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{"created":"2022-01-31T16:32:38.108589+00:00","id":"lit33061","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Moskiewicz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 392-396","fulltext":[{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nLiteraturbericht.\nIdee besteht nicht in begrifflicher Analyse des Wahrgenommenen; es besteht auch im allgemeinen keine nat\u00fcrliche Tendenz zum Lernen durch Wahrnehmungen, noch weniger zu einer \u00fcberlegten Nachahmung. Doch zeigt H. an zahlreichen Beispielen, dafs bei den h\u00f6chsten S\u00e4ugetieren, besonders bei den Affen, sowohl \u201epraktische Ideen\u201c in einer weniger rohen Form als eine gewisse Originalit\u00e4t in der Anwendung derselben besteht, dafs man von \u201epraktischem Urteil\u201c sprechen kann. Die sozialen Instinkte bei den h\u00f6heren Tieren, ihr Leben in Herden, wobei sie sich gegenseitig helfen oder meiden, zeigen die ersten Spuren der Moralit\u00e4t, allerdings nicht in dem Sinne einer abstrakten Tugend sondern eines konkreten Vorhabens. Das Tier zeigt Sympathie, nicht weil Sympathie eine Tugend ist, sondern weil es Sympathie f\u00fchlt. Dabei handelt es sich aber auch nicht um eine ererbte oder angew\u00f6hnte Art der Reaktion auf einen bestimmten Reiz wie bei den niederen Tieren, sondern das Tier ist z. B. bestrebt, anderen oder einem Menschen aus der Bedr\u00e4ngnis zu helfen, indem es die Gefahr erkennt und die Mittel anwendet, dieselben zu beseitigen. Das Tier bildet sich kein allgemeines Urteil \u00fcber die Lage, in der sich der Gef\u00e4hrdete befindet, noch hat es einen Begriff von den Gef\u00fchlen des Gef\u00e4hrdeten, sondern sein Vorhaben und seine Handlungen sind auf das Konkrete und Praktische gerichtet. \u201eSeine Impulse werden in Begehren verwandelt durch das Bewufstsein seiner Absichten, und in Handlungen umgesetzt durch die aufgefafste Beziehung der Mittel zum Endzweck.\u201c Weiter reicht die tierische Intelligenz nicht.\nDie h\u00f6heren Stadien entwickeln sich nur beim Menschen. Die Bildung von Begriffen, das begriffliche Denken und das Produkt desselben, Phantasie, Moral, Religion und Wissenschaft, die Systematisierung der Wissenschaften, sie bilden den H\u00f6hepunkt der Entwicklung des Geistes, dem die ethische Entwicklung parallel geht. Beide Entwicklungen konvergieren nach einem und demselben Punkte : der Organisation des Lebens der Rasse durch die Kenntnis seiner Bedingungen. Die interessanten Einzelheiten dieser Entwicklung beim Menschen k\u00f6nnen, wie sie H. schildert, in dieser Besprechung, die schon zu lang geworden ist, nicht auseinandergesetzt werden, sondern in dieser Beziehung mufs auf das Original verwiesen werden, dessen Lekt\u00fcre nur angelegentlich empfohlen werden kann.\nHoppe (K\u00f6nigsberg).\nK. Makbe. Experimentell -psychologische Untersuchungen \u00fcber das Urteil.\nEine Einleitung in die Logik. Leipzig, Engelmann, 1901. 103 S. Mk. 2,80.\nAlle Urteile sind offenbar psychische Erlebnisse, aber nicht alle Erlebnisse werden zu Urteilen. Was mufs zu einem psychischen Erlebnisse hinzukommen, damit sie zu Urteilen werden? Das ist die Frage, deren Beantwortung der Verf. in dieser Arbeit geben will.\nUnter Urteilen werden alle die Bewufstseinsvorg\u00e4nge verstanden, auf welche die Pr\u00e4dikate: richtig oder falsch \u2014 eine sinngem\u00e4fse Anwendung finden. Daher k\u00f6nnen nicht nur ganze S\u00e4tze, sondern auch einzelne Worte, blofse Vorstellungen und Geb\u00e4rden zu Urteilen werden.