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{"created":"2022-01-31T16:24:33.108646+00:00","id":"lit33045","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kries, v.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 366-368","fulltext":[{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nLiteraturbericht.\nF. Hillebrand. Theorie der scheinbaren Gr\u00f6fse bei binokularem Sehen. Denkschriften der mathematisch -natunuissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie 72. 1902.\nUnter \u201escheinbarer Gr\u00f6fse\u201c versteht H. das, was man wohl auch als unmittelbaren Gr\u00f6fseneindruck bezeichnen kann, \u201edie Ausdehnung des Empfindungsinhalts im Sehraum\u201c, das, was Hering als \u201eSehgr\u00f6fse\u201c bezeichnte, eine Bestimmung, die von der scheinbaren Gr\u00f6fse im physikalischen Sinne (dem Gesichtswinkel) aber auch von der \u201egesch\u00e4tzten Gr\u00f6fse\u201c, dem Ergebnis einer reflektierenden Beurteilung, wohl zu unterscheiden ist. Sie mufs jedenfalls vom Gesichtswinkel abh\u00e4ngen, aufserdem aber auch noch durch die Verh\u00e4ltnisse der Entfernung mitbestimmt werden. Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung war, zu ermitteln, wie sich bei binokularer Beobachtung (und unver\u00e4nderlicher Blickebene) der Gesichtswinkel mit der Entfernung \u00e4ndern mufs, damit die scheinbare Gr\u00f6fse konstant bleibt.\nIm Anschlufs an die bekannte Tatsache, dafs zwei Objekte von etwa linearer Form (Eisenbahnschienen, Baumreihen), die sich parallel zueinander direkt vom Beobachter fort in die Entfernung erstrecken, in dieser Richtung zu konvergieren scheinen, wurde zun\u00e4chst die Aufgabe gestellt, zwei vom Beobachter fort \u00fcber eine 4 m lange Tischplatte hin verlaufende F\u00e4den auf scheinbaren Parallelismus einzustellen. Es ergibt sich, dafs die F\u00e4den stets etwas divergent gestellt werden m\u00fcssen (bis etwa 3\u00b0), um so st\u00e4rker, je gr\u00f6fser der Abstand der F\u00e4den voneinander ist, jedoch niemals auch nur ann\u00e4hernd so stark, dafs etwa dieser Abstand an der entferntesten Stelle unter gleichem Gesichtswinkel erschiene wie an einem nahen.\nOb die Einstellung mit fixiertem oder mit beliebig wanderndem Blick gemacht wurde, war in diesem Falle ohne nennenswerten Einflufs auf das Resultat.\nDie bei dieser Versuchsanordnung gestellte Aufgabe ist nur ann\u00e4hernd zu erf\u00fcllen, weil die objektiv gradlinigen Objekte nicht gradlinig, sondern auch etwas gekr\u00fcmmt erscheinen (wenigstens in den dem Beobachter n\u00e4heren Teilen). In einer folgenden Reihe wurden daher neun Paare vertikaler F\u00e4den so auf gestellt wie die B\u00e4ume, die eine vom Beobachter fort verlaufende Allee einfassen, und dabei der Querabstand jedes Paares sich gegen\u00fcberliegender F\u00e4den variabel gemacht. Die Aufgabe war dann, diese alleeartig angeordneten F\u00e4den so einzustellen, dafs ihre Fufspunkte in parallelen geraden Linien zu stehen scheinen. In Wirklichkeit bilden sie dann gewisse, vom Verf. als Alleekurven bezeichnete, schwachgekr\u00fcmmte und zwar gegen die Medianebene konkave Linien, die also mit ihrem, dem Beobachter nahen Teile am st\u00e4rksten in den entfernten schw\u00e4cher divergieren. Hier waren \u00fcbrigens die Ergebnisse verschieden je nachdem die Einstellung mit fixiertem oder mit beliebig wanderndem Blick gemacht wurde ; im letzteren Falle war sowohl die Divergenz gegen die Entfernung wie die Konkavit\u00e4t merklich geringer.