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{"created":"2022-01-31T16:35:21.987918+00:00","id":"lit33260","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Abraham, K.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 371-372","fulltext":[{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n371\nt eilig en z als dem formalen Hauptfaktor (136). Anlehnend an moderne Untersuchungen Flechsigs \u00fcber die Gehirnentwicklung, nimmt E. es als wahrscheinlich an, dafs die Gewissensanlage einer hohen Kulturstufe von vornherein eine andere, h\u00f6here sei, als die einer niederen (138 ff.).\nIII. Bei dieser Analyse des Gewissens mufs es zun\u00e4chst Bedenken erregen, dafs das soziale Moment so ausschliefslich in den \"Vordergrund gestellt wird. Es gibt doch zweifellos auch ethische Wertsch\u00e4tzungen und entsprechende Gewissensvorg\u00e4nge, in denen die R\u00fccksicht auf das Wohl und Wehe anderer Wesen gar nicht in Frage kommt. Wer wollte z. B. die Gewissensforderung der Keuschheit, soweit sie lediglich auf eigene Reinerhaltung sich erstreckt, auf das \u201esoziale Gemeingef\u00fchl\u201c zur\u00fcckf\u00fchren. Dafs zuletzt alle in der individuellen Pers\u00f6nlichkeit erreichte ethische Vollkommenheit und Tugendhaftigkeit auch der sozialen Gemeinschaft irgendwie zu gute kommen wird, ist unbestreitbar; aber etwas anderes ist es, jenes individuell Ethische nun ausschliefslich in seiner sozialen Bedeutsamkeit begr\u00fcndet finden zu wollen, womit m. E. dem psychologischen Tatbest\u00e4nde, wie er in der hier in Frage kommenden ethischen Werthsch\u00e4tzung vorliegt, einfach Gewalt getan w\u00fcrde. Vollends w\u00fcrde diese Ausdeutung mit E.s Forderung unvereinbar sein, nichts in die Wesensbestimmung des Gewissens aufzunehmen, was nicht im Gewissensvorgang selbst bewulst gegenw\u00e4rtig sei (89). \u2014 Aber auch bei den auf andere gerichteten Handlungen wird man in dem Sich - hineinf\u00fchlen in deren Zustand das Charakteristische der Gewissensregung oder ihrer Ursache doch nicht suchen d\u00fcrfen; denn alsdann m\u00fcfste das Gewissen bei den unverschuldeten Folgen der Handlung mit gleicher Lebhaftigkeit reagieren, wie bei den beabsichtigten, was E. mit Recht leugnet. \u2014 E.s Analyse ber\u00fccksichtigt zu wenig die aktuellen Erlebnisse des guten und b\u00f6sen Gewissens und deren psychologischen Zusammenhang mit dem bisherigen Entwicklungsg\u00e4nge des Individuums, kurz, die spezifisch individuellen Momente der Gewissenserscheinung. Die individuellen Gewissenserlebnisse h\u00e4ngen nicht von den letzten Wertsch\u00e4tzungen ab, denen unsere generelle Gewissensentwicklung zustrebt, sondern von denen, die wir in unserer individuellen Entwicklung erreicht haben. Indem E. das in der Erfahrung hier deutlich sich kundgebende Moment der Abmessung des eigenen Verhaltens an der bisher von uns selbst erreichten ethischen Bildung und Einsicht geflissentlich beiseite schiebt (89 f.), begibt er sich der M\u00f6glichkeit, den Tatsachen des eigentlichen GewissensVorganges in dem Mafse gerecht zu werden, wie es seinen im \u00fcbrigen h\u00f6chst sorgsamen Untersuchungen wohl zu w\u00fcnschen w\u00e4re.\nWentscher (Bonn).\nCh. A. Mercier. Psychology, Normal and Morbid. London, Swan Sonnenschein; New York, Macmillan; 1901. 518 S.\nDer Verf. hat, wie er im Vorwort erkl\u00e4rt, von jeher den Mangel an einem Lehrbuch empfunden, welches die normalen psychischen Erscheinungen und die krankhaften Abweichungen nebeneinander behandelt. Der Arzt, welcher sich mit den letzteren besch\u00e4ftigt, sollte mit Kenntnissen in der normalen Psychologie ausger\u00fcstet sein. F\u00fcr seinen Gebiauch hat dci","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nLiteraturbericht.