\nVerf. will obige Frage experimentell beantworten und bedient sich dabei folgender Methode:","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n393\nDer Beobachter wurde veranlafst, alle die Bewufstseinsvorg\u00e4nge, die zu Urteilen werden k\u00f6nnen, zu erleben, und dann sofort zu berichten, welche Bewufstseinsvorg\u00e4nge gleichzeitig mit diesen erlebt wurden und welche alsdann dem Urteil seinen spezifischen Charakter verleihen sollten. Einige Beispiele m\u00f6gen dies erl\u00e4utern.\nDer Versuchsperson wurde zugerufen: Welches ist die Hauptstadt von Frankreich? Indem sie darauf mit Paris antwortet, sagt sie etwas, was richtig oder falsch sein kann, also ein Urteil ist. Oder sie wird aufgefordert, von zwei Gewichten das schwerste zu bezeichnen. Indem sie dies durch eine hinweisende Handbewegung tu<t, bekundet sie etwas, was richtig oder falsch sein kann, also ebenfalls ein Urteil ist. Die Versuchsperson muls nun berichten, was sie beim Aussprechen der Worte oder bei der erw\u00e4hnten Handbewegung erlebt hat. Die Resultate waren nun bei beiden Versuchspersonen \u00fcbereinstimmend die, dafs aufser den als Urteile fungierenden Wahrnehmungsvorstellungen zwar noch einige wenige andere Erlebnisse, wie Bewegungsvorstellungen, Spannungsempfindungen, gewisse unbestimmte Bewufstseinslagen usw. von der Versuchsperson erlebt wurden, sich aber keinerlei Bewufstseinsvorg\u00e4nge aufweisen liefsen, die f\u00fcr das Urteil spezifisch w\u00e4ren. Hieraus schliefst der Verf, dafs es psychologische Bedingungen und Merkmale des Urteils nicht g\u00e4be, dieses also psychologisch nicht zu bestimmen sei.\nMan mufs sich also nach anderen Kennzeichen f\u00fcr das Urteil Umsehen. Urteile sind, so lautete die Definition, Bewufstseinsvorg\u00e4nge, au die sich die Pr\u00e4dikate \u201erichtig oder falsch\u201c anwenden lassen. Richtig oder falsch kann aber eine Vorstellung nur dann sein, wenn sie sich auf einen Gegenstand bezieht, mit dem sie \u00fcbereinstimmt resp. nicht \u00fcbereinstimmt. Diese Beziehung kann nun keine beliebige, sich zuf\u00e4llig ergebende, sondern sie mufs vom Urteilenden beabsichtigt sein und die \u00dcbereinstimmung ist Endziel dieser Beziehungsetzung.\nSo kann man schliefslich sagen: Alle Erlebnisse k\u00f6nnen zu Urteilen werden, wenn sie nach der Absicht des Erlebenden entweder direkt oder in ihren Bedeutungen mit anderen Gegenst\u00e4nden \u00fcbereinstimmen sollen. Der Einwand, dafs der Urteilende, wie die Versuchsprotokolle ergaben, von dieser Absicht nichts erlebt, erscheint Verf. nicht stichhaltig; denn mit Absicht wird alles getan, was einem bestimmten Zwecke dient und es ist durchaus nicht n\u00f6tig, sich dieser Absicht dauernd bewufst zu sein und den Zweck immer vor Augen zu haben.\nAuf \u00e4hnlichem Wege kommt Verf. auch hinsichtlich der Beurteilung und des Verstehens geh\u00f6rter und gelesener Urteile zu dem gleichen Resultate; n\u00e4mlich, dafs auch das Verstehen und Beurteilen von Urteilen nicht von psychischen Vorg\u00e4ngen begleitet ist, die etwas daf\u00fcr Spezifisches an sich h\u00e4tten. Dieses Resultat ist nach den bisherigen Ergebnissen von vornherein einzusehen. Denn das Beurteilen von Urteilen ist doch selbst wieder ein Urteil, insofern sich auch hier fragen l\u00e4fst, ob das erste Urteil richtig oder falsch beurteilt worden ist. Und was f\u00fcr das eine Urteil gilt, mufs auch f\u00fcr das andere zu recht bestehen.\nDas Gesamtergebnis der ganzen Untersuchung ist also, dafs sich psychologische Kriterien f\u00fcr das Urteil nicht aufstellen lassen, die Lehre","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nLitera turberich t.