\nDie Versuche lehren, dafs dasjenige Moment, das neben dem Gesichtswinkel die scheinbare Gr\u00f6fse bestimmt, jedenfalls nicht in der objektiven Entfernung gefunden werden kann; Verf. wirft nun die Frage auf, ob hier vielmehr die scheinbaren (gesehenen) Entfernungsunterschiede mafsgebend","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Lit\u00e8raturbericht.\t367\nseien, von welchen hier angenommen werden darf, dafs sie sich lediglich nach den Verh\u00e4ltnissen des binokularen Sehens richten. In der Tat findet sich nun, dafs wenn man den Winkelwert, um welchen zwei Punkte einer solchen Alleekurve f\u00fcr das rechte Auge voneinander abstehen, mit ft, und den Winkelwert, um den sie f\u00fcr das linke Auge voneinander abstehen, mit\nfi\nV bezeichnet, die Verh\u00e4ltnise \u2014 f\u00fcr alle Teile einer solchen Kurve sehr\nann\u00e4hernd konstant sind. Da nun die Gesichtswinkel, unter denen die Querlinien gesehen werden, den Winkeln ft, die Querdisparationen aber den Werten ft\u2014v proportional sich \u00e4ndern, so folgt, dafs die verschieden entfernten Objekte dann gleich grofs erscheinen, wenn die Unterschiede der Gesichtswinkel zu den Unterschieden ihrer Disparationen in einem ganz bestimmten Verh\u00e4ltnis stehen. Dieses Gesetz bew\u00e4hrt sich mit grofser Ann\u00e4herung, wenn die Versuche so gemacht werden, dafs stets bei Fixation eines Fadens die Einstellung des n\u00e4chstentfernteren Paares auf gleichen Querabstand gemacht wird. Es involviert, dafs jenseits einer gewissen Grenze, wo sich die Querdisparationen nicht mehr merklich \u00e4ndern, auch die Gesichtswinkel konstant bleiben.\nft\tft\t.\n\u00dcber den absoluten Wert jenes Verh\u00e4ltnisses \u2014-- oder\tgibt die\nTheorie keine Auskunft; mit anderen Worten : sie l\u00e4fst unentschieden, welche Zunahme des Netzhautbildes zu einem bestimmten Betrage der Quer disparation geh\u00f6rt. Dagegen kann, wenn dieser Wert f\u00fcr eine Alleekurve von gewisser Breite ermittelt ist, sein Betrag auch f\u00fcr Alleekurven von anderer Breite berechnet werden, wenn man \u00fcber die Gestalt des f\u00fcr den betreffenden Beobachter geltenden L\u00e4ngshoropters gewisse Annahmen macht; die vom Verf. unter Zugrundelegung eines empirischen L\u00e4ngshoropters\nii\nberechneten Werte stehen mit den durch die Beobachtung gefundenen\nebenfalls in guter \u00dcbereinstimmung.\nRef. m\u00f6chte zu der interessanten, aber nicht ganz leicht lesbaren Arbeit eine Bemerkung machen, die vielleicht dem Verst\u00e4ndnis f\u00f6rderlich sein kann. Der Formulierung, die der Verf. jener Gesetzm\u00e4fsigkeit gibt, dafs gleiche Zunahmen des Gesichtswinkels gleichen Unterschieden der gesehenen Entfernung entsprechen, wobei diese nach den Querdisparationen gemessen sein sollen, haftet, wie dem Ref. scheint, mindestens auf den ersten Blick etwas Befremdendes an.\nMan wird n\u00e4mlich doch fragen m\u00fcssen, ob wirklich die gesehenen Entfernungen nach den Querdisparationen gemessen werden k\u00f6nnen, ob z. B. der Tiefenabstand eines ersten von einem zweiten und dieses von einem dritten Fadenpaar gleich erscheint, wenn die Unterschiede der Querdisparationen jedesmal die gleichen sind. Ob sich dies so verh\u00e4lt, ist zum mindesten zweifelhaft, ja es ist gerade im Hinblick auf die von H. gefundene Gesetzm\u00e4fsigkeit wenig wahrscheinlich. Denn eine Beziehung zwischen den gesehenen Entfernungen in diesem Sinne und dem f\u00fcr die Erzielung gleichen Gr\u00f6fseneindrucks erforderlichen Gesichtswinkel k\u00f6nnte wohl kaum von der hier angegebenen Form einer linearen Abh\u00e4ngigkeit sein. Hiernach w\u00e4re wohl richtiger zu sagen, dafs Verf. eine gesetzm\u00e4fsige Beziehung","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nLiteraturbericht.