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{"created":"2022-01-31T16:33:15.435130+00:00","id":"lit33223","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 285-287","fulltext":[{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Li teraturberich t.\n285\nmehr vagen, unklaren Bewufstseinsprozessen zusammen. Von Wichtigkeit ist der vorher bestehende seelische Zustand der Versuchsperson, und das erkl\u00e4rt die verschiedene Reaktion verschiedener Personen. Spannung ist von Gef\u00e4fskontraktion, L\u00f6sung der Spannung von Dilatation begleitet. Lust und Unlust, Schrecken und Furcht geben sich deutlich kund. Die Kurve 4er Spannung zeigt niedriges Volumen und kleinen Puls, der entgegengesetzte Zustand, das Gef\u00fchl der Abspannung, L\u00f6sung oder Befreiung, grofsen Pulsschlag und grofses Armvolumen. Die plethysmographischen Untersuchungen sprechen f\u00fcr die Richtigkeit der WuNDTSchen Auffassung von den verschiedenen Affekten.\nVielleicht lassen sie sich bei der Entscheidung, ob Simulation oder Dissimulation vorliegt, verwerten.\tEbnst Schultze.\nPaul Gabnier. La criminalit\u00e9 juv\u00e9nile. Revue scientifique 17 (15), 449\u2014455.\n1902.\nDie Zahl der jugendlichen (16.\u201420. Lebensjahr) Verbrecher gegen das Leben ist in der Zeit von 1888 bis 1900 fast um das siebenfache gestiegen und ist sechsmal gr\u00f6fser geworden als die Zahl der Erwachsenen, die das gleiche Verbrechen sich zu schulden kommen liefsen. Wenn die Verbreitung des Alkoholismus auch nicht die einzige Ursache ist, so ist dieser doch einer der wichtigsten Faktoren in seiner direkten und indirekten Wirkung, zumal er auch unter dem weiblichen Geschlechte sich verbreitet. 4/g der jugendlichen Verbrecher stammen von trunks\u00fcchtigen Eltern. Diese jugendlichen Verbrecher sind ausgezeichnet durch ihre Neigung zu impulsiven Handlungen, ihre gem\u00fctliche Stumpfheit, durch den Cynismus und das Fehlen aller Reue.\nDie wirksamste Waffe ist die Prophylaxe, welche eine Besserung der sozialen Verh\u00e4ltnisse, eine g\u00fcnstigere Gestaltung des Milieu sowie Bek\u00e4mpfung der Trunksucht anstreben soll. Vor allem ist Wert auf eine zweckm\u00e4fsige und zielbewufste Erziehung zu legen, wie Verf. des genaueren ausf\u00fchrt.\tErnst Schultze (Andernach).\nNaecke. Probleme auf dem Gebiete der Homosexualit\u00e4t. Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie 59, 805\u2014829. 1902.\nVerf. hat den vorliegenden Gegenstand bereits mehrfach bearbeitet und sucht ihm in der vorliegenden Abhandlung einige neue Gesichtspunkte abzugewinnen.\nEs wird zun\u00e4chst zwischen Perversit\u00e4t und Perversion unterschieden. Letztere ist etwas Angeborenes, erstere ist synomym mit Laster, welches vorherrschend exogen (Erziehung, Milieu) bedingt ist. Perversit\u00e4t h\u00f6rt auf, sobald anderweitige Gelegenheit zu geschlechtlicher Befriedigung gegeben ist, aufser wenn Perversion vorliegt. Gelehrte von h\u00f6chster Kompetenz behaupten neuerdings, dafs die Homosexualit\u00e4t stets angeboren sei. Demnach w\u00e4re sie doch kein Laster. Jedenfalls darf man nicht jeden homosexuellen Akt mit echter Homosexualit\u00e4t verwechseln. Vielmehr kann die homosexuelle Handlung blofser Ausflufs des Detumeszenztriebes sein, ohne dafs dabei die Psyche selbst irgendwie homosexuell denkt oder f\u00fchlt. Als wichtigstes diagnostisches Mittel zur Feststellung der echten Homosexuali-","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nLitera turberich t.