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{"created":"2022-01-31T16:33:31.760403+00:00","id":"lit33175","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Lobsien","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 135-137","fulltext":[{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n135\nrierende mit den im Bewufstsein vorherrschenden Assoziationen in logischem Zusammenh\u00e4nge steht. Verf. versucht nun \u2014 der wertvollste Teil seiner Ausf\u00fchrungen \u2014 diese herrschenden Assoziationen nachzuweisen. Der Versuch wurde folgendermafsen angestellt. Zahl der Versuchspersonen: 300, Alter: 11\u201418 Jahre. Die Versuchspersonen wurden gehalten, so schnell wie m\u00f6glich w\u00e4hrend 1 Minute aufzuschreiben, was ihnen angenehm, unangenehm, wunderbar und l\u00e4cherlich erscheine. Verf. kommt zu folgenden Ergebnissen: Der Charakter der Assoziationen \u00e4ndert sich mit dem Alter bedeutend. Im 13 j\u00e4hrigen Alter fanden sich 77 \u00b0/0 \u00e4ufserer und 23% innerer. Im allgemeinen geben mit zunehmendem Alter die \u00e4ufseren Assoziationen den inneren Kaum, so dafs sich beide zueinander verhalten bei 17 j\u00e4hrigen Sch\u00fclern wie 63 : 37.\nZum Schlufs zeigt der Verf., welchen Einfiufs diese herrschenden Assoziationen auf die F\u00e4higkeit zu memorieren haben gegen\u00fcber W\u00f6rtern verschiedenen Inhalts.\nDie Untersuchungen \u00fcber die herrschenden Assoziationen sind \u00e4ufserst wertvoll. Es ist dringend zu w\u00fcnschen, dafs sie eingehender und umf\u00e4nglicher angestellt werden, besonders auch in M\u00e4dchenschulen.\nLobsien (Kiel).\nM. Lobsien. Schwankungen der psychischen Kapazit\u00e4t. Einige experimentelle Untersuchungen an Schulkindern., S chill er -Ziehen 5 (1). 1902. 110 S.\nMk. 3.-\u2014. Selbstanzeige.\t\u00a5\nIn der Sammlung von Abhandlungen, herausgegeben von Schiller und Ziehen (Reuther und Reichard, Berlin) habe ich k\u00fcrzlich Untersuchungen \u00fcber Schwankungen der psychischen Kapazit\u00e4t, experimentelle Untersuchungen an Schulkindern, ver\u00f6ffentlicht, auf die ich, entsprechend einem Wunsche des Herrn Herausgebers dieser Zeitschrift, hier kurz hinweisen m\u00f6chte.\t*\nDie Arbeit gliedert sich in 5 Kapitel. Der erste bietet eine historische \u00dcbersicht, geht insonderheit ein auf die Untersuchungen von Schuytens-Antwerpen \u00fcber Schwankungen der Aufmerksamkeit und \u00fcber die Ver\u00e4nderlichkeit und Zunahme der Muskelkraft im Laufe eines Schuljahres. Die folgenden Kapitel versuchen auf Grund einer neuen Methode die erste Angelegenheit weiter zu verfolgen. Ich m\u00f6chte mir gestatten, aus dem 2., 3. und 5. Kapitel einiges hier anzumerken.\nDie Methode besteht darin, dafs je 10 W\u00f6rter visuellen und hernach akustischen Inhalts Sch\u00fclern hiesiger Knaben- und M\u00e4dchenvolksschulen deutlich yprgesjgrochen wurden mit der Weisung, unmittelbar hernach soviel wie m\u00f6glich auf eine bereitgehaltene Schreibfl\u00e4che niederzuschreiben. So war die gestellte Aufgabe Sache der Aufmerksamkeit und des Ged\u00e4chtnisses zugleich, jenen Grundz\u00fcgen der psychischen Leistungsf\u00e4higkeit. Der Versuch wurde vom September 1901 bis Juli 1902 um den 15. eines jeden Monats herum an gestellt und zwar mit insgesamt 400 Sch\u00fclern und Sch\u00fclerinnen im Alter von 11\u201414 Jahren. Die niedergeschriebenen W\u00f6rter wurden qualitativ und formal gewertet. Bei der letzteren Wertung handelt es sich besonders darum, die Genauigkeit des Reihenablaufs zu verfolgen, zumal den Einflufs des ersten und letzten Gliedes auf die Gestaltung der","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nLiteraturbericht.