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{"created":"2022-01-31T16:33:33.240018+00:00","id":"lit33259","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wentscher","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 370-371","fulltext":[{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nLitera turb er ich t.\nIm grofsen und ganzen wird man sagen m\u00fcssen, dafs die gegebene Zusammenstellung und Charakteristik von Voraussetzungen, wie der mathematisch fafsbaren Gr\u00f6lsen, des einen, homogenen, unendlichen Raumes, der mechanischen Grundgesetze, des Energieprinzips u. s. w. eine zutreffende ist. Es handelt sich hier in der Tat um S\u00e4tze, die auf der Erfahrung ruhen, ohne doch Erfahrungss\u00e4tze im engeren Sinn zu sein, um auf die Erfahrung angewandte Definitionen. Es entsteht nun freilich die Frage, wie wir im einzelnen dazu kommen, auf Grund der Erfahrung gerade diese Voraussetzungen als g\u00fcltig anzusehen, gerade dieses Fundament der Wissenschaft zu errichten, eine Aufgabe, die im wesentlichen nur durch eine historisch-psychologische Darstellung zu l\u00f6sen sein wird. An einzelnen Stellen deutet auch P. auf die L\u00f6sung dieser Probleme hin.\nIn dem 4. Abschnitt, \u201ede la nature;\u2018 \u00fcberschrieben, handelt es sich im wesentlichen um die spezielleren S\u00e4tze und die spezifisch so genannten Hypothesen der Physik. Die Stellung, die P. ihnen gegen\u00fcber einnimmt, ist zu Anfang dieses Referats angedeutet worden. Durch Beispiele aus der Optik und Elektrodynamik wird das Gesagte illustriert, v. Aster (Berlin).\nTh. Elsenhans. Theorie des Gewissens. Zeitschr. f, Philosophie u. philosoph.\nKritik 121 (1), 86\u2014102. 1902; (2), 129\u2014140. 1903.\nI.\tDas Wesen des Gewissens sucht E. in gewissen Gef\u00fchlen, die eine besondere Art der ethischen Gef\u00fchle seien, von diesen unterschieden nur durch die Beziehung der in Frage stehenden Handlung auf das eigene Ich (91). Aus dem Begriffe der Handlung \u2014 im Gegensatz zur ethisch-indifferenten Bewegung \u2014 sucht er die weitere Bestimmung abzuleiten, dafs die Wirkung derselben auf andere Menschen, auf das Wohl und Wehe lebender Wesen, ein f\u00fcr das Gewissen charakteristisches Moment sei (93). Die Gewissensreaktion setze ein Sich-hineinf\u00fchlen in den Zustand der von der Handlung Betroffenen voraus (93). \u2014 Demgem\u00e4fs findet E. die allgemeinste Formulierung des Inhalts der Gewissens-\u00e4ufserungen in dem Satze, \u201edafs diejenigen Handlungen die Billigung des Gewissens erfahren, bei welchen die Absicht des Handelnden auf das Wohl anderer Menschen gerichtet ist\u201c, und umgekehrt (101). Das soziale Leben sei der Schauplatz des vom Gewissen gebilligten oder mifsbilligten Handelns (101). Das individuelle Lebensgef\u00fchl des Individuums erweitere sich zum h\u00f6heren Gef\u00fchl f\u00fcr das Leben des sozialen K\u00f6rpers, dessen Glied das Individuum sei (102). \u201eMan k\u00f6nnte deshalb das Gewissen auch das soziale Gemeingef\u00fchl nennen\u201c (102).\nII.\tZur Ergr\u00fcndung der Entstehung des Gewissens untersucht E. das Verh\u00e4ltnis des individuellen zum \u00f6ffentlichen oder generellen Gewissen (129 f.). Im Gegensatz zu den empiristischen Theorien entscheidet er sich f\u00fcr die Annahme einer urspr\u00fcnglichen generellen Gewissensanlage, die sich mit gleich guten Gr\u00fcnden halten lasse, wie die Annahme intellektueller Gattungsanlagen (133). Die historisch nun doch gegebenen Verschiedenheiten der Gewissensaussagen sucht er durch die Hypothese eines m\u00f6glichen \u201eLatentbleibens\u201c jener Anlage zu erkl\u00e4ren (135). \u2014 Die Entwicklung der Gewissensanlage sei abh\u00e4ngig vor allem von der Stufe und Art des sozialen Lebens, als dem materiellen, von der In-","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n371\nt eilig en z als dem formalen Hauptfaktor (136). Anlehnend an moderne Untersuchungen Flechsigs \u00fcber die Gehirnentwicklung, nimmt E. es als wahrscheinlich an, dafs die Gewissensanlage einer hohen Kulturstufe von vornherein eine andere, h\u00f6here sei, als die einer niederen (138 ff.).