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{"created":"2022-01-31T16:24:13.728747+00:00","id":"lit33022","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Dubois-Reymond, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 237-240","fulltext":[{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turberich t.\n237\nsie sich setzen und umkehren, fallen zu lassen, und die Alten tragen sie aus dem Fenster. Die Schwalbennester sind stark von Parasiten heimgesucht und werden, wenn die Reinigung unm\u00f6glich ist, verlassen und zerst\u00f6rt. Aus dem gleichen Grunde wird das Gefieder t\u00e4glich eine Stunde lang geputzt. \u2014 Die Jungen bleiben bei den Alten bis zur n\u00e4chsten Brut, die oft schnell, manchmal viel sp\u00e4ter erfolgt. \u00c4ltere Junge, fremde Schwalben etc. werden von beiden Schwalben, \u201eKebsweiber\u201c nur von der beleidigten Gattin vertrieben. Ende September beginnen die Flug\u00fcbungen \u2014 Einzelexerzieren und Bataillonsexerzieren \u2014 von den Telegraphendr\u00e4hten aus. Zu schwache und sp\u00e4t geborene Junge werden get\u00f6tet. Im April kehren sie wieder, meist das M\u00e4nnchen zuerst zur Wiederherstellung oder zum Neubau des Nestes.\nDie Schwalbe unterscheidet zwischen fremden und bekannten Personen im Zimmer, l\u00e4fst sich aber nicht fangen und wird im eigentlichen Sinne nie zutraulich.\nEine Erg\u00e4nzung dieser Beoachtungen, wom\u00f6glich unter anderen Umst\u00e4nden und in anderen Gegenden, w\u00e4re jedenfalls von Interesse. Dafs sie an den grolsen Z\u00fcgen der von Thury so sorgf\u00e4ltig angestellten und liebevoll ausf\u00fchrlich mitgeteilten Beobachtungen nichts \u00e4ndern wird, ist wohl anzunehmen.\tEd. Platzhoff - Lejeune [Tour-de-Peilz (Schweiz)].\nTscherning. Optique physiologique. Paris, G. Carr\u00e9 et C. Naud, 1898. 335 S.\nJedem, der sich mit physiologischer Optik besch\u00e4ftigt, mufs es auffallen, dais im Vergleich zu der fast un\u00fcbersehbaren beinahe allj\u00e4hrlich in wachsender Procession steigenden Anzahl von Einzelschritten und Abhandlungen (\u2014 bis jetzt mehr als 10 000 \u2014) es nur sehr wenig zusammenfassende Lehr- und Handb\u00fccher dieses Gebietes giebt. Wenn wir von einem solchen Lehr- und Handbuche mit Recht verlangen, dafs es von einem Verfasser nach einheitlichem Gesichtspunkte geschrieben ist, so besitzt die physiologische Optik nur zwei derartige Darstellungen: die erste Auflage des HELMHOLTz\u2019schen \u201eHandbuchs\u201c (1856\u20141867) und dann die \u201eGrundz\u00fcge der Physiologischen Optik\u201c welche H. Aubert (1874) f\u00fcr das Graefe - S\u00c4Miscn\u2019sche Sammelwerk geschrieben hat. Das kleine \u201eCompendium\u201c von Kaiser (1872) kommt aus mehreren Gr\u00fcnden hier nicht in Betracht, ebensowenig aber auch die (1885\u201495) erschienene 2. Auflage des HELMHOLTz\u2019schen Handbuches, die anf\u00e4nglich nichts weiter sein sollte, als ein nur in den wesentlichsten Punkten berichtigten und erg\u00e4nzten Abdruck der 1. Auflage, im Laufe ihres Erscheinens aber dieses Programm durchaus nicht festhielt. Der Grund f\u00fcr die seltsame Erscheinung, dafs in unserer doch wahrlich nicht arbeits- und schreibfaulen Zeit, ein Vierteljahrhundert ohne das Erscheinen eines gr\u00f6fsern Lehrbuches f\u00fcr ein so emsig bearbeitetes Wissenschaftsgebiet vergehen konnte, liegt ohne Zweifel in der ungemein grofsen Vielseitigkeit, die der Autor eines solchen Buches besitzen mufs. Nicht nur Anatomie und Physiologie mufs er beherrschen, nicht nur in weiten Gebieten der Mathematik und Physik bewandert sein, sondern er mufs zu gleicher Zeit und nicht zum Wenigsten auch Psychologe","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nLiteraturbericht.