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{"created":"2022-01-31T16:31:27.470760+00:00","id":"lit33076","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Piper, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 33: 470-472","fulltext":[{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nLiteraturbericht.\nsclien Versuche, alle chemischen Analysen nur wenig das Kausalbed\u00fcrfnis des Psychiaters im Grunde befriedigen. Am Seziertische und beim Aufbau von Systemen m\u00f6gen sie ein Kraftwort mitsprechen; bei Bestimmung der \u00c4tiologie sind sie auch ziemlich wertlos, da wir immer vor der Schwierigkeit stehen: erkennbare materielle Vorg\u00e4nge mit unbekannten psychischen Erscheinungen in Zusammenhang bringen zu m\u00fcssen. Begriffe wie \u201eEntartung, Degeneration, psychopathische Belastung\u201c sind nur Schlagworte, hinter denen sich wieder ganz un\u00fcbersichtliche Tatsachen verstecken.\nWenn es gilt abzusch\u00e4tzen, inwieweit die Wissenschaft der Psychologie die Erkenntnis in der Psychiatrie bef\u00f6rdern kann, so mufs zuerst entschieden werden, ob im normalen menschlichen Leben eine psychische Kausalit\u00e4t besteht, die wissenschaftlicher Erkenntnis zug\u00e4nglich ist. Sollten wir hier dann bestimmte Gesetze finden, so ergibt sich als weitere Frage, ob diese Gesetze auch auf den \u201eGeisteskranken\u201c anwendbar sind. Wenn es auch sicher ist, dafs die experimentelle Psychologie im Vereine mit Selbstbeobachtung und vielleicht auch mit V\u00f6lkerpsychologie uns gesetzm\u00e4fsige Vorg\u00e4nge, bestimmte Verkn\u00fcpfungen und Abh\u00e4ngigkeiten auch im geistigen Geschehen geoffenbart hat, so erscheint doch die theoretische M\u00f6glichkeit der Erkenntnis psychischer Kausalit\u00e4t gering. Wohl k\u00f6nnen die Bewufstseinserscheinungen einer wissenschaftlichen Erforschung zug\u00e4nglich sein, damit aber noch nicht einer Erkenntnis.\nWenn wir die sp\u00e4rlichen Kenntnisse, die wir am normalen Menschen gesammelt haben, in der Psychiatrie verwerten wollen, so stofsen wir einstweilen noch auf grofse Schwierigkeiten. Die abnormen \u00c4ufserungen psychischer Vorg\u00e4nge bed\u00fcrfen erst noch einer weitgehendsten Zusammenfassung und Analyse, um dem Verst\u00e4ndnis und Untersuchung zug\u00e4nglich zu sein.\nUm es kurz zusammenzufassen : alle Wege, die sich darbieten, f\u00fchren gar nicht weit und die Aussicht, eines weiteren Ausbaues, ist auch nicht grofs. Die pessimistisch gef\u00e4rbte Zusammenfassung veranlafst Verf. zur Mahnung, nicht unn\u00fctz -\u2014 um im Bilde zu bleiben -\u2014 sich auf \u201eHolzwegen\u201c abzum\u00fchen. In der objektiven Sammlung und Ordnung von Tatsachen soll die Psychiatrie einstweilen ihr Hauptziel erblicken und engeren An-schlufs, als wie bisher geschehen, an die wissenschaftliche Psychologie suchen.\tMerzbacher (Freiburg i. B.).\nG. H. Parker. Hearing and Allied Senses in Fislies. Contributions from the Biological Laboratory of the U. 8. Fish - Commission, Woods Hole, Massachusetts. U. S. Fish Commision Bulletin 1902, 45\u201464.