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{"created":"2022-01-31T16:11:20.974551+00:00","id":"lit33063","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Moskiewicz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 397-398","fulltext":[{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turb er ich t.\nnennen. Erf\u00e4hrt das Individuum eine Unterdr\u00fcckung, so verschwindet das Vergn\u00fcgen zuerst.\nAlle Personen, welche Vergn\u00fcgen am Schmerz empfinden, sind deprimierte, hei denen die F\u00e4higkeit, Vergn\u00fcgen zu empfinden, mehr oder weniger geschwunden ist, ebenso wie die F\u00e4higkeit, Schmerz zu empfinden, erhalten geblieben ist. Zu diesen Erscheinungen geh\u00f6rt das Vergn\u00fcgen .am eigenen Leiden. Dies erkl\u00e4rt sich durch drei Umst\u00e4nde: 1. Der Schmerz, welcher mit dem vergangenen Vergn\u00fcgen kontrastiert, belebt das Vergn\u00fcgen von neuem, welches die Gewohnheit zu ersticken drohte. 2. Der voraufgehende Schmerz verst\u00e4rkt den positiven Charakter des Vergn\u00fcgens, welches ohne ihn nicht lebhaft genug gewesen w\u00e4re, um den indifferenten Zustand zu \u00fcberschreiten. 3. Der Schmerz erh\u00f6ht momentan das erh\u00f6hte Niveau der Sensibilit\u00e4t. Der Mensch f\u00fchlt lieber Schmerz, ehe er gar nichts f\u00fchlt.\nEs gibt verschiedene Arten von Schmerz, denen man sich nicht anders akkommodieren kann, als dafs man sich an sie gew\u00f6hnt. Von der Gewohnheit bis zum Vergn\u00fcgen ist aber nur ein Schritt. Der Schmerz, welcher ein Bed\u00fcrfnis befriedigt, ist ein Vergn\u00fcgen. In diesem Sinne ist sehliefslich auch das Sterbenwollen ein Triumph, als Sieg \u00fcber das Leben.\nGiessler (Erfurt).\nErnst Jentsch. Die Laune. Eine \u00e4rztlich-psychologische Studie. Wiesbaden, Bergmann, 1902. 60 S. Auch: Grenz fragen des Nerven- u. Seelenlebens (15.)\nLaune ist etwas, so bemerkt der Verf. mit Recht gleich am Anf\u00e4nge seiner interessanten Abhandlung, das eigentlich nicht zu sein brauchte. Wir vermissen sie nicht, wenn wir sie bei jemandem nicht antreffen, und wir sind auch nicht sehr \u00fcberrascht, wenn wir sie irgendwo finden. Von Laune sprechen wir im gew\u00f6hnlichen Leben meist dann, wenn wir nicht imstande sind, die launenhaften Erscheinungen gen\u00fcgend zu motivieren, wenn sie aus dem eigentlichen Wesen des betreffenden Individuums herausfallen, ohne jedoch dieses dabei zu ver\u00e4ndern. Je mehr wir eine Handlung verstehen, um so weniger schreiben wir sie der Laune zu; daher wollen wir uns selbst, die wir doch die Ursachen unserer Handlungen relativ gut kennen, nur wenig oder gar keine Launen zuerkennen; daher erleben wir oft, dafs wir uns so lange \u00fcber jemandes Verhalten wundern, bis wfir selbst einmal in dieselbe Lage versetzt, ebenso handeln und die Notwendigkeit gerade solchen Handelns einsehen, und daher von Willk\u00fcrlichem, Launenhaftem nicht mehr reden d\u00fcrfen. Die Laune zeigt sich in den verschiedensten Formen. Bald ist sie so gering, dafs sie uns fast v\u00f6llig entgeht, bald steht sie so im Vordergr\u00fcnde, dafs sie das Wesen der Person v\u00f6llig zu bilden scheint. Bald haben wir etwas Mutwilliges, Kraftstrotzendes, bald etwas Geknicktes, Schw\u00e4chliches, bald etwas Heiteres, G\u00fctiges, bald etwas Trauriges, Verbittertes f\u00fcr uns. Bald erscheint uns die Laune als freundliches Geschenk, dafs dem Menschen gegeben ist, bald als grausame Qual, unter der er leiden mufs.\nSo erh\u00e4lt die Laune sehliefslich den Charakter eines psychischen Grenzzustandes, der sowohl zum normalen, wie zum kranken Seelenleben geh\u00f6ren kann. Freilich sind die psychischen St\u00f6rungen nur geringf\u00fcgiger","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nLiteraturbericht.