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{"created":"2022-01-31T16:30:08.399122+00:00","id":"lit33328","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wirth, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 31: 277-282","fulltext":[{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"277\nLit eraturb erich t.\nTheodor Lipps. Vom F\u00fchlen, Wollen und Denken. Eine psychologische Skizze.\nSchriften der Gesellschaft f\u00fcr psychologische Forschung 3 (13 h. 14). Leipzig, J. A. Barth, 1902. 196 S. Preis 6,40 Mk.\nDie Abweichung von der Reihenfolge, die bei einer allgemein gehaltenen Aufz\u00e4hlung der drei psychischen \u201eGrundverm\u00f6gen\u201c gew\u00f6hnlich eingehalten wird, l\u00e4fst schon von vorne herein die speziellere Aufgabe einer Psychologie des Gef\u00fchles hervortreten. Durch die Einordnung des F\u00fchlens in die volle Trias gibt uns jedoch der Verf. sogleich zu erkennen, dafs jenes Thema ganz von selbst zu einer nahezu gleich umfassenden Ber\u00fccksichtigung des gesamten psychischen Lebens hinf\u00fchrt. Wie s\u00e4mtliche einzelnen Gef\u00fchlserlebnisse, die als Qualit\u00e4ten des unmittelbar erlebten Ich den gegenst\u00e4ndlichen Inhalten der Empfindungen und Vorstellungen gegen\u00fcberstehen, sozusagen als gemeinsamen Kern das psychische Lebensgef\u00fchl \u00fcberhaupt enthalten, so entsprechen sie auch alle als die einzelnen Modifikationen desselben bis hinein in die unz\u00e4hligen konkreten Variationen den speziellen Formen des psychischen Lebens, d. h. der Wechselwirkung der einzelnen Faktoren und Wertungen in uns und der an uns herantretenden Reize mit den ihnen entstammenden Dispositionen. Die ganze Schrift zeigt somit die Grundgedanken der gesamten Psychologie des Verf., wie sie in der Hauptsache schon aus den bisherigen Werken bekannt ist, von diesem einen grolsen Gesichtspunkte aus. Dem Wesen der Gef\u00fchle entsprechend heben sich nun Gegens\u00e4tze nach verschiedenen Richtungen heraus. So werden zun\u00e4chst im ersten Kapitel drei Grundgegens\u00e4tze des psychischen Geschehens als Gegens\u00e4tze des Gef\u00fchles erkannt: Erstens die Perzeption oder das einfache Dasein eines Inhaltes f\u00fcr mich und die Apperzeption oder die Beachtung, durch welche der Inhalt zugleich mit allem Apperzipierten in den engeren Zusammenhang des geistigen Lebens gegen\u00fcber der unterapperzeptiven Sph\u00e4re emporsteigt und zur vollkommensten psychischen Stellung gelangt, zweitens das Gegenstandsgef\u00fchl oder das Bewufstsein des Verh\u00e4ltnisses des Gegenstandes zu meiner Perzeption bezw. Apperzeption und das Perzeptions- bezw. Apper-zentionsgef\u00fchl oder das Bewufstsein des Verh\u00e4ltnisses der Perzeption bezw. Apperzeption zu mir. Diese vier Gef\u00fchle werden nun nochmals ge-m\u00e4fs des dritten Grundgegensatzes der Freiheit oder der Subjektivit\u00e4t als des Bewufstseins des Herstammens aus mir und der Ge-","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nLiteraturbericht.\nbundenheit oder der Objektivit\u00e4t als des Bewufstseins der Gegenst\u00e4ndlichkeit und der Unabh\u00e4ngigkeit von mir geschieden, und ergeben sich so der obigen Reihenfolge entsprechend die acht Hauptbeispiele, welche bei dieser ganzen Einteilung vorschwebten : Das freie Phantasieren und das Wirklichkeitsbewufstsein; die Apperzeption, die als Laune oder Ergebnis der zuf\u00e4lligen Vorbereitung bewufst ist, und diejenige, welche einer Forderung des Gegenstandes folgt; die perzeptive Freiheit (bei Phantasie und Erinnerung) und die perzeptive Gebundenheit (bei der \u00e4ufseren Wahrnehmung); und endlich die aktive und die passive Apperzeption. Der Versuch einer scharfen Abtrennung des Gegensatzes der Aktivit\u00e4t und der Passivit\u00e4t oder der N\u00f6tigung von dem Gegens\u00e4tze der Subjektivit\u00e4t und der Objektivit\u00e4t oder der Forderung des Gegenstandes zieht sich durch die ganze Schrift hindurch, wie \u00fcberhaupt alle diese Grundgegens\u00e4tze alle sp\u00e4ter behandelten Einteilungen in entsprechender Weise kreuzen k\u00f6nnen.