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{"created":"2022-01-31T14:21:55.279955+00:00","id":"lit33139","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Saxinger","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 66-69","fulltext":[{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nLiteraturbericht.\nE. W. Scripture. A Safe Test for Color Vision. Yale Psychol. Ldborat. 8, 1\u201420. 1900.\nDerVerf. sacht zu zeigen, dafs die Methoden, nach welchen gemeinhin an Bewerbern um Steilungen an der Eisenbahn oder in der Marine Farbenpr\u00fcfungen angestellt werden, durchweg unzureichend sind, insofern durch diese Methoden (Wollfarben und Gl\u00e4ser) wohl auffallende Defekte, nicht aber solche geringeren Grades, die aber nichtsdestoweniger schwere Folgen nach sich ziehen k\u00f6nnen, mit Sicherheit festzustellen seien. S. verlangt, dafs solche Pr\u00fcfungen unter Bedingungen ausgef\u00fchrt werden, die sich m\u00f6glichst denen n\u00e4hern, unter welchen die betreffenden Personen in ihrem Dienste Farben zu erkennen haben, dafs die zu beurteilenden Gegenst\u00e4nde denen der Praxis \u00e4hnlich sind, dafs die Farben vom Beobachter genannt und dafs endlich Untersuchungen \u00fcber die F\u00e4higkeit Farben zu unterscheiden angestellt werden. \u2014 Der Verf. schl\u00e4gt f\u00fcr derartige Pr\u00fcfungen einen von ihm konstruierten Apparat vor, den er als \u201eColor Sense Tester\u201c bezeichnet. Das einem Ophthalmoskop \u00e4hnliche Instrument findet sich in der vorliegenden Arbeit in zwei Formen abgebildet und beschrieben. In seiner einfacheren Form besteht der Apparat im wesentlichen aus zwei \u00fcbereinander verschiebbaren und mit Glasfenstern versehenen Scheiben, wodurch f\u00fcr die Farben Rot und Gr\u00fcn im ganzen 36 Verbindungen m\u00f6glich sind. Hierzu kommt noch eine einsetzbare Schlittenvorrichtung, welche sowohl quantitative Bestimmungen nach der DoxDERsschen Methode wie Untersuchungen \u00fcber Defekte zentraler Netzhautstellen zul\u00e4fst. \u2014 In seiner zweiten, komplizierteren Form gestattet der Apparat eine weit gr\u00f6fsere Variation und Kombination von Farben und Helligkeitsgraden.\nDie Arbeit schliefst mit theoretischen Er\u00f6rterungen \u00fcber den Farbensinn und die verschiedenen Grade der Farbenblindheit. Kiesow (Turin).\nMax Wentscher. Ethik. I. Teil. Leipzig, J. A. Barth. 1902. 368 S. M. 8,50.\nDie Aufgabe der Ethik besteht, wie der Verf. in der Einleitung hervorhebt, darin, die Ziele und Ideale eines m\u00f6glichen Wollens aufzustellen, das noch in keiner Erfahrung gegeben ist. Die Ethik sei eine Idealwissenschaft, indem sie ihre Gesetze nicht nachtr\u00e4glich, gleichsam registrierend, sondern als richtunggebend und Ziele weisend f\u00fcr K\u00fcnftiges, M\u00f6gliches aufstelle. Nicht der Pflichtbegriff, sondern der Freiheitsbegriff nehme alles","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberich t.\n67\nInteresse in Anspruch, und die Frage: \u201ewas k\u00f6nnen wir wollen\u201c, bilde das Zentralproblem aller Ethik.\nDas erste Buch der vorliegenden Ethik handelt von dem Gewissen in seiner Entwicklung und Bedeutung. Der Verf. hat bereits in einer fr\u00fcheren Arbeit (\u201eZur Theorie des Gewissens.