Open Access
{"created":"2022-01-31T16:29:00.803937+00:00","id":"lit33140","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guttmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 69-71","fulltext":[{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n69\nbrauchbaren Sinn gelten lassen k\u00f6nne, ohne dafs die Regelm\u00e4fsigkeiten der statistischen Feststellungen dagegen etwas entscheiden k\u00f6nnten.\nDer Yerf. untersucht dann die aus der Annahme einer psychischen Gesetzlichkeit hergeleiteten Argumente gegen die Freiheit des Willens. Man glaube innerhalb des Psychischen selbst Gesetze namhaft machen zu k\u00f6nnen, welche in Wahrheit unsere Willensentschl\u00fcsse bedingten. Es sei jedoch unm\u00f6glich, ein System allgemeiner Gesetze aufzustellen, durch deren Gebot das psychische Geschehen im einzelnen bestimmt und festgelegt w\u00fcrde. Die Stellungnahme des Subjektes im Augenblicke der Willensentscheidung trage durchaus den Charakter der Selbstt\u00e4tigkeit; die Gr\u00fcnde etwaiger Abweichung von der bisher verfolgten Richtung seien nicht objektive Gewichte, welche die Wage bald hierher, bald dorthin zum Ausschlage br\u00e4chten, sondern empfingen all ihre Bewegkraft erst vom Subjekte selbst.\nNach einer entsprechenden W\u00fcrdigung und Zur\u00fcckweisung der von religi\u00f6ser Seite herstammenden Einw\u00fcrfe gegen die Willensfreiheit sucht der Yerf. das Wesen und die Bedeutung der ethischen Freiheit n\u00e4her darzulegen und die Bedingungen aufzuzeigen, unter denen sie sich zu entwickeln vermag und ans Licht tritt. Ausf\u00fchrungen \u00fcber die sittliche Charakterentwficklung, \u00fcber Schuld und Verantwortlichkeit bilden den Schlufs des ersten Teiles der Ethik.\tSaxinger (Linz).\nJahrbuch f\u00fcr sexuelle Zwischenstufen mit besonderer Ber\u00fccksichtigung der Homosexualit\u00e4t. Herausgegeben unter Mitwirkung namhafter Autoren im Namen des wissenschaftlich-humanit\u00e4ren Komitees von Dr. med. M. Hirscheeld. IV. Jahrgg. 980 S., 62 Fig. 1902.\nZum vierten Male erscheint dieser Jahresbericht, dessen ausgesprochene Tendenz es ist, die Kenntnis \u00fcber das Wesen wie die Verbreitung der Homosexualit\u00e4t in weitere Kreise zu tragen, um endlich die Aufhebung des \u00a7 175 des Strafgesetzbuches zu erwirken, der die homosexuellen M\u00e4nner dem Strafrichter \u00fcberantwortet, w\u00e4hrend die der lesbischen Liebe H\u00f6hnenden Frauen straflos sind. Diesen Zweck verfolgt das Jahrbuch durch ausf\u00fchrliche, zum gr\u00f6fsten Teil streng-wissenschaftlich gehaltene Originalarbeiten aus der Feder von Fachleuten auf diesem Gebiet, Referate \u00fcber alle einschl\u00e4gigen Erscheinungen, Berichte \u00fcber die propagandistische T\u00e4tigkeit des Komitees u. s. w. Der vorliegende Band bildet ein derartig reichhaltiges Material, dafs hier nur \u00fcber den Inhalt einzelner Arbeiten in allgemeinen Z\u00fcgen berichtet werden kann. Von \u00e4rztlicher Seite aus findet sich, aufser einem k\u00fcrzeren die Therapie der sexuellen Perversionen behandelnden Artikel von Dr. Fuchs aus der Klinik von Krafet-Ebing, eine \u00e4ufserst sorgf\u00e4ltige mit zahlreichen Illustrationen versehene und die Kasuistik um nicht weniger als 33 F\u00e4lle bereichernde, ausf\u00fchrliche Arbeit \u00fcber Scheinzwitter von Hofrat von Neugebauer, dem Vorstand der gyn\u00e4kologischen Abteilung des evangelischen Hospitals in Warschau. Gerade diese Arbeit gew\u00e4hrt durch ihre ausf\u00fchrlichen Krankenjournalberichte einen vorz\u00fcglichen Einblick in das k\u00f6rperliche wie seelische Leben dieser Ungl\u00fccklichen, wo Verbrechen, geistige Abnormit\u00e4ten, Selbstmordversuche eng mit dem \u201eerreur de sexe\u201c verkn\u00fcpft sind.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nLitera turberich t.