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{"created":"2022-01-31T13:37:17.455481+00:00","id":"lit33058","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 387-388","fulltext":[{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n387\nVerf. machte dann eine Reihe von Versuchen mit aktiver Ber\u00fchrung, w\u00e4hrend vorher passive Ber\u00fchrung stattgefunden hatte. D. h. der Beob? achter bewegte nun seinen Finger \u00fcber die zu vergleichenden Strecken. Das Ergebnis war hier umgekehrt: Kleine ausgef\u00fcllte Strecken wurden \u00fcbersch\u00e4tzt, grofse dagegen untersch\u00e4tzt. Yerf. erkl\u00e4rt sich dadurch, dafs nach einer Bewegung des Fingers \u00fcber einige Zentimeter die glatte Strecke, statt mit peripheren Empfindungen, mit zentral erregten organischen Vorstellungen ausgef\u00fcllt wird, und zwar mit einer gr\u00f6fseren Zahl als eine entsprechende rauhe Strecke. In Wirklichkeit ist daher, wenn der Finger sich \u00fcber gr\u00f6fsere Strecken bewegt, die glatte Strecke verh\u00e4ltnism\u00e4fsig als ausgef\u00fcllt, die rauhe als unausgef\u00fcllt zu betrachten. Verf. schliefst hieraus, dafs derartige Raumurteile nicht urspr\u00fcngliche Raumurteile sind, sondern auf Zeitsch\u00e4tzung beruhen und daher denselben T\u00e4uschungen unterliegen wie Zeitsch\u00e4tzungen. Max Meyer (Columbia, Missouri).\nA. Timmeemanns. L\u2019onomatop\u00e9e et la formation du langage. Bev. scient 19 (13), 395\u2014400. 1903.\nIm Anschl\u00fcsse an sein eigenes Buch \u201eEtymologie de mille et une expressions idiomatiques du langage fan\u00e7ais\u201c behandelt der Verf. in diesem kleinen Aufsatze das Problem, ob die Sprache yvoei oder d'taei (tpv%jj) entstanden sei. Dafs sich dar\u00fcber auf 5 Seiten nichts Ersch\u00f6pfendes und Neues sagen l\u00e4fst, ist ihm sicher selbst klar: allzu tief scheint er auch nicht in den Gegenstand eingedrungen zu sein. Die onomatopoetischen Benennungen sollen yvoec, alle anderen aber, da sie willk\u00fcrlich und stets unvollkommen sind, theoet gebildet sein: \u201ele principe de leur formation est \u25a0wvxfiy y\u00e7svi, parce que l\u2019\u00e2me, l\u2019intelligence ont trouv\u00e9 et approuv\u00e9 la propri\u00e9t\u00e9 de terme, quoiqu\u2019elle soit incompl\u00e8te. La langue existe yvxfj sur toute la ligne.\u201c Ganz witzig ist die Erkl\u00e4rung der Tatsache, dafs die beiden Kinder, die K\u00f6nig Psammetich ohne menschlichen Verkehr auf-ziehen liefs, dem ersten Menschen, den sie erblickten, \u00dfexos entgegen riefen : eine Ziege ern\u00e4hrte sie und ihr \u201eb\u00e4h\u201c (vgl. mit \u00dfex- unser \u201emek mek, meckern\u201c) war der einzige Laut, den die Kinder nachbilden konnten und in dem sich ihr ganzes Lebensinteresse zusammendr\u00e4ngte. Nur versteht es sich von selbst, dafs Herodot nicht eine wahre Geschichte, sondern eine geistreich erfundene Anekdote erz\u00e4hlt.\tHoffmann (Breslau).\nG\u00e9rard-Varet. La langage et la parole: Leurs facteurs sociologiques. Bev.\nphilos. 54 (10), 367\u2014390. 1902.\nInnerhalb eines Stammes war urspr\u00fcnglich keine Sprache n\u00f6tig, es gen\u00fcgten die Gesten, da dieselben Bed\u00fcrfnisse und Gewohnheiten bei allen Gliedern bestanden, und daher die gegenseitige Verst\u00e4ndigung ungemein leicht war. Erst die Begegnung eines Stammes mit einem anderen bildete den Stimulus f\u00fcr die Entstehung der Sprache. Eine Anzahl von \u00e4hnlichen Gesten wrerden wir bei beiden finden, mit denen \u00e4hnliche Objekte bezeichnet werden, aufserdem aber Gesten, welche ihnen neu sind, mit denen neue Objekte bezeichnet werden. Manche Gesten zur Bezeichnung derselben Objekte werden bei beiden verschieden sein. Dies bietet den ersten An-\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nLi teraturbericht.