\nDer zentralen Bedeutung des Gef\u00fchles entspricht aber nun vor allem auch noch die besondere Modifikation, je nachdem das augenblickliche seelische Geschehen als Zustand oder Bewegung in sich abgeschlossen und vollendet ist oder, wie es, abgesehen von idealen Grenzf\u00e4llen, infolge einer gleichzeitigen Hemmung der Vollendung der psychischen Tendenz eigentlich immer vorkommt, in einer mehr oder weniger konkret bewufsten Richtung ab zielt. Diesem letzteren Tatbest\u00e4nde entspricht das Gef\u00fchl des Strebens in Verbindung mit einem Gef\u00fchl der Spannung, deren Grad jedoch mit der Energie des Abzielens selbst nicht verwechselt werden darf. Dabei dr\u00e4ngt sich vor allem der Gegensatz des aktiven und passiven Strebungsgef\u00fchles auf. Meinem Streben im pr\u00e4gnanten Sinne steht das Streben ,,in mir\u201c oder auch \u201egegen mich\u201c gegen\u00fcber. Beim strebenden Fortgehen (im Unterschiede vom zust\u00e4ndlichen, sozusagen von einem Punkt aus ruhig abzielenden Strebens) wird hieraus der Gegensatz des Bewufstseins von Tun und Leiden. Das Aktivit\u00e4tsgef\u00fchl bedeutet nun jederzeit ein augenblicklich herrschendes positives Wertinteresse der Pers\u00f6nlichkeit, wie sie als einheitlicher dispositioneller Inbegriff aller Aktivit\u00e4t \u00fcberhaupt bei der nachtr\u00e4glichen Betrachtung der fertig erlebten inneren Wirklichkeit erscheint. In der Passivit\u00e4t f\u00fchlt man hingegen die Wirksamkeit einer von diesen gerade herrschenden Wertinteressen verschiedenen Tendenz, welche auch in einem nur eben augenblicklich wTeniger oder gar nicht \u201evorherrschenden\u201c Wertinteresse bestehen kann. Je nach der apperzeptiven Betonung der Wertinteressen einerseits oder der hemmenden Faktoren andererseits, bei subordinierender Hinzunahme der Gegeninstanz, wird f\u00fcr ein und den n\u00e4mlichen inhaltlichen Gegensatz von Tendenz und Hemmung der Aktivit\u00e4ts-bezw. Passivit\u00e4tscharakter vorherrschen. Beim Widerstreben ist der einheitliche Tatbestand der Negation der Hemmung das positive Interesse, wovon wiederum die isolierte Betonung der Hemmung als Hineinversetzung in das Fremde am meisten verschieden ist. Dem Fehlen konkurrierender Strebungen entspricht das besondere Moment der Freiheit der Aktivit\u00e4t. Hingegen entsteht aus konkurrierenden Tendenzen je nach Lage des Schwerpunktes das Bewufstsein der (praktischen oder theoreti-","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n279\nsehen) M\u00f6glichkeit, Wahrscheinlichkeit und Gewifsheit als ein \u201eVerschmelzungsgef\u00fchl\u201c, wie es insbesondere sp\u00e4ter f\u00fcr das Gebiet des Intellektuellen genauer behandelt wird. Der Befriedigung des aktiven Strebens, bei welchem beil\u00e4ufig das Bewufstsein der Idendit\u00e4t des erreichten mit dem beim Streben \u201egemeinten\u201c Ziel als besonders interessantes Problem erscheint, mufs konsequenterweise beim Auswirken des Widerstandes in der Passivit\u00e4t der Zwang und das endg\u00fcltige Erleiden in Parallele gesetzt werden.