\nDurch eine Reihe sorgf\u00e4ltiger und vielfach variierter Experimente, bei welchen Fundulus heteroclitus als Versuchstier diente, wurde \u00fcber den Geh\u00f6rssinn der Fische und \u00fcber die Funktion der Seitenlinienorgane Auf-schlufs gesucht, bekanntlich Probleme, welche zu einer grofsen Zahl von Untersuchungen bereits Anlafs gegeben und eine fast ebenso grofse Zahl sich widersprechender Antworten gefunden haben. Da die Schallwellen aus der Luft gar nicht oder in \u00e4ufserstem Mafse geschw\u00e4cht ins Wasser","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n471\n\u00fcbergehen, war es geboten, das schallerzengende Instrument unmittelbar mit dem Wasser in Kontakt zu bringen; Pauker ersetzte also eine Wand seines gl\u00e4sernen Aquariums durch ein Brett und montierte auf diesem in geeigneter Weise eine Violinsaite von 40 Schwingungen pro Sekunde, deren Vibrationen sich jetzt durch das Brett direkt auf das Wasser \u00fcbertrugen. Die Beobachtung nicht operierter Fische lehrte, dafs dieselben auf\u2019 so applizierte Schallreize prompt und in charakteristischer Weise reagierten, n\u00e4mlich je nach der Intensit\u00e4t der Erregung durch leichte Bewegung der Brustflossen, durch Beschleunigung des Kiemenschlagrhythmus, durch Bewegungen der Schwanzflosse oder endlich gar durch schnellende Lokomotion. Es fragte sich jetzt, ob es sich um eine Erregung des Geh\u00f6rorganes durch Schallwellen oder der Haut und der Seitenlinienorgane durch die mechanischen Wasservibrationen handelte. Nach Exstirpation des Labyrinths oder des Otholitensackes mit Durchschneidung des Nervus acusticus ergab sich nur, dafs die s\u00e4mtlichen obengenannten Reaktionen ausblieben; zugleich entwickelten sich in bekannter Weise die Orientierungs- und Bewegungsst\u00f6rungen und es trat eine eigent\u00fcmliche blasse Verf\u00e4rbung der Haut auf.\nBei weiteren Versuchen wTurde das Labyrinth intakt gelassen, dagegen wurden der V. und VII. Hirnnerv und der Ramus lateralis vagi reseziert, ferner wurde das R\u00fcckenmark etwa zwischen 4. und 5. Wirbel durchschnitten. Die Fische reagierten durch Flossenbewegungen und Respirationsbeschleunigung in typischer Weise beim Erklingen der Saite. Parker schliefst aus diesen Ergebnissen, dafs der von ihm untersuchte Fisch vermittels seines Geh\u00f6rorgans auf Schallreize reagiert, dafs er also \u201eh\u00f6rt\u201c und nicht etwa nur durch taktile Wahrnehmung der St\u00f6fse der Wellen etc. von den vibratorischen Vorg\u00e4ngen im Wasser sich unterrichtet.\nImmerhin aber zeigte sich auch bei labyrinthlosen Tieren bei sehr grofsen Amplituden der Saitenschwingungen, welche das ganze Aquarium ersch\u00fctterten, hier und da deutliche Reaktion durch Flossenbewegung etc. An diese Erscheinung ankn\u00fcpfend, suchte Parker jetzt festzustellen, ob die Ursache etwa in der mechanischen Erregbarkeit der Seitenlinienorgane durch leichte Wasserbewegungen zu suchen sei. Beim schallosen Stofs gegen das Aquarium, durch den das Wasser mehr oder weniger in Bewegung gebracht wurde, reagierten die oberfl\u00e4chlich schwimmenden Fische \u00e4ufserst prompt durch blitzschnelles Untertauchen und P. fragte sich jetzt, ob sich dieses Ph\u00e4nomen vielleicht als Reflex auf die Erregung der Seitenlinienorgane abspiele. Es ergab sich in der Tat, dafs derselbe bei Tieren, denen der V. und VII. Hirnnerv und der Ramus lateralis vagi ausgeschaltet war, vollst\u00e4ndig fehlte. Wohl aber reagierten auch diese Fische im Bereich der oberfl\u00e4chlichen Wasserwellen und bei Erzeugung von schnelleren Wasserstr\u00f6mungen, eine Erscheinung, welche P. als durch sensible Hautnerven spinaler Herkunft ausgel\u00f6st auffafst. P. kommt also zu der Ansicht, dafs geringe Massenbewegung des Wassers, die durch vibratorische oder nichtvibratorische Vorg\u00e4nge erzeugt sein mag, als ad\u00e4quater Reiz der Seitenorgane, grobe Wellen aber der Wasseroberfl\u00e4che als Erreger der spinalen Hautnerven zu gelten haben. Wenn die Schwingungen der Saite das Ohr reizen, so tun sie es in ihrer","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nLiteratur bericht.