\nund Erkenntnifstheoretiker sein, wenn er der gesammten Darstellung einen einheitlich durchgebildeten Charakter geben will.\n..................(Hier bricht das Manuscript ab, und wir erfahren\nnicht, was der zu fr\u00fch verstorbene Verf. \u2014 unstreitig einer der besten Kenner des Fachs \u2014 Arthur K\u00f6nig noch \u00fcber Tscherning\u2019s Buch zu sagen gedachte. Mir ist die Aufgabe geworden, das Bruchst\u00fcck dieser Besprechung zu Ende zu f\u00fchren).\nDen allumfassenden Geist eines Helmholtz als Maafsstab anzulegen erscheint nicht billig; auch ist der Rahmen des ganzen Werkes ein anderer; und in dieser Einschr\u00e4nkung darf man wohl anerkennen, dafs Tscherning im Allgemeinen die geforderte Vielseitigkeit in dem vorliegenden Buche dargethan hat. Hervorgegangen aus der d\u00e4nischen, hat er in der deutschen und niederl\u00e4ndischen Schule, wie in der Pariser, der er seit L\u00e4ngerem bleibend angeh\u00f6rt, das Wissenswertheste mit richtigem Blick gesammelt. Die Gefahr, die jedem Autor unserer Zeit droht, vielfach nur eine Neupr\u00e4gung HELMHOLTz\u2019scher Gedanken zu geben, vermeidet er, indem er gern historisch auf Aveit \u00e4ltere Vorarbeiten, insbesondere auf Thomas Young, (den er neu herausgegeben hat) zur\u00fcckgreift und Forschungsmittel fr\u00fcherer Zeiten im Lichte unserer heutigen Kenntnifs wiederum verwerthet. Endlich hat er die reichen jetzt vorliegenden Erfahrungen aus der ophthal-mologischen Praxis herangezogen und in manchen Abschnitten auch durch eigene Forschung den Wissensschatz vermehrt. Die Darstellung ist, zumal f\u00fcr einen Nichtfranzosen, erstaunlich klar und gewandt, dabei reich an Ausblicken auf die \u00e4rztliche Anwendung des Lehrstoffs. Die gew\u00e4hlte Form von Vorlesungen bedingt freilich eine gewisse Knappheit.\nDas Ophthalmometer hat bekanntlich durch Javal in Frankreich fr\u00fch eine aufserordentliche Verbreitung gefunden. Dementsprechend behandelt Tscherning sehr eingehend und gleich nach der Optik der Gl\u00e4ser und des Auges auch die katoptrischen Bilder im Auge, von denen er im ganzen sechs als sichtbare ber\u00fccksichtigt. Ein neues, n\u00e4mlich das der hinteren Hornhautfl\u00e4che, hat er selbst entdeckt, oder doch seit Purkinje zuerst wieder gesehen. Das ganze dritte Capitel ist diesen \u201efalschen Bildern\u201c des Auges zugetheilt. Zur Beobachtung hat er ein eigenes Instrument: \u201eOphthalmophakometer\u201c dem Phakoeidoskop Cramer\u2019s nachgebaut, mit welchem man die objectiven Bilder exact messen kann. Die heutige klinische Ophthalmometrie hat bekanntlich viele neue Aufschl\u00fcsse \u00fcber die wahre Gestalt der Hornhautfl\u00e4che und der anderen brechenden Fl\u00e4chen geliefert, die er im Wesentlichen nach Javal, Sulzer und Eriksen beschreibt. Aber Tscherning bestimmte auch selber mit dem eben erw\u00e4hnten Instrument die