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H. Taine: De la volonté: Fragments inédits. Rev. philos. 50 (11), 441-480. 1900

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{"created":"2022-01-31T14:18:31.622799+00:00","id":"lit32984","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 28: 293-295","fulltext":[{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n293\nDaf\u00fcr aber sucht er Anschlufs an eine Gesellschaft Gleichgesinnter. Der Fanatiker findet den Frieden in einem socialen Medium, wo dieselben Suggestionen in fortgesetzter Wiederholung ihn aufrecht erhalten, d. h. in einer gr\u00f6fseren oder kleineren Gesellschaft, die absolut gleichf\u00f6rmig und best\u00e4ndig ist. Nach der Ansicht der Fanatiker erf\u00fcllt die Religion ihre psycho-sociale Pflicht auf dreifache Art, indem sie erstens die Glaubenss\u00e4tze, zweitens die Handlungen und die F\u00fchrung, drittens die Gef\u00fchle und Dispositionen der Mitglieder der Gemeinschaft uniformirt. Das Streben nach Gleichf\u00f6rmigkeit offenbart sich in dem Kampfe gegen die H\u00e4resieen. Der Fanatiker f\u00fchrt selbst gegen die am allerwenigsten gef\u00e4hrlichen Meinungen Krieg und zwar nur deshalb, weil sie innerhalb seines Milieus Unterschiede herbeif\u00fchren. Er glaubt dabei als Werkzeug Gottes zu handeln. In summa wird die religi\u00f6se Idee bei ihm zu einer socialen Kraft, weil der Fanatiker das Bed\u00fcrfnifs sp\u00fcrt, dem Medium angepafst zu bleiben, das seiner Ansicht nach von einer h\u00f6heren Macht besch\u00fctzt wird, und in dessen Mitte er Ruhe und Frieden findet.\nEine der h\u00e4ufigsten Beobachtungen ist, dafs \u00fcberall, wo der Einflufs der Religion verschwindet oder sich abschw\u00e4cht, Zerfall eintritt. Umgekehrt \u00fcbt die religi\u00f6se Idee einen Druck aus auf die Glaubenss\u00e4tze, Acte und Gef\u00fchle. Die Religionen beg\u00fcnstigen die mittelm\u00e4fsigen Menschen d. h. diejenigen, welche als Nachahmer Anderer die Urtheile und Gef\u00fchle seines Milieus absorbiren und auf diese Weise einen Repr\u00e4sentanten derselben darstellen. Der Fanatismus entwickelt sich bisweilen bei relativ gesunden und normalen Menschen, bei schwachen Geistern tritt er mit um so gr\u00f6fserer Heftigkeit auf. Der Fanatiker zerst\u00f6rt Alles, was aufserhalb seines kirchlichen Ichs bleibt.\tGiessleb (Erfurt).\nH. Taine. De la volont\u00e9: Fragments in\u00e9dits. Rev. philos. 50 (11), 441\u2014480. 1900.\nDer Genufs einer rein psychologischen Arbeit d. h. rein psychologischer Analysen wird Einem in der Jetztzeit, wo die Psychologie auf m\u00f6glichst viele angrenzende Gebiete sich zu verbreiten strebt, seltener geboten. Um so freudiger begr\u00fcfsen wir die Ver\u00f6ffentlichung der vorliegenden psychologischen Fragmente aus dem Nachlasse des ber\u00fchmten Gelehrten, wenn auch ihr Inhalt nicht so bedeutend ist wie der anderer Arbeiten Taine\u2019s.\nEs sind eine Reihe von Einzeluntersuchungen. Die bez\u00fcglichen Themata des ersten Theiles fafst T. unter der Ueberschrift Conflit des tendances zusammen: 1. Vergleich von Empfindungen mit Empfindungen. Man kann Denkempfindungen (sensations cognitives) von impulsiven Empfindungen unterscheiden. An letztere ist alles Impulsive, vor allem Vergn\u00fcgen und Schmerz gebunden. Das eigentliche Wesen des organischen Individuums ist im System der impulsiven Nerven concentrirt. Die Denknerven sind nicht die Repr\u00e4sentanten des Organismus, sondern sie geh\u00f6ren zu der Function, durch welche \u00e4ufsere Objecte zu Bildern werden. Die impulsiven Nerven dagegen repr\u00e4sentiren den Organismus in seinen Beziehungen zum Bewufstsein. 