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{"created":"2022-01-31T16:35:55.748543+00:00","id":"lit33265","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Piper, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 32: 420-421","fulltext":[{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nLiteraturbericht.\nM. Lewandowsky. \u00dcber die Verrichtungen des Kleinhirns. Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie, Physiolog. Abteilung, 129\u2014191. 1903.\nDie zahlreichen Versuche von partieller und totaler Exstirpation des Kleinhirns, \u00fcber welche L. berichtet, haben zwar keine neuen tats\u00e4chlichen Ergebnisse von wesentlicher Bedeutung zutage gef\u00f6rdert, wohl aber f\u00fchrt die theoretische Analyse der beobachteten Erscheinungen den Autor zu Vorstellungen \u00fcber die funktionellen Aufgaben des fraglichen Hirnteiles, welche in manchen Punkten nicht unerheblich von denen fr\u00fcherer Forscher abweichen.\nDas Krankheitsbild der operierten Tiere wird in der ersten Periode durch die Erscheinung der Zwangsbewegungen beherrscht, in sp\u00e4teren Stadien dagegen tritt der als Ataxie bezeichnete Symptomenkomplex mehr und mehr in den Vordergrund. L. ist der Ansicht, dafs die zwangsm\u00e4fsigen Ortsbewegungen, welche nach Exstirpation einer Kleinhirnh\u00e4lfte als rotierende Bewegung des K\u00f6rpers nach der operierten Seite, bei symmetrischen Verletzungen und Ausfall des Wurmes als B\u00fcckw\u00e4rtsbewegungen hervortreten, als Ph\u00e4nomene von wesentlicher Bedeutung und Eigenart aufzufassen sind und f\u00fcr jede Theorie der Kleinhirnverrichtungen eine fundamentale Wichtigkeit haben. Im Gegensatz zu Luciani werden die Zwangsbewegungen als Ausfalls-, nicht als postoperative Reizerscheinungen auf-gefafst und zur Begr\u00fcndung dieser Ansicht wird in erster Linie die lange Dauer der bez\u00fcglichen Erscheinungen (mindestens 4 Wochen) angef\u00fchrt. Demnach erscheint das Kleinhirn als ein Organ, in welchem ein Teil der Richtungs- und Lageempfindungen des K\u00f6rpers im Raume lokalisiert sind ; deren Ausfall bei Verletzung oder Ausschaltung des Kleinhirns w\u00fcrde dann die auf irrt\u00fcmlichen Richtungs- und Raumvorstellungen beruhenden Zwangsbewegungen hinreichend motivieren.\nIn gleicher Ordnung mit den Zwangsbewegungen, welche bei niederen S\u00e4ugern, Hunden, Kaninchen etc. das Bild beherrschen, stehen nach L. die bei h\u00f6heren S\u00e4ugern mehr hervortretenden Schwindelerscheinungen. Der Schwindel erscheint hier sozusagen als Korrelat der Zwangsbewegungen : Die objektive St\u00f6rung des Verhaltens des K\u00f6rpers im Raume tritt zur\u00fcck, die St\u00f6rung der subjektiven Vorstellung von den Richtungen dagegen in den Vordergrund.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n421\nDer in der zweiten Krankheitsperiode zu beobachtende Symptomen-komplex der Ataxie wird von Luciani nach 3 Gesichtspunkten aufgel\u00f6st: Man beobachtet 1. Astasie, d. i. das Unverm\u00f6gen kleinhirnoperierter Tiere eine ruhige Haltung zu bewahren; 2. Atonie, d. i. Herabsetzung des Muskeltonus, Schlaffheit der Muskeln in der Ruhe; 3. Asthenie, eine Verminderung der Muskelenergie in der T\u00e4tigkeit. Das Bestehen von Astasie und Atonie wird von L. als richtig