Kr\u00fcmmungshalbmesser und Centrirungsfehler der Fl\u00e4chen und theilt hierf\u00fcr die Methoden mit. Ein anderes bevorzugtes Gebiet sind die \u201eZerstreuungskreise\u201c mit den zugeh\u00f6rigen Versuchen von Scheinen, Czermak und Mile. F\u00fcr Young\u2019s Optometer, die stenopaeischen Oeffnungen und die Pr\u00fcfung mit dem entfernten Lichtpunkt nach Donders, also f\u00fcr die sub-jectiven Untersuchungsmethoden, die in letzter Zeit, gegen die fortgeschrittenen objectiven, vernachl\u00e4ssigt wurden, hat Tscherning eine grofse Vorliebe, und hat sie erfolgreich benutzt, theils um \u00e4ltere Aberrations-Beobachtungen zu wiederholen, theils neue anzustellen. Man darf es aber","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Litemturbericht.\nwohl als einen Mifsgriff bezeichnen, wenn Tscherning anscheinend einer in \u00e4lteren Werken herrschenden Gepflogenheit folgt, nnd auch im Auge diejenige Aberration, die in einer Verk\u00fcrzung der Randstrahlen besteht, schlechtweg als \u201esph\u00e4rische Aberration\u201c bezeichnet. (Z. B. f\u00fchrt Cap. VII diese Ueberschrift). Mit der sph\u00e4rischen Aberration kugelf\u00f6rmig geschliffener homogener Glaslinsen hat diese Abweichung doch nichts anderes gemein, als eben nur die Richtung. Es ist reine Willk\u00fcr, wenn man Verk\u00fcrzung von Randstrahlbrennweiten \u201esph\u00e4rische\u201c und Verl\u00e4ngerung \u201e\u00fcber-corrigirte sph\u00e4rische\u201c Abweichung nennt, w\u00e4hrend es sich um Gebilde handelt, an denen \u00fcberhaupt keine Kugelfl\u00e4chen Vorkommen.\nMit sehr vielen Einzelheiten seit Helmholtz und Donders bereichert ist die Kenntnifs der Refractions-Anomalien und besonders des Astigmatismus, wovon mit verst\u00e4ndiger Auswahl das Gesichertste besprochen wird. Die interssanteste Neuerung in dem Buche bildet indessen nat\u00fcrlich die Theorie der Accommodation. Tscherning giebt zuerst eine gr\u00fcndliche historische Darstellung der \u00e4lteren Erkl\u00e4rungsversuche von Kepler bis auf Helmholtz, dessen schwerwiegende Autorit\u00e4t, vielleicht zu fr\u00fch, den Meinungsstreit zum Stillstand brachte. In anerkennender und h\u00f6chst bescheidener Form weist er darauf hin, dafs der grofse Forscher selbst seine Erkl\u00e4rung gar nicht als endg\u00fcltig erwiesene Thatsaehe, sondern mit grofser Beschr\u00e4nkung als die ihm zur Zeit wahrscheinlichste Hypothese hingestellt habe. Helmholtz hatte in der damals sehr umst\u00e4ndlichen Weise nur drei Krystalllinsen Lebender messen k\u00f6nnen und gegen die todten einen halben Millimeter Dicken-Unterschied zu Gunsten seiner Theorie zu finden geglaubt. \u201eAndererseits erscheint es unwahrscheinlich, dafs bei diesen Messungen ein Fehler von einem halben Millimeter begangen sein sollte\u201c, f\u00fcgte er selber vorsichtig hinzu. Die wachsende Autorit\u00e4t von Helmholtz bewirkte sp\u00e4ter, dafs man allm\u00e4hlich aufh\u00f6rte, seine Theorie \u00fcberhaupt anzufechten. Seine Schule \u201eroyalistischer als der K\u00f6nig selbst\u201c machte dann aus der Wahrscheinlichkeit eine Gewifsheit. \u201eGrofse M\u00e4nner\u201c bemerkt Tscherning \u201ek\u00f6nnen sich kaum zur\u00fcckhaltend genug \u00e4ufsern, aus Furcht vor ihren Anh\u00e4ngern\u201c. Alsdann wendet er sich zu Thomas Young, der vielleicht