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{"created":"2022-01-31T14:43:51.444808+00:00","id":"lit33250","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Deussen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 360-362","fulltext":[{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nLiteraturberich t\nnur aufgegeben, kann daher nicht als Objekt betrachtet werden; letzteres ist eine Wirklichkeit, ein Ich-Objekt.\nBestand die erste Aufgabe darin, richtig zu urteilen, so ist es die zweite Aufgabe der Erkenntnistheorie, die Objekte so umzuformen, dafs sie zu bejahenden Urteilen werden k\u00f6nnen. Dies h\u00e4ngt nun nicht nur von den obersten Normen, sondern auch von dem gegebenen Material ab.\nGegeben sind uns Dinge in Raum und Zeit die in gr\u00f6fsere Kausalzusammenh\u00e4nge eingeschlossen sind. Diese Formen sind nun, wie sie zu variablen Faktoren, unseren Gef\u00fchlen und Willensakten in enger Beziehung stehen, selbst variabel. Da nun aber etwas bejahen so viel heilst, wie ihm absoluten Wert beilegen, so m\u00fcssen diese variablen Formen in identische Formen umgewandelt werden, um Objekt f\u00fcr das erkenntnistheoretische Subjekt zu werden. So mufs der Raum, damit mehrere Subjekt und dasselbe Subjekt zu verschiedenen Zeiten denselben Raum anzuschauen verm\u00f6gen, als mit sich identisch und homogen betrachtet werden, wozu uns die empirische Anschauung gar keine Veranlassung gibt.\nDamit h\u00e4ngt noch eine zweite Aufgabe zusammen. Die empirischen Denkakte verlaufen in der Zeit, m\u00fcssen also mit dem Bewufstsein ihrer Identit\u00e4t reproduziert werden ; da aber zugleich die Objekte in einer unabsehbaren Mannigfaltigkeit in der Anschauung gegeben sind, daher sich nicht fixieren lassen, so m\u00fcssen sie in Begriffe umgewandelt werden, die fixierbar und reproduzierbar sind. Die Prinzipien solcher Umformung sind die Kategorien der Gleichheit, des Unterschiedes, der Zahl etc.\nSo ergibt sich denn als ideales Weltbild, \u201eeine Ordnung absolut zusammengeh\u00f6riger Wirklichkeitselemente im identischen, homogenen Raume und in der identisch homogenen Zeit und mental existierend in der Form des Begriffes\u201c herzustellen. Dies ist freilich nur eine Idee, im Sinne Kants, die wir wohl niemals ganz erreichen werden. Moskiewicz (Breslau).\nR. Schl\u00fctee. Schopenhauers Philosophie in seinen Briefen. Leipzig, Barth, 1900. 125 S.\nDer Verf. dieses lebendig und anregend geschriebenen kleinen Buches unternimmt es, die Philosophie Schopenhaueks aus dessen Briefen zu beleuchten. Entsprechend den vier Hauptteilen des ScHOPENHAUEESchen Systems behandelt er der Reihe nach die Erkenntnistheorie, Metaphysik, \u00c4sthetik und Ethik. Er setzt dabei Schopenhauees System im allgemeinen als bekannt voraus und wendet sein Hauptinteresse den Punkten zu, in welchen, wie er glaubt, Schopenhattee, gedr\u00e4ngt durch die brieflichen Einwendungen seiner Freunde, Feauenst\u00e4dt, v. Doss, Beckee u. a., in seinen Antworten an diese Freunde sich zu einer Modifikation seines Systems verstanden habe derart, dafs der urspr\u00fcngliche Idealismus und schroffe Pessimismus einer mehr realistischen und in gewissem Sinn optimistischen Weltanschauung Platz gemacht habe. Diesem Versuche, in Schopenhauees Ansichten eine Entwicklung und Umbildung fr\u00fcherer Auffassungen nachzuweisen, k\u00f6nnen wir, etwa von ganz Nebens\u00e4chlichem abgesehen, nicht zustimmen, und die Punkte, in welchen der Verf. Widerspr\u00fcche zwischen fr\u00fcheren und sp\u00e4teren Anschauungen zu finden glaubt, sind in anderer Weise zu erkl\u00e4ren. Schopenhauee geht, wie kein anderer Philosoph vor","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n361\nihm, \u00fcberall