\nAbfolge. Die Umrechnung geschah in der Weise, dafs bestimmt wurde, wieviel durchschnittlich in jeder Reihe auf den Kopf des Sch\u00fcler entfielen.\nDas 3. Kapitel bietet zun\u00e4chst in einer Reihe von Tabellen eine Gesamt\u00fcbersicht \u00fcber die gewonnenen Ergebnisse. (Hierbei hat sich bei der S. 42, Monat November, der Fehler eingeschlichen, dafs f\u00fcr das 11.\u201412. Alter die Werte vertauscht wurden, sie heifsen richtig: 995 und 1425, der Fehler erweist sich auch in den n\u00e4chsten Kurven st\u00f6rend, doch keineswegs so, dafs er eine F\u00e4lschung des Ergebnisses zur Folge hat). Die Tabellen offenbaren auf den einzelnen Altersstufen charakteristische Eigent\u00fcmlichkeiten. \u00dcbereinstimmend zeigen sie um Dezember und Januar herum eine starke Kapazit\u00e4tszunahme, einen bedeutenden Niedergang^ f\u00fcr den Monat April. Deutlich ist zu unterscheiden eine pro- und eine regressive Periode. Die erste hat ihren Kulminationspunkt um den Januar herum, die zweite um den Monat Mai. Im einzelnen allerdings verschiebt sich in den aufeinanderfolgenden Entwicklungsstadien die Lage dieser Punkte um ein geringes. Der Tiefpunkt ist in seiner Lage durchweg konstant. Im Alter von 9\u201410 Jahren bemerkt man eine wellenf\u00f6rmig, im grofsen und ganzen fortgesetzt steigende Zunahme bis zum M\u00e4rz, dann folgt ein tiefes Minimum im April und eine stete Zunahme bis zum Juni. Im allgemeinen l\u00e4fst der Kurvenverlauf mit steigendem Alter auf gr\u00f6fsere Gleichm\u00e4fsigkeit und Konstanz in der psychischen Energie schliefsen. Es weisen die Knabenkurven gr\u00f6fsere Schwerf\u00e4lligkeit auf.\nEine Aneinanderordnung der einzelnen Kurven ergibt ein Bild der Gesamtentwicklung vom 9.\u201414. Lebensjahre. Diese Anordnung l\u00e4fst zugleich einen Tiefpunkt psychischer Kapazit\u00e4t um den Monat Juli er-schliefsen.\nFolgende Ergebnisse sind noch besonders zu verzeichnen :\n1.\tw\u00e4hrend die Zunahme der psychischen Kapazit\u00e4t sich verdoppelt bei den M\u00e4dchen, w\u00e4chst sie bei den Knaben nur um die H\u00e4lfte des Anfangswertes in dem gleichen Zeitraum ;\n2.\tdie Wachstumsunterschiede sind auf den niederen Altersstufen wesentlich gr\u00f6fser als auf den h\u00f6heren und korrespondieren beiderseits auf den aufeinanderfolgenden Altersstufen so regelm\u00e4fsig, dafs von der einen zur anderen ein Wechsel von Wellenberg und Wellenthal sich deutlich auf weisen l\u00e4fst;\n3.\tdie Ver\u00e4nderlichkeit der psychischen Kapazit\u00e4t zeigt gleicherweise ein regelm\u00e4fsiges Auf- und Absteigen in den aufeinanderfolgenden Monaten.\nAus den formalen Versuchsergebnissen m\u00f6chte ich nur dasjenige hervorheben, das die Anzahl der jeweils \u00fcberhaupt niedergeschriebenen W\u00f6rter mit der der richtig reproduzierten vergleicht. In diesem Verh\u00e4ltnis haben wir offenbar ein Mafs f\u00fcr die Phantasiet\u00e4tigkeit, k\u00f6nnen an der Hand desselben die Schwankungen derselben beobachten. Es zeigte sich die Energie der Phantasiet\u00e4tigkeit bei M\u00e4dchen den Knaben gegen\u00fcber um die H\u00e4lfte \u00fcberlegen. Mit steigendem Alter nimmt die Neigung zu phantasie-m\u00e4fsigem Erg\u00e4nzen stetig ab, bei M\u00e4dchen wesentlich langsamer als bei Knaben. Die Neigung zu n\u00fcchterner Wiedergabe steigt schneller in den aufeinanderfolgenden niederen Altersstufen als auf den h\u00f6heren. Die Neigung zu phantasieren war bei W\u00f6rtern akustischen Inhalts doppelt so","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n137\ngrofs wie bei visuellen. Vergleicht man den monatlichen Wechsel in den qualitativen und formalen Ergebnissen, so erf\u00e4hrt man, dafs die Neigung zu phantasiem\u00e4fsigem Erg\u00e4nzen w\u00e4chst umgekehrt proportional den H\u00f6hen der Aufmerksamkeits- und Ged\u00e4chtnisentwicklung.