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{"created":"2022-01-31T16:33:41.498231+00:00","id":"lit33225","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 287-288","fulltext":[{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n287\nApfel, der einem geboten wird, unbeanstandet verzehren darf, so sollte man auch ein sich uns freiwillig hingebendes erwachsenes Individuum ungestraft gebrauchen d\u00fcrfen.\tGiessler (Erfurt).\nEnrico Ferri. Die positive kriminalistische Schule in Italien. Autorisierte \u00dcbersetzung aus d. Italienischen von E. M\u00fcller - R\u00f6der. Frankfurt a. M., Neuer Frankfurter Verlag. 64 S.\nDas Heft enth\u00e4lt 3 Vortr\u00e4ge, die Ferri der neapolitanischen Studentenschaft auf deren Wunsch gehalten hat.\nFr\u00fcher strafte man ohne zu heilen; heute ist man bem\u00fcht, unter Verwertung der Forschungen der Naturwissenschaften zu heilen, ohne zu strafen. Der oberste Grundsatz der positiven Schule, die dies bezweckt, ist die Leugnung der Willensfreiheit. Vielmehr sind es die dauernden oder vor\u00fcbergehenden Eigenschaften der psychischen und moralischen Pers\u00f6nlichkeit und Verkettung von \u00e4ufseren und inneren Ursachen, die das Individuum zum Verbrechen bestimmen.\nIn den zwTei weiteren Vortr\u00e4gen er\u00f6rtert Verf., auf welche Weise die neue Schule das Problem des Verbrechertums studiert und dann, welche Mittel sie gegen den morbus des Verbrechertums in Vorschlag bringt. Das Verbrechen ist nicht nur ein juridisches, sondern vor allem ein soziales, nat\u00fcrliches Ph\u00e4nomen, und als solches mufs es studiert werden. Jedes Verbrechen ist das notwendige Resultat des in einem gegebenen Augenblicke stattfindenden Zusammenwirkens der dreifachen T\u00e4tigkeit der anthropologischen Beschaffenheit des Verbrechers, der tellurischen Umgebung, in der er lebt, und der sozialen Umgebung, in der er geboren ist, lebt und wirkt. Die wissenschaftliche Induktion befriedigt mehr als die Annahme, dafs der Mensch ein Verbrechen begeht, wreil er es begehen will. Die menschliche Pers\u00f6nlichkeit wird bei der Strafe vergessen ; es gibt nur eine Strafeinheit, die allerdings verschieden dosiert wird je nach dem Delikt. Kurz skizziert er die 5 Typen von Verbrechern, die mit ihm viele Kriminalisten unterscheiden.\nBei der Bek\u00e4mpfung des Verbrechens kommt es weniger auf die Reaktion nach geschehener Tat an als auf Verh\u00fctung, auf soziale Gesundheitspflege. Verbrechen werden immer Vorkommen, und Strafen somit nicht zu umgehen sein; aber die Strafanstalten sollten unter wissenschaftliche Leitung und psychiatrische Aufsicht kommen.\nDie gut \u00fcbersetzte Arbeit gibt ein kurzes und anschauliches Bild des heutigen Standpunktes der italienischen kriminalistischen Schule.\nErnst Sch\u00fcltze.\nG. Aschaffenburg. Das Verbrechen und seine Bek\u00e4mpfung. Kriminalpsycho-logie f\u00fcr Mediziner, Juristen und Soziologen, ein Beitrag zur Reform der Strafgesetzgebung. Heidelberg, Carl Winter, 1903. 246 S. Mk. 6.\u2014.\nDie vorliegende Arbeit hat den grofsen Vorteil, dafs sie zeitgem\u00e4fs ist. Spricht man doch grade in der letzten Zeit viel von einer anzustrebenden Reform des Strafrechts und des Strafprozesses, und sind doch die ersten Schritte seitens des Reiches vor kurzem getan. Ein weiterer Vorteil liegt","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nLiteraturbericht.