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Broder Christiansen: Erkenntnistheorie und Psychologie des Erkennens. Hanau, Clauss & Feddersen, 1902. 48 S.

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{"created":"2022-01-31T16:33:56.987946+00:00","id":"lit33249","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Moskiewicz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 358-360","fulltext":[{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nLiteraturbericht.\nWiderst\u00e4nde an einer Reaktionsbewegung gehindert wird, diese sp\u00e4ter nach Aufh\u00f6ren des Reizes noch nachholen kann, sofern der Widerstand gehoben ist; woraus sich eine weitgehende Selbst\u00e4ndigkeit des Reizaufnahmevor-ganges (sensation) und der Reaktionsbewegung (r\u00e9action) ergibt.\nIm Sinne einer derartigen Selbst\u00e4ndigkeit hat D. auch die Muskeln (Gastrocnemius des Frosches) untersucht. Seine Versuche zeigen, dafs von einem Muskel, welchen man etwTa zur H\u00e4lfte sorgf\u00e4ltig eingegipst hat, so dafs sich das eingeschlossene St\u00fcck durchaus nicht bewegen kann, bei wiederholter Reizung vorwiegend nur der freigelassene Teil erm\u00fcdet, obgleich der vom Gips umschlossene die Reize empfangen und fortgeleitet hatte. Befreit man den Muskel, sobald das freie Ende keine Zuckungen mehr verzeichnet, aus seiner Gipsumh\u00fcllung w\u00e4hrend die rhythmische elektrische Reizung weitergeht, so beginnt jetzt eine neue Zuckungsreihe, welche von dem bisher an der Reaktionsbewegung verhindert gewesenen Muskelabschnitt herr\u00fchrt. Der Verf. variiert diesen Versuch in mannigfacher Weise und kommt nach experimenteller Ausschaltung anderer Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten zu dem Ergebnis: Der Muskel vermag einen Reiz aufzunehmen und fortzuleiten, ohne eine Reaktionsbewegung auszuf\u00fchren, und es wird bei fortgesetzter Reizung vorwiegend nur die F\u00e4higkeit der Reaktionsbewegung, also der Kontraktion, durch Erm\u00fcdung beeintr\u00e4chtigt, w\u00e4hrend die Reizbarkeit und das Reizleitungsverm\u00f6gen wenig von letzterer betroffen wird; woraus sich auch beim Muskel eine betr\u00e4chtliche Unabh\u00e4ngigkeit des Vorganges der Reizbewegung von dem der Reizaufnahme und Reizleitung ergebe. Jensen (Breslau).\nBrodee Christiansen. Erkenntnistheorie und Psychologie des Erkennens. Hanau, Clauss & Feddersen, 1902. 48 S. Mk. 1,50.\nSeit Locke und Hume erkenntnistheoretische Fragen psychologisch zu l\u00f6sen versuchten, hat man es immer wieder versucht, trotz Kant, die Psychologie zum Fundament und Ausgangspunkt der Erkenntnistheorie zu machen. Und doch behandeln beide Wissenschaften dasselbe Problem der Erkenntnis von ganz verschiedenen Standpunkten aus.\nUnser Erkennen vollzieht sich in Urteilen, Urteile aber sind psychische Gebilde und geh\u00f6ren als solche der Psychologie an. Diese hat festzustellen, aus welchen einfacheren psychischen Gebilden diese sich zusammensetzen, in welchem kausalen Zusammenh\u00e4nge sie mit anderen psychischen Gebilden stehn u. s. w. Alles Tats\u00e4chliche am Urteil f\u00e4llt ins Gebiet der Psychologie. Aber die Frage nach der Wahrheit, der G\u00fcltigkeit eines Urteils \u2014 und darum handelt es sich doch schliefslich beim Erkenntnisprozefs \u2014 vermag die Psychologie nicht zu l\u00f6sen, da diese keine Tatsachen sind. Freilich wird in jedem Urteile vom Urteilenden etwas f\u00fcr wahr gehalten, und diese Meinung hat der Psychologe zu erkl\u00e4ren, ob aber dieser Anspruch auf G\u00fcltigkeit berechtigt ist, vermag er uns nicht aufzuzeigen. Hierzu ist eine andere Methode als die kausale der Psychologie n\u00f6tig.