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{"created":"2022-01-31T15:06:07.291756+00:00","id":"lit33213","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"D\u00fcrr","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 276-277","fulltext":[{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nLiteraturbericht.\nPraxis \u00fcbertragen. Wie sehr das aber notwendig w\u00e4re, das haben noch in j\u00fcngster Zeit v. Liszt und Stern (\u201eZur Psychologie der Aussage\u201c) bewiesen.\nErnst Schultze (Andernach).\nTh. Eibot. Essai sur l'imagination cr\u00e9atrice. Paris, F. Alcan, 1900. 304 S.\nIn der Einleitung gibt Ribot als Hauptzweck seines Werkes an, dasselbe wolle die Wichtigkeit der motorischen Funktionen f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der sch\u00f6pferischen Einbildungskraft dartun. Um diesen Gedanken uns verst\u00e4ndlicher zu machen, weist er hin auf die Wunder des Glaubens. Daraus k\u00f6nnte man schliefsen, das Grundproblem sei f\u00fcr ihn nicht die M\u00f6glichkeit psychischer Gebilde, die den in der Wahrnehmung gegebenen nicht gleich oder nicht einmal \u00e4hnlich sind, sondern die M\u00f6glichkeit der Darstellung solcher Ph\u00e4nomene in der Aufsenwelt. Wenn er die Einbildungskraft in Analogie zum Willen bringt, so w\u00e4re unter dieser Voraussetzung freilich nicht einzusehen, warum er die Sch\u00f6pfungen nach Phantasiebildern nicht einfach den Willenshandlungen subsumiert. Auch bleibt es unverst\u00e4ndlich, inwiefern bei den Wundern des Glaubens oder bei ganz gew\u00f6hnlichen Willenshandlungen die Bewegungen etwas erkl\u00e4ren sollen, da sie doch selbst das Erkl\u00e4rungsbed\u00fcrftige sind. Aber wenn wir annehmen, Eibot habe die Bildung von Phantasieprodukten selbst in Erkl\u00e4rungsbeziehung zu Bewegungen bringen wollen, so geraten wir in vollst\u00e4ndige Dunkelheit.\nDafs die Phantasieerlebnisse oft n\u00e4chste Verwandtschaft mit den sogenannten inneren Willenshandlungen zeigen, soll damit nicht geleugnet sein. Ja wir w\u00fcrden es sogar f\u00fcr einen Vorzug des vorliegenden Werkes halten, wenn vor aller Analyse, Erkl\u00e4rung und Klassifikation der Produkte der Einbildungskraft auf die Besonderheiten der Phantasievorstellungen etwa mit Ber\u00fccksichtigung der Unterschiede zwischen aktivem und passivem Phantasieren und im Hinblick auf die Gegen\u00fcberstellung \u00e4ufserer und innerer Willenshandlungen, anschaulicher Einbildung und abstrakten logischen Denkens kurz eingegangen w\u00fcrde. Statt dessen finden wir wohl gelegentlich eine Unterscheidung spontanen, nat\u00fcrlichen, ohne Anstrengung verlaufenden und willk\u00fcrlichen, k\u00fcnstlichen, angestrengten Phantasierens. Auch der Gegensatz des kritischen, logischen, abstrakten Denkverfahrens und des Verlaufs der Einbildungsvorstellungen tritt da und dort hervor. Aber wenn Eibot auch neue wissenschaftliche, mystische, kommerzielle und \u00e4hnliche Kombinationen der Einbildungskraft zuweist, so scheint es fast, als ob gelegentlich jede nicht in einer Wahrnehmung zureichend begr\u00fcndete Konstellation psychischer Elemente als Sch\u00f6pfung der Einbildungskraft in Anspruch genommen w\u00fcrde. Dabei wollen wir freilich nicht verschweigen, dafs Eibot aufser der Wahrnehmung und der anschaulichen Vorstellung eines Gegenstandes noch eine ganze Reihe schematischer Bilder von abnehmender Anschaulichkeit dem Begriffe desselben Gegenstandes gegen\u00fcberstellt.\nDoch wie man auch \u00fcber die systematische Abgrenzung und \u00fcber die Einf\u00fcgung des von Eibot behandelten Gegenstandes in das Ganze der Psychologie denken mag, das wird man zugeben m\u00fcssen, dafs der Gegenstand selbst mit gr\u00fcndlicher Ausf\u00fchrlichkeit und reicher Gedankenf\u00fclle dargestellt wird. Da finden wir zun\u00e4chst eine eingehende Analyse der Prozesse","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turb ericht.