Open Access
{"created":"2022-01-31T16:32:52.767204+00:00","id":"lit33059","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Lobsien, Marx","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 388-389","fulltext":[{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nLi teraturbericht.\ngriffspunkt f\u00fcr die Analyse und Unterscheidung. Umgekehrt kann dasselbe Zeichen verschiedene Bedeutungen haben. Repr\u00e4sentiert so dieselbe Bewegung dem einen das Ph\u00e4nomen A, dem anderen das Ph\u00e4nomen B, so werden beide dadurch auf eine \u00c4hnlichkeit der Art und Weise, sich diesen Bingen gegen\u00fcber zu f\u00fchlen, d. h. auf eine \u00c4hnlichkeit der Ph\u00e4nomene aufmerksam. Bez\u00fcglich der Entwicklung der Sprache hat man anzunehmen, dafs die ersten elementaren emotionellen Zeichen ihr vorausgehen, dafs dagegen alle \u00fcbrigen ihr folgen. Denn das Emotionelle ist der Ruhe des sprachlichen Ausdrucks hinderlich. Ein hervorragendes Vehikel f\u00fcr die Entwicklung der Sprache bilden die zuf\u00e4lligen Gesten, d. h. diejenigen, welche sich auf zuf\u00e4llige Umst\u00e4nde beziehen, sofern sie schwerer verst\u00e4ndlich sind und daher zu einer besonderen Ausdrucksweise anregen.\nDie Sprache ist urspr\u00fcnglich eine Art Malerei. Sie ahmt die Stimmen der Tiere und die Ger\u00e4usche der Natur nach. Sp\u00e4ter beschr\u00e4nkt sie sich auf das Hervorbringen von analogen T\u00f6nen. In einem dritten Stadium nimmt die sonore Kopie Bezug nicht auf die Objekte selbst, sondern auf ihre Begleiterscheinungen.\nEinen wichtigen Faktor f\u00fcr die Entwicklung der Sprache bilden die Werkzeuge, sofern ihr Gebrauch zu zusammenh\u00e4ngenden Reihen von Bewegungen n\u00f6tigt. Hier kommt auch die Assoziierung eines vergr\u00f6fserten Vorstellungskomplexes hinzu durch R\u00fccksichtnahme auf den Zweck und die Umst\u00e4nde. Der t\u00e4gliche und allgemeine Gebrauch hat dabei eine gewisse Ein\u00fcbung zur Folge und erm\u00f6glicht dadurch das Verst\u00e4ndnis komplizierterer Zeichen.\nNach Wundt ist die primitive Sprache die der Bewegungen. Das Wort erscheint sp\u00e4ter dank der Lautgeberde: Die Bewegung der stimmlichen Artikulation begleitet die Gesten. Voir\u00e9 behauptet, dafs, wenn unsere Muskeln in Bewegung sind, wir die Tendenz besitzen, in T\u00f6nen auszubrechen. Die ersten Worte waren Imperative.\nDie artikulierte Sprache verdankt ihre Entstehung nicht, wie oft angenommen wird, der ausschliefslichen Aktion eines unbewufsten Mechanismus. Wort und Geste unterst\u00fctzen sich, aber sie bek\u00e4mpfen sich auch. Sie bezeichnen den Kampf f\u00fcr das Leben. In diesem Kampfe hat infolge sozialer Notwendigkeiten, wie wir sahen, das Wort den Sieg \u00fcber die Geberde davongetragen. Die Sprache ist daher zugleich das Werk der Natur und der Menschen, sie entstand zugleich unbewufst und bewufst, zugleich biologisch und psychologisch.\tGiessler (Erfurt).\nAlb. Liebmann. Stotternde Kinder. Samml. v. Abhandl. aus dem Gebiete der p\u00e4dagogischen Psychologie u. Physiologie, hrsg. v. Ziegler u. Ziehen, 6 (2). 1903. 96 S. 2,40 Mk.\nTrotz einer grofsen Reihe hervorragender Arbeiten sind die Meinungen der Autoren \u00fcber das Wesen des Stotterns noch nicht gekl\u00e4rt. Zwei entgegenstehende Hauptrichtungen sind zu unterscheiden. Als Vertreter der einen, die auf die inkoordinierten Atmungs- und Sprachbewegungen das Hauptgewicht legt, ist Gutzmann, als Vertreter der anderen Denhardt anzusprechen, der in den psychischen Symptomen, besonders in der Sprach-angst und Lautfurcht, die eigentliche Wurzel des Stotterns erblickt. Nach","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Literatur bericht.