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{"created":"2022-01-31T14:49:27.489741+00:00","id":"lit33019","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 233-236","fulltext":[{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n233\nResonatoren die Diagnose der Erkrankung des perzipierenden Apparates berechtige.\nBei positivem Ausfall der Stimmgabeluntersuchung sei bei den grofsen Stimmgabeln sicher eine Tastempfindung mit zu ber\u00fccksichtigen, besonders bei den mit ausgepr\u00e4gtem Tastsinn ausgestatteten Taubstummen, ein Mifs-stand, der sich bei den Pfeifen nach dem Vorschl\u00e4ge Bezolds dadurch vermeiden l\u00e4fst, dafs man die Pfeife so dreht, dafs das Mundloch nicht zum Ohre sieht. Da nun manchmal musikalische Patienten angeben, die hohen T\u00f6ne nur als Ger\u00e4usche zu h\u00f6ren, so mahne diese Beobachtung zu grofser Vorsicht gegen\u00fcber den Angaben und den daraus zu ziehenden diagnostischen Schl\u00fcssen bei Untersuchung von Taubstummen. Dazu komme noch der Mangel der Intelligenz sowie die Beobachtungsfehler, besonders bei der langen Tonreihe.\nDa nach Beobachtung des Verf.s weder die ultra- noch die inframusikalischen T\u00f6ne von Bedeutung f\u00fcr die Perzeption der Sprache seien, so h\u00e4lt er es f\u00fcr zweckm\u00e4fsig, nur musikalische T\u00f6ne zur Untersuchung zu benutzen und zwar empfiehlt er besonders die Verwendung des Harmoniums und gibt zum Schlufs eine eingehende Darstellung seiner eigenen Pr\u00fcfungsmethode mit einzelnen erl\u00e4uternden Beispielen von Labyrintherkrankungen.\nH. Beyer (Berlin).\nG. v. Marikovszky. Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Ohrlabyrinths. Pfl\u00fcgers\nArchiv 94, 449\u2014454. 1903.\nVerf. berichtet* \u00fcber das Verhalten zweier Tauben, an denen vor 3V2 Jahren die doppelseitige Labyrinthexstirpation vorgenommen war. Beim Gang, der in einer Zickzacklinie erfolgt, pendelt der Kopf 'nicht nur um die Querachse, wie bei dem normalen Tier, sondern auch um die L\u00e4ngsachse. Bei t\u00e4glich angestellten Flugversuchen stellte sich unvollkommenes Flugverm\u00f6gen wieder her; spontanes Fliegen fehlte. Das Auf picken der Nahrung war erschwert. Auf der Drehscheibe stellten sich statt des Kopfnystagmus unregelm\u00e4fsige Kopfbewegungen ein ; bei verdecktem Kopf fehlten Kopfbewegungen v\u00f6llig. W\u00e4hrend sich eine labyrinthlose Taube mit offnen Augen auf einer horizontal gehaltenen Stange bei Bewegung derselben aufrecht erhalten kann, f\u00e4llt sie bei verdecktem Kopf sofort herab. Weiter wurden an labyrinthlosen Tauben und Kaninchen Versuche \u00fcber Reflexerregbarkeit an den Extremit\u00e4ten resp. Ohren angestellt (Anwendung von Induktionsreizen). Bei beiderseitiger Zerst\u00f6rung ist die Reflexerregbarkeit herabgesetzt, bei einseitiger blofs auf der entgegengesetzten K\u00f6rperh\u00e4lfte, Blofses Plombieren der Bogeng\u00e4nge bei Tauben \u00e4ndert die Reflexerregbarkeit nicht.\tW. Trendelenburg- (Freiburg i. Br.).\nW. Weygandt. Beitrage zur Psychologie des Traumes. Philosoph. Studien 20 (2), 456-486. 1902.\nVerf. unterzieht zun\u00e4chst einen Teil der vorhandenen Traumliteratur einer Kritik. Er h\u00e4lt die Feststellung der Beziehungen zu den physiologischen Vorg\u00e4ngen des Zentralnervensystems f\u00fcr verfr\u00fcht. Er verwirft die Ansicht Serguejefes, wonach das sympathische Nervensystem als Organ","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nLitera turbericht.