\n277\ndurch welche aus den Elementen der Wahrnehmung Phantasieprodukte entstehen. Als wirkende Faktoren werden dabei unterschieden der \u201efacteur intellectuel\u201c, der \u201efacteur \u00e9motionnel\u201c und der \u201efacteur inconscient\u201c. Unter dem ersten Titel behandelt Ribot die Vorg\u00e4nge der Assoziation und Dissoziation von Vorstellungen, unter dem zweiten die Momente des Gem\u00fctslebens, die in der Form des \u201eInteresses\u201c bestimmte Erlebnisse aus der Summe der Bewufstseinserscheinungen herausheben und einander n\u00e4her bringen oder heterogene Elemente durch ihre eigene Gleichartigkeit verbinden. Unter dem letzten Titel geht unser Autor ein auf die Tatsachen der sogenannten Inspiration sowie auf den Einflufs, welchen Charakter, Temperament u. s. w. auf den Verlauf der Assoziationsprozesse aus\u00fcben. Dabei l\u00e4fst er die Streitfrage unentschieden, ob die Wirksamkeit des Unbewufsten in der Form minimaler Bewufstheit oder lediglich in physikalisch-chemischen Gehirnprozessen sich abspiele. Den organischen Grundlagen der sch\u00f6pferischen Phantasiet\u00e4tigkeit widmet er \u00fcbrigens noch ein eigenes Kapitel, in dem er eine merkw\u00fcrdig geheimnisvolle Beziehung zwischen der \u201ecr\u00e9ation physique\u201c, der Zeugung, und der \u201ecr\u00e9ation psychique\u201c andeutet.\nEin zweiter Hauptteil des RiBOTSchen Werkes enth\u00e4lt eine Untersuchung \u00fcber die phylogenetische und ontogenetische Entwicklung der sch\u00f6pferischen Phantasie. Schon den Tieren wird eine gewisse Art sch\u00f6pferischer Einbildungskraft zugesprochen, die sich in Bewegungskombinationen, vor allem in der Mannigfaltigkeit tierischer Spiele \u00e4ufsern soll. Beim Kind verfolgt Ribot die Entwicklung der Phantasiet\u00e4tigkeit durch vier Stadien, wobei die \u201einvention romanesque\u201c den H\u00f6hepunkt darstellt. Eine Betrachtung der Phantasiet\u00e4tigkeit bei der Mythenbildung des primitiven Menschen und der h\u00f6heren Formen der \u201eErfindung\u201c \u2014 f\u00fchrt schliefslich zu einem \u201eEntwicklungsgesetz\u201c. Die T\u00e4tigkeit der Einbildungskraft durchl\u00e4uft zwei Perioden, welche durch eine \u201ekritische Phase\u201c getrennt und als \u201ep\u00e9riode d\u2019autonomie\u201c und \u201ep\u00e9riode de constitution d\u00e9finitive\u201c unterschieden werden.\nIm dritten Hauptteil seines Werkes, der von den haupts\u00e4chlichsten Typen der Phantasiet\u00e4tigkeit handelt, verzichtet Ribot ausdr\u00fccklich auf eine logisch befriedigende Einteilung. Er behandelt in loser Aneinanderreihung die \u201eimagination plastique\u201c, die \u201eimagination diffluente\u201c, die \u201eimagination mystique\u201c, die \u201eimagination scientifique\u201c, die \u201eimagination pratique et m\u00e9canique\u201c, die \u201eimagination commerciale\u201c und die \u201eimagination utopique\u201c. Eine Darlegung dessen, was Verf. unter diesen einzelnen Typen versteht, lind warum er sie unterscheidet, w\u00fcrde hier zu weit f\u00fchren. Wir haben sie nur aufgez\u00e4hlt, um einen Begriff zn geben, wie das in Rede stehende Werk als \u201eangewandte Psychologie\u201c die verschiedensten Gebiete menschlicher Geistest\u00e4tigkeit zu durchdringen sucht. Gerade darin besteht vieleicht einer seiner Hauptvorz\u00fcge.\tD\u00fceb (W\u00fcrzburg).\nTh. Ribot. L\u2019imagmatioa cr\u00e9atrice affective. Rev. philos. 53 (6), 508\u2014630. 1902.\nDie Franzosen haben in ihrer Auffassung des Affektiven von jeher den Schwerpunkt in das rein Emotionelle gelegt unter Hintansetzung des Intellektuellen. In weiterer Verfolgung dieser Richtung suchten sie auch","page":277}],"identifier":"lit33213","issued":"1903","language":"de","pages":"276-277","startpages":"276","title":"Th. Ribot: Essai sur l'imagination cr\u00e9atrice. Paris, F. Alcan, 1900. 304 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:06:07.291761+00:00"}