\nDie zweite Hauptarbeit liegt auf juristischem Gebiet. Dr. jur. Nttma Peaetorius bespricht ausf\u00fchrlich \u2014 er nennt es \u201eBericht und Widerlegung\u201c \u2014 das den \u00a7 175 verteidigende Buch \u201eHomosexualit\u00e4t und Strafgesetz\u201c von D. F. Wachenfeld, Professor der Rechte zu Rostock. In diesem Artikel wird in \u00e4ufserst sachlicher und eingehender Weise die forensische Seite der Frage mit allem \u201epro et contra\u201c klargelegt.\nDie sonstigen Originalia bringen Beitr\u00e4ge von medizinischer, anthropologischer, theologischer, philosophischer, philologischer Seite; auch das Ausland beteiligt sich, sogar ein Originalartikel von japanischer Hand \u00fcber P\u00e4derastie in Japan findet sich.\nVon geringerem Wert f\u00fcr die wissenschaftliche, wie menschliche Beurteilung der Frage erscheint der Literaturbericht, der sich gar zu ausf\u00fchrlich mit der urnischen Belletristik besch\u00e4ftigt. Weniger Einzelheiten w\u00fcrden die Lekt\u00fcre dieser Artikel, die in ihrer jetzigen Ausf\u00fchrlichkeit nur f\u00fcr Homosexuelle und Literatur- resp. Kulturhistoriker Interesse bieten, der Allgemeinheit n\u00e4her bringen. Dies aber ist ja gerade die Absicht der Herausgeber.\n\u00c4ufserst lehrreich dagegen sind einige Einzelheiten aus dem Bericht \u00fcber die Propaganda des Komitees : an alle Mitglieder des Reichstags (dem notabene zur Zeit eine Petition um Aufhebung des \u00a7 175 vorlag) sind zwei Brosch\u00fcren : die eine (auch im IV. Jahrbuch abgedrucktel von einem katholischen Geistlichen verfafste \u201eBibel und Homosexualit\u00e4t\u201c, die andere \u201eWas mufs das Volk vom dritten Geschlecht wissen\u201c zugegangen und ferner die Einladung, seitens des Komitees sich durch pers\u00f6nliche durch das Komitee zu vermittelnde Unterredung mit Homosexuellen ein eigenes Urteil zu bilden. Von allen Abgeordneten, unter denen sich doch auch zahlreiche Juristen und Mediziner befinden, folgte der Aufforderung ein einziger in Begleitung eines medizinischen Sachverst\u00e4ndigen. Ein trauriges Zeichen von der Interesselosigkeit dieser gesetzgebenden K\u00f6rperschaft. Um so lebhafter interessierte sich die Polizei f\u00fcr die zweitgenannte Brosch\u00fcre, die sie trotz schriftlichen wie m\u00fcndlichen Ansuchens f\u00fcr den Strafsenhandel und die Kolportage verbot trotz ihrer schriftlichen Anerkennung des \u201ewissenschaftlichen und objektiv gehaltenen und sich namentlich von jeder l\u00fcsternen und indezenten Schreibweise fernhaltenden Tones\u201c. Dies Verbot ist um so unerkl\u00e4rlicher, als die Polizei nichts gegen den Vertrieb eines pikanten 10 Pfg.-Blattes auf den Berliner Strafsen einzuwenden hat, in dem die Frage der Homosexualit\u00e4t, wie \u00fcberhaupt der sexuellen Perversit\u00e4ten und Perversionen durchaus nicht \u201ewissenschaftlich\u201c, sondern so \u201esubjektiv\u201c verhandelt wird, dafs es jeder Schuljunge und jeder \u201eBackfisch\u201c verstehen kann. Das ist gerade der Weg, auf dem ein psychisches Kontagium auf unreife Gem\u00fcter und Sexualneurastheniker wirkt. Dies inkonsequente Verhalten der Polizeibeh\u00f6rde beweist einen erheblichen Mangel an Einsicht f\u00fcr die Bedeutung der Frage. Leider nimmt das Jahrbuch, wenn auch unter Vorbehalt, die Kampfgenossenschaft dieses Blattes an, weil es (\u201escheinbar\u201c ! d. Ref.) dieselben Ziele, wie das Komitee verfolgt. Der sensationsl\u00fcsterne Ton dieses Blattes steht im lebhaften Kontrast zu der wissenschaftlichen Ausdrucksweise des Jahrbuchs, dessen Lekt\u00fcre einen durchaus ernsten Leser voraussetzt und \u2014 Zeit erfordert. Auch der","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Liter aturbericht.