\ndes Schlafes anzusehen ist, ebenso die Ansicht, dafs das Wesen der Traumvorg\u00e4nge in der Wunscherf\u00fcllung liege, wie Freud, Griesinger und Radestock dies behauptet hatten. Ferner wird die Ignorierung der Tiefschlaftr\u00e4ume getadelt, und dafs Goblot behauptet, nur die w\u00e4hrend des Erwachens stattfindenden Tr\u00e4ume k\u00f6nne man behalten, und dafs auch Lahusen den Traum nur als ein Erwachungsph\u00e4nomen betrachtet. Auch \u00fcber die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse existieren noch unsichere Urteile. W. ist der Ansicht, dafs namentlich die Tr\u00e4ume vor dem normalen, spontanen Erwachen weniger zusammenh\u00e4ngender Natur sind, und dafs nur bei pl\u00f6tzlicher, intensiver St\u00f6rung die jedesmal auf den Reiz bez\u00fcglichen Vorstellungen sich ineinander verschieben. Ersteres zeigen namentlich die Wiederholungstr\u00e4ume, welche als solche von einem langsamen Gedankenfortschritt zeugen. Begreiflich erscheint W. die Zur\u00fcckhaltung der Autoren gegen\u00fcber den Tr\u00e4umen zur Zeit der tieferen Schlafperioden, weil hier die methodischen Schwierigkeiten die gr\u00f6fsten sind, und wir meist nur fl\u00fcchtige Spuren von Traumerinnerungen aus jener Periode ins wache Leben zu retten verm\u00f6gen.\nAusf\u00fchrlicher wendet sich Verf. den Tr\u00e4umen bei Eintritt des Schlafes zu. Man darf die entoptischen Erscheinungen, welche man bei geschlossenen Augen innerhalb der Sehsinnsubstanz wahrnimmt, nicht ohne weiteres mit den selteneren phantastischen Gesichtserscheinungen beim Einschlafen identifizieren, wie Johannes M\u00fcller, Maury und Ladd dies tun. Goblot h\u00e4lt die hypnagogischen Halluzinationen nur f\u00fcr Analogien zu den Tr\u00e4umen, die keineswegs in Tr\u00e4ume \u00fcbergehen. Demgegen\u00fcber betont Mourly Vold den physiologischen Charakter der hypnagogischen Halluzinationen. Weygandt teilt diese Erscheinungen in drei Gruppen: Zur ersten Gruppe geh\u00f6ren jene entoptischen und entotischen Erscheinungen, welche man auch im wachen Leben bei besonderer Aufmerksamkeitsspannung wahrnimmt. Sie beruhen auf Eigenerregungen der entsprechenden Sinnessph\u00e4ren. Auch f\u00fcr die taktile Sph\u00e4re bestehen solche. Die Angeh\u00f6rigen der zweiten Gruppe treten zur Zeit starker geistiger Erm\u00fcdung und herannahenden Schlafes ins Bewufstsein. Hier bedarf es keiner besonderen Aufmerksamkeitsspannung, sondern das Erschlaffen der apperzeptiven T\u00e4tigkeit erlaubt dies. Man k\u00f6nnte alle diese Vorg\u00e4nge als Praedormitium zusammenfassen oder als pr\u00e4somnische Sensationen. Dieselben bleiben oft aus. Es fragt sich nun, wo eigentlich die Grenze zwischen Praedormitium und eigentlichem Schlaf liegt. W. datiert den Eintritt des Schlafes psychologisch von dem Moment des Verlustes des Situationsbewufstseins.\nIm zweiten Teile der Arbeit erz\u00e4hlt Verf. eine Anzahl selbsterlebter Schlummerbilder bezw. Fr\u00fch tr\u00e4ume, welche er gelegentlich beobachtete. Es wirkten hier nur Reize von \u00fcberminimaler Intensit\u00e4t, vorherrschend aus der Tastsph\u00e4re, w\u00e4hrend entoptische und entotische Erscheinungen zur\u00fccktraten. Verf. kommt auf Grund seiner Beispiele zu dem wichtigen Resultate, dafs w\u00e4hrend des Praedormitiums die Wahrnehmungsvorstellungen st\u00e4rker sind als die Reproduktionsvorstellungen, obwohl die Reizschwelle im ganzen h\u00f6her liegt. Dies im Gegensatz zum wachen Leben und auch zu den eigentlichen Tr\u00e4umen, in denen die somatischen Sensationen gegen\u00fcber dem apperzeptiven Denken zur\u00fccktreten. Bei diesen Tr\u00e4umen werden sogar manchmal periphere Reize perzipiert, welche sich der Traumsituation nicht","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n235\neinf\u00fcgen oder wenigstens nicht in den Vordergrund des Traumbewufstseins r\u00fccken. W\u00e4hrend der Schlummertr\u00e4ume f\u00fcgen sich die auf den kontinuierlichen Reizen beruhenden, mit dem Schlafeintritt erst ins Bewufstsein tretenden Vorstellungen der bestehenden assoziativen Kette ein.