resultate der Einstellungen:\n2,9\t3,0\t3,0\t2,9\t2,9\n3,2\t2,95\t2,95\t2,95\t2,8\n3,2\t3,0\t2,8\t2,75\t3,0\n3,05\t2,75\t2,75\t2,95\t3,0\nIn Summa 20 Einstellungen = 58,8.\t\t\t, Also\tim Mittel 2,94.\nFest eingestellt ist die Entfernung Resultate der Einstellungen:\t\t\tvon 6\tcm bei 400 oben,\n5,9\t5,7\t5,8\t5,9\t6,05\n6,05\t6,0\t5,65\t5,8\t6,0\n5,9\t5,8\t5,8\t6,0\t5,9\nIn Summa 15 Einstellungen = 88,25. Also im Mittel = 5,88.\nAus allen Einzeltabellen wurde dann der Durchschnitt f\u00fcr die einzelnen Entfernungen berechnet. Es ergab sich, dafs durchweg die Distanzen, die bei Blickhebung beurteilt wurden, zu klein gesch\u00e4tzt worden waren.\nStatt 3 cm ergab sich als Durchschnitt aller Einstellungen 2,909 4\t3 992\n5\u00ce\t55\t5 5\t55\t5 5\t5 5\t5 5\t5 5\n4,78\n6 ,,\t,,\t,,\t\u201e\t,,\t,,\t,,\t5,883\n6,75 9,12.\n\u201e\t5 \u201e\n55\t*\t55\n\u201e 10\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Blickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\n339\nDie Sch\u00e4tzung betr\u00e4gt also, wenn ich die gegebene Gr\u00f6fse = 100 setze,\nbei\t3\tcm\t=\t96,96\n\u201e\t4\t\u201e\t=\t99,8\n\u201e\t5\t\u201e\t=\t95,6\n\u201e\t6\t\u201e\t=\t98,05\n\u201e\t7\t\u201e\t=\t96,42\n\u201e 10\t\u201e\t=\t91,2.\nDemnach sind im Durchschnitt in allen Versuchen 100 Einheiten in 40\u00b0 H\u00f6he f\u00fcr 96,34 Einheiten gesch\u00e4tzt worden. Der Sch\u00e4tzungsfehler betr\u00e4gt also im Durchschnitt = \u2014 3,66%.\nNun wurde die Versuchanordnung umge\u00e4ndert. Es war nach den bisherigen Versuchen sehr wohl m\u00f6glich, durfte wenigstens a priori nicht ausgeschlossen werden, dafs bei einer um denselben Winkel abw\u00e4rts gesenkten Blickrichtung ebenfalls eine T\u00e4uschung \u00fcber die Distanzen der beiden Linien resultieren konnte. Darum wurde nun der Vergleichsschieber bei 40\u00b0 unterhalb im Perimeterbogen befestigt, der Einstellungsschieber blieb bei 0\u00b0. Es zeigte sich bald, dafs in diesem Teil der Versuche das Verfahren wieder angewendet werden konnte, das beim ersten Teil der Untersuchung als zu schwierig aufgegeben werden mufste. Es war ohne jede Anstrengung m\u00f6glich, einer bei 0\u00b0 eingestellten Strecke die ver\u00e4nderliche Strecke im unteren Schieber scheinbar gleich zu machen, da mit der Blick Senkung um 400 keinerlei derartig unangenehme Sensationen verbunden waren, wie mit der Blickhebung um 40\u00b0. Infolgedessen wurden hierbei jedesmal hintereinander 40 Einstellungen vorgenommen und zwar A) 20 Einstellungen bei 00 (wobei der Vergleichsschieber bei 400 unterhalb stand), und B) 20 Einstellungen bei 40\u00b0 unten (wobei der Vergleichsschieber in Augenh\u00f6he bei 0 0 stand).\nDie \u00dcbertragung geschah in derselben Weise wie oben beschrieben, sodafs die Resultate zun\u00e4chst v\u00f6llig unbekannt blieben. Das Ergebnis von 140 Einzelversuchen war folgendes. Bei allen A-Versuchen wurde im Durchschnitt eingestellt\nstatt\t3\tcm\t2,895\n\u201e\t4\t\u201e\t4,001\n\u201e\t5\t\u201e\t4,977\n\u201e 10\t\u201e\t9,99.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nAlfred G-uttmann.\n[Die Entfernungen 6 und 7 cm wurden hierbei nicht eingestellt, da sie ja nicht wesentlich verschiedene Resultate ergeben hatten und es zur Gewinnung eines guten Durchschnitts zweck-m\u00e4fsiger erschien, f\u00fcr die einzelnen Distanzen lieber mehr Zahlen zu erhalten.]