2. Empfindungen verglichen mit Bildern und bstracten Ideeen. Die russischen Soldaten legten sich in den Schnee","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nLiteraturberich t.\nschlafen, obwohl sie wufsten, dafs der Schlaf t\u00f6dtlich war. Also eine gegenw\u00e4rtige heftige Empfindung verjagt alle Gegengedanken. Als Mittel dagegen empfiehlt T. Verst\u00e4rkung der Gegenbilder durch Gew\u00f6hnung daran, oder Vervollst\u00e4ndigung dieser Bilder bis in die Details. 3. Bilder verglichen unter einander und mit abstracten Ideeen. Der Unterschied der die Einbildungen begleitenden Emotionen ist proportional der Deutlichkeit dieser Einbildungen. Ein abstractes Wort wie Tod, Qual u. s. w. schliefst nicht die Reihe der Einzelheiten in sich wie ein wirklicher Tod, eine wirkliche Qual. In dem Falle, wo der Geist bereits besch\u00e4ftigt ist, macht ein abstractes Wort noch weniger Eindruck. Gegenmittel daf\u00fcr sind Verst\u00e4rkung der Kraft bezw. Affinit\u00e4t der abstracten Worte, welche wirken sollen, sowie Heranziehen von Gedanken, welche auf das Gegentheil sich beziehen, z. B. Um die Wirkung des Wortes \u201eEhre\u201c zu verst\u00e4rken, Gedanken an feiges Benehmen. 4. Vergleichen einer reinen abstracten Idee mit solchen, welche in Metaphern umgewandelt sind. Letztere sind m\u00e4chtiger, weil sie bilderreicher sind. Die Dichter k\u00f6nnen mit ihren Metaphern hallucinatorische Ph\u00e4nomene erzeugen, welche die Leidenschaften m\u00e4chtig anregen. 5. Kennt-nifsnahme eines gegenw\u00e4rtigen Objects oder Factums, verglichen mit einer Erinnerung oder Voraussehung. Die zum Tode Verurtheilten bitten um Aufschub der Execution, weil der unmittelbar bevorstehende Tod ihnen schrecklicher vorkommt als die morgen erfolgende Hinrichtung. Also die Idee einer gegenw\u00e4rtigen Thatsache ruft eine gr\u00f6fsere Erregung hervor als die Idee derselben Thatsache in der Zukunft vorgestellt. Die zeitliche Entfernung einer gedachten Thatsache schw\u00e4cht den Eindruck des Vergn\u00fcgens oder Schmerzes. Ein Ereignifs als zuk\u00fcnftig vorstellen heilst: Seine Existenzkraft vermindern und folglich auch die ihm zugewendete Aufmerksamkeit und daher den Eindruck, den es auf uns macht. Auch wird ein zuk\u00fcnftiges Ereignifs nicht so mit seinen Einzelheiten dargestellt wie ein gegenw\u00e4rtiges. Vergleichen wir zweitens den Eindruck einer Erinnerung mit dem einer Voraussehung, so finden wir, dafs letztere uns st\u00e4rker ber\u00fchrt als erstere. Zur Erkl\u00e4rung ist zu ber\u00fccksichtigen, dafs die Gegenwart uns nicht wie ein fester Punkt, sondern wie eine Bewegung erscheint. Unser Ich ist zuk\u00fcnftigen Ereignissen besonders zugewandt, woher die gr\u00f6fsere Gewalt dieser r\u00fchrt. Die noch -weiterhin vom Verf. besprochenen F\u00e4lle lassen sich auf die bisher erw\u00e4hnten zur\u00fcckf\u00fchren.\nDas zweite Kapitel ist \u00fcberschrieben : La tendance fix\u00e9e. Es werden folgende F\u00e4lle besprochen : 1. Eine Tendenz befestigt sich ohne Conflict. Bemerkt man z. B. pl\u00f6tzlich auf der Strafse in der N\u00e4he einen dahereilenden Wagen, so thut man einen Sprung. 2. Es besteht dabei ein Conflict. In jeder Viertelstunde haben w'ir angenehme und unangenehme Ideeen, welche sich bek\u00e4mpfen und abwechselnd die Oberhand gewinnen. 3. In den F\u00e4llen, wo eine Tendenz nach einem Conflict sich befestigt hat, das Ziel aber aufser Augen gekommen ist, bleibt die Tendenz als Reihe bestehen, und es taucht ein anderes Ziel auf, das mit jenem Ber\u00fchrungspunkte besitzt. 4. Die Tendenz kann sich nach vorausgegangenem Conflict befestigt haben und als Object eine Handlung oder einen mehr oder weniger allgemeinen Zustand haben. 