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{"created":"2022-01-31T16:24:32.680453+00:00","id":"lit32966","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultz, Paul","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 129-130","fulltext":[{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"129\nLiteraturbericht.\nW. Schuppe. Der Zusammenhang von Leib und Seele, das Grundproblem der Psychologie. Heft 13 der Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1902. 67 S.\nIn dem ersten Kapitel behandelt der Verf. den gegenw\u00e4rtigen Stand der Frage und die Kausalit\u00e4t: Geht man, was dem naiven Standpunkt am n\u00e4chsten liegt, von dem kartesianischen Dualismus aus, dafs Leib und Seele zwei gesonderte Substanzen sind, res extensa und res cogitans, so spitzt sich die Frage nach dem Verh\u00e4ltnis zwischen beiden dahin zu, ob Wechselwirkung oder Parallelismus besteht. Eine Entscheidung hier\u00fcber ist nur m\u00f6glich durch Er\u00f6rterung des Kausalit\u00e4tsbegriffes, wobei sich Verf. mit Rehmke und Petzoldt auseinandersetzt. Mit dem letzteren stimmt er in der Verwerfung der gew\u00f6hnlichen Auffassung des Begriffes der Kausalit\u00e4t und der Notwendigkeit \u00fcberein, er widerspricht aber Petzoldt darin, dafs dieser sich mit der beobachteten Regelm\u00e4fsigkeit der Sukzession bestimmter Vorg\u00e4nge begn\u00fcgt. Demgegen\u00fcber sieht Verf. die Kausalit\u00e4t als Spezialfall der Notwendigkeit, als notwendige Sukzession, an, die Notwendigkeit aber identifiziert er mit dem Sein. Rehmke ist Anh\u00e4nger der Theorie der Wechselwirkung. Petzoldt schliefst aus der Tatsache der beobachteten regelm\u00e4fsigen Sukzession und der Behauptung, dafs mangels eindeutiger Bestimmtheit Psychisches nicht aus Psychischem und nat\u00fcrlich auch nicht aus Physischem erkl\u00e4rt werden k\u00f6nne, auf, einen Parallelismus. Beide L\u00f6sungsversuche beruhen nach dem Verf. auf dem Grundfehler des Cartesianismus, Leib und Seele als zwei getrennte Substanzen zu betrachten. Dieser falsche Dualismus wird nur \u00fcberwunden durch eine richtige Bestimmung des Begriffes Bewufstsein (Seele, Ich). Das Mifsverst\u00e4ndliche, was in diesem Begriffe immer gedacht wird, liegt darin, dafs man ein reines urspr\u00fcngliches Ich, als besonderes Ding, als immaterielles Substrat f\u00fcr sich annimmt, dem man die durch die Aufsendinge bewirkten Bewufstseinsinhalte als Eigenschaften oder als Produkte anheftet. In Wirklichkeit aber findet sich das Bewufstsein ein St\u00fcck Raum erf\u00fcllend und gestaltet diese Raumerf\u00fcllung in bestimmter Weise: unmittelbar wird es sich der Teile derselben, ihres Zusammenhanges und ihrer Lage bewufst. Mit dieser Definition ist der L\u00f6sungsversuch angebahnt, dem das zweite Kapitel gewidmet ist. Wie es m\u00f6glich ist, dafs das Ich ein St\u00fcck Raum erf\u00fcllend sich findet, kann nicht gefragt werden, man k\u00f6nne ebensogut fragen, wie ist eine Welt, Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 33.