\nIII. Bei dieser Analyse des Gewissens mufs es zun\u00e4chst Bedenken erregen, dafs das soziale Moment so ausschliefslich in den \"Vordergrund gestellt wird. Es gibt doch zweifellos auch ethische Wertsch\u00e4tzungen und entsprechende Gewissensvorg\u00e4nge, in denen die R\u00fccksicht auf das Wohl und Wehe anderer Wesen gar nicht in Frage kommt. Wer wollte z. B. die Gewissensforderung der Keuschheit, soweit sie lediglich auf eigene Reinerhaltung sich erstreckt, auf das \u201esoziale Gemeingef\u00fchl\u201c zur\u00fcckf\u00fchren. Dafs zuletzt alle in der individuellen Pers\u00f6nlichkeit erreichte ethische Vollkommenheit und Tugendhaftigkeit auch der sozialen Gemeinschaft irgendwie zu gute kommen wird, ist unbestreitbar; aber etwas anderes ist es, jenes individuell Ethische nun ausschliefslich in seiner sozialen Bedeutsamkeit begr\u00fcndet finden zu wollen, womit m. E. dem psychologischen Tatbest\u00e4nde, wie er in der hier in Frage kommenden ethischen Werthsch\u00e4tzung vorliegt, einfach Gewalt getan w\u00fcrde. Vollends w\u00fcrde diese Ausdeutung mit E.s Forderung unvereinbar sein, nichts in die Wesensbestimmung des Gewissens aufzunehmen, was nicht im Gewissensvorgang selbst bewulst gegenw\u00e4rtig sei (89). \u2014 Aber auch bei den auf andere gerichteten Handlungen wird man in dem Sich - hineinf\u00fchlen in deren Zustand das Charakteristische der Gewissensregung oder ihrer Ursache doch nicht suchen d\u00fcrfen; denn alsdann m\u00fcfste das Gewissen bei den unverschuldeten Folgen der Handlung mit gleicher Lebhaftigkeit reagieren, wie bei den beabsichtigten, was E. mit Recht leugnet. \u2014 E.s Analyse ber\u00fccksichtigt zu wenig die aktuellen Erlebnisse des guten und b\u00f6sen Gewissens und deren psychologischen Zusammenhang mit dem bisherigen Entwicklungsg\u00e4nge des Individuums, kurz, die spezifisch individuellen Momente der Gewissenserscheinung. Die individuellen Gewissenserlebnisse h\u00e4ngen nicht von den letzten Wertsch\u00e4tzungen ab, denen unsere generelle Gewissensentwicklung zustrebt, sondern von denen, die wir in unserer individuellen Entwicklung erreicht haben. Indem E. das in der Erfahrung hier deutlich sich kundgebende Moment der Abmessung des eigenen Verhaltens an der bisher von uns selbst erreichten ethischen Bildung und Einsicht geflissentlich beiseite schiebt (89 f.), begibt er sich der M\u00f6glichkeit, den Tatsachen des eigentlichen GewissensVorganges in dem Mafse gerecht zu werden, wie es seinen im \u00fcbrigen h\u00f6chst sorgsamen Untersuchungen wohl zu w\u00fcnschen w\u00e4re.\nWentscher (Bonn).\nCh. A. Mercier. Psychology, Normal and Morbid. London, Swan Sonnenschein; New York, Macmillan; 1901. 518 S.\nDer Verf. hat, wie er im Vorwort erkl\u00e4rt, von jeher den Mangel an einem Lehrbuch empfunden, welches die normalen psychischen Erscheinungen und die krankhaften Abweichungen nebeneinander behandelt. Der Arzt, welcher sich mit den letzteren besch\u00e4ftigt, sollte mit Kenntnissen in der normalen Psychologie ausger\u00fcstet sein. F\u00fcr seinen Gebiauch hat dci","page":371}],"identifier":"lit33259","issued":"1903","language":"de","pages":"370-371","startpages":"370","title":"Th. Elsenhans: Theorie des Gewissens. Zeitschr. f. Philosophie u. philosoph. Kritik 121 (1), 86-102. 1902; (2), 129-140. 1903","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:33.240023+00:00"}