\nVon der jederzeit subjektiv, sei es offensiv oder defensiv, bestimmten Aktivit\u00e4t und Passivit\u00e4t ist nun zu unterscheiden die \u201eobjektive Tendenz\u201c aller gegenst\u00e4ndlichen Erlebnisse, uns so zu erscheinen, wie uns die Gegenst\u00e4nde der Empfindung, bezw. das unmittelbare Erleben \u00fcberhaupt, welche die letzten Ursachen und Vorbilder aller gegenst\u00e4ndlichen Erlebnisse auch innerhalb der Erinnerung und Phantasie ausmachen, urspr\u00fcnglich gegeben waren, d. h. als wirkliche Gegenst\u00e4nde, wom\u00f6glich sogar mit Empfindungsfrische. Verf. hat auch sonst schon immer auf die \u00dcbereinstimmung dieser Annahme mit gewissen abnormen Erscheinungen hingewiesen, wie \u00fcberhaupt das Pathologische auch da, wo hier nicht besonders daran erinnert wird, vom Verf. so weit als m\u00f6glich ber\u00fccksichtigt wurde. Am unmittelbarsten zeigt sich das Dasein dieser \u201eTendenz\u201c in dem Bewufstsein des \u201eMeinens\u201c der wirklichen Gegenst\u00e4nde auch bei Erinnerung und Phantasie und der M\u00f6glichkeit alles Vorstellbaren \u00fcberhaupt. Bei ihrer von keiner Gegentendenz gehemmten Behauptung und Auswirkung ergibt sich eben das Bewufstsein der Wirklichkeit, welches f\u00fcr einen Gegenstand zun\u00e4chst, d. h. abgesehen von einer Aufhebung durch Gegentendenzen ein f\u00fcr allemal g\u00fcltig bleibt. Der Kampf der objektiven Tendenzen beim Widerspruchsbewufst-sein ist ein Zustand, dem auch ein subj ektives Wertinteresse entgegensteht, worauf die Denkt\u00e4tigkeit beruht. Die Abweisung einer objektiven Tendenz wfird im Bewufstsein der JSTi cht wirklichkei t erlebt, wie es den Charakter des Subjektivit\u00e4tsbewufstseins der Phantasiegebilde vervollst\u00e4ndigt. Trotz ihres Unterschiedes k\u00f6nnen aber auch objektive Tendenzen von subjektiven Wertinteressen und den aus dem psychologischen Zusammenhang entspringenden Faktoren unterst\u00fctzt werden. Hieraus entspringt die Geneigtheit, an das Erw\u00fcnschte und Gewohnte, das Neue und Seltsame, und schliefslich sogar an das Schreckliche zu glauben.\nDie endg\u00fcltige Bestimmung des sachlichen Verh\u00e4ltnisses der subjektiven Strebungen zu den objektiven Tendenzen bringt aber erst das vierte Kapitel \u00fcber die \u201eGesetze des Strebens\u201c. Auch alles subjektive aktive und passive Streben ist auf Gegenst\u00e4nde gerichtet und k\u00f6nnen die verschiedenen Arten der m\u00f6glichen Ziele schliefslich inhaltlich alle, in \u00dcbereinstimmung mit den entsprechenden Ausf\u00fchrungen des vorigen Kapitels, auf eine allgemeine Tendenz zur Vervollst\u00e4ndigung zum gegenst\u00e4ndlichen vollen Erleben, die Apperzeption inbegriffen, zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. So erweisen sich also auch hier gerade die objektiven Tendenzen als die eigentliche gegenst\u00e4ndliche Grundlage des Geschehens. Der Lustcharakter auf Grund des Wertinteresses k\u00f6nnte das Wirklichkeitsstreben nicht schaffen, falls es nicht von Hause aus in dem Zielgegenstande l\u00e4ge.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nLiteraturbericht.\nDas subjektive Streben entsteht also nur dadurch, dafs eine objektive Tendenz von einem pers\u00f6nlichen oder allgemein psychischen Interesse getragen wird. Dies zeigt sich insbesondere darin, dafs das Bewufstsein der M\u00f6glichkeit des Zieles f\u00fcr das Streben die unerl\u00e4fs-liche Vorbedingung ist. Das Wesen des subjektiven Strebens besteht also in einer besonderen Wirksamkeit der objektiven Tendenzen bei Unterst\u00fctzung durch subjektive Momente, wenn diese letzteren die objektiven Gegentendenzen nicht, wie beim subjektiv bedingten Glauben, zu \u201eabsorbieren\u201c verm\u00f6gen.