anerkannt, eine Asthenie im Sinne Lucianis dagegen entschieden bestritten und zwar haupts\u00e4chlich auf Grund von Erscheinungen, welche auch Luciani beobachtet hat und als \u201eDysmetrie\u201c, Mafslosigkeit der Extremit\u00e4tenbewegungen, bezeichnet hat. Gerade dieses Symptom, welches auf unzweckm\u00e4fsig grofses Aufgebot von Muskelenergie schliefsen l\u00e4fst, stellt Lewakdowsky nun in den Mittelpunkt seiner Darstellung und folgert daraus, dafs alle motorischen St\u00f6rungen nach Kleinhirnverletzung von St\u00f6rungen des Muskelsinnes oder des Lagesinnes, nicht aber von Schw\u00e4che der Muskelaktion begleitet sind. Alle Beobachtungen vereinigen sich nach L. also zu dem Nachweise, \u201edafs die Kleinhirnataxie eine sensorische Ataxie ist; sie beruht auf einer schweren St\u00f6rung des Muskelsinnes, die zur Folge hat, den Verlust der F\u00e4higkeit, die Bewegungen abzustufen, die verh\u00e4ltnism\u00e4fsige St\u00e4rke und Schnelligkeit und die Reihenfolge der einzelnen oder synergisch verbundenen Muskelkontraktionen zu regeln, daher die Bewegungen den ausgesprochenen Charakter der Unzweckm\u00e4fsigkeit erhalten.\u201c\nDie Tatsache, dafs die Folgen der Kleinhirnverletzung und -Exstirpation sich mit der Zeit mehr oder weniger ausgleichen, dafs ferner die bestehenden Erscheinungen noch durch Grofshirnverletzungen gesteigert werden k\u00f6nnen, f\u00fchrt zu dem Schlufs, dafs das Kleinhirn nicht etwa ausschliefslich eine Zwischenstation zum Grofshirn f\u00fcr die Bahnen des Muskelsinnes ist, dafs es vielmehr Bahnen des Muskelsinnes gibt, welche ohne Vermittlung des Kleinhirnes zum Grofshirn ziehen. Der Muskelsinn erscheint demnach auf zwei, bis zu einem hohen Grade voneinander unabh\u00e4ngige Zentralorgane verteilt, welche sich innerhalb gewisser Grenzen gegenseitig vertreten k\u00f6nnen. Beide Zentren differieren hinsichtlich der Rolle, welche das Be-wufstsein f\u00fcr die Koordination der Bewegungen spielt: W\u00e4hrend der im Grofshirn lokalisierte Teil des Muskelsinnes die Bewegung durch die Verarbeitung zur bewufsten Vorstellung beeinflufst, greift die Regulierung durch das Kleinhirn in denjenigen Teil einer jeden Bewegung ein, welche unterhalb der Grofshirnstufe des Bewusstseins verl\u00e4uft.\nH. Piper (Berlin).\nMax Rothmann. Die Erregbarkeit der Extremit\u00e4tearegion der Hirnrinde nach Ausschaltung zerebrospinaler Bahnen. Vorgetragen in der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Archiv f\u00fcr Physiologie (lu. 2), 154\u2014155. 1902.\nVerf. untersucht durch Experimente an Hunden und Affen die Frage, wie sich die Reizung der Extremit\u00e4ten von der Hirnrinde aus verh\u00e4lt, wenn die Pyramidenbahnen ausgeschaltet sind.\nDie wesentlichsten Resultate sind folgende :\n1. Die Leitung von der Hirnrinde zu den gekreuzten Extremit\u00e4ten benutzt die Pyramidenbahn und das MoxAKOWSche B\u00fcndel.","page":421}],"identifier":"lit33265","issued":"1903","language":"de","pages":"420-421","startpages":"420","title":"M. Lewandowsky: \u00dcber die Verrichtungen des Kleinhirns. Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie, Physiolog. Abteilung, 129-191. 1903","type":"Journal Article","volume":"32"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:35:55.748548+00:00"}