\nin der Pers\u00f6nlichkeit des Autors. Wir verdanken ihm schon manche interessante kriminalpsychologische Arbeit; er ist in der Schule eines Kr\u00e4pelin grofs geworden, der vor fast 20 Jahren sich in einer, wie Ref. deucht, nicht sehr bekannten Brosch\u00fcre f\u00fcr die Abschaffung des Straf-mafses aussprach, und er hat in seiner jetzigen Stellung als leitender Arzt der Beobachtungsabteilung f\u00fcr geisteskranke Verbrechen in Halle hinreichend Gelegenheit, an Ort und Stelle weiter zu beobachten.\nDa das Verbrechen als Krankheit der Gesellschaft aufgefafst werden mufs, empfiehlt sich eine naturwissenschaftliche Beobachtungsweise; dafs diese gerade der Lehre von dem Verbrechen gegen\u00fcber oder, richtiger gesagt, gegen\u00fcber der vom Verbrecher durchaus angebracht, ja vielleicht die einzig richtige ist, das ist das grofse, nicht abzustreitende Verdienst, welches wir Lombroso zuschreiben m\u00fcssen.\nDie Arbeit zerf\u00e4llt naturgem\u00e4fs in zwei Teile, in die Besprechung der Ursachen und die der Bek\u00e4mpfung des Verbrechens. Bei den Ursachen wrerden weiter unterschieden die endogenen, individuellen und die exogenen, sozialen, ohne dafs freilich dabei vergessen wird, dafs eine scharfe Trennung kaum m\u00f6glich und nicht durchf\u00fchrbar ist. Die Bek\u00e4mpfung besteht in der Therapie und der gerade hier viel aussichtsvolleren Prophylaxe.\nEin besonderer Vorzug kommt der Arbeit deshalb zu, weil der Verf. die Zahlen der Reichskriminalstatistik ausgiebig, aber doch mit aller Kritik und Vorsicht verwertet. Verf. verf\u00e4llt aber nicht in den Fehler, dem Leser durch lange Zahlenreihen zu imponieren und ihn so zu erm\u00fcden, sondern er gibt anschauliche, zum Teil von ihm selbst zusammengestellte \u00dcbersichtstabellen oder er erleichtert das Verst\u00e4ndnis des Ergebnisses einer Betrachtung nackter, trockener Zahlen durch Kurven, die auf den ersten Blick orientieren.\nEs w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, hier auf eine genauere Wiedergabe des Buches einzugehen; nicht nur ist die Zahl der angeschnittenen Fragen eine viel zu grofse, ihre Art zu mannigfaltig, sondern zudem ist die Darstellung eine recht knappe, gebundene, und das ist vielleicht das einzige, was an dem Buche auszusetzen ist, wenn es \u00fcberhaupt einen Tadel bedeutet.\nVerf. schreibt indessen klar, anschaulich, und da das von ihm behandelte Gebiet jeden, der mit psychologischen Problemen zu tun hat, ja jeden Gebildeten interessiert, verdient das Buch weite Verbreitung und wird sie auch finden. Wenngleich nicht alle Forderungen des Verf. erf\u00fcllt werden \u2014 so schnell entwickelt sich unsere so schnelllebige Zeit doch nicht, und das wird Verf. selbst auch wohl kaum erwarten \u2014, so wird eine praktische Ber\u00fccksichtigung der Arbeit die beste Anerkennung sein, die Verf. zu teil werden kann.\nRef. hat nicht oft ein Buch mit solchem Interesse und mit solcher Spannung gelesen wie das vorliegende, welches im \u00fcbrigen durch eine gute Ausstattung angenehm auff\u00e4llt.\tErnst Schultze.","page":288}],"identifier":"lit33225","issued":"1903","language":"de","pages":"287-288","startpages":"287","title":"G. Aschaffenburg: Das Verbrechen und seine Bek\u00e4mpfung. Kriminalpsychologie f\u00fcr Mediziner, Juristen und Soziologen, ein Beitrag zur Reform der Strafgesetzgebung. Heidelberg, Carl Winter, 1903. 246 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:41.498237+00:00"}