\nDas Kapitel \u00fcber \u201eassoziativ bedingte Gef\u00fchle und Strebungen\u201c erweitert sowohl das Gebiet des Subjektiven als auch des Objektiven \u00fcber die auf einfache Qualit\u00e4ten gerichteten T\u00e4tigkeiten und Tendenzen hinaus. Sowohl die Ahnlichkeits- als auch die Erfahrungsassoziation ordnen sich dem genannten allgemeinen Schema der \u201eVervollst\u00e4ndigungstendenz\u201c unter. Kur bedeutet die erstere ein subjektives, aktives oder passives, Streben nach dem Festhalten gemeinsamer Merkmale innerhalb des Fortschreitens, und zeitigt das Bewufstsein ihrer Erf\u00fcllung, bezw. Hemmung am reinsten innerhalb ein und des n\u00e4mlichen Apperzeptionsaktes beim Vergleiche als Bewufstsein der Idendit\u00e4t etc., womit also eine Gruppe spezifischer Apperzeptionsgef\u00fchle gegeben ist. Die Erfahrung\u00bb* assoziation ist hingegen eine \u201eobjektive Tendenz\" der Vervollst\u00e4ndigung zu erfahrungsgem\u00e4fsen Komplexen. Die Erwartung, welche ihr entspringt, ist also wiederum ein Bewufstsein der Forderung einer gegenst\u00e4ndlichen Zuordnung, nicht meines Strebens. Ein charakteristisches Ergebnis der relativen Unabh\u00e4ngigkeit dieser objektiven assoziativen Tendenz ist das Bewufstsein der unbedingten logischen Kotwendigkeit, welche auf Seiten des subjektiven Strebens kein volles Analogon besitzt. Das Bekanntheits- und Keuheitsgef\u00fchl erweist sich als eigenartige Mischung aus subjektiven und objektiven Tendenzen.\nAls Enderfolg des Strebens ist nun durch Verbindung subjektiver und objektiver Faktoren der dargelegten xlrt das Wollen erm\u00f6glicht. W\u00e4hrend ich mir beim blofsen W\u00fcnschen bewufst bin, selbst nichts zur Erf\u00fcllung tun zu k\u00f6nnen, ist das Wollen ein Streben nach Erf\u00fcllung durch mich, d. h. eben durch mein Streben, bezw. Tun (s. o.), also zugleich mit dem Wissen der M\u00f6glichkeit seiner Erf\u00fcllung durch mein Tun. Diese letztere bildet daher hier den Inhalt der diesem speziellen Streben zugrunde liegenden \u201eobjektiven Tendenz\u201c. Und zwar versteht Verf. unter \u201efertigem\u201c Wollen nur ein solches Streben nach einem gegenw\u00e4rtigen Tun, w\u00e4hrend er den Entschlufs, sp\u00e4ter etwas zu tun, nur als W\u00fcnschen gelten l\u00e4fst. Sobald nun die Erf\u00fcllung nicht wie beim Streben nach Apperzeption, beim Besinnen und bei der \u00e4ufseren Willenshandlung unmittelbar aus dem Streben hervorgeht, wird der besondere an sich zweckm\u00e4fsige Mechanismus der psychischen Stauung wirksam, der durch r\u00fcckl\u00e4ufige Aktualisierung der Erfahrungsassoziationen eine m\u00f6gliche Br\u00fccke von \u201eMitteln\u201c zu dem erstrebten \u201eZweck\u201c von dem gegenw\u00e4rtigen Zustand aus bewufst werden l\u00e4fst. Die Wirksamkeit dieses Automatismus zur L\u00f6sung praktischer und theoretischer Fragen, insbesondere auch zur Korrektur der Kausalerkenntnis, hat Verf. auch sonst bereits ausf\u00fchrlich behandelt. Aus","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n281\neinem solchen Assoziationsmechanismus erkl\u00e4rt sich auch die auf sere Willenshandlung, deren zugeh\u00f6riger Impuls bei seinem urspr\u00fcnglich zuf\u00e4lligen Auftreten mit seinem Erfolg assoziiert wurde und daher beim sp\u00e4teren Streben nach dem Erfolg mitsamt seiner psychophysischen Wirkungsf\u00e4higkeit reproduziert werden kann, ohne dafs Verf. dem Impulsvorgang w\u00e4hrend der urspr\u00fcnglichen \u201eTriebbewegung\u201c ein strebungsartiges Bewufstseinskorrelat zuerkennt.