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{"created":"2022-01-31T16:30:20.630627+00:00","id":"lit33130","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 29: 134-137","fulltext":[{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nLi teraturberich t.\nm\u00f6glichst nahe bringt\u201c (3., 477 u. 489). Im Kieler physiologischen Institute wird seit Jahren an Wellenkranzscheiben sowohl mit jenen Anblaset\u00f6nen, als mit den zuletzt erw\u00e4hnten Luft-Anschlagst\u00f6nen gearbeitet. Ich bin erm\u00e4chtigt mitzutheilen, dais in Kurzem eine darauf bez\u00fcgliche Untersuchung Hensen\u2019s ver\u00f6ffentlicht werden wird.\tKrueger (Kiel).\nD. P. H\u00e4nig. Zar Psychophysik des Geschmackssinnes. Philos. Studien 17 (4),\n576\u2014623. 1901.\nDie vorliegende, aus Wundt\u2019s Institut hervorgegangene Arbeit ist eine theilweise Weiterf\u00fchrung der Arbeiten, die ich selbst dort einst ausf\u00fchrte und in den Philos. Stud. (10 ff.) ver\u00f6ffentlicht habe. Die Arbeit wurde an sieben Versuchspersonen bei unwissentlichem Verfahren im iUlgemeinen nach fast der gleichen Methode durchgef\u00fchrt, die ich selbst verwandte, nur dafs der Verf. in Anbetracht der minimalen Schmeckfl\u00e4chen, die zu untersuchen waren, f\u00fcr die Application der Schmecksubstanzen statt Tropfr\u00f6hrchen geeignete Haarpinsel verwandte. Als eigentliches Ziel seiner Arbeit betrachtet der Verf.: \u201eErmittelung der Keizschwellen an allen perceptionsf\u00e4higen Punkten des schmeckenden Organs f\u00fcr jede specifische Geschmacksqualit\u00e4t.\u201c Daneben ergaben sich weitere Fragen, wie die genaue Feststellung der r\u00e4umlichen Ausbreitung des Geschmacksorgans bei jeder einzelnen Versuchsperson u. A. Hiernach gliedert sich die Arbeit in folgende Theile :\nI.\tBeschreibung der Versuchsanordnung.\nII.\tErmittelung der geschmackempfindenden Theile des Mundraums.\nIII.\tDas Qualit\u00e4tensystem des Geschmackssinnes.\nIV.\tDie Intensit\u00e4t der Empfindung.\nV.\tBeleuchtung der Ergebnisse vom Standpunkte der Entwickelungsgeschichte und der mikroskopischen Anatomie.\nSoweit die Versuchsanordnung in Betracht kommt, wurde schon erw\u00e4hnt, dafs dieselbe nicht wesentlich von der meinigen abweicht. Ebenso gelangt der Verf. in der Frage nach der r\u00e4umlichen Verbreitung der Schmeckf\u00e4higkeit im Mundraume im Wesentlichen zu durchaus gleichen Resultaten. Die Schmeckfl\u00e4chen des Mundraumes sind nach H\u00e4nig bei Erwachsenen ebenfalls : Die Zungenoberfl\u00e4che mit Anschlufs der Zungenmitte, der weiche Gaumen, das Velum palatinum, die Uvula, der vordere Gaumenbogen und die Tonsillen. Auf der Unterfl\u00e4che der Zungenspitze, wie auf der Wangenschleimhaut und dem harten Gaumen fand der Verf. keinen Geschmack. Es d\u00fcrfte hinzuzuf\u00fcgen sein, dafs die Geschmacksempfindlichkeit der Wangenschleimhaut bisher nur von Urbantschitsch an Kindern und hier nicht immer gefunden wurde. \u2014 Was die Schmeckf\u00e4higkeit der hinteren Mundtheile betrifft, so wurden hier\u00fcber von mir nach neuen Methoden weitere Erfahrungen gesammelt, die ich bereits in dieser Zeitschrift (26, S. 383 ff., mit R. Hahn) ver\u00f6ffentlicht habe. Diese Arbeit, die der Verf. wohl nicht mehr ber\u00fccksichtigen konnte, f\u00fchrte mich zu zum Theil anderen Ergebnissen, Obwohl nun diese Mittheilungen kaum Zweifel zulassen d\u00fcrften, so habe ich dennoch, um in dieser noch nicht v\u00f6llig gekl\u00e4rten Frage zu einer absoluten Entscheidung zu gelangen, diese","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turberich t.