\nvom Urteil geh\u00f6rt also in keiner Weise in die Psychologie, sondern einzig und allein in die Logik.\nDas Resultat mufs \u00fcberraschen.\nEs ist hier nicht der Ort, \u00fcber das Wesen des Urteils endg\u00fcltig zu entscheiden. Nur soviel sei bemerkt:\nUrteile sind doch sicher Gebilde, die im Verlaufe des psychischen Geschehens auf bestimmte Ursachen hin auftreten und die sich in der unmittelbaren Selbstbeobachtung anderen psychischen Erlebnissen wie Empfindungen, Vorstellungen, Gef\u00fchlen gegen\u00fcber deutlich als etwas von ihnen verschiedenes, eben als Urteile aufdr\u00e4ngen. K\u00f6nnte der Unterschied zwischen blofser Wahrnehmung und Urteil nicht unmittelbar erlebt werden, wie k\u00e4me man dann \u00fcberhaupt dazu, vom Urteil als einem psychischen Gebilde zu sprechen; w\u00e4re das Urteil nicht etwas, was sich in irgend welcher Weise psychisch eindeutig erleben l\u00e4fst, wie w\u00e4re es m\u00f6glich, es auf Wunsch hervorzurufen und mit ihm zu experimentieren!\nSo sicher wir also ein Recht haben, gewisse psychische Erlebnisse im Gegensatz zu anderen als Urteile zu bezeichnen, so sicher m\u00fcssen auch psychische Erlebnisse bestehen, welche eben das Charakteristische des Urteils ausmachen; und diese m\u00fcssen sich auch bei genauer Beobachtung mehr oder weniger sicher feststellen lassen.\nDafs dem Verf. dies nicht gelungen ist, liegt haupts\u00e4chlich an der angewandten Methode. Sehr viele der vom Verf. in der Versuchsperson hervorgerufenen Erlebnisse haben kaum noch den Anspruch darauf, als Urteile bezeichnet zu werden. Es handelt sich hier vielmehr um rein assoziative Vorg\u00e4nge, wie bei einfachen Rechenaufgaben und Fragen aus dem allt\u00e4glichen Leben, deren Beantwortung infolge der \u00dcbung und Gew\u00f6hnung ohne eigentliche Urteilst\u00e4tigkeit, rein mechanisch abzulaufen vermag. Bei einer anderen Reihe von Urteilen ist zwar eine solche T\u00e4tigkeit notwendig, aber ist sie ein- oder einigemal erfolgt, so haftet das Resultat dauernd im Ged\u00e4chtnis und wird gegebenen Falls nur als Ged\u00e4chtnisbild reproduziert, ohne dafs eine eigentliche Urteilst\u00e4tigkeit dazu n\u00f6tig w\u00e4re. Als Beispiel sei die Frage erw\u00e4hnt: Wer ist gr\u00f6fser, Goethe oder Schiller? Ist man sich erst einmal dar\u00fcber klar geworden, so erfolgt die Antwort auf diese Frage durch reine Reproduktion.\nWenn auch zuzugeben ist, dafs in allen diesen Erlebnissen Urteile bis zu einem gewissen Grade anzutreffen sind, so sind sie doch durch allt\u00e4gliches Vorkommen so abgeschliffen und in ihrem eigentlichen Wesen so verwischt, dafs sie uns als Urteile kaum noch zum Bewufstsein kommen, f\u00fcr eine Urteilsanalyse daher v\u00f6llig ungeeignet sind.\nDazu kommt, dafs Verf. sich eine richtige L\u00f6sung des Problems durch seine Fragestellung selbst versperrt hat. Verf. fragt nach den begleitenden Erlebnissen, welche etwa zu den zu Urteilen werdenden Bewufstseinsvor-g\u00e4ngen hinzukommen, und zieht aus dem Fehlen solcher Begleiterscheinungen das oben erw\u00e4hnte Resultat. Aber es w\u00e4re doch m\u00f6glich, dafs das spezifisch urteilsm\u00e4fsige nicht in neuen Bewufstseinsinhalten best\u00fcnde, die zu den Wahrnehmungen hinzutreten, sondern dafs die Wahrnehmungen, wenn sie zu Urteilen werden, selbst dadurch ver\u00e4ndert werden und eine andere Bedeutung in unserem Bewufstsein einnehmen. Es w\u00e4re also m\u00f6g-","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n395\nlieh, dais inhaltlich nichts Neues