bisher die richtigste Darstellung des thats\u00e4chlichen Vorgangs gegeben habe. Die eigentliche Hauptfrage mufste er allerdings offen lassen, da zu jener Zeit der BR\u00dcCKE\u2019sche Muskel noch nicht entdeckt war. Aber Young hat in der That schon bewiesen, dafs die Accommodation weder Kr\u00fcmmungszunahme der Hornhaut noch Axenverl\u00e4ngerung des Auges ist, dafs sie den Staroperirten g\u00e4nzlich fehlt, endlich dafs die Kr\u00fcmmungen der Krystalllinse beim Nahesehen zunehmen und zwar viel st\u00e4rker in der Mitte als am Rande. Er hat auch die Hypothese einer inneren selbstt\u00e4tigen Zusammenziehung der Linse (nach Art eines Muskels) gepr\u00fcft, aber wieder verworfen.\nAuf diesen Untersuchungen fortbauend ist Tscherning zu seiner neuen Theorie gelangt. Darnach hat man sich die Linse aus einem rundlichen starreren Kern und einer bildsamen \u201eaceommodativen Schicht\u201c weicherer, beinahe fl\u00fcssiger Rindensubstanz bestehend zu denken. Der radiale Zug des Muskels an der Zonula wirkt gerade umgekehrt als man erwarten sollte; statt die Linse abzuplatten, verdr\u00e4ngt er die beweglichen Massen","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nLitera turberich t.\nnach dem Aequator zu und modellirt die Linsenscheitel \u00fcber den Kern zu krummerer Gestalt, wenigstens im Pupillargebiete. Die Randzonen freilich nehmen gestrecktere Form an, aber diese bedeckt die sich zusammenziehende Iris. Nach Versuchen an Linsen aus Thieraugen, die vielfach demonstrirt und seither auch von Cezellitzee mit vollkommener Mechanik wiederholt und durchaus best\u00e4tigt, von Stadeeldt endlich mit Menschen-Linsen nachgemacht worden sind, scheint diese Thatsache nicht mehr zweifelhaft. Man darf sich also vorstellen, dafs der Giliarmuskel unmittelbar die Linse accommodirt, und zum Mindesten wird man zugeben m\u00fcssen, dafs die bisher herrschende Theorie Helmholtz\u2019s als dringend der Nachpr\u00fcfung bed\u00fcrftig angesehen werden mufs.\nIn der Farbenlehre sucht Tscheenino eine allen neueren Forschungen gerecht werdende Darstellung zu geben. Ohne sich f\u00fcr eine bestimmte Richtung zu entscheiden, hebt er die Vorz\u00fcge und M\u00e4ngel der verschiedenen Hypothesen m\u00f6glichst unparteiisch hervor. In \u00e4hnlicher Weise stellt er sich zu dem Streit des Empirismus und Nativismus, den er \u00fcbrigens nur kurz ber\u00fchrt, da er die zur Erkenntnifstheorie geh\u00f6rigen Fragen eigentlich nicht abhandeln will. Die Abschnitte \u00fcber die Augenbewegungen und Binocularsehen enthalten weniger Neues, bemerkenswert]! ist aber, dafs dem Schielen ein ganzes Capitel einger\u00e4umt ist, wie mir scheint, mit grofsem Recht. Wenn auch das Schielen zu einem grofsen Theil in das Gebiet des Abnormen und Pathologischen geh\u00f6rt, so hat doch die Kenntnifs dieser Abart des Sehens und seiner eigenth\u00fcmlichen Ph\u00e4nomene grofse Bedeutung auch f\u00fcr die Physiologie des normalen Binocularsehens und darf nicht ganz aufser Acht gelassen werden. C. Dubois-Reymond.","page":240}],"identifier":"lit33022","issued":"1903","language":"de","pages":"237-240","startpages":"237","title":"Tscherning: Optique physiologique. Paris, G. Carr\u00e9 et C. Naud, 1898. 335 S.","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:13.728755+00:00"}