Open Access
{"created":"2022-01-31T14:16:57.314594+00:00","id":"lit33153","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 77-78","fulltext":[{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n77\nE. Henneberg. \u00dcber die Beziehungen zwischen Spiritismus und Geistesst\u00f6rung.\nArchiv f\u00fcr Psychiatrie und Nervenkrankheiten 34.\t1902. Zweiter erweit.\nAbdruck. 52 S.\nEnge Beziehungen zwischen Wunder- und D\u00e4monenglauben einerseits, psychopathischen Zust\u00e4nden sowie ausgesprochener Geistesst\u00f6rung anderseits haben nicht nur fr\u00fcher bestanden, sondern bestehen auch jetzt noch.\nDies weist Verf. in der vorliegenden Brosch\u00fcre nach, die eine Verbreitung in weitesten Kreisen verdient. An der Hand eigener, in der Charit\u00e9 gemachten Beobachtungen er\u00f6rtert Verf. die Art der Beziehungen sowie vor allem die sch\u00e4digenden Momente, die die Besch\u00e4ftigung mit dem Spiritismus mit sich bringt.\nZun\u00e4chst gibt er eine kurze und klare Orientierung \u00fcber die spiritistischen Ph\u00e4nomene und Prozeduren, besonders den vulg\u00e4ren, experimentellen Spiritismus, der sich in der Form des Offenbarungsspiritismus grofser Beliebtheit erfreut. Das Tischr\u00fccken und das Psychographieren erkl\u00e4rt sich in nat\u00fcrlicher Weise durch die Wirkung von sich summierenden Zitterbewegungen, wobei Suggestion und Autosuggestion noch im Spiele sind. Die Besch\u00e4ftigung mit dem Psychographieren f\u00fchrt besonders leicht zu St\u00f6rungen auf psychischem und nerv\u00f6sem Gebiete; das Psychographieren l\u00e4fst sich leicht, \u00fcberall und jederzeit vornehmen, meist wird es nachts vorgenommen und raubt so die Nachtruhe, und schliefslich ist es mit erheblichen gem\u00fctlichen Einwirkungen verbunden. Trance ist mehr oder weniger ein ausgesprochener autohypnotischer Zustand, ein spontaner Somnambulismus, in keiner Weise etwas dem Spiritismus Eigent\u00fcmliches. Sehr h\u00e4ufig werden derartige Zust\u00e4nde vorget\u00e4uscht. Diese Trancezust\u00e4nde wirken sehr ansteckend und sind daher um so gef\u00e4hrlicher f\u00fcr die Gesundheit. Gerade Hysterie und hysterische Psychosen werden so ausgel\u00f6st. Das erscheint auch durchaus erkl\u00e4rlich, da neuropathische Individuen nicht selten vom Spiritismus angezogen werden, sich als sehr geeignet erweisen und dabei alles \u00fcbertreiben.\nVerf. sieht von der Mitteilung solcher F\u00e4lle ab, in denen die Wahnbildung in Beziehung tritt zu dem Spiritismus; das ist gar nichts so Be-sondres. Er berichtet vielmehr \u00fcber solche F\u00e4lle, in denen zwischen Psychose und Spiritismus ein urs\u00e4chlicher Zusammenhang besteht. Abgesehen von einem manischen Erregungszustand kommen hier Psychosen von mehr oder weniger ausgesprochener hysterischer F\u00e4rbung zur Beobachtung und zwar bei Personen, die bis dahin keine oder nur geringf\u00fcgige hysterische Symptome geboten hatten. Wendet sich ein bereits geisteskrankes Individuum spiritistischen Bestrebungen zu, so treten auch dann leicht hysterische Symptome in dem Krankheitsbilde auf. Schliefslich kann die Begeisterung f\u00fcr den Spiritismus ein Initialsymptom einer chronischen Psychose sein, wie der progressiven Paralyse.\nAus den mitgeteilten Krankheitsgeschichten ergibt sich, dafs nicht nur neuropathische, sondern auch nicht krankhaft veranlagte Individuen infolge einer intensiven Besch\u00e4ftigung mit spiritistischen Experimenten von tiefgreifenden Psychosen befallen werden k\u00f6nnen.\nDarum ist es Sache des Arztes, dem Spiritismus entgegenzutreten, zumal er mit dem Kurpfuschertum auf das engste verkn\u00fcpft ist.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nLitera turberich t.