\nArt, sie ver\u00e4ndern das Wesen der Pers\u00f6nlichkeit nicht, aber oft findet der Arzt schon tieferliegende Abnormit\u00e4ten, wo der Laie nur von Laune spricht. So k\u00f6nnen wir denn unter Laune im weitesten Sinne verstehen: \u201eGeringf\u00fcgige Anomalien psychischer Vorg\u00e4nge oder ebensolche Ausfallserscheinungen von unbetr\u00e4chtlicher Tragweite, deren psychologisches Verst\u00e4ndnis mit unserer Erfahrung nicht oder nicht vollst\u00e4ndig vereinbar ist.\u201c\nVerf. spricht sodann von der Laune als Stimmungshintergrund, d. h. einer eigent\u00fcmlichen Stimmung, einer bestimmten Gef\u00fchlsqualit\u00e4t, in der sich manche Personen \u00fcberwiegend befinden, in die sie zur\u00fcckkehren, sobald sie durch \u00e4ufsere Einfl\u00fcsse aus ihr entfernt werden.\nEine andere Form der Laune ist der rasche und h\u00e4ufige Stimmungswechsel, der sich h\u00e4ufig bei neuro- und psychopathisch veranlagten Individuen vorfindet.\nLen Schluls bilden Ratschl\u00e4ge zur Abhilfe der Laune, die ja in den meisten F\u00e4llen f\u00fcr die betreffende Person eine reiche Quelle von Unlust und Arger ist. Ganz zu verwerfen sind die oft empfohlenen Mittel, durch Ironie, Spott, Sarkasmus, bei Kindern durch Pr\u00fcgel die Laune zu beeinflussen. Man w\u00fcrde nur ein Unlustgef\u00fchl durch ein anderes verdr\u00e4ngen.\nAm meisten kann eine sachgem\u00e4fse Erziehung erreichen, die freilich die neuropathische Disposition, die wesentlichste Ursache der Laune, nicht beeinflussen kann.\nEs ist unm\u00f6glich, hier auf die F\u00fclle feiner Beobachtungen dieses Buches einzugehen, sie m\u00fcssen im Original nachgelesen werden.\nMoskiewicz (Breslau).\nJames Sully. Les th\u00e9ories du risible. Bev. philos. 5J (8), 113\u2014139. 1902.\nVerf. unterscheidet zwei Gruppen von Theorien \u00fcber das L\u00e4cherliche: Vach der ersten besteht die geheime Kraft des L\u00e4cherlichen in irgend etwas Unw\u00fcrdigem und Untergradigem, das wir am Objekt wahrnehmen. S. nennt diese Theorie die moralische. So bietet uns nach Aristoteles die Kom\u00f6die eine Nachahmung der Charaktere von inferiorem Typus : Das L\u00e4cherliche ist eine Unterabteilung des H\u00e4fslichen und besteht in irgend welcher Deformit\u00e4t, welche jedoch mit dem Schmerzhaften und Verderblichen nichts zu tun hat. Die Ansicht von Hobbes, dais noch das Gef\u00fchl der eigenen Superiorit\u00e4t hinzukommen m\u00fcsse, wird als auf viele F\u00e4lle nicht anwendbar verworfen. A. Bain f\u00fchrt das Lachen zur\u00fcck auf die Degradierung von irgend welcher Person oder von irgend welchem Interesse, welche f\u00fcr hoch gehalten werden unter Umst\u00e4nden, welche keine andere heftige Emotion erregen. Auch an dieser Theorie macht Verf. mannigfache Ausstellungen. \u2014 Der zweite Typus von Theorien \u00fcber das L\u00e4cherliche sucht den Grund daf\u00fcr in einem partiellen Effekt, welcher in unserem intellektuellen Mechanismus hervorgebracht wird, z. B. in der Negation dessen, was wir zu erwarten berechtigt waren. Der erste Repr\u00e4sentant dieser Theorie ist Kant. Nach Sully reizt jedoch z. B. das Bizarre, das beste Beispiel f\u00fcr die KANTsche Theorie, nicht deshalb zum Lachen, weil unsere Erwartung unterdr\u00fcckt wird, sondern als \u201eangenehme Neuigkeit\u201c. Er h\u00e4lt daher diese Theorie f\u00fcr ungen\u00fcgend. Nach Schopenhauer hat unser Lachen seinen Ursprung in einem Kontrast zwischen der","page":398}],"identifier":"lit33063","issued":"1903","language":"de","pages":"397-398","startpages":"397","title":"Ernst Jentsch: Die Laune. Eine \u00e4rztlich-psychologische Studie. Wiesbaden, Bergmann, 1902. 60 S. Auch: Grenzfragen des Nerven- u. Seelenlebens (15.)","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:11:20.974557+00:00"}