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{"created":"2022-01-31T16:31:57.950430+00:00","id":"lit33159","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 120-121","fulltext":[{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nLiteraturbericht.\n0. Vogt. Psychologie, Neurophysiologie und Neuroanatomie. Journal f. Psychologie und Neurologie 1 (1 u. 2). 1902.\nZur Einf\u00fchrung in die neue Folge des von Vogt und Forel geleiteten Journals, entwickelt uns ersterer die Gesichtspunkte, die zur Geltung kommen sollen. Das neue Journal soll der vereinigten Pflege der Psychologie und Neurobiologie gewidmet sein. F\u00fcr den Praktiker wie f\u00fcr den Theoretiker wird das Bed\u00fcrfnis laut, f\u00fcr das eine Gebiet Leitung, Unterst\u00fctzung und Erg\u00e4nzung aus dem anderen Gebiete zu sch\u00f6pfen ; der innige Zusammenhang beider Gebiete fordert einen gleichartigen Ausbau beider heraus, der verbindet, was sich scheinbar als mit einander unvereinbar gegen\u00fcbersteht, der einseitige Auffassung und Spezialisierung hintanh\u00e4lt. Metaphysische Spekulationen einerseits, praktisch ebenso unfruchtbares anatomisches Suchen andererseits, sollen in gewinnbringendere Bahnen hineingeleitet werden.\tMerzbacher (Strafsburg i. E.)\nManfred Fuhrmann. Das psychotische Moment. Studien eines Psychiaters \u00fcber Theorie, System und Ziel der Psychiatrie. Leipzig, J. A. Barth, 1903. 95 S. 2 Mk.\nDer Inhalt des kleinen Werkes ist bald erz\u00e4hlt. Wir Psychiater lebten bisher in der \u00dcberzeugung, dafs jeder Mensch das Produkt von Geburt und Erziehung sei, und dafs wir bei einer Er\u00f6rterung der Ursachen einer Geistesst\u00f6rung sowohl die endogene \u2014 angeborene \u2014 Disposition, wie andererseits auch den Einflufs der \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnisse, das vielgenannte Milieu social und physique zu ber\u00fccksichtigen h\u00e4tten.\nDafs wir uns hierin in einem Irrtum befanden und unsere bisherige Ansicht falsch war, dar\u00fcber und \u00fcber noch vieles andere belehrt uns der Verf., und er l\u00e4fst nicht nach, bis er unsere bisherigen Illusionen gr\u00fcndlich zerst\u00f6rt hat.\nSeine Ansichten sind nicht immer ganz richtig, aber sie sind immer sehr bestimmt, und mit Vorliebe w\u00e4hlt er m\u00f6glichst kr\u00e4ftige Ausdr\u00fccke, vermutlich um uns die Schwere unserer wissenschaftlichen S\u00fcnden recht zu Gem\u00fcte zu f\u00fchren.\nF\u00fcr die Entstehung von Psychosen gibt es nur eine Erkl\u00e4rung, und das ist das psychotische Moment, die auf dem Wege der Erblichkeit von n\u00e4heren oder entfernteren Aszendenten \u00fcberkommene Anlage. Dieses psychotische Moment ist bei allen Menschen vorhanden, wenn auch latent, kein Mensch ist frei von der Gewralt dieses auf ihm lastenden Verh\u00e4ngnisses, und alles andere ist Unsinn. Auch die Annahme einer Zunahme der Entartung unter dem Einfl\u00fcsse von Kultur und Zivilisation ist nichts als das Gefasel moderner \u00e4sthetischer Schwachk\u00f6pfe \u00e0 la Nietzsche und eines gewissen Max Nordau. Denn das psychotische Moment ist als solches konstant, es stellt die Naturkraft einer Konstante dar, deren Summe stets gleich sein mufs. So mufs auch als Ausgleich f\u00fcr jeden Idioten ein Genie zur Welt kommen, und die Idee, der Entstehung von Geistesst\u00f6rungen durch Heiratsverbote oder dergl. entgegen zu treten, ist sinn- und zwecklos. Leider befindet sich die moderne Psychiatrie auf der ganzen Linie auf dem Holzwege. Sie stellt einen wilden Orgiasmus von F\u00e4rbekunstst\u00fcckchen dar, und erst wenn man sich eines besseren besonnen und zumal in der Therapie","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n121\nandere Pfade eingeschlagen haben wird, dann werden auch f\u00fcr die Geisteskranken bessere Tage kommen.