\nBei allen B-Versuchen ergab sich im Mittel\nstatt\t3\tcm\t2,895\n\u201e\t4\t\u201e\t3,947\n\u201e\t5\t\u201e\t5,001\n\u201e\t10\t\u201e\t10 \u2014\nDer Durchschnitt der A-Versuche ist also, dafs die Entfernungen bei 40\u00b0 abw\u00e4rts gesenktem Blick statt 100 auf 99,54 gesch\u00e4tzt wurden, dafs bei allen B-Versuchen die Entfernungen bei gerader Blickrichtung bei gesenktem Blick statt 100 mit 98,48 eingestellt wurden.\nDie Resultate bed\u00fcrfen einiger Erl\u00e4uterungen: Wenn wir die A-Versuche allein f\u00fcr sich betrachten, so ergibt sich bei dieser Versuchsanordnung, dafs der Sch\u00e4tzungsfehler = 0,46 \u00b0/0 betr\u00e4gt (gegen 3,66 \u00b0/0 bei Blickhebung um 40 \u00b0) also schon an und f\u00fcr sich eine erhebliche Differenz, die beweisen w\u00fcrde, dafs die Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung bei Blicksenkung nur minimal beeinflufst wird. Die B -Versuche dagegen zeigen einen Sch\u00e4tzungsfehler von 1,52 \u00b0/0, aber \u2014 und das ist zu beachten \u2014 im entgegengesetzten Sinne : bei 0 0 war eine Entfernung von 100 Einheiten eingestellt, bei 40\u00b0 unterhalb ergab die Einstellung aber 98,48, d. h. also, da eine physikalisch oder physiologisch bedingte fehlerhafte Sch\u00e4tzung prinzipieller Art bei 0 0 ausgeschlossen ist, dafs die bei 40\u00b0 unterhalb eingestellten Entfernungen f\u00fcr gr\u00f6fser gehalten wurden als sie waren, dafs der Sch\u00e4tzungsfehler also nicht negativ, sondern positiv war. Dies w\u00fcrde, wenn man die untere Distanz auf 100 umrechnet, ergeben, dafs die obere Distanz = 101,54 aufgefafst wurde. Alle A- und B-Versuche sind aber hintereinander gemacht und als gleichartige Versuche von vornherein gedacht. Das Gesamtresultat ergibt sich demnach erst aus ihrem Durchschnitt, also: in allen A-Versuchen wurden f\u00fcr 100 Einheiten bei um 40 0 gesenkten Blick eingestellt 99,54, bei allen (genau ebenso vielen) B-Versuchen wurden f\u00fcr 100 Einheiten eingestellt 101,54, d. h. im Durchschnitt wurde die Einheit 100 bei einer Blicksenkung um 40\u00b0 aufgefafst als 100,54. Mit andern Worten: Die Blicksenkung um 40\u00b0 hat so gut wie","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Blickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\n341\nkeinerlei Beeinflussung der Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung zur Folge gehabt, da eine Differenz von 1/2 % in den Fehlergrenzen jeder derartigen Vergleichseinstellung liegt, jedenfalls neben einem Sch\u00e4tzungsfehler von 3 2/3 % v\u00f6llig verschwindet.\nNoch eine dritte Serie von 50 Kontrollversuchen nahm ich vor: um sicher zu gehen, dafs nicht von mir unbemerkte kleine Versuchsfehler, etwa wechselnde Beleuchtung, wechselnde Disposition, Aufmerksamkeit, Erm\u00fcdung, \u00dcbung und derartiges, \u2014 die an verschiedenen Tagen 'vorgenommenen Versuche beein-flufsten, richtete ich diese Versuche folgendermafsen ein: 2 Versuchsschieber wurden im Perimeterbogen in der bisherigen Weise angebracht, der eine bei 400 oben, der andere bei 400 unten, bei 0\u00b0, [also in Augenh\u00f6he], wurde ein dritter Schieber als Einstellungsschieber befestigt.\nNun wurde nach den einander gleichen Distanzen der schwarzen Linien in den beiden Vergleichsschiebern abwechselnd einmal durch Sch\u00e4tzung der oberen, einmal durch Sch\u00e4tzung der unteren Distanz in dem mittleren Schieber eingestellt. 