\u201c Archiv f. systemat. Philosophie 5 (2), 215 ff.) eine Analyse des Gewissens gegeben. Das dort Beigebrachte liegt auch den Ausf\u00fchrungen dieses Buches zu Grunde. Der Verf. unterscheidet an dem Gesamttatbestande, der uns in den Erscheinungen des Gewissens entgegentritt, das formale Moment, das individuelle psychische Erlebnis, den Gewissensvorgang von dem inhaltlichen Moment, dem Gewissensinhalt. Der Verf. er\u00f6rtert zuerst die Vorg\u00e4nge des \u201eguten\u201c und \u201eb\u00f6sen\u201c Gewissens und gelangt zu dem Ergebnis, dafs das Gewissen in seiner allgemeinsten Fassung als Anlage, als eine reale Eigenart der Seele bei allen Menschen vorausgesetzt werden d\u00fcrfe. Sodann wendet sich der Verf. der Untersuchung der verschiedenen Pflichtvorstellungen zu, wie sie sich aus den verschiedenen Quellen im Einzelwesen entwickeln. Die Inhalte, welche sich in den Gewissensvorg\u00e4ngen geltend machen, seien zum Teil in nat\u00fcrlichen oder auch zuf\u00e4lligen historischen Bedingungen der individuellen, wie der sozialen Entwicklung (soziales Gewissen) begr\u00fcndet, zum anderen Teil gingen sie aber auf Wertsch\u00e4tzungen zur\u00fcck, welche auf empiristischem Wege nicht erkl\u00e4rbar seien, vielmehr deutlich das Einsetzen der eigenen intellektuellen Reflexion (intellektuelles Gewissen) verrieten. Der Empirismus versage \u00fcberall bei dem Versuche, eine in sich selbst gerechtfertigte Ethik zu schaffen. Indem er seine Prinzipien \u00fcberall an empirisch Gegebenes ankn\u00fcpfe, zwinge er dem Intellekte Axiome auf, die nicht auf seinem Boden erwachsen seien. Die volle Auspr\u00e4gung des intellektuellen Gewissens im eigentlichen Sinne k\u00f6nne erst da beginnen, wo die letzten, obersten Grunds\u00e4tze des sittlichen Wollens, die ethischen Axiome, dem Intellekte selbst entnommen w\u00fcrden. An Stelle der traditionell empfangenen und blindlings festgehaltenen Wertsch\u00e4tzungen erhebe sich eine Sch\u00e4tzungsart nach eigener Einsicht und auf eigene Verantwortung hin, die in der Herausarbeitung in sich selbst begr\u00fcndeter und darum allgemeing\u00fcltiger Prinzipien ihren Abschlufs finde. Das Ideal des Wollens kommt nun in den zwei folgenden, vom Verf. aufgestellten Axiomen zum Ausdruck: 1. Der Wille eines jeden wollensf\u00e4higen, denkenden Wesens ist seiner Natur nach bestrebt, sich immer mehr zu einem vollendet eigenen, freien Willen dieses Wesens zu entwickeln. 2. Ein jedes Wesen, zum Bewufstsein seiner Freiheit gelangend, wird naturgem\u00e4fs bestrebt sein, von seiner Wollensf\u00e4higkeit den reichsten, kraftvollsten, umfassendsten Gebrauch zu machen.\nDas zweite Buch hat die Willenshandlung und das Problem der Willensfreiheit zum Gegenst\u00e4nde. Die Ausf\u00fchrungen dieses Buches sind deshalb von besonderem Interesse, weil sie eine kraftvolle Verteidigung der Willensfreiheit enthalten und das Unzureichende jeder deterministischen Ethik in \u00fcberzeugender Weise dartun.\nNach einer Analyse der Willenshandlung wendet sich der Verf. der Er\u00f6rterung der Argumente des Determinismus zu. Vor allem berufe sich der Determinismus auf die Allgemeing\u00fcltigkeit des Kausalgesetzes. Alles,\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nLitera turbericht.