\nVor allem gilt es, das psychotische Moment zu studieren, bevor es sich zur Psychose ausgebildet hat, denn an dieser ist nichts mehr zu kurieren.\nDem Psychiater der Zukunft aber er\u00f6ffnen sich andere und aussichtsvollere Wege, als fernerhin noch Pal\u00e4ste f\u00fcr den Bl\u00f6dsinn zu bauen. Es gilt, das Kapital an toter Arbeitskraft, das in unseren Anstalten aufgeh\u00e4uft ist, in lebendige Energie umzuwandeln, die Mauern der Anstalten nieder-zureifsen, unsere Kranken selber zur Arbeit zu erziehen und aus Totengr\u00e4bern der zernichteten Vernunft zu P\u00e4dagogen zu werden. Alle anderen Nebenfragen werden dann spielend ihre L\u00f6sung finden.\nAuch der Jurist, der auf der souver\u00e4nen H\u00f6he der g\u00e4nzlichen Unwissenheit und Verst\u00e4ndnislosigkeit f\u00fcr psychologische und psychiatrische Ph\u00e4nomene sicher thront, mufs alsdann von ihr herunter, und der Psychiater tritt an die Stelle, die ihm von Rechtswegen geb\u00fchrt. Wie wir aus dieser kleinen Auslese ersehen, l\u00e4fst das Buch an Radikalismus nichts zu w\u00fcnschen \u00fcbrig, und manch einer wird vielleicht den Kopf dazu sch\u00fctteln. Und doch sollte man sich \u00fcber derart frisch empfundene und frisch von der Leber weg geschriebene B\u00fccher eher freuen und dem Verf. f\u00fcr die Anregung Dank wissen, die er uns damit geboten hat. Dafs wir ihm deshalb auf seiner Bahn unbedingte Heerfolge leisten werden, ist damit nicht gesagt und w\u00fcrde ihm am Ende selbst verwunderlich Vorkommen.\tPrt.man.\nFreiherr von Schrenck-Notzing. Kriminalpsychologische und psychopathologische Studien. Gesammelte Aufs\u00e4tze aus den Gebieten der Psychopathoiogia sexualis, der gerichtlichen Psychiatrie und der Suggestionsiehre. Leipzig, J. A. Barth, 1902. 207 S. 4.80 Mk.\nv. Schrenck-Notzing hat in diesem Buche eine Reihe von Aufs\u00e4tzen gesammelt, die er zum Teil schon fr\u00fcher und an verschiedenen Stellen ver\u00f6ffentlicht hatte, und es sind daher meist alte Bekannte, die wir hier vereint antreffen. Sie behandeln die gerichtliche Begutachtung und psycho-pathologische Genese solcher zweifelhaften Geisteszust\u00e4nde, durch welche gewisse M\u00e4ngel und L\u00fccken der Strafrechtspflege deutlich gekennzeichnet werden, und seine theoretischen Ausf\u00fchrungen finden ihre St\u00fctze in ausf\u00fchrlich wiedergegebenen F\u00e4llen aus der Rechtspraxis des Verf.s. Seine Schreibweise ist klar, seine Gutachten sind scharf und verst\u00e4ndig und sie k\u00f6nnen durchweg Anspruch auf ein allgemeines Interesse erheben, so dafs man sich mit der Sammlung um so eher einverstanden erkl\u00e4ren kann, als nicht jeder das Archiv f\u00fcr Kriminalanthropologie und Kriminalistik besitzen d\u00fcrfte, worin die Aufs\u00e4tze ihrer Mehrzahl nach fr\u00fcher erschienen sind.\nPelman.\nPierraccini. Ulteriore contribute\u00bb delle leggi che regolano la ereditariet\u00e0 psico-patica. Rivista spemmentale di freniatria 28 (1), 326\u2014330. 1902.\nAus 32 Irrenanstalten erhielt der Verf. Antworten \u00fcber Aufnahmen verschiedener Mitglieder derselben Familie, im ganzen \u00fcber 1958 Kranke, die aus 889 Familien stammten. Bei der gekreuzten Vererbung trat der","page":121}],"identifier":"lit33159","issued":"1903","language":"de","pages":"120-121","startpages":"120","title":"Manfred Fuhrmann: Das psychotische Moment. Studien eines Psychiaters \u00fcber Theorie, System und Ziel der Psychiatrie. Leipzig, J. A. Barth, 1903. 95 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:31:57.950435+00:00"}