\nAn diese Darlegungen der speziellen Ausgestaltung des Ichgef\u00fchles schliefst sich nun im 7. Kapitel ein \u00dcberblick \u00fcber die Wertgef\u00fchle der Lust und Unlust, die allen Gef\u00fchlen als besondere F\u00e4rbung zukommen k\u00f6nnen. Genauer gesagt h\u00e4ngt diese Wertkomponente aber erst an der Charakterisierung der gef\u00fchlsbetonten Erlebnisse hinsichtlich ihrer psychischen Quantit\u00e4t. Diese kann aus dem besonderen positiven oder negativen Quantit\u00e4tsgef\u00fchl erschlossen werden, d. h. aus dem \u00fcber oder unter einem gewohnten Mittel liegenden Grade, wie unsere Aufmerksamkeit durch einen Gegenstand in Anspruch genommen wird oder wie wrir uns aktiv mit ihm besch\u00e4ftigen. Auch hier kreuzt sich der Gegensatz des passiven und aktiven mit dem des subjektiv und objektiv bedingten Quantit\u00e4tsgef\u00fchles, w'elch letzteres dem Grade der bewufsten Empfindungsintensit\u00e4t entspricht. Bestimmt nun schon die resultierende Gesamtquantit\u00e4t des Vorganges den verschiedenen Charakter der Lust und Unlust als einer \u201eleichten\u201c oder \u201eschweren\u201c etc., so wird auch die Entscheidung des Wertcharakters selbst nach dem allgemeinen Wertungsgesetze unter Ber\u00fccksichtigung der \u201eQuantit\u00e4ten\u201c eine exaktere Darstellung zulassen. Vach diesem Gesetze resultiert die Lust aus einem richtigen Verh\u00e4ltnis des Anspruches des gegenst\u00e4ndlichen Erlebnisses zu der Bereitschaft der momentan zu aktualisierenden Pers\u00f6nlichkeitsfaktoren in dem oben angedeuteten Sinne. Die Bereitschaft ist nun des genaueren eine solche zu einer bestimmten Form der apperzeptiven Gliederung der Gegenst\u00e4nde, wie es sich zun\u00e4chst aus der Gef\u00fchlswirkung der im Bewufst-sein als Mannigfaltigkeit auftretenden Gegenst\u00e4nde ergibt. Auch diese Gliederung erh\u00e4lt erst durch Einsetzung der einzelnen Quantit\u00e4ten ihre volle konkrete Bedeutung. Die Quantit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse bilden aber nun ferner auch zusammen mit der Auffassung aller psychischen Inhalte als Prozesse die Hauptbr\u00fccke zur Hereinziehung der aufserbewufsten, unter Umst\u00e4nden physiologisch zu deutenden Bedingungen in die Ableitung ge-setzm\u00e4fsiger Zusammenh\u00e4nge zwischen gegenst\u00e4ndlichen Erlebnissen und Gef\u00fchlen, wie ja auch schon der Sinn der in dem genannten Wertungsgesetze verbundenen Faktoren jene Erweiterung \u00fcber die Bewufstseins-inhalte als solche hinaus mit zu umfassen vermag. Speziell die Analyse der Wertgef\u00fchle den Tonverbindungen gegen\u00fcber l\u00e4fst eine hypothetische rhythmische Gliederung der unbewufsten Prozesse f\u00fcr die im Bewufst-sein einfachen und einheitlichen Elemente annehmen und damit die Elementar- auf die Formgef\u00fchle zur\u00fcckf\u00fchren, wobei insbesondere die bekannten qualitativen \u00c4hnlichkeitsbeziehungen der begleitenden Gef\u00fchle nach dem \u201eaffektiven\u201c Erregungscharakter der Erlebnisse die genauere Bestimmung der Form des Rhythmus in \u00dcbereinstimmung mit der Hypothese erleichtern. Als wichtiger Charakter der Wertgef\u00fchle, der eben-","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturb er i chi.\nfalls einer Eigent\u00fcmlichkeit der tats\u00e4chlichen dispositioneilen Wertungsgrundlage, und zwar hier ihrem \u201eUmfange\u201c in der Pers\u00f6nlichkeit entspricht, wird endlich noch die Tiefe des Gef\u00fchles hervorgehoben. Auch hier kann Verf. f\u00fcr alle Einzelheiten auf seine bisherigen Werke, insbesondere \u201eKomik und Humor\u201c, sowie auf seine demn\u00e4chst zu erwartende \u00c4sthetik verweisen.