hinzukommt, und nur der schon vorhandene Wahrnehmungsinhalt ver\u00e4ndert wird. Alsdann k\u00f6nnten die vom Verf. angestellten Experimente freilich kein positives Resultat ergeben. Dafs nun die Versuchspersonen von einer eventuellen Ver\u00e4nderung des Wahrnehmungsinhaltes nichts angegeben haben, erkl\u00e4rt sich damit, dafs wir \u00fcberhaupt kaum in die Lage kommen, nur wahrzunehmen, dafs in allen unseren Wahrnehmungen Urteile vorhanden sind, dafs andererseits, wie bereits erw\u00e4hnt, unsere Urteile leicht zu blofs assoziativen Vorstellungsverbindungen herabsinken. Daher tritt das spezifisch Urteils-m\u00e4fsige als immer, aber niemals sehr deutlich vorhanden, gegen\u00fcber dem wechselnden Wahrnehmungsinhalt, leicht zur\u00fcck; dieser wird daher deutlicher als jener im Bewufstsein haften, uns bei einer nachtr\u00e4glichen Schilderung, besonders wenn sie, wie in vorliegenden Experimenten rasch und auf Befehl erfolgen mufs, vorwiegend ber\u00fccksichtigt werden. \u2014 Urteile sind, so meint der Verf., Erlebnisse, auf die sich die Pr\u00e4dikate richtig oder falsch sinngem\u00e4fs anwenden lassen; auf blofse Wahrnehmungen diese Pr\u00e4dikate anzuwenden, ist offenbar Unsinn, ein Sinneseindruck, eine Vorstellung als solche ist weder wahr noch falsch, sie ist. Also mufs doch, wenn ich diese Pr\u00e4dikate sinngem\u00e4fs anwenden darf, die blofse Wahrnehmung sich irgend wie ge\u00e4ndert haben, es mufs etwas anderes aus ihr geworden sein. Verf. sieht dies darin, dafs vom Urteilenden eine \u00dcbereinstimmung zwischen Vorstellung und Gegenstand beabsichtigt ist. Wenn aber eine \u00dcbereinstimmung beabsichtigt ist, so m\u00fcssen die Vorstellungen ausgew\u00e4hlt werden, um die Absicht zu verwirklichen; denn mit einem Gegenst\u00e4nde assoziieren sich viele Vorstellungen, aber f\u00fcrs Urteil k\u00f6nnen nur die in Betracht kommen, die zu einer \u00dcbereinstimmung mit ihm f\u00fchren. Diese Auswahl mufs doch schliefslich gesetzm\u00e4fsig erfolgen; und mag es nun ein Assoziationsvorgang oder Apperzeptionsvorgang sein, mag er sich als Analyse oder Synthese auffassen lassen, jedenfalls liegen hier Be-wufstseinsvorg\u00e4nge vor, die allein dem Urteil zukommen und die n\u00e4her zu erforschen, Aufgabe der Psychologie sein mufs.\nWenn ich urteile, so erlebe ich mich als t\u00e4tig, im Gegensatz zu den sich mir aufdr\u00e4ngenden Wahrnehmungen, die ich passiv hinnehmen mufs. Diese T\u00e4tigkeit besteht, wie Verf. meint, in der Absicht der \u00dcbereinstimmung zwischen Objekt und Vorstellung; aber diese Absicht braucht nicht zum Bewufstsein zu kommen. Ein Maler malt z. B. eine Stelle seines Bildes, so meint Verf., zuerst zu dunkel, um sie nachher heller zu \u00fcbermalen, ohne sich beim Malen dieser Absicht klar zu sein. Sagt man ihm aber, diese Stelle ist ja zu dunkel, dann wird er antworten: ich habe das absichtlich so gemalt. Das heilst doch aber, im Augenblick, wo er seine Aufmerksamkeit auf sein Handeln richtet, wird er sich seiner Absicht be-wufst; nur im Verlaufe der T\u00e4tigkeit tritt dieses Bewufstsein zur\u00fcck. \u00c4hnlich das Urteil: es mufs einer bewufsten Absicht entspringen, beim Urteilen selbst tritt sie gegen\u00fcber dem Inhalt zur\u00fcck, mufs aber wieder bewufst werden, sobald die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet wird. Wieso nun das Bewufstsein der T\u00e4tigkeit und Absicht zeitweise zur\u00fccktreten kann, was daf\u00fcr an seine Stelle tritt, das alles zu erforschen, ist ebenfalls Aufgabe der Psychologie.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"Li fera turberich t.