\ntat stellt N. den Traum hin : heterosexuelle Personen werden nur heterosexuelle, homosexuelle nur homosexuelle Szenen erleben. Nach N. ist es jedoch m\u00f6glich, dafs ein in der Jugend ausgebildeter Kontraktationstrieb sp\u00e4ter in einen dauernden Zustand \u00fcbergehen kann, ohne dafs eine vermeintliche Veranlagung vorhanden zu sein braucht. Selbst da, wo eine geborene Anlage vorhanden ist, spielt der Grad derselben eine grofse Polle. Je gr\u00f6fser dieser Faktor ist, um so leichter die Ausl\u00f6sung. Manche Forscher behaupten, dafs die Onanie Folge der Homosexualit\u00e4t sei (!).\nNehmen wir an, dafs die Homosexualit\u00e4t stets angeboren sei, so ist sie also kein Laster, sondern nur eine andere Bet\u00e4tigung des Geschlechtstriebes, nur Bet\u00e4tigung einer Spielart der species und braucht durchaus nicht krankhaft zu sein. \u00dcberdies bezweckt der Geschlechtstrieb durchaus nicht allein die Fortpflanzung. Denn viele n\u00fctzliche Eigenschaften beim Manne und beim Weibe haben in ihm ihren Grund. Aufserdem befinden sich gerade unter den Homosexuellen eine Reihe f\u00fchrender Geister. Dafs die Gattung Einbufse an der Menschenzahl erleidet, ist kein Fehler. Zudem wird Homosexualit\u00e4t als solche nur selten vererbt.\nEs gibt k\u00f6rperlich und geistig v\u00f6llig normale Homosexuelle, gleichwohl ist bei der Mehrzahl ein degenerativer Zustand nicht zu verkennen, so dafs man die Inversion als Stigma bezeichnen mufs. \u2014\nNach Ansicht des Ref. mufs man die Erscheinung der Homosexualit\u00e4t vom \u00f6konomischen Gesichtspunkte aus betrachten. Sie ist als ein notwendiges Korrektiv anzusehen, welches die Natur zu der Zeiten der \u00dcberv\u00f6lkerung eines Landes trifft, um dadurch einer alizustarken Vermehrung der Bewohner vorzubeugen. Die Natur schafft in den Homosexuellen Individuen, welche nicht auf Fortpflanzung ausgehen. Diese Individuen bed\u00fcrfen jedoch ebenso wie die Heterosexuellen der geschlechtlichen Erregungen, falls nicht wichtige Eigenschaften, welche im Geschlechtsgef\u00fchl wurzeln, wie die Menschenliebe, Vaterlandsliebe u. s. w., auch h\u00f6here geistige Anlagen verk\u00fcmmern sollen. Als Gefahr f\u00fcr den Staatsk\u00f6rper kann die Homosexualit\u00e4t nicht bezeichnet werden, weil sie nicht erblich ist, wie oben behauptet wurde, und weil sie nur da Wurzel fafst, wo angeborene Neigung vorhanden ist, sonst aber wieder verschwindet. Als gemeingef\u00e4hrlich d\u00fcrften Homosexuelle ebenso wie Heterosexuelle und Gewohnheitstrinker nur erst dann angesehen werden, falls sie ihrem Triebe im \u00dcber-mafs huldigen. Dafs viele von ihnen allm\u00e4hlich krank werden, ist bei der fortgesetzten Besorgnis um ihre Ehre, Stellung u. s. w. nicht zu verwundern. Sie w\u00fcrden vielleicht abgesehen von ihrer verkehrten Neigung normal geblieben sein, wenn \u00a7 175 des Strafgesetzbuches nicht drohte. Um diese Frage zu entscheiden, k\u00f6nnten die Spezialforscher sich jedenfalls Aufkl\u00e4rung verschaffen, wenn in anderen Staaten, wo dieser \u00a7 nicht besteht, statistisch festgestellt w\u00fcrde, wie viele von den notorisch Homosexuellen normal und wie viele von ihnen abnorm sind. Wie man einen unreifen oder kranken Apfel nicht geniefsen und sich auch einen gesunden Apfel nicht widerrechtlich aneignen darf, so darf man auch kein unreifes oder geisteskrankes Individuum geschlechtlich gebrauchen, noch durch Vorspiegelung oder Gewalt zum Akt n\u00f6tigen. Wie man aber einen gesunden","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n287\nApfel, der einem geboten wird, unbeanstandet verzehren darf, so sollte man auch ein sich uns freiwillig hingebendes erwachsenes Individuum ungestraft gebrauchen d\u00fcrfen.