\ngriffspunkt f\u00fcr die Analyse und Unterscheidung. Umgekehrt kann dasselbe Zeichen verschiedene Bedeutungen haben. Repr\u00e4sentiert so dieselbe Bewegung dem einen das Ph\u00e4nomen A, dem anderen das Ph\u00e4nomen B, so werden beide dadurch auf eine \u00c4hnlichkeit der Art und Weise, sich diesen Bingen gegen\u00fcber zu f\u00fchlen, d. h. auf eine \u00c4hnlichkeit der Ph\u00e4nomene aufmerksam. Bez\u00fcglich der Entwicklung der Sprache hat man anzunehmen, dafs die ersten elementaren emotionellen Zeichen ihr vorausgehen, dafs dagegen alle \u00fcbrigen ihr folgen. Denn das Emotionelle ist der Ruhe des sprachlichen Ausdrucks hinderlich. Ein hervorragendes Vehikel f\u00fcr die Entwicklung der Sprache bilden die zuf\u00e4lligen Gesten, d. h. diejenigen, welche sich auf zuf\u00e4llige Umst\u00e4nde beziehen, sofern sie schwerer verst\u00e4ndlich sind und daher zu einer besonderen Ausdrucksweise anregen.\nDie Sprache ist urspr\u00fcnglich eine Art Malerei. Sie ahmt die Stimmen der Tiere und die Ger\u00e4usche der Natur nach. Sp\u00e4ter beschr\u00e4nkt sie sich auf das Hervorbringen von analogen T\u00f6nen. In einem dritten Stadium nimmt die sonore Kopie Bezug nicht auf die Objekte selbst, sondern auf ihre Begleiterscheinungen.\nEinen wichtigen Faktor f\u00fcr die Entwicklung der Sprache bilden die Werkzeuge, sofern ihr Gebrauch zu zusammenh\u00e4ngenden Reihen von Bewegungen n\u00f6tigt. Hier kommt auch die Assoziierung eines vergr\u00f6fserten Vorstellungskomplexes hinzu durch R\u00fccksichtnahme auf den Zweck und die Umst\u00e4nde. Der t\u00e4gliche und allgemeine Gebrauch hat dabei eine gewisse Ein\u00fcbung zur Folge und erm\u00f6glicht dadurch das Verst\u00e4ndnis komplizierterer Zeichen.\nNach Wundt ist die primitive Sprache die der Bewegungen. Das Wort erscheint sp\u00e4ter dank der Lautgeberde: Die Bewegung der stimmlichen Artikulation begleitet die Gesten. Voir\u00e9 behauptet, dafs, wenn unsere Muskeln in Bewegung sind, wir die Tendenz besitzen, in T\u00f6nen auszubrechen. Die ersten Worte waren Imperative.\nDie artikulierte Sprache verdankt ihre Entstehung nicht, wie oft angenommen wird, der ausschliefslichen Aktion eines unbewufsten Mechanismus. Wort und Geste unterst\u00fctzen sich, aber sie bek\u00e4mpfen sich auch. Sie bezeichnen den Kampf f\u00fcr das Leben. In diesem Kampfe hat infolge sozialer Notwendigkeiten, wie wir sahen, das Wort den Sieg \u00fcber die Geberde davongetragen. Die Sprache ist daher zugleich das Werk der Natur und der Menschen, sie entstand zugleich unbewufst und bewufst, zugleich biologisch und psychologisch.\tGiessler (Erfurt).\nAlb. Liebmann. Stotternde Kinder. Samml. v. Abhandl. aus dem Gebiete der p\u00e4dagogischen Psychologie u. Physiologie, hrsg. v. Ziegler u. Ziehen, 6 (2). 1903. 96 S. 2,40 Mk.\nTrotz einer grofsen Reihe hervorragender Arbeiten sind die Meinungen der Autoren \u00fcber das Wesen des Stotterns noch nicht gekl\u00e4rt. Zwei entgegenstehende Hauptrichtungen sind zu unterscheiden. Als Vertreter der einen, die auf die inkoordinierten Atmungs- und Sprachbewegungen das Hauptgewicht legt, ist Gutzmann, als Vertreter der anderen Denhardt anzusprechen, der in den psychischen Symptomen, besonders in der Sprach-angst und Lautfurcht, die eigentliche Wurzel des Stotterns erblickt. Nach","page":388}],"identifier":"lit33058","issued":"1903","language":"de","pages":"387-388","startpages":"387","title":"G\u00e9rard-Varet: La langage et la parole: Leurs facteurs sociologiques. Rev. philos. 54 (10), 367-390. 1902","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:37:17.455487+00:00"}