\nEigenschaft als Schallwellen, wenn sie die Seitenorgane (hei grofser Amplitude) reizen, so liegt dem eine gleichzeitig ablaufende Massenbewegung des Wassers zugrunde.\tH. Piper (Berlin).\nJ. v. Uexk\u00fcll. Im Kampfe um die Tierseele. Sep.-Abdr. aus Ergebnisse der Physiologie, II. Abt., hrsg. von L. Asher u. K. Spiro. Wiesbaden, Berg' mann, 1902. 24 S.\nNach einer eingehenden Darlegung seines erkenntnistheoretischen Standpunktes kommt Verfasser zu dem Resultat, dafs in betreff der Tierpsyche keine Erfahrung m\u00f6glich sei, und stellt dann eine Art Programm f\u00fcr die vergleichend physiologische Erforschung der Funktionen des nerv\u00f6sen Zentralorganes auf.\nDafs selbst die genaueste Kenntnis der materiellen Gehirnprozesse uns an und f\u00fcr sich keinen Aufschlufs \u00fcber die sie begleitenden seelischen Zust\u00e4nde bringt und dafs wir von unserer eigenen Psyche um so weniger auf die eines Tieres schliefsen d\u00fcrfen, je weiter dasselbe im zoologischen System von uns entfernt ist, wird man gewifs zugeben. Wenn aber v. Uexkull deshalb, wie es scheint, jede vergleichend psychologische Forschung f\u00fcr eine wissenschaftlich nutzlose Spielerei h\u00e4lt, so betrachtet er die Tierwelt doch wohl zu ausschliefslich vom physiologischen Standpunkt. Ist denn wirklich die \u201eeben emporwachsende vergleichende Physiologie ein Todfeind der gesamten vergleichenden Psychologie\u201c ? Dann m\u00fcfsten ja die menschliche Psychologie einerseits und die Anatomie, Physiologie und Pathologie unseres Zentralnervensystems andererseits erst recht Gegner sein, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit Wissenschaften sind, die sich nur teilweise ber\u00fchren und, wro es der Fall ist, ihrem Wesen und Zweck nach eher geeignet erscheinen, sich zu unterst\u00fctzen als einander zu negieren. Freilich weifs niemand, ob seine Mitmenschen oder irgend welche Tiere unter den gleichen Umst\u00e4nden auch die gleichen Empfindungen haben wie er selbst. Wenn aber trotzdem eine Psychologie des Menschen existiert, warum sollen dann jegliche Erfahrungen \u00fcber die auch vom Verf. nicht geleugneten Empfindungen, Erinnerungen, Affekte der Tiere ausgeschlossen sein? Man kann ihre M\u00f6glichkeit mit demselben Rechte behaupten wie v. Uexk\u00fcll das Gegenteil. Abstrakte Er\u00f6rterungen hier\u00fcber scheinen indessen dem Ref. \u00fcberhaupt wenig wertvoll. Man stelle konkrete Fragen, suche sie wissenschaftlich exakt zu beantworten und lasse den Erfolg dar\u00fcber entscheiden, ob oder wie weit die Tierpsychologie berechtigt ist.\nDie speziell die Biologie betreffenden Auseinandersetzungen enthalten nichts wesentlich Neues.\tSchaefer (Berlin).","page":472}],"identifier":"lit33076","issued":"1903","language":"de","pages":"470-472","startpages":"470","title":"G. H. Parker: Hearing and Allied Senses in Fishes. Contributions from the Biological Laboratory of the U. S. Fish-Commission, Woods Hole, Massachusetts. U. S. Fish Commission Bulletin 1902, 45-64","type":"Journal Article","volume":"33"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:31:27.470766+00:00"}