\nOb nun freilich ein Urteil richtig oder falsch ist, das kann die Psychologie nie feststellen, das ist Sache der Logik.\nAber mit dem Augenblicke, wo die Frage nach der Richtigkeit aufgeworfen werden kann, hat sich das Urteil gleichsam vom Subjekt losgel\u00f6st und Selbst\u00e4ndigkeit gewonnen, als fertiges Gebilde steht es vor uns und wird auf seine Berechtigung und seinen Erkenntniswert gepr\u00fcft. Aber ehe es dazu kommen konnte, hat es im Bewufstsein des Urteilenden eine Entwicklungsreihe durchlaufen, und hat einen wesentlichen Bestandteil seines psychischen Lebens gebildet. Dies alles hat die Psychologie zu ergr\u00fcnden ; freilich ist dies nicht leicht, und die Lehre vom Urteil geh\u00f6rt zu ihren schwierigsten Problemen ; aber einige Experimente, die nicht einmal den Kern der Sache treffen, werden es, wie Ref. zu zeigen versucht hat, nicht l\u00f6sen.\nZum Schlufs noch eines: Wollte man das Urteil der Psychologie entziehen, weil es eine fundamentale Rolle in der Logik spielt, so w\u00e4re dies dasselbe, als wenn man, um einen \u00e4hnlichen Vergleich wie der Verf. zu gebrauchen, den Zucker aus der Chemie verbannen wollte, weil er in der Lehre von den N\u00e4hrstoffen des Menschen eine wichtige Bedeutung hat.\nSchliefslich geh\u00f6rt die physiologische Chemie doch nun einmal in die Chemie, aber die in ihr behandelten K\u00f6rper unterscheiden sich in ihrem Verhalten doch wesentlich von anderen chemischen K\u00f6rpern, ihr Aggregatzustand ist anders, wie der der meisten anderen, ihre Struktur etc. ; sie unterscheiden sich von ihnen, wie sich auf psychischem Gebiete Urteile von anderen Bewufstseinsvorg\u00e4ngen unterscheiden. Wie nun aber die Eiweifsk\u00f6rper ebensogut Gegenstand der Chemie sind, wie die Metalle, so mufs auch immer das Urteil als psychisches Erlebnis von der Psychologie behandelt werden.\tMoskiewicz (Breslau).\nC. B\u00f6s. Du plaisir de la douleur. Rev. philos. 54 (7), 60\u201474. 1902.\nAusgeschlossen werden von vornherein diejenigen F\u00e4lle, wo ein Individuum infolge von individuellen Dispositionen da Vergn\u00fcgen empfindet, wo wir Schmerz empfinden. So z. B. ist f\u00fcr den Hysterischen eine Schmerzempfindung etwas Angenehmes, weil dieselbe ihn von seiner Unempfindlichkeit befreit. Desgleichen sind diejenigen F\u00e4lle auszuschliefsen, wo jemand zugleich weint und lacht.\nZum Verst\u00e4ndnis des vorliegenden Problems schickt Verf. einiges voraus: Unmerkliche \u00dcberg\u00e4nge f\u00fchren vom Vergn\u00fcgen zum Schmerz. Dasselbe seelische Ereignis, welches von einem Gesichtspunkte aus schmerzlich ist, verschafft uns vom anderen Gesichtspunkte aus ein Vergn\u00fcgen, welches aus seinem schmerzhaften Charakter hervorgeht. Dem Schmerz \u00fcber das Vergn\u00fcgen begegnet man seltener, n\u00e4mlich nur in den kompliziertesten F\u00e4llen des moralischen Vergn\u00fcgens. Das Vergn\u00fcgen ist viel hinf\u00e4lliger als der Schmerz, dem Indifferenzpunkte n\u00e4her. Der Schmerz schreibt sich viel tiefer in unser Bewufstsein ein als das Vergn\u00fcgen. Das Vergn\u00fcgen ist eine Art Luxus, unwichtig, \u00fcberfl\u00fcssig. Diejenigen Theorien haben Recht, welche das Vergn\u00fcgen einen negativen Zustand","page":396}],"identifier":"lit33061","issued":"1903","language":"de","pages":"392-396","startpages":"392","title":"K. Marbe: Experimentell-psychologische Untersuchungen \u00fcber das Urteil. Eine Einleitung in die Logik. Leipzig, Engelmann, 1901. 103 S.","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:32:38.108594+00:00"}