\nDie mit grofser Sorgfalt gemachten Beobachtungen \u00fcber die Schlummertr\u00e4ume d\u00fcrften auch anderen Forschern wertvolles Material f\u00fcr Traumbeobachtungen bieten. Im \u00fcbrigen erlaube ich mir noch folgende Bemerkungen: Auch meiner Ansicht nach mufs gegen die hergebrachte, durch gewisse Analogien mit dem wachen Leben gest\u00fctzte Ansicht, dafs das Aneinanderreihen der Vorstellungen im Traume besonders rasch erfolge, Front gemacht werden. Kur bei einer bestehenden, namentlich rein physiologischen Erregung haben wir jenes beschleunigte Ablaufen von Vorstellungsreihen, im \u00fcbrigen erfolgt das Vorstellen sogar langsamer als im Wachen. \u2014 Die Tiefschlaftr\u00e4ume, wTelche Ref. f\u00fcr die Reproduktion des w~achen Lebens zu retten vermochte, bezogen sich immer auf etwas Affektives. \u2014 Ref. geh\u00f6rt zu denjenigen Personen, bei denen die pr\u00e4somnischen Sensationen regel-m\u00e4fsig ausbleiben. \u2014 Verf. stellt den Verlust des Situationsbewufstseins als f\u00fcr das Eintreten des Schlafes charakteristisch hin. Als Gegenst\u00fcck hierzu m\u00f6chte Ref. anf\u00fchren, dafs man umgekehrt bei langsamen Erwachen den \u00dcbergang der allgemeineren Situationen des Traumes in speziellere beobachten kann.\nVerf. bezeichnet meine Untersuchungen \u00fcber die physiologischen Beziehungen der Traumvorg\u00e4nge als verfr\u00fcht. Soll \u201everfr\u00fcht\u201c in dem Sinne verstanden werden, als ob unsere physiologischen Kenntnisse zur Zeit noch nicht so weit gediehen seien, dafs man mit ihrer Hilfe die Traumvorg\u00e4nge zu erkl\u00e4ren verm\u00f6chte, so m\u00f6chte ich demgegen\u00fcber behaupten, dafs dies doch nur teilweise stimmt. Denn erstens von einem so durchgearbeiteten Gebiete, wie die physiologische Optik es ist, kann man doch wohl nicht behaupten, dafs sie noch auf unsicheren F\u00fcfsen ruhe, jedenfalls nicht von unseren Anschauungen \u00fcber die allgemeinsten Vorg\u00e4nge der Muskelinnervationen und Akkommodation der optischen Apparate, auf welche sich ein Kapitel meiner Traumuntersuchungen bezieht. Auch die physiologischen Tatsachen, auf welche meine Bemerkungen \u00fcber den Mechanismus des Zeichnens und Schreibens sich st\u00fctzen, d\u00fcrften doch wohl als gesichert gelten. Ferner meine Er\u00f6rterungen \u00fcber die physiologischen Vorg\u00e4nge beim Lesen im Traume sind nur f\u00fcr den Traum entsprechend gestaltete Modifikationen der Hypothesen, welche der Meister der Physiologie Wundt bereits im Jahre 1893 \u00fcber die gehirnphysiologischen Vorg\u00e4nge beim Sprechen aufstellen konnte. Meinen physiologischen Erkl\u00e4rungen der Traumvorg\u00e4nge mit vorwiegend halluzinatorischem Charakter liegen ebenfalls nur W\u00fcNDTsche Anschauungen \u00fcber Energieverteilung zu Grunde. Mein Kapitel \u00fcber die Bildung von Traumillusionen endlich st\u00fctzt sich auf ein Schema, welches Ernst Beyer nach rein psychologischen Erw\u00e4gungen konstruiert hat, welches aber den anatomischen Verh\u00e4ltnissen sehr wohl entspricht. Was aber die Tr\u00e4ume betrifft, so gen\u00fcgen f\u00fcr den vorliegenden Zweck schon genauere ph\u00e4nomenologische Beobachtungen, aus deren ver\u00e4nderter Beschaffenheit im Vergleich mit \u00e4hnlichen Vorg\u00e4ngen des wachen Lebens auf die f\u00fcr das Traumleben geltenden Modifikationen","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"23.6\nLiteraturbericht.