\nwas man jedoch im Anschlufs an die Tatsachen der Erfahrung \u00fcber das Bestehen eines allumfassenden objektiven Kausalzusammenhanges auszusagen verm\u00f6ge, sei durchaus mit der Annahme der Freiheit in den Einzelwesen vereinbar. Weder aus dem Erfahrungsbestande, noch aus den Bed\u00fcrfnissen der Wissenschaft, noch aus erkenntnistheoretischen oder meta-physischen Untersuchungen \u00fcber die M\u00f6glichkeit der Erfahrung und des Wirkungszusammenhanges der Dinge k\u00f6nne ein stichhaltiger Grund entnommen werden, die Freiheit des Willens zu bestreiten. Unter dem Titel \u201edie Geschlossenheit der Naturkausalit\u00e4t\u201c behandelt Wentscher sodann jene Argumente, welche speziell von naturwissenschaftlicher Seite im Hinblicke auf das Gesetz der Erhaltung der Energie gegen die Annahme der Willensfreiheit erhoben werden. Die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise h\u00e4lt bekanntlich eine Einwirkung aufserphysischer Faktoren auf den Ablauf des physischen Geschehens mit dem Gesetze der Energieerhaltung f\u00fcr unvereinbar. Der Verf. zeigt nur in lichtvoller Darstellung, wie die Annahme eines Hereingreifens aufserphysischer Momente mit dem Gesetze der Erhaltung der Energie und den berechtigten Forderungen der Physik, soweit diese Erfahrungswissenschaft und nicht spekulative Naturphilosophie sein will, in Einklang gebracht werden k\u00f6nne. Wenn wir auch r\u00fccksichtlich der Gehirnvorg\u00e4nge daran festhalten m\u00fcfsten, dafs in jedem Augenblicke die gleiche Gesamtsumme physischer Energie vorhanden sei, so sei damit der Gesamtkausalzusammenhang noch nicht ersch\u00f6pft. Das Energiegesetz lasse die Zeitverh\u00e4ltnisse des potentiellen Energiezustandes unbestimmt. Es bleibe eine zeitliche Unbestimmtheit f\u00fcr die Umsetzungsprozesse der potentiellen Energie in die kinetische zur\u00fcck, so dafs an diesem Punkte f\u00fcr das Einsetzen aufserphysischer Momente Raum gelassen sei. Der Yerf. macht aufmerksam, dafs sich F\u00e4lle auf zeigen lassen, wo die zur Einleitung des Energieumsetzungsprozesses erforderlichen physikalischen Kr\u00e4fte den Wert Null annehmen k\u00f6nnten, d. h. wo jede noch so geringe aufgewendete Kraft schon zu grofs w\u00e4re, um nur diesen Um-setzungsprozefs herbeizuf\u00fchren und nicht am Ende des ganzen Prozesses als \u00dcberschufs zur\u00fcckzubleiben. So k\u00f6nne z. B. durch Rechnung gezeigt werden, dafs jede, wenn auch noch so kleine physikalische Stofskraft schon zu grofs ist, um einen in labilem Gleichgewichte befindlichen K\u00f6rper aus diesem Zustande nur gerade herauszubringen, seine potentielle Energie auszul\u00f6sen, den Umsetzungsprozefs derselben in kinetische Energie einzuleiten. Nach der Ansicht des Yerf. steht also prinzipiell nichts im Wege, Massenbewegung, wenn nur gen\u00fcgend potentielle Energie gegeben ist, durch aufserphysische Momente eingeleitet zu denken. Die Annahme einer Wechselwirkung zwischen Physischem und Psychischem erweist sich mithin als durchaus nicht unvereinbar mit den gegenw\u00e4rtig herrschenden Grundanschauungen der Naturwissenschaft. Der Yerf. gedenkt auch des psycho, physischen Parallelismus und bringt endlich in K\u00fcrze seine eigene Hypothese in Betreff des Zusammenhanges zwischen Physischem und Psychischem vor.\nHierauf folgt eine Besprechung der Ergebnisse der Moralstatistik, wobei sich der Yerf. dahin \u00e4ufsert, dafs man Wahlfreiheit in einem ethisch","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n69\nbrauchbaren Sinn gelten lassen k\u00f6nne, ohne dafs die Regelm\u00e4fsigkeiten der statistischen Feststellungen dagegen etwas entscheiden k\u00f6nnten.