\nZweck und Aufgabe alles Erkennens und somit alles Urteilens ist die Erforschung der Wahrheit. Darum ist uns diese nicht als Tatsache sondern","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n359\nals Aufgabe gegeben, und wollen wir diese Aufgabe n\u00e4her betrachten, so m\u00fcssen wir die Mittel aufsuchen, die zur L\u00f6sung dieser Aufgabe f\u00fchren. Die Methode der Erkenntnistheorie wird also teleologisch sein. Aus der als Endziel aufgestellten Aufgabe werden deduktiv andere Aufgaben entwickelt, die zur Erreichung der ersteren dienen sollen. Die Aufgabe besteht nun darin, einem Objekte denjenigen Wert beizumessen, der ihm zukommt. Da man aber im Verlaufe des Denkens dazu kommen kann, ein Objekt als wertlos zu verwerfen, negative Urteile aber nie eine Bereicherung unserer Erkenntnis bilden k\u00f6nnen, so mufs die Aufgabe dahin abge\u00e4ndert werden, Objekte so umzuformen, dafs wir sie als wertvoll anerkennen m\u00fcssen.\nF\u00fcr die Erkenntnistheorie ist es nun ganz gleichg\u00fcltig, ob die Objekte, an denen sich das Urteil vollzieht, wirklich vorhanden sind, oder ob sie nur undeutlich zum Bewufstsein kommen; ob andererseits das Gef\u00fchl der T\u00e4tigkeit immer bewufst vorhanden ist, oder hinter anderen Erlebnissen zur\u00fccktritt. Und tats\u00e4chlich ist oft statt der Objekte nur ein Surrogat vorhanden, ebenso wie f\u00fcr die Strebungen. Aufgabe der Psychologie ist, diese Surrogate n\u00e4her zu untersuchen; die Erkenntnistheorie hat es nur mit der Bedeutung und dem Werte, der diesen Objekten beigelegt wird, zu tun.\nUm richtig zu urteilen, d. h. um dem Objekt den ihm zukommenden Wert beizulegen, mufs ich um diesen Wert wissen und mein Urteil auf dieses Wissen gr\u00fcnden; ferner mufs mein Urteil unverg\u00e4nglichen Wert haben, jeder andere und zu jeder Zeit mufs zu demselben Urteile gelangen, wie ich jetzt.\nSo w\u00e4ren der Satz vom Grunde, der Identit\u00e4t und vom Widerspruch hergeleitet aus der Aufgabe, richtig zu urteilen. Diese S\u00e4tze sind Normen, nicht Naturgesetze des Denkens; sie besagen, dafs nur bei ihrer Befolgung richtig geurteilt werden kann. W\u00e4ren sie reine Naturgesetze, des Denkens, so k\u00f6nnten nie Denkfehler gemacht werden.\nDas Bewufstsein des Wertes eines Objektes, das #doch notwendig ist, um richtig zu urteilen, wird nun in letzter Linie zur\u00fcckgef\u00fchrt auf ein Gef\u00fchl, das uns den Wert unmittelbar zum Bewufstsein bringt, ein sogenanntes Wahrheitsgef\u00fchl. Es bedeutet, dafs im gegebenen Falle so und nicht anders geurteilt werden soll, es ist also ein Gef\u00fchl der Urteilsnotwendigkeit.\nWenn ein richtiges Urteil Allgemeing\u00fcltigkeit und schlechtsinniges Gelten verlangt, so heifst das, dafs dem Objekte gegen\u00fcber immer eine identische Stellung eingenommen werden mufs. Der Urteilende mufs also zu einem unver\u00e4nderlichen und identischen Subjekte werden, oder wenigstens danach streben. Dieses als Ideal gedachte Subjekt ist das erkenntnistheoretische Subjekt, im Gegensatz zum empirischen Individuum, das in seinen Urteilen Schwankungen ausgesetzt ist.\nErkenntnistheoretisches und empirisches Subjekt unterscheiden sich nun des weiteren noch durch folgendes voneinander: Ersteres ist mit sich identisch, letzterer ist in seinen Funktionen wandelbar, ersteres ist der Beziehungspunkt nur der richtigen Urteile, letzteres aller psychischen Akte. Ersteres ist nicht wirklich, sondern nur ein Ideal, nicht gegeben, sondern","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nLiteraturberich t\nnur aufgegeben, kann daher nicht als Objekt betrachtet werden; letzteres ist eine Wirklichkeit, ein Ich-Objekt.