\n71\nsehr zu billigende, h\u00e4ufige Gebrauch von terminis technicis und lateinischen Ausdr\u00fccken erschwert ein Eindringen Unberufener in dies Gebiet. Die oben erw\u00e4hnte Propagandaschrift (Verlag SroH\u00df-Leipzig, 20 Pfg.) kann wegen ihres ernsten Tones als wirklich popul\u00e4res Gegenst\u00fcck zur Einf\u00fchrung f\u00fcr alle, die der Frage bisher fernstehen, empfohlen werden.\nSehr erfreulich ist das stetig wachsende Interesse der gebildeten Welt, vor allem der Mediziner und Juristen, das sich u. a. in vielen Zuschriften an das Komitee dokumentiert. Auch die anwachsende Literatur, \u00fcber die das Jahrbuch referiert (wobei besonders auf eine von Dr. Fuchs im KRAFFT-EBiNoschen Sinne geschriebene Widerlegung des WACHENFELDSchen Buches hingewiesen sei), die zahlreichen Unterschriften unter der Petition um Aufhebung des \u00a7 175, die Urteile einiger M\u00e4nner von so \u00fcberragender Bedeutung und so unantastbarem Ruf wie Tolstoj, Bj\u00f6rnson, Zola, Georg Brandes u. a. \u00fcber diese Bewegung, die Tatsache, dafs sich Kriminalanthropologen wie Naturforscher auf ihren grofsen Kongressen mit dieser Frage besch\u00e4ftigen, l\u00e4fst es erhoffen, dafs endlich die Erkenntnis sich Bahn brechen wird, dafs es sich um eine Naturanlage handelt, die nicht durch alle Strafbestimmungen des Gesetzes aus der Welt zu schaffen ist.\nGuttmann (Berlin).\nP. R\u00f6mer u. O. Dufour. Experimentelle und kritische Untersuchungen zur Frage nach dem Einflufs des Nervus sympathicus auf den \u00c4kkommodations-vorgang. v. Gr\u00e4fes Arch. f. Ophthalm. 54, 491\u2014499. 1902.\nDie Anschauung, dafs der Nervus sympathicus einen Einflufs auf die Akkommodation aus\u00fcbe, ist in der Literatur mehrfach vertreten und bestritten worden. Insbesondere haben Morat und Doyon behauptet, die Reizung des Sympathicus habe eine Abflachung der Linse und damit eine Einstellung des Auges f\u00fcr entfernte Gegenst\u00e4nde zur Folge; es soll sich dabei um eine hemmende Wirkung des Sympathicus auf die Ciliarmuskelkontraktionen handeln. Die Verf. zeigen nun zun\u00e4chst, dafs die von Morat und Doyon f\u00fcr ihre Ansicht beigebrachten experimentellen Begr\u00fcndungen teils widerlegt teils nicht einwandfrei sind, und berichten dann \u00fcber ihre eigenen entscheidenden Versuche. Dieselben wurden anfangs zum Zweck der vorl\u00e4ufigen Orientierung \u00fcber die zu beachtenden Details der Technik an Kaninchen, sp\u00e4ter am Hunde angestellt, dessen Akkommodationsmechanismus besser entwickelt ist. Der Verlauf eines solchen Versuches ist der folgende. In Narkose wird der Halssympathicus freigelegt und der Bulbus vollst\u00e4ndig von den Lidern und s\u00e4mtlichen Augenmuskeln getrennt. Hierauf wird oben im \u00c4quator bulbi eine feine Insektennadel so eingestochen, dafs eben ihre Spitze durch die Pupille sichtbar wird. Bei elektrischer Reizung des Ciliarmuskels macht diese Nadel grofse Ausschl\u00e4ge und die Pupille verengt sich. Nachdem dies festgestellt, wird eine zweite Nadel durch die Cornea so eingef\u00fchrt, dafs sie die vordere Linsenkapsel ber\u00fchrt. Bei Reizung des Sympathicus erweitert sich die Pupille, w\u00e4hrend beide Nadeln unbeweglich bleiben. Wird der Sympathicus mit dem Ciliarmuskel zugleich gereizt, so wird die Stellung der Ciliarmuskel-Nadel vom Sympathicus nicht beein-flufst. Der letztere hat also offenbar f\u00fcr den Akkommodationsmechanismus keine Bedeutung.\tSchaefer (Berlin).","page":71}],"identifier":"lit33140","issued":"1903","language":"de","pages":"69-71","startpages":"69","title":"Jahrbuch f\u00fcr sexuelle Zwischenstufen mit besonderer Ber\u00fccksichtigung der Homosexualit\u00e4t. Herausgegeben unter Mitwirkung namhafter Autoren im Namen des wissenschaftlich-humanit\u00e4ren Komitees von Dr. med. M. Hirschfeld. IV. Jahrgg. 980 S., 62 Fig. 1902","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:00.803942+00:00"}