40 Versuche f\u00fcr die Distanz 3 cm ergaben, dafs diese Distanz im oberen Vergleichsschieber auf 2,925 gesch\u00e4tzt wurde, im unteren auf 2,995. In 10 Versuchen mit der Distanz von 10 cm wurde oben 9,39, unten 9,81 eingestellt. Wenn auch eine so geringe Zahl von Einzelversuchen nicht als absolut beweisend angef\u00fchrt werden kann, weil der Zufall der Sch\u00e4tzungen mitspielen kann, so stimmen diese Zahlen immerhin recht gut mit dem Durchschnitt, den die anderen Versuche ergeben haben, differieren aber untereinander in der schon besprochenen Art: dafs n\u00e4mlich eine Strecke bei einer Blickhebung um 400 kleiner erscheint, als eine gleiche Strecke bei gerader oder um 400 gesenkter Blickrichtung.\nDer zweite Teil meiner Versuche galt der Fesstellung, wie die Gr\u00f6fsen kreisf\u00f6rmiger Fl\u00e4chen unter denselben Bedingungen beurteilt werden. Die Wahl gerade der kreisf\u00f6rmigen Fl\u00e4che lag nahe, weil die Objekte, deren unter verschiedenen Umst\u00e4nden verschiedene scheinbare Gr\u00f6fse den Ausgangspunkt der ganzen Untersuchungsreihe gegeben hatte, Sonne und Mond, kreisf\u00f6rmig erscheinen. Ich stellte also zwei gleichm\u00e4fsig beleuchtete, kreisrunde Fl\u00e4chen her, deren Diameter sich beliebig variieren und zahlenm\u00e4fsig ausdr\u00fccken liefsen. Dazu wurden in die kurze","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nAlfred Guttmann.\nWand eines Holzkastens zwei genau gleiche Irisblenden eingesetzt; unmittelbar dahinter wurde eine dunkelrote Glasscheibe und eine Milchglasscheibe in den Kasten eingelassen. In dieser, \u00fcber 1 m langen, kamera\u00e4hnlichen Kiste befand sich am entgegengesetzten Ende dicht an der Hinterwand die Lichtquelle, eine mit Reflektorschirm versehene Gl\u00fchlampe, genau in der Mitte der inneren H\u00f6he. Der Kasten war mit schwarzen T\u00fcchern lichtdicht verhangen; es konnte also das Licht nur durch die beiden gleichm\u00e4fsig beleuchteten Irisblenden in das Auge des Beobachters gelangen, der sich mit dem Apparat im Dunkelzimmer befand. Der Abstand der Irisblenden voneinander war so grofs gew\u00e4hlt, dafs die Distanz ihrer Mittelpunkte f\u00fcr das beobachtende Auge unter dem Gesichtswinkel von 40\u00b0 erschien. Wenn nun der Kasten samt seiner Unterlage soweit geneigt wurde, dafs die beiden Irisblenden gleich weit (25 cm) vom Auge entfernt waren und die untere in Augenh\u00f6he sich befand, so mufste der Beobachter, um die obere zu fixieren, den Blick um 40\u00b0 erheben. \u2014 Die Versuchsanordnung ist also im Prinzip die gleiche wie im ersten Teil der Untersuchung, die genaue Fixierung des Kopfes wurde hierbei durch ein Beifsbrett bewirkt. Da auch hierbei das unwissentliche Verfahren ausge\u00fcbt werden sollte, bedurfte ich eines Gehilfen, der das Einstellen der einen Blende besorgte und die Blendenweiten, die die Versuchsperson an der zweiten Blende einstellte, ablas und notierte. F\u00fcr diesen Teil der Untersuchungen stand mir die liebensw\u00fcrdige Unterst\u00fctzung des Herrn Dr. Piper, Assistenten des physiologischen Universit\u00e4tsinstitutes, dessen Augenmafs wie das meinige gut geschult ist, zur Seite. Wir wechselten in den Rollen des Beobachters und Gehilfen ab. Auch hierbei wurde monokular beobachtet. Dr. Pipers maximale Blickhebung ist nur etwas geringer als die meinige, sein rechtes Auge, mit dem er beobachte, zeigt 1 D Hyperopie. Als Ver-gleichsdiameter benutzte ich nur zwei verschiedene Gr\u00f6fsen, um durch eine m\u00f6glichst grofse Zahl von Einzeleinstellungen m\u00f6glichst genaue Durchschnittszahlen zu erhalten. F\u00fcr Dr. Piper w\u00e4hlte ich die Diameter 12 und 14 mm.\nEr stellte \u2014 im Durchschnitt \u2014 f\u00fcr 12 mm ein 11,49 mm, f\u00fcr 14 mm 13,58; f\u00fcr mich w\u00e4hlte Dr. Piper den Diameter 14 mm; ich stellte daf\u00fcr ein 13,535.