von einer Analysis des Wirklichen aus, und was auf diesem Wege gewonnen wird, das kann sich im Grunde so wenig widersprechen wie die Natur selbst, Wohl aber ist es nicht immer leicht, und auch f\u00fcr Schopenhauer nicht leicht gewesen, die innere Zusammenstimmung aller der auf diesem analytischen Wege gewonnenen \u00dcberzeugungen zu erkennen und f\u00fcr sich und andere deutlich darzulegen. In diesem Sinne k\u00f6nnen die vom Verf. beigebrachten Briefstellen und die nachfolgende Diskussion derselben in hohem Grade zu einer tieferen Erfassung der ScHOPENHAUEEschen Gedanken anregen; eine solche aber wird, im Gegens\u00e4tze zur Meinung des Verf., die \u00dcberzeugung nur best\u00e4tigen k\u00f6nnen, dafs Schopenhauer von \u00ce818 bis 1860 in seinen Gedanken durchaus konsequent und sich selbst treu geblieben ist, wie sich dies schon \u00e4ufserlich darin best\u00e4tigt, dafs der erste Band des Hauptwerkes von 1818 in der zweiten Auflage 1844 und in der dritten 1859, von Nebens\u00e4chlichem abgesehen, unver\u00e4ndert wieder abgedruckt worden ist. Es w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, dies bei allen Punkten, in denen der Verf. eine Modifikation der Lehren des Meisters zu finden glaubt, im einzelnen nachzuweisen ; wir begn\u00fcgen uns damit, die prinzipiell wichtigsten Punkte hervorzuheben.\n1.\tSchopenhauers Idealismus ist nie in die Einseitigkeit verfallen, alle Mannigfaltigkeiten der Dinge aus dem Bewufstsein allein abzuleiten, welches vielmehr als eines und dasselbe allen Verschiedenheiten der Natur gegen\u00fcbersteht. Diese m\u00fcssen somit im Ding an sich selbst wurzeln, so wenig wir das auch begreifen k\u00f6nnen. Die transzendentale Idealit\u00e4t der Er-scheinungsvrelt schliefst nicht aus, dafs alles Erscheinende mit seinen tausendfachen Verschiedenheiten eine transzendente Realit\u00e4t habe; aber diese Realit\u00e4t ist eben eine transzendente, raumlose und zeitlose, und bleibt somit unserer Erkenntnis v\u00f6llig unzug\u00e4nglich und verschlossen.\n2.\tDer Wille ist das Ding an sich; er ist dem Bereiche der Kausalit\u00e4t und der Ver\u00e4nderlichkeit v\u00f6llig entr\u00fcckt und kann daher nie ver\u00e4ndert oder gar aufgehoben werden. Die Verneinung des Willens zum Leben, wie sie in jeder moralischen Handlung hervortritt, ist somit nicht eine Aufhebung des Willens, sondern nur des Wollens, des veile. Nicht in diesem, sondern im Nichtwollen, im nolle liegt die wahre und ewige Wesenheit, W'elche nur unserer an die Bejahung gebundenen Auffassung als negativ erscheint, in Wahrheit aber das eigentlich Positive ist, welches seine ungeheuere Macht in den moralischen Handlungen bet\u00e4tigt, im \u00fcbrigen aber unserer Fassungskraft entr\u00fcckt ist und bleibt.\n3.\tDie Handlungen der Verneinung treten im Zusammenh\u00e4nge der empirischen Realit\u00e4t auf und m\u00fcssen sich somit der Kausalit\u00e4t als dem allgemeinen Schema derselben einordnen, daher erscheinen auch sie uns als Wirkungen, die mit Notwendigkeit aus ihren Ursachen hervorgehen. Diese Ursachen sind, wie bei allen empirischen Handlungen einerseits ein Ich, d. h. ein Egoismus als Charakter und andererseits Lust und Schmerz als die ihn bestimmenden Motive. Aber dieses Kausalit\u00e4tsschema ist in den moralischen Handlungen von einem ganz andersartigen Inhalte erf\u00fcllt; es sind nicht mehr Lust und Schmerz des eigenen Individuums, sondern diejenigen der Mitmenschen und Mitgesch\u00f6pfe, welche als Mitleid das moralische Handeln bestimmen, und der durch sie zum Handeln ange-","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nLiteraturbericht.