\nVerf. das vorliegende Werk geschrieben, in welchem er eine systematische Darstellung der Psychologie und Logik gibt und der eingehenden Behandlung des Normalen in jedem Kapitel einen knappen Abrifs der pathologischen Verh\u00e4ltnisse gegen\u00fcberstellt. Das Ganze ist in sechs Abschnitte geteilt; darin werden F\u00fchlen, Denken, Wollen, Ged\u00e4chtnis, Lust und Unlust, Bewufstsein behandelt. Der erste Abschnitt ist ohne ersichtlichen Grund sehr kurz gehalten und geht sehr wenig ins Spezielle. Das WEBEEsehe Gesetz wird sozusagen nur en passant behandelt. Dagegen geht der Verf. im zweiten Abschnitt mit gr\u00f6fster Ausf\u00fchrlichkeit auf die Arten der Schlufs-bildung ein und gibt lange Er\u00f6rterungen \u00fcber Trugschl\u00fcsse, \u00fcber Wahrscheinlichkeit, Irrtum etc. Nur wenige Zeilen sind der Apperzeption gewidmet. Verf. erblickt in ihr keine besondere Funktion, sondern nur eine Form des Denkens. F\u00fcr keinen bestimmten Standpunkt entscheidet er sich in der Theorie der Hallucinationen.\nNoch einiges ist zu erw\u00e4hnen, was das Buch nicht enth\u00e4lt, da aus dem Titel dar\u00fcber nichts hervorgeht. Die experimentelle Psychologie hat keinen Raum darin gefunden. Auch stellt der Verf. keinerlei Beziehungen zwischen der Psychologie und der Anatomie des Zentralnervensystems und der Sinnesorgane her. Die Frage des \u201eParallelismus\u201c wird nicht ber\u00fchrt.\nSomit haben wir ein rein abstrakt gehaltenes Werk vor uns, das wegen eben dieser Eigenschaft in medizinischen Kreisen, f\u00fcr die es speziell berechnet ist, nicht leicht Anklang finden wird. Was der Verf. uns aber gibt, das bietet er uns in klarer Darstellung und origineller Form. Was das Werk interessant macht, ist das rein Subjektive, das der Verf. hineingelegt hat. Er will zeigen, wie er den Fragen gegen\u00fcbersteht und gibt uns so gewissermafsen ein Werk aus einem Guts. Diese Eigenart zeigt sich \u00e4ufserlich schon darin, dafs das Buch auf mehr als 500 Seiten nicht eine einzige Fufsnote mit Literaturnachweisen u. dergl. enth\u00e4lt. \u2014 Die vorliegende Arbeit bildet eine Fortsetzung und Erg\u00e4nzung fr\u00fcherer Publikationen Meeciers: \u201eNervous System and the Mind\u201c und \u201eSanity and Insanity.\u201c\tK. Abraham (Dalldorf).\nC. M. Giessler. \u00dcber den Einflufs von K\u00e4lte und W\u00e4rme auf das seelische\nFunktionieren des Menschen. Vierteljahrsschrift f\u00fcr wissenschaftliche Philosophie, N. F., 1 (3), 319\u2014338. 1902.\nBei empfindlicher K\u00e4lte und Hitze, so f\u00fchrt der Verf. aus, werden im Organismus Selbstregulierungen ausgel\u00f6st, welche eine Beschr\u00e4nkung des erhaltungswidrigen W\u00e4rmeverlustes bezw. W\u00e4rmezuwachses bezwecken. Diesen physiologischen Vorg\u00e4ngen entspricht im Psychologischen eine \u201eVerminderung der Vorstellungsmaterie\u201c und eine qualitative \u201eVer\u00e4nderung der Vorstellungsgrundlagen, u. zw. des Aufmerkens, des Erzeugens und Festhaltens der Vorstellungen. Die K\u00e4lte sowohl wie die Hitze \u201ehat ein \u00dcberhandnehmen der Vorstellungsgef\u00fchle gegen\u00fcber den ausgepr\u00e4gten Vorstellungen zu Folge\u201c. Unvollst\u00e4ndigkeit, Unbestimmtheit, Schnelligkeit und Diskontinuit\u00e4t im Vorstellen, Willensschw\u00e4che und ethischer Laxismus begleiten solche Temperaturextreme. Nach der Ansicht des Verf.s soll bei K\u00e4lte eine Abstumpfung, bei Hitze dagegen eine Steigerung des Widerwillens gegen Un\u00e4sthetisches eintreten. \u201eAm g\u00fcnstigsten f\u00fcr das Bestehen","page":372}],"identifier":"lit33260","issued":"1903","language":"de","pages":"371-372","startpages":"371","title":"Ch. A. Mercier: Psychology, Normal and Morbid. London, Swan Sonnenschein; New York, Macmillan; 1901. 518 S.","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:35:21.987923+00:00"}