\nWar nun im vorigen Kapitel mehr an die in den Gegenst\u00e4nden selbst liegenden Gef\u00fchlsbedingungen gedacht, so behandelt das 8. Kapitel unter den \u201eArten der Gef\u00fchlsbeziehungen\u201c diejenigen Gef\u00fchle, welche aus den schon oben immer den Gegenst\u00e4nden gegen\u00fcbergestellten psychologischen Beziehungen resultieren. Das ebenfalls hierhergeh\u00f6rige intel-lektuale Gef\u00fchl des logischen Zusammenstimmens war in der Hauptsache schon vorausgenommen. In all diesen Gef\u00fchlen \u00e4ufsert sich entweder die Stellung zu den erf ahrun gsgem\u00e4f sen Beziehungen, wie bei Bekanntheit, Neuheit etc., oder das qualitative Hi neinpassen in den augenblicklich herrschenden allgemeinen Rhythmus oder endlich die Beschaffenheit dieser Ablaufs weise selbst hinsichtlich ihrer Einheitlichkeit, Leichtigkeit und Kraft bezw. des Gegenteiles. Von dem letzten dieser drei Gesichtspunkte gelangt Verf. zu den Selbst wertgef&hien, die aus einer (nachtr\u00e4glichen) Betrachtung der an und f\u00fcr sich wertvollen Aktivit\u00e4t innerhalb dieses Ablaufes resultieren, welche das Material f\u00fcr den Begriff der Pers\u00f6nlichkeit im engeren Sinne bildet. In Fortsetzung dieses Gedankens stellt das letzte Kapitel \u00fcber \u201edie objektiven Werte und das Sollen\u201c zun\u00e4chst das Hauptproblem hinsichtlich der ethischen Wertgef\u00fchle, wie n\u00e4mlich eine negative Wertung der Pers\u00f6nlichkeit m\u00f6glich sei, wo doch die eigene T\u00e4tigkeit, also der Gegenstand dieser Wertung, selbst stets auf den momentan herrschenden Wertinteressen beruht. Das R\u00e4tsel l\u00f6st die Annahme, dafs die momentan aktuellen Pers\u00f6nlichkeitsfaktoren im allgemeinen nur einen Ausschnitt aus der einheitlichen Pers\u00f6nlichkeit ausmachen, die sich auf Grund der gesamten psychologischen Erfahrung bei den verschiedenen Individuen mehr oder weniger vollkommen entwickelt und neben den momentan gerade herrschenden Faktoren in verschiedenem Umfange aktuell werden kann. Dieser besonderen Basis entsprechend enth\u00e4lt dieses Wertgef\u00fchl den Charakter des in sich Gefestigten, relativ gegenst\u00e4ndlich \u00fcber die zuf\u00e4llig aktuellen Motive Hinausreichenden. Der vollen \u201eHerrschaft\u201c dieser einheitlichen Pers\u00f6nlichkeit entspricht das Bewufstsein der \u201esittlichen Freiheit\u201c. So schliefst denn auch die Schrift mit dem Hinweis auf die genauere Behandlung dieser Probleme der psychologischen Ethik in des Verfassers \u201eEthischen Grundfragen\u201c.\nWilhelm Wirth (Leipzig).\nTheodor Lipps. Einheiten und Relationen. Eine Skizze zur Psychologie der\nApperzeption. Leipzig, J. A. Barth, 1902. 101 S. Preis 3,60 Mk.\nAuch diese Schrift geht wie die vorige in ihrem Grundgedanken darauf aus, die Analvse des Gesamtbewufstseins \u00fcber die blofse Aner-kennung von gegenst\u00e4ndlichen Inhalten der Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken hinaus m\u00f6glichst zu bereichern. W\u00e4hrend aber in jener ersteren, wie erw\u00e4hnt, das den gegenst\u00e4ndlichen Inhalten gegen\u00fcberstehende","page":282}],"identifier":"lit33328","issued":"1903","language":"de","pages":"277-282","startpages":"277","title":"Theodor Lipps: Vom F\u00fchlen, Wollen und Denken. Eine psychologische Skizze. Schriften der Gesellschaft f\u00fcr psychologische Forschung 3 (13 u. 14). Leipzig, J. A. Barth, 1902. 196 S.","type":"Journal Article","volume":"31"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:30:08.399128+00:00"}