\ntriebene Egoismus ist nicht mehr der individuelle, sondern ein solcher, der alles Lebende und Leidende in seinen Bereich zieht, das Leiden der Mitmenschen zu seinem eigenen macht und so, wie schon Goethe im Faust sagt, \u201esein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitert\u201c. Dieses ist die empirische Form, in welcher die uns unfafsbare Verneinung sich kleidet, um f\u00fcr uns als Erscheinung sichtbar zu werden.\n4. Schopenhauer in seinem Eifer, die imperative Form der KANTischen Ethik zu bek\u00e4mpfen, sieht nicht, dafs auch seiner eigenen, wie jeder Ethik, der imperative Charakter eigen ist, und wird daher auf diesem Punkte durch die Fragen seiner J\u00fcnger in eine Enge getrieben, aus der er, wie seine Antworten beweisen, keinen v\u00f6llig befriedigenden Ausweg findet. Es h\u00e4tte gen\u00fcgt, darauf hinzuweisen, dafs \u00fcberall bei Schopenhauer die Verneinung als das h\u00f6here gegen\u00fcber der Bejahung erscheint, welche als diese Welt sich ausbreitet und, wie sie metaphysisch das Nichtseiende, so moralisch das Nichtseinsollende ist, womit die aller Ethik wesentliche Imperativit\u00e4t anerkannt worden w\u00e4re.\nWie in diesen, so ergibt es sich auch in allen anderen Fragen, die das interessante B\u00fcchlein zur Sprache bringt, dafs zwar Schopenhauer vielleicht nicht jederzeit in konsequenter Weise sich ge\u00e4ufsert hat, dafs aber sein System, eben weil es \u00fcberall auf die Natur sich gr\u00fcndet, wie diese selbst im tiefsten Grunde v\u00f6llig konsequent und mit sich zusammenstimmend ist.\nDeussen (Kiel).\nE. K\u00f6nig. Warum ist die Annahme einer psychophysischen Kausalit\u00e4t zu verwerfen? Zeitschr. f. Philosophie u. philosoph. Kritik 119 (1 u. 2), 22\u201439 u. 113\u2014139. 1902.\nDen fr\u00fcher bereits gegebenen Ausf\u00fchrungen \u00fcber \u201edie Lehre vom psychophysischen Parallelismus\u201c (.Zeitschrift f. Philos. 115, 161 ff.) l\u00e4fst K. hier einen neuen Aufsatz \u00fcber dasselbe Thema folgen, worin er den zahlreichen Angriffen, die er gefunden, zu begegnen sucht. Er will das Problem als \u201eempirisches\u201c, nicht als \u201emetaphysisches\u201c gefafst wissen; die Naturwissenschaft habe dar\u00fcber das erste Wort zu sprechen (27). \u2014 Allein die hier erregte Erwartung, er werde nun die f\u00fcr die Frage entscheidenden empirischen Tatbest\u00e4nde oder gesicherten Ergebnisse der Naturwissenschaft mitteilen, hat K. auch diesmal nicht erf\u00fcllt und nicht erf\u00fcllen k\u00f6nnen. Was er gelegentlich hierauf Bez\u00fcgliches vorbringt, ist eine Wiederholung der Tatbest\u00e4nde, die auch die Gegner niemals bestritten haben. Auf die entscheidende Frage aber, wie von diesen Tatbest\u00e4nden aus, f\u00fcr welche die Annahme geschlossener Naturgesetzlichkeit im rein physikalischen Sinne sich von selbst versteht, ein g\u00fcltiger Schlufs gezogen werden k\u00f6nne auf solche F\u00e4lle, wo zufolge der besonderen vorliegenden Bedingungen eine Wechselwirkung des Physischen mit Aufserphysi-schem, speziell Psychischem, allein ernstlich in Frage kommen w\u00fcrde : darauf hat er keine auch nur ann\u00e4hernd zureichende Antwort gefunden. Denn mit der von niemandem angefochtenen Bemerkung, dafs die den Organismus auf bauenden Elemente dieselben seien, die wir auch in der unorganischen Natur finden (121), wird sich wohl niemand befriedigt erkl\u00e4ren ; und noch weniger mit folgendem etwas dunkel geratenen Satze,","page":362}],"identifier":"lit33250","issued":"1903","language":"de","pages":"360-362","startpages":"360","title":"R. Schl\u00fcter: Schopenhauers Philosophie in seinen Briefen. Leipzig, Barth, 1900. 125 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:43:51.444813+00:00"}