\n135\nMundtheile aufserdem nochmals einer mikroskopischen Bearbeitung unterworfen. Ueber diese Ergebnisse hoffe ich noch im Laufe dieses Jahres berichten zu k\u00f6nnen.\nUeber die Qualit\u00e4ten des Geschmackssinnes \u00e4ufsert sich der Verf. dahin, dafs er mit mir und Anderen das S\u00fcfse, Salzige, Saure und Bittere als selbst\u00e4ndige Geschmacksqualit\u00e4ten anerkennt. Gegen\u00fcber der Anschauung derer, welche Salzig und Sauer aus der Reihe der Geschmacksempfindungen ausscheiden wollen, verweist der Verf. auf die von mir mehrfach hervorgehobene Thatsache, dafs im Grunde alle Geschmackseindr\u00fccke von Tastsensationen begleitet seien, eine Thatsache, die er durch eigene Beobachtungen voll best\u00e4tigt fand und hebt weiter mit Recht hervor : \u201eWer Salzig und Sauer als specifische Qualit\u00e4ten anzweifelt, m\u00fcfste sich doch auch positiv mit der Thatsache abfinden, dafs unsere subjective Analyse aus Empfin-dungscomplexen unzweideutig Salzig und Sauer als nicht weiter definirbare, qualitativ selbst\u00e4ndige Bewufstseinsinhalte auffafst.\u201c Man k\u00f6nnte noch hinzuf\u00fcgen, dafs man sich auf jener Seite auch mit der Thatsache abzufinden h\u00e4tte, dafs die Empfindungen Salzig und Sauer nur an wirklichen Schmeckfl\u00e4chen und nur auf Geschmackspapillen ausl\u00f6sbar sind, sowie mit der anderen, dafs es, wie ich ebenfalls gezeigt habe, durch Anaesthetica gelingt, beispielsweise den sauren Geschmack auf der Zungenspitze zu tilgen, w\u00e4hrend der Tasteindruck oder die begleitende brennende Empfindung intact bleiben k\u00f6nnen.\nVon den Ausf\u00fchrungen des Verf.\u2019s \u00fcber den alkalischen Geschmack ist die Bemerkung interessant, die er \u00fcber das diesen Empfindungscomplex begleitende Totalgef\u00fchl mittheilt. Er schreibt: \u201eEs hat seine ganz bestimmte, jederzeit wiederzuerkennende qualitative F\u00e4rbung; in dieser Gef\u00fchlsbetonung sichert sich wahrscheinlich das Alkalische unter allen Mischungserscheinungen des fraglichen Sinnes in der unmittelbaren Erfahrung eine so hervorragende Selbst\u00e4ndigkeit. Innerhalb des dreidimensionalen Gef\u00fchlssystems wird das alkalische Geschmacksgef\u00fchl seine Stelle finden in der Richtung der Unlust, zugleich aber inclinirt es nach der Seite der Erregung.\u201c Soweit die durch alkalische Substanzen ausgel\u00f6sten Empfindungen in Betracht kommen, d\u00fcrfte der Verf. nicht \u00fcber das hinausgekommen sein, was ich selbst bereits gezeigt habe (Philos. Stud., 10, S. 526), ich habe hier aufserdem noch auf die Geruchscomponente Gewicht gelegt. Es mag mir gestattet sein, hier auf die mit meinem Freund R. H\u00f6beb \u00fcber den Geschmack von Salzen und Laugen (Zeitschr. f. physik. Chemie, 27, S. 4) angestellten Untersuchungen zu verweisen, eine Arbeit, die vom Verf. zwar dankenswTerth erw\u00e4hnt wird, aber ohne dafs auf sie weiter eingegangen wird, und doch meine ich, dafs wir in diesen Versuchen, wenn auch nicht zu ersch\u00f6pfenden, so doch zu mehrfachen ganz bestimmten positiven Angaben gelangt sind.\nWo es sich darum handelt, die einzelnen Geschm\u00e4cke in eine Ordnung zu bringen, d\u00fcrfte man kaum fehl gehen, wenn man den alkalischen Geschmack zwischen Salzig und S\u00fcfs stellt.\nDer metallische Geschmack wird nur gestreift, doch neigt der Verf. zu der, wie mir scheint, richtigen Ansicht, dafs es sich auch hier um einen durch Verschmelzung entstandenen charakteristischen Empfindungscomplex","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nLi ter a turberich t.