\nder f\u00fcr den wachen Zustand angenommenen physiologischen Vorg\u00e4nge geschlossen werden kann. Ref. weist daher den Vorwurf, dafs seine bez\u00fcglichen Traumuntersuchungen verfr\u00fcht seien, zur\u00fcck. Giessler (Erfurt).\nA. Forel u. H. Dufour. \u00dcber die Empfindlichkeit der Ameisen f\u00fcr Ultraviolett und R\u00f6ntgen sehe strahlen. Zoolog. Jahrb., Abt. f. Systematik etc., 17 (2), 335\u2014338. 1902.\nLubbock hat zuerst (1882) nachgewiesen, dafs die Ameisen f\u00fcr ultraviolette Strahlen empfindlich sind. Vitus Gr\u00e4ber hat dann im Biologischen Centralblatt 1883\u20141885 \u00e4hnliche Experimente mit anderen Tieren angestellt und dabei gefunden, dafs sie die ultravioletten Strahlen haupts\u00e4chlich mit der Haut perzipieren. Forel selbst zeigte 1886 (Recueil zool. suisse; auch Rivista di Science biol. 2 (9), 1900) mittels Anwendung von \u00c4skulin, welches das Ultraviolett v\u00f6llig absorbiert, und Firnissen der Augen, dafs die Ameisen das Ultraviolett, vor dem sie fliehen, mit den Augen wahrnehmen. F\u00fcr die hier vorliegende Untersuchung wurde das Spektrum benutzt. Die unter Beobachtung aller Vorsichtsmafsregeln ausgef\u00fchrten Versuche verliefen bei Lasius flavus resuitatlos, gelangen dagegen zweimal ganz gut bei Formica sanguinea mit Sklaven (F. fusca) und Puppen, so dafs nunmehr wohl an dem Sehen des Ultraviolett seitens der Ameisen nicht mehr zu zweifeln ist. Die Experimente mit R\u00f6ntgenstrahlen hatten ein durchaus negatives Ergebnis.\tSchaefer (Berlin).\nMarc Thury. Observations sur les moeurs de Phirondelle domestique (Hirundo Rustica Linn\u00e9). Archives de psychologie 2, fase. 1, (5), 1\u201419. 1902.\nWarum soll eine psychologische Zeitschrift nicht auch einmal mit der Schwalbenseele sich befassen, zumal wenn es in so liebensw\u00fcrdiger Weise geschieht, wie hier? Der greise Genfer Naturforscher begegnete eines Abends in seinem Schlafzimmer einer Schwalbe, behielt sie die Nacht, liefs sie am Morgen fliegen und traf sie am Abend wieder auf seinem Gesims, in Gesellschaft. Im n\u00e4chsten Jahre nisteten sich die Jungen ein und mit der Zeit war unser Vogelfreund gen\u00f6tigt, seinen Lieblingen drei Zimmer einzur\u00e4umen. Von den w\u00e4hrend langer Jahre angestellten Beobachtungen k\u00f6nnen hier nur die wichtigsten mitgeteilt werden.\nDie Schwalben kehren abends nach Sonnenuntergang heim und fliegen morgens zwischen 4 und 6 Uhr aus. Sie wecken den Schl\u00e4fer, der ihnen das Fenster zu \u00f6ffnen hat, mit leichtem Fl\u00fcgelschlag, begn\u00fcgen sich auch mit einer kleinen, ge\u00f6ffneten Scheibe und belehren die Jungen \u00fcber diesen Ausweg, w\u00e4hrend fremde Schwalben an die Scheiben stofsen. Vor dem Schlaf befinden sie sich in einem halbwachen Zustand, in dem sie, falls man sie scheucht, sich h\u00f6chst ungeschickt benehmen. Die Schwalbe tr\u00e4umt und singt leise im Traum. \u2014 Der Nesterbau ist bekannt. Die Brutzeit dauert etwa 3 Wochen; die Zahl der Jungen schwankt zwischen vier und f\u00fcnf. Verwandte werden zur Besichtigung der Jungen eingeladen. M\u00e4nnchen und Weibchen sorgen f\u00fcr Nahrung und bedienen der Reihe nach die ge\u00f6ffneten M\u00e4uler. Das Nest ist von peinlicher Sauberkeit. Die Jungen werden gelehrt, die Exkremente aufserhalb des Nestes an dessen Rand","page":236}],"identifier":"lit33019","issued":"1903","language":"de","pages":"233-236","startpages":"233","title":"W. Weygandt: Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Traumes. Philosoph. Studien 20 (2), 456-486. 1902","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:49:27.489747+00:00"}