5. Sind verschiedene Arten fixirter Tendenzen gegeben, so mufs man suchen, nach welchem Gesetz die Tendenz fest und","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n295\ndefinitiv wird Eine Tendenz ist eine Kraft, welche nach dem Grade des Schmerzes gemessen werden kann, den ihre Unterdr\u00fcckung verursachen w\u00fcrde. Verf. findet, dafs unsere Entschl\u00fcsse geregelt werden je nach der Differenz der Energieen unserer W\u00fcnsche. Er kommt dabei auf logische\nEr\u00f6rterungen.\nEinen Abschnitt widmet Verf. der Auseinandersetzung \u00fcber den Unterschied von W\u00fcnschen und Wollen. Unser Wollen h\u00e4ngt oft von\n\u00e4ufseren Umst\u00e4nden ab, unser W\u00fcnschen nicht.\nDie Kraft des Entschlusses kann gemessen werden an der Gr\u00f6 se der besiegten W\u00fcnsche, an der Energie der hervorgerufenen Bewegungen, an der Dauer und Beharrlichkeit bei Krankheiten, welche das Denken schw\u00e4chen. Bestimmend f\u00fcr die Kraft sind die Ursachen, welche die bez\u00fcgliche Idee aufrecht erhalten, unter ihnen als wichtigste das Selbstvertrauen.\t\u201e\nDer Einflufs einer Tendenz auf die zur Ausf\u00fchrung nothwendige Bewegung h\u00e4ngt von mehreren Bedingungen ab : 1. von ihrer eigenen Energie, 2. von der nerv\u00f6sen Irritabilit\u00e4t der Person, 3. von der Masse der Muskeln des betreffenden Menschen, 4. von der mehr oder weniger vollst\u00e4ndigen Disposition der Knochen, Sehnen u. s. w. Die Tendenz macht die entsprechende Vorstellung beharren und facht ber\u00fchrende Vorstellungen an. Ihr Einflufs in dieser Beziehung h\u00e4ngt ab: 1. von ihrer eigenen Kiaft, 2. von der Abwesenheit entgegengesetzter Tendenzen, 3. von der Gewohnheit ber\u00fchrende Vorstellungen zu erzeugen. Der Wille hat keinen direkten Einflufs auf Lust und Unlust, auf Empfindung und Wunsch, aber einen indirekten, indem er die \u00e4ufseren physischen Bedingungen der Empfindung n\u00e4hert oder entfernt, und indem er angenehme und unangenehme Vorstellungen sucht und meidet.\tGiesslek (Erfurt).\nWilliam M. Bowack. Observations on Method in Moral Science. Edinburgh,\nJames Thin, 1900.\t103 S.\t#\nDer Verf. giebt in zehn lose aneinander gereihten Kapiteln Vorschl\u00e4ge und Anregungen zur Verbesserung der Untersuchungsmethoden in der Philosophie. Nach Bowack hat die Philosophie ihren Zusammenhang mit dem Leben verloren, und in ihr herrscht die gr\u00f6fste Zerfahrenheit. Nicht einmal die wichtigsten Grundbegriffe derselben sind klar und sicher est-gelegt. Die Ursache hievon ist die, dafs jeder Denker unter dem gleic en Ausdrucke einen ganz verschiedenen Gedanken meint, dafs es den Gr\u00fcn begriffen an Genauigkeit und Bestimmtheit mangelt im Gegens\u00e4tze zu den Naturwissenschaften, die mit genau umschriebenen, feststehenden Begn en arbeiten. Baleour hat zur Abh\u00fclfe einen Congrefs der Vertreter aller Geisteswissenschaften vorgeschlagen, der die gebr\u00e4uchlichen technischen Begriffe in diesen Wissenschaften authentisch interpretiren soll (Gap. I).\nDer Verf. verspricht sich noch mehr Erfolg von der Einf\u00fchrung einer eigenen Kunstsprache, \u00e4hnlich den chemischen Formeln, fur derlei technische Begriffe, welche Formeln dann in allen streng wissenschaftlichen Abhandlungen einheitlich zur Anwendung zu kommen h\u00e4tten. Durch derlei Formeln w\u00fcrde sich nicht nur unabh\u00e4ngig von dem Wortausdrucke, we c e der betreffende Begriff in den verschiedenen Sprachen findet, eine grofsere","page":295}],"identifier":"lit32984","issued":"1902","language":"de","pages":"293-295","startpages":"293","title":"H. Taine: De la volont\u00e9: Fragments in\u00e9dits. Rev. philos. 50 (11), 441-480. 1900","type":"Journal Article","volume":"28"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:18:31.622804+00:00"}

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