\tGiessler (Erfurt).\nEnrico Ferri. Die positive kriminalistische Schule in Italien. Autorisierte \u00dcbersetzung aus d. Italienischen von E. M\u00fcller - R\u00f6der. Frankfurt a. M., Neuer Frankfurter Verlag. 64 S.\nDas Heft enth\u00e4lt 3 Vortr\u00e4ge, die Ferri der neapolitanischen Studentenschaft auf deren Wunsch gehalten hat.\nFr\u00fcher strafte man ohne zu heilen; heute ist man bem\u00fcht, unter Verwertung der Forschungen der Naturwissenschaften zu heilen, ohne zu strafen. Der oberste Grundsatz der positiven Schule, die dies bezweckt, ist die Leugnung der Willensfreiheit. Vielmehr sind es die dauernden oder vor\u00fcbergehenden Eigenschaften der psychischen und moralischen Pers\u00f6nlichkeit und Verkettung von \u00e4ufseren und inneren Ursachen, die das Individuum zum Verbrechen bestimmen.\nIn den zwTei weiteren Vortr\u00e4gen er\u00f6rtert Verf., auf welche Weise die neue Schule das Problem des Verbrechertums studiert und dann, welche Mittel sie gegen den morbus des Verbrechertums in Vorschlag bringt. Das Verbrechen ist nicht nur ein juridisches, sondern vor allem ein soziales, nat\u00fcrliches Ph\u00e4nomen, und als solches mufs es studiert werden. Jedes Verbrechen ist das notwendige Resultat des in einem gegebenen Augenblicke stattfindenden Zusammenwirkens der dreifachen T\u00e4tigkeit der anthropologischen Beschaffenheit des Verbrechers, der tellurischen Umgebung, in der er lebt, und der sozialen Umgebung, in der er geboren ist, lebt und wirkt. Die wissenschaftliche Induktion befriedigt mehr als die Annahme, dafs der Mensch ein Verbrechen begeht, wreil er es begehen will. Die menschliche Pers\u00f6nlichkeit wird bei der Strafe vergessen ; es gibt nur eine Strafeinheit, die allerdings verschieden dosiert wird je nach dem Delikt. Kurz skizziert er die 5 Typen von Verbrechern, die mit ihm viele Kriminalisten unterscheiden.\nBei der Bek\u00e4mpfung des Verbrechens kommt es weniger auf die Reaktion nach geschehener Tat an als auf Verh\u00fctung, auf soziale Gesundheitspflege. Verbrechen werden immer Vorkommen, und Strafen somit nicht zu umgehen sein; aber die Strafanstalten sollten unter wissenschaftliche Leitung und psychiatrische Aufsicht kommen.\nDie gut \u00fcbersetzte Arbeit gibt ein kurzes und anschauliches Bild des heutigen Standpunktes der italienischen kriminalistischen Schule.\nErnst Sch\u00fcltze.\nG. Aschaffenburg. Das Verbrechen und seine Bek\u00e4mpfung. Kriminalpsycho-logie f\u00fcr Mediziner, Juristen und Soziologen, ein Beitrag zur Reform der Strafgesetzgebung. Heidelberg, Carl Winter, 1903. 246 S. Mk. 6.\u2014.\nDie vorliegende Arbeit hat den grofsen Vorteil, dafs sie zeitgem\u00e4fs ist. Spricht man doch grade in der letzten Zeit viel von einer anzustrebenden Reform des Strafrechts und des Strafprozesses, und sind doch die ersten Schritte seitens des Reiches vor kurzem getan. Ein weiterer Vorteil liegt","page":287}],"identifier":"lit33223","issued":"1903","language":"de","pages":"285-287","startpages":"285","title":"Naecke: Probleme auf dem Gebiete der Homosexualit\u00e4t. Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie 59, 805-829. 1902","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:15.435136+00:00"}