\nhandelt. Der Verl schliefst dieses Capitel mit einer kurzen Besprechung der Arbeit von W. Sternberg \u201eBeziehungen zwischen dem chemischen Bau der sufs und bitter schmeckenden Substanzen etc\u201c {Arch. f. Phys. u. Anal, phys. Abth. 1898, S. 451) und unter R\u00fccksichtnahme auf meine Arbeiten mit dem Hinweis, dafs ein contrastirendes gesetzm\u00e4\u00dfiges Verh\u00e4ltnifs zwischen S\u00fcfs und Bitter bisher nicht, sondern nur als individuelles Vorkommnifs behauptet worden sei. Mit den Ausf\u00fchrungen des Verf. s gegen\u00fcber dem STERNBEBG\u2019schen Princip stimme ich durchaus voll und ganz uberem, aber ich m\u00f6chte diese Gelegenheit nicht unbenutzt vorubergehen lassen, ohne hervorzuheben, dafs ich in neueren Untersuchungen, die ich \u00fcber den Geschmackscontrast angestellt habe und noch anstelle, auch zwischen den Empfindungen S\u00fcfs und Bitter an einer Anzahl von Personen ein freilich begrenztes Contrastverh\u00e4ltnifs fand, so dafs meine fr\u00fcheren Angaben auch nach dieser Seite hin einer Erweiterung und Corrects bed\u00fcrfen. Ich habe freilich auch jetzt bisher nicht finden k\u00f6nnen, dafs eine indifferente Fl\u00fcssigkeit durch S\u00fcfs oder Bitter nach einer von diesen beiden Empfindungen her\u00fcbergef\u00fchrt wird, aber ich habe gefunden, dafs eine S\u00fcfsempfindung durch eine voraufgehende Bitterempfindung in ihrer Intensit\u00e4t gesteigert werden kann. Von dem Gegentheil habe ich mich bisher nicht \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. In ausf\u00fchrlicheren Mittheilungen werde ich hierauf, wie auch auf Sternberg\u2019s Ausf\u00fchrungen zur\u00fcckkommen.\nVon ganz besonderem Interesse und grofsem Werth ist das 4. Capitel, das die Intensit\u00e4t der Geschmacksempfindungen behandelt. Es ist zugleich das wichtigste und umschliefst den Hauptgegenstand der Untersuchung. Der Verf. geht von den von Oehrwall und mir an einzelnen Papillen, sowie von den von mir \u00fcber Reizschwellenbestimmungen ange-stellten Untersuchungen aus und stellt als Ideal seiner Forschung hin, schliefslich Curven zu gewinnen, die als Isochymen den anschaulichen usdruck einer \u00e4hnlichen Thatsache bilden wie die Isochromen f\u00fcr die Netzhaut (Kirschmann, Hellpach). Liefs sich hier auch nicht eine Feinheit der Untersuchung durchf\u00fchren wie bei der Erforschung des farbigen Sehens m den verschiedenen Netzhautgebieten, so d\u00fcrfte es dem Verf. doch gelungen sein, die Ergebnisse seiner Reizschwellenbestimmung in einem punktuell schematischen Bilde anschaulich graphisch dargestellt zu haben. Fur die \u00fcberaus sorgf\u00e4ltige Durchf\u00fchrung dieser m\u00fchevollen Untersuchung\nwird man dem Verf. und seinen Versuchspersonen zu bleibendem Danke verpflichtet sein.\nDie individuellen Unterschiede im Bau der Zunge konnte der Verf. schliefslich f\u00fcr die Aufnahme seiner Protokolle auf zwei Schemata zur\u00fcckf\u00fchren, auf eine kurze breite und eine l\u00e4nglich schmale Form.\nDie Hauptergebnisse der Untersuchung d\u00fcrften sich folgendermaafsen zusammenfassen lassen :\n1.\t\u201e1. S \u00fcf s wird an allen Punkten der Zungengeschmackszone empfunden, aber in abgestufter Intensit\u00e4t.\n2.\tDas Empfindungsmaximum f\u00fcr S\u00fcfs liegt an der Zungenspitze, das Minimum im Bezirke der Papillae vallatae.\n3.