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{"created":"2022-01-31T14:39:13.180760+00:00","id":"lit33252","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wentscher","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 363-365","fulltext":[{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n363\nder offenbar die eigentliche Pointe des K.schen Beweises zum Ausdruck bringen soll: \u201eDa es Tatsache ist, dass in einem materiellen System um so mannigfaltigere und verwickeltere Erscheinungen eintreten, je komplizierter sein Aufbau ist, so darf man wohl schliefsen, dafs die Vorg\u00e4nge im Organismus von denen in der umgebenden \u00e4ufseren Natur nicht wesentlich verschieden sind\u201c (122).\nSo bleibt trotz der K.schen Bem\u00fchungen die L\u00f6sung des Problems auf eine empirische Basis zu stellen, die Tatsache bestehen, dafs bisher keine einzige derartige Erfahrungsinstanz hat geltend gemacht werden k\u00f6nnen, wie sie erforderlich w\u00e4re, um die f\u00fcr ausschliefslich physische Elemente von vornherein selbstverst\u00e4ndliche Annahme geschlossener physischer Gesetzlichkeit auch auf das Gebiet derjenigen Elemente zu \u00fcbertragen, denen \u2014 nach gegnerischer Meinung \u2014 neben ihrer physischen Bedeutung zugleich noch eine psychophysische zukommt, so dafs die Vorg\u00e4nge, die sich hier abspielen, als Funktionen zweier voneinander unabh\u00e4ngiger Variablen, einer physischen und einer psychischen, sich darstellen w\u00fcrden. \u2014 So k\u00f6nnen wir K. nur Recht geben, wenn er selbst sagt, sein Parallelismus dr\u00fccke \u201ezun\u00e4chst\u201c nichts weiter aus, als das Bekenntnis der Unf\u00e4higkeit, das psychophysische Problem in befriedigender Weise zu l\u00f6sen (138).\nZum Schl\u00fcsse noch eins: K. spricht die Meinung aus, dafs durch die gegnerische Ansicht dem geistigen Leben Ketten angelegt werden. Denn auch in dem weiteren, Physisches und Geistiges umfassenden Naturganzen, werde alles einzelne Geschehen als von der blinden Notwendigkeit gleichbleibender Wirkungsgesetze beherrscht zu denken sein (38). Warum diese letztere Annahme gerade hier notwendig sei, wird freilich nicht weiter erkl\u00e4rt; und noch weniger, wie nun umgekehrt die von ihm behauptete Selbst\u00e4ndigkeit des geistigen Lebens (139) soll aufrecht erhalten werden k\u00f6nnen, wenn dieses doch in seinem Ablauf gezwungen ist, dem nach parallelistischer Ansicht doch sicher streng geschlossenen, rein mechanisch bedingten Verlaufe der zugeordneten physischen Vorg\u00e4nge \u00fcberall parallel zu bleiben.\tWentschee (Bonn).\nE. v. Haktmann. Die psychophysische Kausalit\u00e4t. Zeitschr. f. Philosophie u. philos. Kritik 121 (1), 1\u201419. 1902.\nDie Ausf\u00fchrungen H.s verfolgen ein doppeltes Ziel; zun\u00e4chst ein polemisches, negatives, die Abwehr der mifsverst\u00e4ndlichen Angriffe, welche E. K\u00f6nig gegen ihn erhoben; des weiteren aber das positive, in kurzer \u00dcbersicht die in seinen fr\u00fcheren Schriften entwickelten Anschauungen \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von Leib und Seele noch einmal klarzustellen. \u2014 Die gegnerische Forderung, doch einmal ein Beispiel namhaft zu machen, \u201ewelches unzweideutig die Mitwirkung eines immateriellen Agens im Organismus bewiese\u201c, wird als v\u00f6llig haltlos aufgedeckt. In ihr werde \u00fcbersehen, \u201edafs solches Agens, falls es vorhanden, keinesfalls mit den Sinnen oder mit Mefsinstrumenten wahrgenommen, sondern nur mittelbar erschlossen werden kann.\u201c Zu solchem Erschliefsen aber glauben die vitalistischen Richtungen der modernen Biologie (z. B. Reinke) auf Grund umfassendster Detailkenntnis in der Tat sich gen\u00f6tigt (3) ; und K\u00f6nig habe","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nLiteraturbericht.