\nBestand die erste Aufgabe darin, richtig zu urteilen, so ist es die zweite Aufgabe der Erkenntnistheorie, die Objekte so umzuformen, dafs sie zu bejahenden Urteilen werden k\u00f6nnen. Dies h\u00e4ngt nun nicht nur von den obersten Normen, sondern auch von dem gegebenen Material ab.\nGegeben sind uns Dinge in Raum und Zeit die in gr\u00f6fsere Kausalzusammenh\u00e4nge eingeschlossen sind. Diese Formen sind nun, wie sie zu variablen Faktoren, unseren Gef\u00fchlen und Willensakten in enger Beziehung stehen, selbst variabel. Da nun aber etwas bejahen so viel heilst, wie ihm absoluten Wert beilegen, so m\u00fcssen diese variablen Formen in identische Formen umgewandelt werden, um Objekt f\u00fcr das erkenntnistheoretische Subjekt zu werden. So mufs der Raum, damit mehrere Subjekt und dasselbe Subjekt zu verschiedenen Zeiten denselben Raum anzuschauen verm\u00f6gen, als mit sich identisch und homogen betrachtet werden, wozu uns die empirische Anschauung gar keine Veranlassung gibt.\nDamit h\u00e4ngt noch eine zweite Aufgabe zusammen. Die empirischen Denkakte verlaufen in der Zeit, m\u00fcssen also mit dem Bewufstsein ihrer Identit\u00e4t reproduziert werden ; da aber zugleich die Objekte in einer unabsehbaren Mannigfaltigkeit in der Anschauung gegeben sind, daher sich nicht fixieren lassen, so m\u00fcssen sie in Begriffe umgewandelt werden, die fixierbar und reproduzierbar sind. Die Prinzipien solcher Umformung sind die Kategorien der Gleichheit, des Unterschiedes, der Zahl etc.\nSo ergibt sich denn als ideales Weltbild, \u201eeine Ordnung absolut zusammengeh\u00f6riger Wirklichkeitselemente im identischen, homogenen Raume und in der identisch homogenen Zeit und mental existierend in der Form des Begriffes\u201c herzustellen. Dies ist freilich nur eine Idee, im Sinne Kants, die wir wohl niemals ganz erreichen werden. Moskiewicz (Breslau).\nR. Schl\u00fctee. Schopenhauers Philosophie in seinen Briefen. Leipzig, Barth, 1900. 125 S.\nDer Verf. dieses lebendig und anregend geschriebenen kleinen Buches unternimmt es, die Philosophie Schopenhaueks aus dessen Briefen zu beleuchten. Entsprechend den vier Hauptteilen des ScHOPENHAUEESchen Systems behandelt er der Reihe nach die Erkenntnistheorie, Metaphysik, \u00c4sthetik und Ethik. Er setzt dabei Schopenhauees System im allgemeinen als bekannt voraus und wendet sein Hauptinteresse den Punkten zu, in welchen, wie er glaubt, Schopenhattee, gedr\u00e4ngt durch die brieflichen Einwendungen seiner Freunde, Feauenst\u00e4dt, v. Doss, Beckee u. a., in seinen Antworten an diese Freunde sich zu einer Modifikation seines Systems verstanden habe derart, dafs der urspr\u00fcngliche Idealismus und schroffe Pessimismus einer mehr realistischen und in gewissem Sinn optimistischen Weltanschauung Platz gemacht habe. Diesem Versuche, in Schopenhauees Ansichten eine Entwicklung und Umbildung fr\u00fcherer Auffassungen nachzuweisen, k\u00f6nnen wir, etwa von ganz Nebens\u00e4chlichem abgesehen, nicht zustimmen, und die Punkte, in welchen der Verf. Widerspr\u00fcche zwischen fr\u00fcheren und sp\u00e4teren Anschauungen zu finden glaubt, sind in anderer Weise zu erkl\u00e4ren. Schopenhauee geht, wie kein anderer Philosoph vor","page":360}],"identifier":"lit33249","issued":"1903","language":"de","pages":"358-360","startpages":"358","title":"Broder Christiansen: Erkenntnistheorie und Psychologie des Erkennens. Hanau, Clauss & Feddersen, 1902. 48 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:56.987952+00:00"}

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