\tDie Perceptionsf\u00e4higkeit f\u00fcr S\u00fcfs nimmt nicht nur beiderseitig von","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n137\nder Spitze aus in der Parallelrichtung zum Zungenrande nach der Basis, sondern auch von der Peripherie in centripetaler Richtung stetig ab.\u201c\nII.\t\u201e1. Bitter wird an allen Punkten der Zungengeschmackszone empfunden, aber in verschiedenen Intensit\u00e4tsgraden.\n2.\tDas physiologisch-peripherische Maximum der Sensibilit\u00e4t f\u00fcr Bitter befindet sich im Bezirke der Pap. vall. und Pap. foliatae, das Minimum an der Zungenspitze und der ihr unmittelbar benachbarten Randgebiete.\n3.\tDie Perceptionsf\u00e4higkeit f\u00fcr Bitter nimmt von der Region der Pap. vall. bis zur Zungenspitze Anfangs pl\u00f6tzlich, dann allm\u00e4hlich ab ; hingegen von der \u00e4ufseren zur inneren Grenze der Geschmackszone verringert sie sich stetig.\u201c\nIII.\t\u201e1. Salz wird an allen Punkten der Zungengeschmackszone empfunden und zwar in ann\u00e4hernd gleicher Intensit\u00e4t.\n2.\tDas Sensibilit\u00e4tsmaximum f\u00fcr Salz liegt an der Zungenspitze und dem vorderen Zungenrande, das Minimum an der Basis.\n3.\tIn centripetaler Richtung bleibt die Perceptionsf\u00e4higkeit von der Spitze und Basis aus ann\u00e4hernd constant bis zur an\u00e4sthetischen Region, nur in den Seitentheilen l\u00e4fst sie merklich nach.\u201c\nIV.\t\u201e1. Sauer wird an allen Stellen der Zungengeschmackszone empfunden, aber in verschiedener Intensit\u00e4t.\n2.\tDas physiologisch-peripherische Maximum der Sauerperception liegt in der Mitte der beiderseitigen Zungenr\u00e4nder, das Minimum im Bezirke der Pap. vall. und an der Zungenspitze\n3.\tDie Sensibilit\u00e4t f\u00fcr Sauer w\u00e4chst auf jeder symmetrischen Zungenh\u00e4lfte von der Spitze aus in paralleler Richtung zur Umgrenzungslinie des Organs bis zur Mitte des Randes und sinkt von da ab allm\u00e4hlich bis zur Basis; ebenso verringert sich die Perceptionsf\u00e4higkeit von der Peripherie in centraler Richtung bis zur an\u00e4sthetischen Zungenmitte.\u201c\nZusammenfassung: \u201e1. Die specifischen Endapparate des Geschmackssinnes beschr\u00e4nken sich beim Erwachsenen auf den Zungenrand.\n2.\tIhre Dichtigkeit ist an der Pheripherie der Schmeckfl\u00e4che am gr\u00f6fsten.\n3.\tNach ihrer functioneilen Differencirung vertheilen sich die peripheren physiologischen Substrate so auf der Zungenoberfl\u00e4che, dafs die s\u00fcfsempfindenden Elemente besonders geh\u00e4uft an der Zungenspitze, die sauerpercipirenden an der Mitte der R\u00e4nder und die f\u00fcr Bitter adaptirten im Bezirke der Tap. vall. auftreten.\nDie einzelnen Resultate sind in Tabellen, schematischen Zeichnungen und Curven \u00fcbersichtlich zusammengestellt. Obwohl der Verf. in den mit so grofser Sorgfalt ausgef\u00fchrten Einzelbestimmungen zu genaueren Werthen gelangte, stimmt das Gesammtergebnifs, wie er auch selbst hervorhebt, mit den von mir gefundenen Resultaten durchaus und auffallend \u00fcberein.\nF\u00fcr die vielfache und freundliche Ber\u00fccksichtigung meiner eigenen Arbeiten f\u00fchle ich mich dem Verf. gegen\u00fcber zu besonderem Danke verpflichtet, den hier auszusprechen, ich nicht verfehlen m\u00f6chte.\nKiesow (Turin).","page":137}],"identifier":"lit33130","issued":"1902","language":"de","pages":"134-137","startpages":"134","title":"D. P. H\u00e4nig: Zur Psychophysik des Geschmackssinnes. Philos. Studien 17 (4), 576-623. 1901","type":"Journal Article","volume":"29"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:30:20.630632+00:00"}