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nLiteraturberichtt\nwie ist Sein m\u00f6glich. Mit der obigen Definition ist nun aber auch der alte Gegensatz zwischen Materie und Seele \u00fcberwunden und zugleich der Materialismus im Prinzip beseitigt. Das Bewufstsein, das, was als Empfindungsinhalt den Raum erf\u00fcllt, teilt sich in zwei Gebiete, den eigenen Leib und die Aufsenwelt. Der erstere, die eigene kompakte Ausgedehntheit oder die eigene Raumerf\u00fcllung wird als prim\u00e4rer Bewusstseinsinhalt bezeichnet, weil er von allen speziellen Empfindungsinhalten schon vorausgesetzt wird. Er ist aber niemals allein und ausschlieSslich Bewusstseinsinhalt, sondern die ganze umgebende sicht- und tastbare Welt geh\u00f6rt dazu. Diese ist deswegen nicht blofse subjektive Sinnesempfindung, sondern sie gewinnt \u201eden Charakter des Objektiven, indem ihr Ort nicht die immateriell genannte Seele ist, sondern der Raum, welcher der eine und selbe Bewusstseinsinhalt der vielen Ich ist\u201c. \u00c4therschwingungen, molekularer Nervenvorgang des N. opticus und Lichtempfindung sind wissenschaftliche Abstraktionen. In Wirklichkeit ist nur eins vorhanden: Modifikation meines ausgedehnten Ichs. Das gleiche gilt von der beobachteten Abh\u00e4ngigkeit des Vorstellungslebens von dem Gehirn bezw. bestimmten Teilen desselben. \u201eBin ich mein Leib mit allen seinen Organen, bin ich das sehende Auge, so bin ich auch das Gehirn mit denjenigen Vorg\u00e4ngen, von welchen der Eintritt einer Vorstellung abh\u00e4ngen soll.\u201c So ist das Geheimnis des Zusammenhanges von Leib und Seele zur\u00fcckgef\u00fchrt auf die Ur-tatsache, dafs das Ich sich als r\u00e4umlich Ausgedehntes bezw. als einen Leib finden und wissen k\u00f6nne, ohne welche Tatsache kein Ich existiert.\nDies der wesentliche Inhalt der durch die verschlungene Darstellung und durch die polemischen Exkurse nicht leicht verst\u00e4ndlichen Schrift. Was auch dieser neue L\u00f6sungsversuch vermissen l\u00e4fst, ist zuv\u00f6rderst die Bestimmung, worin wissenschaftliches Begreifen besteht, und in welcher Richtung demnach \u00fcberhaupt eine L\u00f6sung des vorliegenden Problems zu suchen ist. Dazu war n\u00f6tig die Bereinigung des Substanzbegriffes und des Raumbegriffes, von deren richtiger Aufstellung doch in letzter Linie die gesuchte Antwort abh\u00e4ngt. Ebensowenig kann die Er\u00f6rterung des Kausalbegriffs befriedigen mit der mystischen Gleichsetzung Notwendigkeit = Sein. Doch erledigen sich vielleicht diese Ausstellungen durch das Studium der anderen, dem Ref. unbekannten Werke des Verf., auf die auch mehrfach verwiesen wird.\tPaul Schultz (Berlin).\nE. D\u00fcrr. \u00dcber das Ansteigen der Netzhauterregungen. Philos. Stud. 18 (2), 215\u2014273. 1902.\nDer Verf. stellte sich mit der vorliegenden Arbeit die Aufgabe, die Versuche, welche ihrerzeit Exner und Kunkel \u00fcber den gleichen Gegenstand ausf\u00fchrten, nachzupr\u00fcfen und zu erg\u00e4nzen, wobei er sich besonders von dem Gedanken leiten liefs, den Grund f\u00fcr die Widerspr\u00fcche, welche sich in den Ergebnissen der genannten Forscher finden, zu suchen und diese auszugleichen. Die sorgf\u00e4ltige Bearbeitung dieser schwierigen Frage verpflichtet umsomehr zu Dank, als das Problem seit jener Zeit nicht wieder bearbeitet wurde und somit eben infolge der erw\u00e4hnten Differenz zwischen den Angaben Exners und Kunkels ein ungel\u00f6stes blieb. \u2014 Aufser","page":130}],"identifier":"lit32966","issued":"1903","language":"de","pages":"129-130","startpages":"129","title":"W. Schuppe: Der Zusammenhang von Leib und Seele, das Grundproblem der Psychologie. Heft 13 der Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1902. 67 S.","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:32.680459+00:00"}