\nDieser Durchschnitt ergibt sich aus 145 gut \u00fcbereinstimmenden Einzelversuchen.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Blickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\n343\nEine einzelne Versuchsreihe, die ein etwas abweichendes Resultat gab, erwies sieh dadurch als unbrauchbar, dafs infolge einer zun\u00e4chst unbemerkt gebliebenen Komplikation die beiden zu vergleichenden Fl\u00e4chen ungleich stark beleuchtet gewesen waren.\nSchliefslich ist noch eine Versuchsreihe von 25 Beobachtungen mit dem Biameter 12 mm zu erw\u00e4hnen, die binokular gemacht wurde (Dr. Piper). Subjektiv wurde das als bedeutend anstrengender empfunden. Statt 12 mm wurden im Durchschnitt 11,02 eingestellt.\nAuf 100 berechnet sind also, abgesehen von dieser letzten Versuchsreihe, eingestellt von Dr. Piper bei 12 mm 95,75%, bei 14 mm 97 % des Durchmessers, ich habe bei 14 mm 96,67 % eingestellt.\nUnsere Resultate stimmen also objektiv gut \u00fcberein, obgleich Dr. Piper subjektiv diese Blickhebung unangenehmer, anstrengender empfindet, als ich selbst.\nDer Durchschnitt ist in allen 145 Versuchen : statt 100 Einheiten 96,47. Der Fehler betr\u00e4gt also \u2014 \u2014-3,53.\nDa der Fehler der entsprechenden Streckenversuche (vergl. Seite 339) = \u2014 3,66 % war, so stimmen die Gesamtresultate beider Teile dieser Versuche v\u00f6llig \u00fcberein.\nDas Resultat meiner Versuche ist also, dafs Distanzen resp. Objekte, die unter sonst v\u00f6llig gleichen Bedingungen gesehen und als Gr\u00f6fsen beurteilt werden, bei um 40\u00b0 erhobener Blickrichtung in 25\u201436 cm Entfernung vom Auge um rund 3% bis 3% % kleiner erscheinen, als bei gerader Blickrichtung.\nErst nach Abschlufs meiner Versuche kam mir das auf S. 336 citierte \u00fcberaus reichhaltige Buch Bourdons zu Gesicht, in dem das vorliegende Problem ebenfalls behandelt wird. Ich unterlasse es, auf die Stellungnahme dieses Autors hier einzugehen, glaube auch, von einer Aufz\u00e4hlung und W\u00fcrdigung der einschl\u00e4gigen \u00e4lteren Arbeiten (so besonders von Stroobant und Filehne) umsomehr. absehen zu d\u00fcrfen, als die Literatur in ersch\u00f6pfender Weise in den beiden Arbeiten von Zoth und neuerdings wieder durch Rexmann behandelt ist. Ich beschr\u00e4nke mich daher auf den vorliegenden Bericht \u00fcber meine Versuche","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nAlfred Guttmann.\nund m\u00f6chte nur noch mit einigen Worten auf Reimanns neueste Publikation eingehen, die einige Monate nach Abschlufs meiner Versuche in dieser Zeitschrift erschien.1 Soweit sie ein Abdruck seines \u00e4lteren Artikels ist, der als Programmabhandlung des k\u00f6niglichen Gymnasiums zu Hirschberg 1901 erschienen war, hat sie Zoth kritisiert. Von neueren Versuchen berichtet Reimann jedoch eine Anzahl, deren Bedingungen meinen Liniendistanzversuchen sehr \u00e4hnlich sind, deren Resultate aber im direkten Gegensatz zu den meinigen zu stehen scheinen. Reimann hat, \u2014 allerdings in etwas gr\u00f6fserer Entfernung vom Auge2 \u2014 Linienpaare, deren Distanzen variabel waren, als gleich einstellen lassen; das eine Linienpaar befand sich in Augenh\u00f6he geradeaus vor dem Beobachter, das andere \u00fcber ihm bei 90\u00b0. F\u00fcnf Versuchsreihen zu je 10 Einstellungen, die unter diesen Bedingungen stattfanden, ergaben als Resultat, wenn Reimann die z\u00e9nithale Gr\u00f6fse = 100 setzt, dafs statt 100 eingestellt wurde: 103,8. Wenn ich dies Verh\u00e4ltnis umrechne, indem ich die mit gerader Blickrichtung gesehene Gr\u00f6fse = 100 setze (wie in meinen Versuchen), so ergibt sich, dafs diese Gr\u00f6fse in den betr. Versuchen von Reimann als 96,63 im Durchschnitt eingestellt wurde. Der Sch\u00e4tzungsfehler betr\u00e4gt also etwa 31/s % !