\nkein Recht, diese Ergebnisse \u201eals blofse Symptome einer zeitweiligen Erm\u00fcdung\u201c einfach beiseite zu schieben. \u2014 Nicht etwa schon das Axiom der geschlossenen Naturkausalit\u00e4t \u00fcberhaupt w\u00fcrde der psychophysischen Wechselwirkung entgegenstehen, sondern erst dessen Einschr\u00e4nkung auf die geschlossene Kausalit\u00e4t der unorganischen materiellen Natur nach unorganischen rein physikalischen Gesetzen (4). Aber eben diese Einschr\u00e4nkung sei v\u00f6llig unbegr\u00fcndbar, ja, im h\u00f6chsten Grade unwahrscheinlich (5). So sei die aktive Anpassung eines Organismus nicht aus blofsen \u201eSystemkr\u00e4ften\u201c zu erkl\u00e4ren, die auf den molekularen Dispositionen des materiellen Organismus beruhen, nicht aus den \u201eArbeitsdominanten\u201c, die die Organismen mit den toten Maschinen gemeinsam haben, sondern nur aus sog. \u201eGestaltungsdominanten\u201c, die erstere vor letzteren voraushaben, und ohne welche \u2014 nach Reinke \u2014 keine lebende Zelle in einem Organismus sich zu erhalten vermag (5). \u2014 Demgem\u00e4fs unterscheidet H. \u201emateriierende\u201c und \u201enichtmateriierende\u201c Kr\u00e4fte im Organismus. Erstere identifiziert er mit den sog. Zentra 1 kr\u00e4ften, die ein Potential haben; die letzteren, ohne solches Potential, bleiben immer unwahrnehmbar, beschr\u00e4nken sich auf submikroskopische Wirkungen (7); sie haben die Tendenz, gewisse Kollokationen in den Zentralkr\u00e4ften des Organismus hervorzubringen, wie sie den organischen oder geistigen Zwecken des Individuums gem\u00e4fs sind (9).\nWas nun das Verh\u00e4ltnis des Physischen zum Psychischen anlangt, so sucht H. die dem Begriffe der Wechselwirkung hier entgegenstehenden Schwierigkeiten auf folgendem Wege zu l\u00f6sen. Er schreibt den Seelen der h\u00f6heren Individuen ebenso wie denen der niederen \u201eeine Aufsenseite un-bewufsten thelisch - dynamischen Wirkens\u201c zu (11), die freilich nicht den Schein einer materiellen Raumerf\u00fcllung erweckt (13). Zwischen dieser \u201eAufsenseite\u201c und den \u00fcbrigen \u201ephysischen\u201c Elementen kann somit eine Wechselwirkung stattfinden, die als \u201eisotrope\u201c keine prinzipielle Schwierigkeit mehr bietet; denn hier wirkt nun nach H. unbewufst Psychisches auf unbewufst Psychisches. Aber auch die \u201eallotrope\u201c Wechselwirkung, die zwischen dieser unbewufsten dynamischen Aufsenseite und der bewufsten sensiblen Innenseite innerhalb derselben Kraft oder Individualfunktion die Vermittlung herstellt (121), ist als \u201eintraindividuell\u201c (13) durchaus einwandfrei. \u2014 Somit bildet nach ihm die Hypothese der unbewufst psychischen Funktion das f\u00fcr die psychophysische Kausalit\u00e4t unentbehrliche Zwischenglied (19).\nTrotz allem k\u00f6nnte man nach dem Bisherigen diesen H.sehen Standpunkt mit gewissem Recht immer noch im parallel is tisch en Sinne ausdeuten; man k\u00f6nnte n\u00e4mlich geltend machen: das unbewufst Psychische, wenn man es einmal anerkennen wolle, sei doch als solches immer noch \u2014 begrifflich wenigstens \u2014 verschieden von der \u201ethelisch-dynamischen Auf s enseite\u201c, die hier in isotrope Wechselwirkung mit anderem Psychischen (resp. \u201eunbewufst Psychischem\u201c) gebracht werde. Es sei eben die Innenseite zu jener; und somit k\u00f6nne zwischen ihr und der Aufsenseite zuletzt doch nur ein Zusammenhang nach Art eines parallelistischen behauptet werden. H.s Voraussetzung ihrer Identit\u00e4t \u00fcberspringe mehr die Schwierigkeit, wie etwas an sich Disparates dennoch als wesenseins zu","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n365\nfassen sei, als dafs sie ihr wirklich gerecht