\nDer Yerf. untersucht dann die aus der Annahme einer psychischen Gesetzlichkeit hergeleiteten Argumente gegen die Freiheit des Willens. Man glaube innerhalb des Psychischen selbst Gesetze namhaft machen zu k\u00f6nnen, welche in Wahrheit unsere Willensentschl\u00fcsse bedingten. Es sei jedoch unm\u00f6glich, ein System allgemeiner Gesetze aufzustellen, durch deren Gebot das psychische Geschehen im einzelnen bestimmt und festgelegt w\u00fcrde. Die Stellungnahme des Subjektes im Augenblicke der Willensentscheidung trage durchaus den Charakter der Selbstt\u00e4tigkeit; die Gr\u00fcnde etwaiger Abweichung von der bisher verfolgten Richtung seien nicht objektive Gewichte, welche die Wage bald hierher, bald dorthin zum Ausschlage br\u00e4chten, sondern empfingen all ihre Bewegkraft erst vom Subjekte selbst.\nNach einer entsprechenden W\u00fcrdigung und Zur\u00fcckweisung der von religi\u00f6ser Seite herstammenden Einw\u00fcrfe gegen die Willensfreiheit sucht der Yerf. das Wesen und die Bedeutung der ethischen Freiheit n\u00e4her darzulegen und die Bedingungen aufzuzeigen, unter denen sie sich zu entwickeln vermag und ans Licht tritt. Ausf\u00fchrungen \u00fcber die sittliche Charakterentwficklung, \u00fcber Schuld und Verantwortlichkeit bilden den Schlufs des ersten Teiles der Ethik.\tSaxinger (Linz).\nJahrbuch f\u00fcr sexuelle Zwischenstufen mit besonderer Ber\u00fccksichtigung der Homosexualit\u00e4t. Herausgegeben unter Mitwirkung namhafter Autoren im Namen des wissenschaftlich-humanit\u00e4ren Komitees von Dr. med. M. Hirscheeld. IV. Jahrgg. 980 S., 62 Fig. 1902.\nZum vierten Male erscheint dieser Jahresbericht, dessen ausgesprochene Tendenz es ist, die Kenntnis \u00fcber das Wesen wie die Verbreitung der Homosexualit\u00e4t in weitere Kreise zu tragen, um endlich die Aufhebung des \u00a7 175 des Strafgesetzbuches zu erwirken, der die homosexuellen M\u00e4nner dem Strafrichter \u00fcberantwortet, w\u00e4hrend die der lesbischen Liebe H\u00f6hnenden Frauen straflos sind. Diesen Zweck verfolgt das Jahrbuch durch ausf\u00fchrliche, zum gr\u00f6fsten Teil streng-wissenschaftlich gehaltene Originalarbeiten aus der Feder von Fachleuten auf diesem Gebiet, Referate \u00fcber alle einschl\u00e4gigen Erscheinungen, Berichte \u00fcber die propagandistische T\u00e4tigkeit des Komitees u. s. w. Der vorliegende Band bildet ein derartig reichhaltiges Material, dafs hier nur \u00fcber den Inhalt einzelner Arbeiten in allgemeinen Z\u00fcgen berichtet werden kann. Von \u00e4rztlicher Seite aus findet sich, aufser einem k\u00fcrzeren die Therapie der sexuellen Perversionen behandelnden Artikel von Dr. Fuchs aus der Klinik von Krafet-Ebing, eine \u00e4ufserst sorgf\u00e4ltige mit zahlreichen Illustrationen versehene und die Kasuistik um nicht weniger als 33 F\u00e4lle bereichernde, ausf\u00fchrliche Arbeit \u00fcber Scheinzwitter von Hofrat von Neugebauer, dem Vorstand der gyn\u00e4kologischen Abteilung des evangelischen Hospitals in Warschau. Gerade diese Arbeit gew\u00e4hrt durch ihre ausf\u00fchrlichen Krankenjournalberichte einen vorz\u00fcglichen Einblick in das k\u00f6rperliche wie seelische Leben dieser Ungl\u00fccklichen, wo Verbrechen, geistige Abnormit\u00e4ten, Selbstmordversuche eng mit dem \u201eerreur de sexe\u201c verkn\u00fcpft sind.","page":69}],"identifier":"lit33139","issued":"1903","language":"de","pages":"66-69","startpages":"66","title":"Max Wentscher: Ethik. I. Teil. Leipzig, J. A. Barth. 1902. 368 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:21:55.279960+00:00"}