\nUnd die praktischen Konsequenzen f\u00fcr die P\u00e4dagogik? Eine ihrer elementarsten Aufgaben ist offenbar die: Arbeitskraft des Z\u00f6glings und Arbeitsforderung durch den erziehenden Unterricht so zueinander in Verh\u00e4ltnis zu setzen, dafs sie sich gegenseitig entsprechen. Untersuchungen wie die vorliegenden wTeisen nach, wann man gesteigerte Leistungen zu erwarten berechtigt und verpflichtet ist. Die Hauptarbeitszeit ist die vom Dezember bis zum April. Nach dem April ist eine Erholungszeit n\u00f6tig, wie auch im Juli und im Oktober. In allen Monaten mit abw\u00e4rts gerichteten Kurven sind die Unterrichtspausen zu verl\u00e4ngern, die Anforderungen herabzumindern. Die Untersuchungen \u00fcber die phantasie-m\u00e4fsige Erg\u00e4nzung der Reihen zeigen, wann der Z\u00f6gling besonders aufgelegt scheint zu memorieren, wann er immer wieder abirrt von den gewiesenen Reihenreproduktionen.\nDie Untersuchungen wollen keineswegs diese praktischen Ergebnisse als vollerwiesen hinstellen, sondern nur zu einer umf\u00e4nglichen und sorgf\u00e4ltigen Nachpr\u00fcfung unter mancherlei verschiedenen Verh\u00e4ltnissen anregen.\nLob sien (Kiel).\nPaul Tesdorpf. \u00dcber die Bedeutung einer genauen Definition von Charakter f\u00fcr die Beurteilung der Geisteskranken. IV. Internationaler Kongrefs f\u00fcr Psychologie, Paris 1900.\nEs ist f\u00fcr den Psychiater unbedingt notwendig, sich \u00fcber das Wesen dessen, was wir Charakter nennen, klar zu werden; denn alsdann erst ist es ihm m\u00f6glich, zu einer Reihe wichtiger klinischer Fragen Stellung zu nehmen, ob z. B. krankhafte Symptome durch die Geisteskrankheit selbst erst erworben sind, oder ob sie sich auf bestimmte Charaktereigenschaften des Patienten zur\u00fcckf\u00fchren lassen, ob der Charakter eines Menschen an der Entstehung einer Geisteskrankheit Schuld sein kann, inwieweit sich Krankheit und Charakter gegenseitig beeinflussen u. s. w. Verf. definiert nun Charakter eines Menschen als die Summe seiner psychischen Eigenschaften, soweit diese bewufst oder unbewufst seine inneren oder \u00e4ufseren Leistungen hervorrufen. Durch die Verschiedenheit, in der diese Eigenschaften bei den einzelnen Menschen Vorkommen, entstehen nun die einzelnen Charakterformen. So unterscheidet Verf., je nachdem die Beweggr\u00fcnde dem Menschen mehr oder weniger bewufst werden, einen bewufsten oder unbewufsten Charakter. Nach der Anzahl der Eigenschaften kann man einen einfachen und zusammengesetzten, nach ihrer gegenseitigen \u00dcbereinstimmung einen harmonischen und unharmonischen Charakter unterscheiden.\nSind diese Eigenschaften durch innere oder \u00e4ufsere Einfl\u00fcsse schwer zu beeinflussen, so haben wir einen festen, im umgekehrten Falle einen schwachen Charakter vor uns.\nDie Eigenschaften selbst fallen nun unter die drei grofsen Gruppen psychischer Gebilde: Gef\u00fchl, Wille, Vorstellung, so dafs wir von einem Stimmungs-, Verstandes- und Willenscharakter reden k\u00f6nnen.","page":137}],"identifier":"lit33175","issued":"1903","language":"de","pages":"135-137","startpages":"135","title":"M. Lobsien: Schwankungen der psychischen Kapazit\u00e4t. Einige experimentelle Untersuchungen an Schulkindern. Schiller-Ziehen 5 (1). 1902. 110 S. Selbstanzeige","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:31.760409+00:00"}