werde. \u2014 Allein selbst wenn man hier ein parallelistisches Moment in der H.sehen Lehre zugestehen w\u00fcrde, so unterscheidet sich diese in den entscheidenden Punkten doch zu unzweideutig von der *Grundanschauung der modernen Parallelisten, als dafs diese ihn zu den Ihrigen z\u00e4hlen d\u00fcrften. Seine Erweiterung des Begriffes der Naturgesetzlichkeit und die Aufnahme der \u201enichtmateriierenden Kr\u00e4fte\u201c ohne Potential in diesen Begriff setzt ihn in den Stand, eine \u201eGeschlossenheit der Naturkausalit\u00e4t\u201c, die auch er \u2014 freilich in seinem Sinne nur \u2014 behauptet, mit Selbst\u00e4ndigkeit des psychischen Lebens in einer Weise zu vereinigen, wie das beim Parallelismus v\u00f6llig ausgeschlossen ist. Bei H. ist innerhalb des Gesamtzusammenhanges zwischen Physischem und Psychischem ein Gebiet abgegrenzt, innerhalb dessen die selbst\u00e4ndige \"Regsamkeit des Geistigen die kausale Priorit\u00e4t hat, w\u00e4hrend das Physische (durch das Medium des Unbewufsten vermittelt) nur dazu dient, dieser Regsamkeit nach aufsen hin Ausdruck zu verleihen. Dagegen bleibt es \u2014 wie H. ausdr\u00fccklich hervorhebt \u2014 beim Parallelismus v\u00f6llig unbegreiflich, \u201ewie ohne best\u00e4ndigen Widerspruch und ohne pr\u00e4stabilierte Harmonie ein bestimmtes Prozefsglied sowohl durch seine Stellung in seiner eigenen Reihe als auch durch seine Beziehung zu der anderen eindeutig determiniert sein solle\u201c (16). Das Psychische erscheint hier durch die Doppelbestimmung, dafs es dem Physischen in seinem Verlauf \u00fcberall \u201eparallel\u201c bleiben soll, und dafs andererseits dies Physische ausschliefslich seiner eigenen, rein mechanischen Gesetzlichkeit folgen m\u00fcsse, zur blofsen Funktion dieses letzteren herabgedr\u00fcckt; die daneben dennoch behauptete Selbst\u00e4ndigkeit des Psychischen l\u00e4uft tats\u00e4chlich auf blofse Illusion hinaus.\nNoch zwei Punkte erscheinen in diesem Zusammenh\u00e4nge bemerkenswert: H. erkl\u00e4rt, das Gesetz der \u00c4quivalenz von Ursache und Wirkung habe Geltung nur f\u00fcr unorganische Zentralkr\u00e4fte, aber schon nicht mehr f\u00fcr Kr\u00e4fte ohne Potential ; und noch weniger gelte es \u201ef\u00fcr die Aufsen- und Innenseite derselben Kraft in ihrer allotropen, intraindividuellen Kausalit\u00e4t\u201c (15). \u2014 Ebenso \u00fcbertr\u00e4gt H. den Begriff der \u201eAusl\u00f6sung\u201c ohne Bedenken auf den \u201eEinflufs des bewufsten Motives auf die unbewufste dynamische Bet\u00e4tigung der Seelenkraft oder des Willens\u201c, w\u00e4hrend der Parallelismus \u00fcberall als ausl\u00f6sende Kraft nur das anerkennen will, was innerhalb des Gebietes der mechanischen Physik als solche definiert wird.\nWentscher. (Bonn).\nCh. Sedgwick -Minot. La conscience au point de vue biologique. Revue scientifique 18 (7), 193\u2014200. 1902.\nDer kurze Exkurs gipfelt in der Hypothese : \u201eDas Bewufstsein hat die F\u00e4higkeit, die Form der Energie zu ver\u00e4ndern (changer) ; das Bewufstsein selbst ist weder eine Form der Energie noch ein Zustand des Protoplasmas.\u201c Nach dieser Anschauung gibt es zwei fundamental verschiedene Entit\u00e4ten (choses) im Universum: Die Kraft und das Bewufstsein. Die Annahme einer Materie entf\u00e4llt, da unsere Sinnesempfindungen, wie die Biologie zeigt, ausschliefslich durch Kr\u00e4fte ausgel\u00f6st werden und von einer Materie nichts berichten.\tKreibig (Wien).","page":365}],"identifier":"lit33252","issued":"1903","language":"de","pages":"363-365","startpages":"363","title":"E. v. Hartmann: Die psychophysische Kausalit\u00e4t. Zeitschr. f. Philosophie u. philos. Kritik 121 (1), 1-19. 1902","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:39:13.180766+00:00"}