\nzwischen den Querdisparationen und Gesichtswinkeln aufstellt, dafs dabei aber die wirklichen Werte der gesehenen Entfernungen ganz in suspenso bleiben. Nimmt man an, dafs es gerade die gesehene Entfernung ist, die (neben dem Gesichtswinkel) den Gr\u00f6fseneindruck bestimmt, so wird man sagen d\u00fcrfen, dafs hierdurch der Aufstellung des Verf. zun\u00e4chst noch eine gewisse Unvollst\u00e4ndigkeit oder Undurchsichtigkeit anhaftet. Vielleicht ist aber an der von H. gefundenen Gesetzm\u00e4fsigkeit gerade das beachtenswert, dafs zwischen jenen beiden physiologischen Momenten (Zunahme des Gesichtswinkels und der Quer disparation) eine einfache Beziehung stattfindet, trotz der viel verwickelteren Art, in der der Wert der gesehenen Entfernung sich bestimmt.\tv. Keies (Freiburg i. B.).\nFeank Allen. Persistence of Vision in Color-Blind Subjects. Physical Review 15 (4), 193\u2014225.\nIn fr\u00fcheren, an normalen Augen vorgenommenen Versuchen hatte Allen gefunden, dafs die Flimmerwerte verschiedenfarbiger Lichter sich in gesetzm\u00e4fsiger Weise mit der Wellenl\u00e4nge im Spektrum \u00e4ndern, so zwTar, dafs die Lichter der beiden Enden des Spektrums erheblich geringerer Beizzahl pro Sekunde bed\u00fcrfen, um eine kontinuierliche Lichtempfindung zu erzeugen, als die des mittleren Spektralabschnittes. Wird die Zeiteinheit (Sekunde) durch die Zahl der Lichtreize dividiert, wrelche gerade n\u00f6tig ist, um den Eindruck einer ununterbrochenen Netzhautbelichtung hervorzurufen, so erh\u00e4lt man den Flimmerwert des betreffenden Lichtes, und tr\u00e4gt man diese f\u00fcr die einzelnen verschiedenfarbigen Lichter erhaltenen Werte als Funktion der Wellenl\u00e4nge in ein System rechtwinkliger Koordinaten ein, so ergibt sich eine glatte Kurve, welche f\u00fcr das normale Auge bis 560 uy, f\u00e4llt und dann wieder ansteigt.\nDie gleichen Untersuchungen, an 26 farbenblinden Individuen wiederholt, ergaben sehr bemerkenswerte Abweichungen von diesem normalen Kurventypus. Allen unterscheidet nach den Flimmer Wertbestimmungen 6 verschiedene Typen unter den Farbenblinden: 1. solche mit abnorm grofsen Flimmerwerten am roten Spektralende, sonst aber normalem Kurvenverlauf. 2. Solche mit abnorm grofsen Werten im mittleren (gelbgr\u00fcn bis blaugr\u00fcn) Teile des Spektrums. 3. Kurven, welche durch zu grofse Flimmerwerte im Bot und dann noch einmal im Gr\u00fcn von der Norm abwTeichen (Kombination von Typus 1 und 2). 4. Eine Modifikation des vorigen: die Kurven fallen im ganzen Bot und Gr\u00fcn auseinander. 5. Abnorm grofse Flimmerwerte im Bot und Violett, Mitte normal. 6. Abnorm grofse Flimmerwerte im Gr\u00fcn und Violett, rotes Spektralende normal. 7. Die s\u00e4mtlichen Flimmerwerte sind gr\u00f6fser als die des normalen Auges; die Kurven laufen parallel, die des Farbenblinden liegt aber auf gr\u00f6fserer Ordinatenh\u00f6he als die des Normalen. Ein 8. Typus ist nicht beobachtet, wird aber theoretisch postuliert : die Flimmerwerte w\u00fcrden nur am violetten Ende des Spektrums von der Norm abweichen, im mittleren und roten Teil aber mit denen des normalen Auges \u00fcbereinstimmen.\nEine exakte Pr\u00fcfung der Farbenblinden auf Typendifferenzen ist nicht vorgenommen worden und die knappen Angaben \u00fcber die Besultate der HoLMGEENSchen Wollproben reichen nicht aus, um ein Urteil in diesem","page":368}],"identifier":"lit33045","issued":"1903","language":"de","pages":"366-368","startpages":"366","title":"F. Hillebrand: Theorie der scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe bei binokularem Sehen. Denkschriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie 72. 1902","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:33.108651+00:00"}