\nLeider findet sich diese Berechnung nicht bei Reimann 3, sondern er berechnet seinen Durchschnitt aus seinen s\u00e4mtlichen Versuchsreihen, die aber z. T. auf vollkommen verschiedenen Versuchsbedingungen beruhen. So ist bei einer grofsen Anzahl seiner Versuche das eine Linienpaar in weitere, ja fast doppelte Entfernung vom Auge gebracht wie das andere. Und da Rei-mann nichts \u00fcber die Entfernungst\u00e4uschung sagt, scheint es mir nicht erlaubt, ohne weiteres so verschiedenartige Versuche (bez\u00fcglich deren Deutung ich auf meine Einw\u00e4nde in der Einleitung, sowie auf Zoths Arbeiten hinweise) promiscue zur Berechnung des Durchschnitts zu benutzen.\n1\tE. Reimann: Die scheinbare Yergr\u00f6fserung der Sonne und des Mondes am Horizont. Diese Zeitsehr. 30.\n2\tReimann gibt diese Entfernungen der Distanzen vom Auge nicht in Zahlen an, so dafs also der Leser die scheinbare Gr\u00f6fse der Distanzen nur sch\u00e4tzungsweise bestimmen kann. Jedenfalls sind diese Winkelgr\u00f6fsen, aufserordentlich klein, kleiner als bei meinen entsprechenden Versuchen.\n3\tDiese Resultate sind aus Reimanns Protokollen auf S. 166\u2014167 der oben citierten Arbeit entnommen; es sind alle A-Versuche der ersten 3 Versuchstage.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Blickrichtung und Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung.\n345\nEin weiteres Argument scheint mir die geringe Zahl der REiMANNschen Versuche zu sein. Wenn die einzelnen Versuchsreihen von je 10 Einstellungen bei derselben scheinbaren Gr\u00f6fse der Distanzen Unterschiede bis 5,8 \u00b0/0 aufweisen, wo es sich in unserer Frage \u00fcberhaupt nur um Differenzen von etwa 3\u20144% handelt, so sind das eben keine Endresultate, aus denen man stringente Schl\u00fcsse ziehen kann, sondern nur Dokumente f\u00fcr die Ungenauigkeit der Methodik, die nur durch eine gr\u00f6fsere Zahl von Einzeleinstellungen verbessert werden kann. Reimanns Deutung dieser Versuche ist v\u00f6llig hypothetisch. Derartige Versuche sind eben nicht eindeutig: es handelt sich (wie auf S. 334 angedeutet) um das gleichzeitige Wirken zweier Momente 1. der Gr\u00f6fsent\u00e4uschung, 2. der Entfernungst\u00e4uschung, die \u2014 vollkommen unkontrollierbar \u2014 einander entweder das Gleichgewicht halten k\u00f6nnen (wie Reiman n annimmt), oder sich addieren oder sich subtrahieren k\u00f6nnen. Je nach dem Pr\u00e4valieren eines dieser beiden Momente mufs die endg\u00fcltige T\u00e4uschung verschieden ausfallen, in dem Sinne, dafs z. B. eine starke Entfernungst\u00e4uschung die daneben bestehende Gr\u00f6fsent\u00e4uschung verringern, paralysieren, ja in ihr Gegenteil verkehren kann \u2014 oder umgekehrt.\nUnd so mufs jede derartige Auslegung Hypothese bleiben, solange die Versuche nicht eindeutig angeordnet sind, dafs sie nur den Einflufs der Blickrichtung entweder auf die Entfernungssch\u00e4tzung oder aber auf die Gr\u00f6fsensch\u00e4tzung zeigen.\n(.Eingegangen am 12. Juni 1903.)","page":345}],"identifier":"lit32932","issued":"1903","language":"de","pages":"333-345","startpages":"333","title":"Blickrichtung und Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:34:05.142032+00:00"}