\nInteressant ist noch in dem Nachwort die Notiz, dafs die spiritistische Rundschau in einer Kritik der vorliegenden Arbeit darauf hinweist, dafs es sich in einem Teile der ver\u00f6ffentlichten F\u00e4lle f\u00fcr jeden erfahrenen Spiritisten ganz entschieden nicht um Irrsinn, sondern um Besessenheit handle !\tErnst Schultze (Andernach).\nH. Charlton Bastian. \u00dcber Aphasie und andere Sprachst\u00f6rungen. \u00dcbersetzt von Moritz Urstein. Leipzig, Engelmann, 1902. 511 S. Mk. 12.\nSo interessant auch die Sprachst\u00f6rungen sind, so sind wir in deren Wesen noch wenig eingedrungen, und unter der Menge von Material, das den anziehenden Stoff behandelt, fehlt es keineswegs an Arbeiten, die eine w\u00fcnschenswerte Kritik vermissen lassen. Daher werden wir Verf. Dank wissen, dafs er seine einschl\u00e4gigen Erfahrungen, die er zum Teil fr\u00fcher schon an verschiedenen Orten ver\u00f6ffentlicht hat, in dem vorliegenden stattlichen Bande uns mitteilt.\nDie ersten Kapitel geben physiologische und psychologische Erw\u00e4gungen wieder. Verf. er\u00f6rtert, wie das Kind sprechen, lesen und schreiben lernt, und hebt hervor, dafs hierf\u00fcr akustische und optische Bilder viel wichtiger sind als die kin\u00e4stlietischen Eindr\u00fccke, deren Reproduzierbarkeit er im Vergleich zu jenen kaum eine Rolle beimifst.\nEr unterscheidet vier Zentren, weniger wegen ihrer scharfen topographischen Abgrenzung als wregen der funktionellen Einheitlichkeit und zwar ein akustisches, ein optisches, ein glosso-kin\u00e4sthetisches und schliefs-lich ein cheiro-kin\u00e4sthetisches Zentrum. Das erstere lokalisiert er in das hintere 2/3 der oberen Schl\u00e4fenwindung, das optische in den Gyrus angularis und einen Teil des Lobulus supramarginalis, das glosso-kin\u00e4sthetische Zentrum verlegt er in die BROCASche Gegend, w\u00e4hrend sich das cheiro-kin\u00e4sthetische Zentrum zur Zeit noch nicht mit Sicherheit unterbringen l\u00e4fst. Die beiden letzten Zentren sind nicht motorischer, sondern psycho-sensorischer Natur; die eigentlichen motorischen Zentren liegen in den Bulb\u00e4rkernen und den Vorderh\u00f6rnern des R\u00fcckenmarks.\nDiese vier Zentren sind durch Bahnen untereinander verbunden, die doppelsinnig leitend gedacht sind; nur in einer Richtung leitet die Verbindung vom optischen Wortzentrum zum glosso-kin\u00e4sthetischen.\nVergleicht man dieses Schema mit dem bekannten und viel angewandten von Lichtheim, so unterscheidet es sich vor allem durch das Fehlen des Begriffszentrums, dessen Annahme Verf. aus psychologischen und klinischen Gr\u00fcnden f\u00fcr unstatthaft erkl\u00e4rt.\nMit Hilfe dieses Schemas und einiger weiterer Annahmen versucht er, das Wesen der so verschiedenartig gestalteten Sprachst\u00f6rungen zu erkl\u00e4ren ; seine Ausf\u00fchrungen belegt er durch zahlreiche, eigene und fremde, zum Teil ausf\u00fchrlich mitgeteilte Krankenbeobachtungen.\nWichtig f\u00fcr den praktischen Gebrauch sind die Winke, die Verf. in dem der Diagnose gewidmeten Kapitel gibt. Die Anwendung eines einheitlichen Schemas bei jeder Untersuchung eines Falles von Sprachst\u00f6rung sch\u00fctzt nicht nur vor Unvollst\u00e4ndigkeit, sondern w\u00fcrde auch eher eine Verst\u00e4ndigung der verschiedenen Autoren erm\u00f6glichen.","page":78}],"identifier":"lit33153","issued":"1903","language":"de","pages":"77-78","startpages":"77","title":"R. Henneberg: \u00dcber die Beziehungen zwischen Spiritismus und Geistesst\u00f6rung. Archiv f\u00fcr Psychiatrie und Nervenkrankheiten 34. 1902. Zweiter erweit. Abdruck. 52 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:16:57.314599+00:00"}