\n389\nAnsicht des Verf. \u201ebildet den prim\u00e4ren Kern des Stotterns die \u00dcbertreibung des konsonantischen Elements der Sprache, zu dem nicht nur die eigentlichen Konsonanten geh\u00f6ren, sondern auch der Verschlufslaut der Stimmb\u00e4nder (der spiritus lenis der Griechen) . . . Diese \u00dcbertreibung der Konsonanten kann in einer zu langen Dauer (sog. tonisches Stottern) oder in einer mehrmaligen Wiederholung (sog. klonisches Stottern) bestehen. Die, \u00dcbertreibung der Konsonanten wird auf Grund einer ererbten oder erworbenen nerv\u00f6sen Disposition durch verschiedene Sch\u00e4dlichkeiten hervorgerufen\u201c (S. 4). \u2014 Bez\u00fcglich der Therapie des Stotterns h\u00e4lt Liebmann \u201ealle Atmungs-, Stimm- und Artikulations\u00fcbungen f\u00fcr entbehrlich. Man kommt ohne sie schneller und leichter zum Ziele.\u201c An einer Reihe von 14 konkreten F\u00e4llen zeigt der Verf. in vollendeter Weise, wie die \u201eBehandlung vorwiegend eine psychische sein mufs\u201c. Man mufs die Tatsache ins Auge fassen, dafs der Stotterer beim Alleinsein fliefsend spricht und dafs nur bestimmte Situationen das \u00dcbel hervorrufen. \u201eWir m\u00fcssen den Stotterer gew\u00f6hnen, auch in schwierigeren Situationen ohne Angst und Lautfurcht zu reden und ohne jede \u00dcbertreibung des konsonantischen Elementes. Ich lasse deshalb die Patienten gleich in der ersten Sitzung mit gedehnten Vokalen sprechen. Indem die Patienten so fliefsend reden, bekommen sie sofort Selbstvertrauen. Die Angst schwindet. Die Eede bessert sich meist mit einem Schlage. Man kann meist schon in der ersten Konsultation zu einer nat\u00fcrlichen Sprache \u00fcbergehen. Bei F\u00e4llen geringer Sprechangst bedarf es nicht einmal der Dehnung der Vokale.\u201c\nMarx Lobsien (Kiel).\nL. T. Hobhouse. Mind in Evolution. London, Macmillan & Co., 1901. 415 S.\nDas Werk besitzt alle Vorz\u00fcge der Darstellung, welche wir bei englischen Naturforschern bewundern, es verbindet Klarheit und Anschaulichkeit mit K\u00fcrze und Pr\u00e4zision des Ausdrucks. Schwierigere Begriffe und Auseinandersetzungen werden allenthalben durch leicht fafsliche Beispiele aus Natur und Leben erl\u00e4utert und dem Verst\u00e4ndnis n\u00e4her gef\u00fchrt, so dafs die Lekt\u00fcre ein Vergn\u00fcgen ist. Das Werk basiert, wie gleich vorweg bemerkt werden mag, auf gr\u00fcndlicher Kenntnis der Literatur und eigenen Forschungen und Tierexperimenten und ist vom Geiste der DARwiNSchen Entwicklungslehre getragen.\nDie Organismen, so f\u00fchrt H. aus, unterscheiden sich von der Maschine durch das dauernde Bestreben, sich trotz unaufh\u00f6rlicher Ver\u00e4nderungen in einem Gleichgewichtszust\u00e4nde zu erhalten und sich der Umgebung und \u2014 bei Thieren und Menschen \u2014 den Erfordernissen des Lebens anzupassen. Eins der wesentlichsten Mittel dazu ist die Seele oder der Geist, welcher in Handlungen (actions) zum Ausdruck kommt.\nW\u00e4hrend im allgemeinen die Entwicklung nach verschiedenen Richtungen auseinandergeht (doliogenic evolution), zeigt die Entwicklung des Geistes eine aufw\u00e4rts strebende Tendenz (orthogenic evolution). \u201eDie allgemeine Funktion des Geistes besteht in der Anpassung der Handlungen an die Endzwecke des Individuums oder der Art und basiert auf der Wechselbeziehung (Korrektion) von fr\u00fcheren Erfahrungen, augenblicklichen Umst\u00e4nden und k\u00fcnftigen M\u00f6glichkeiten.\u201c Die Entwicklung des Geistes","page":389}],"identifier":"lit33059","issued":"1903","language":"de","pages":"388-389","startpages":"388","title":"Alb. Liebmann: Stotternde Kinder. Samml. v. Abhandl. aus dem Gebiete der p\u00e4dagogischen Psychologie u. Physiologie, hrsg. v. Ziegler u. Ziehen, 6 (2). 1903. 96 S.","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:32:52.767210+00:00"}